Protocol of the Session on January 25, 2017

(Zuruf FDP: Oh!)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen explizit, dass die Regierungsfraktionen die Abstimmung freigegeben haben. Viele der Stellungnahmen in den schriftlichen und mündlichen Anhörungen sprechen für unseren Entwurf. So verlangen insbesondere die Verbraucherzentrale, Aeternitas, die Humanistische Union und der Verband der unabhängigen Bestatter, dass das Selbstbestimmungsrecht des Verstorbenen gewürdigt und beachtet wird und er selbst bestimmen können soll, was nach

seinem Tod mit ihm passiert. Es gehe nicht um das Pietätsgefühl der Hinterbliebenen, sondern um das Menschsein des Verstorbenen zu seinen Lebzeiten.

Es gibt keinerlei Beweis dafür, dass nur auf einem Friedhof an einem Grab getrauert werden kann, meine Damen und Herren. Das zeigt zum Beispiel auch die Unterstützung der Vertreter des Islam für unser Gesetzesvorhaben. Frau Kollegin Nicolaisen, eines habe ich in Ihrer Rede leider vermisst: Sie sind überhaupt nicht auf den Teil zu den Fristen für die Bestattung eingegangen, die gerade den Menschen islamischen Glaubens entgegenkommen. Das finde ich sehr schade, denn Sie haben mir heute Morgen beim Frühstück noch erzählt, dass es für Sie durchaus infrage kommen würde, an dieser Stelle das Bestattungsgesetz lockern zu lassen.

Die wenigen bemerkenswerten Beanstandungen, die in den schriftlichen Anhörungen geäußert wurden, haben wir in unserem Änderungsantrag korrigiert. Damit haben wir den Entwurf weiter konsensfähig gemacht. Es ist ein guter Gesetzentwurf.

Lieber Kollege Matthiessen, ich würde gerne noch einmal auf Ihr Implantat-Argument eingehen, auch wenn Sie mir gerade nicht zuhören. Es ist kein Problem - das haben uns die Krematorien versichert -, die Totenasche so weit zu zermahlen, dass sie in staubförmiger Form ist. Es ist völlig egal, ob es sich um einen Toten mit Implantaten handelt oder um einen Toten ohne Implantate.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das gilt aber nicht für einen Titan-Nagel!)

- Auch ein Titan-Nagel lässt sich zermahlen, Herr Garg.

(Beifall PIRATEN)

Ich möchte betonen, dass unser Entwurf von Anfang 2016 auf den Anregungen vieler Bürgerinnen und Bürger beruht. Diese forderten genau das, wofür wir uns hier eingesetzt haben. Schon 2013 wurden wir über unsere Seite Open-Antrag aufgefordert, einen solchen Entwurf einzubringen. Der Antragsteller schrieb damals unter anderem:

„Damit würde Schleswig-Holstein seinem Anspruch als weltoffenes liberales Bundesland unterstreichen und würde dem Wunsch vieler Bürger nach einem etwas individuelleren Bestattungsrecht Rechnung tragen.“

(Beifall PIRATEN)

Gemeint war die Angleichung des Bestattungsrechts an den seinerzeit vorliegenden Entwurf aus Bremen. Solche Meinungsäußerungen aus dem

(Dr. Ekkehard Klug)

Volk haben uns die gesamte Beratungszeit hindurch begleitet.

So schreibt zum Beispiel eine Dame am 4. Oktober 2016:

„Persönlich bin ich derart kirchenfern, dass ich nicht einmal nach meinem Ableben mit Teilen dieser Institution in Verbindung gebracht werden möchte.“

Und sie schreibt weiter:

„Mein Tod ist meine Privatangelegenheit, denn ich sterbe ihn ganz allein. Niemand wird mit mir gehen! Ich gehe ihm ständig entgegen (wie übrigens jeder andere Mensch auch), im vollen Bewusstsein meiner Zeitlichkeit.“

Weiter schreibt sie:

„Der Tod eines nahestehenden Menschen ist den Angehörigen Herzensangelegenheit und sollte im kommunalen Haushalt nicht nur als Rechenposten aufscheinen.“

(Beifall PIRATEN)

Sie finden diesen Brief auch im Umdruck 18/6835; dort können Sie ihn gern noch einmal nachlesen.

Jetzt haben sich auf unsere Nachfrage auch andere zu Wort gemeldet, die bisher geschwiegen haben, und zwar eben diejenigen, um die es geht, nämlich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

Es wurde vorhin schon erwähnt: Wir haben in einer repräsentativen Umfrage eine Unterstützung von 74 % der Befragten erhalten, und bei den 14- bis 29-Jährigen waren es sogar 91 %. Das sind sehr hohe Umfragewerte.

Frau Nicolaisen, es ist natürlich nicht möglich, in einer Telefonumfrage den kompletten Gesetzestext vorzulegen und noch einmal zu erklären, was er genau bedeutet. Sie haben es vorhin vorgelesen. Ich glaube, die Frage wurde sehr präzise und sachlich gestellt.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Stimmen Sie für unseren Gesetzentwurf! Setzen Sie sich für ein weltoffenes Schleswig-Holstein ein!

(Beifall PIRATEN)

Dann möchte ich noch im Rahmen der Geschäftsordnung einen Antrag stellen. Für den Gesetzentwurf in der Fassung der Ausschussvorlage beantrage ich, über jede Nummer einzeln abstimmen zu lassen, wobei bei Nummer 4 über Nummer 4 a) wegen dessen inhaltlicher Selbstständigkeit gesondert

und über die Nummer 4 b) und 4 c) zusammen abgestimmt werden soll. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Lieber sollte über jeden Satz einzeln abge- stimmt werden!)

Vielen Dank. - Für die Kolleginnen und Kollegen des SSW hat nun der Kollege Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben schon in der ersten Lesung zum Bestattungsgesetz eine Debatte geführt, und dort sind viele Aspekte der Bestattungskultur schon angesprochen worden. Wir haben uns seinerzeit offen für eine Diskussion über eine Reform des Bestattungswesens gezeigt. Und auch nach der Anhörung im Ausschuss sind wir immer noch offen für Veränderungen.

Man kann aber auch ganz glasklar sagen, dass Fragen rund um das Bestattungswesen doch auch sehr persönliche Fragestellungen sind und dass sie auch sehr stark ethische Gesichtspunkte und Standpunkte berühren. Deshalb ist es richtig, dass jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete hier nach alleinigen Sichtweisen entscheidet.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Betrachtet man den gesamten Gesetzentwurf, so kann man für den SSW sagen, dass er in Gänze für uns nicht zustimmungsfähig ist. Zu viele Punkte haben sich gerade auch nach der Anhörung als zu weitgehend gezeigt. Ich sage das deshalb, weil sich für uns nach der Anhörung ganz klar herausgestellt hat, dass die eigene Bestattung nicht nur etwas mit den eigenen Vorstellungen, sondern auch etwas mit dem allgemeinen Pietätsempfinden und auch mit den Bedürfnissen der Hinterbliebenen zu tun hat.

Hier muss gerade auch der Staat Grenzen setzen, in denen dann die eigene persönliche Entscheidung getroffen werden kann. Auch hier gilt: Alles, was machbar oder denkbar ist, muss nicht unbedingt auch sinnvoll sein.

Nach der Anhörung haben sich aber vor diesem Hintergrund mehrere Punkte ergeben, bei denen wir als SSW Veränderungsbedarf sehen.

(Beifall SSW)

(Uli König)

Ein erster Punkt ist dabei die Frage, ob die Asche des Verstorbenen auch verstreut werden können soll. Wir sagen vom Grundsatz her Ja zu dieser Bestattungsform, da sie durchaus von Teilen der Menschen gewollt ist und man durchaus noch pietätvoll mit dieser Bestattungsform umgehen kann. Zugleich muss man ja auch feststellen, dass es jetzt schon Einäscherungen gibt und sich somit nicht gravierend viel ändern würde. Eine würdevolle Bestattungsfeier wäre möglich, aber vor allem - das ist wichtig - wäre dies auch eine Möglichkeit für manch einen, selbstbestimmt eine Bestattungsform zu wählen, die vergleichsweise kostenarm vonstatten gehen könnte.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

In dieser Verbindung steht auch unser zweiter Reformpunkt. Wir sehen es als sinnvoll an, dass man den Gemeinden erlaubt, bestimmte Flächen für die Verstreuung von Asche auszuwählen. Aber auch hier würden wir enge Grenzen setzen. Es müsste ein vorher ausgewähltes Gebiet sein, zum Beispiel ein Teil eines Friedhofes, ein Teil eines Parkgeländes oder auch eine naturbelassene Landschaftsfläche. Und dieses Gebiet müsste dauerhaft für diesen Zweck ausgewiesen werden. Was ganz entscheidend ist: Die Fläche müsste für jedermann zugänglich sein. Privatflächen schließen sich da für uns aus, weil dort die dauerhafte Zugänglichkeit für jedermann eben gerade nicht gegeben wäre. Hier denken wir vor allem an die Hinterbliebenen, die trotz zum Beispiel möglicher Streitigkeiten mit dem Grundbesitzer oder auch Verkauf des Grundstücks Zugang zur Bestattungsfläche des Verwandten oder Freundes haben müssen, was dann nicht immer gewährleistet wäre.

Ein dritter Punkt, der reformiert werden könnte, wäre nach unserer Auffassung die zeitnahe Bestattung nach jüdischer und muslimischer Tradition. Die Anhörung hat gezeigt, dass es wohl kein Problem mit der Leichenbeschau geben würde und eine Fristverkürzung somit unproblematisch wäre, sodass wir hier wirklich eine praktische Hilfe geben könnten, die keines Mehraufwandes bedarf.

(Beifall PIRATEN)

Lassen Sie mich aber auch sagen, dass wir auch einige Punkte kritisch sehen. Mit der Urne auf dem Kaminsims haben wir erhebliche Probleme. Jeder mag da seine eigenen Vorstellungen haben. Aber hier ist das allgemeine Pietätsempfinden betroffen, und vor allem spielt auch hier wieder die uneingeschränkte Zugänglichkeit eine Rolle. Die wäre hier gar nicht mehr gegeben, meine Damen und Herren.

Denn mal ehrlich: Wer klingelt schon am Sonntagnachmittag bei irgendjemandem, um dann 10 Minuten still im Wohnzimmer eines womöglich fremden Menschen eines Toten zu gedenken? Ich glaube, dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass dies so nicht geht.

Dieses Beispiel soll zeigen, dass eben tatsächlich nicht alles, was denkbar ist, auch die denkbar beste Lösung sein muss. Das hat aber auch nichts mit Bevormundung, sondern mit Pietätsempfinden und den Werten einer Gesellschaft zu tun.

Für eine behutsame Weiterentwicklung des Bestattungswesens wären wir zu haben. Aber wir müssen neben den Wünschen des Verstorbenen auch die der Hinterbliebenen sowie die Werte und das Pietätsempfinden unserer Gesellschaft mitbedenken. Wenn wir das tun, dann ist das richtig. Wenn wir das unterlassen, wäre das fatal. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Zu einem Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Abgeordnete Andreas Tietze von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.