Wir tun den Beschäftigten keinen Gefallen, Herr Dr. Tietze, wenn wir hier Sonntagsreden halten und dann möglicherweise nicht beobachten, dass bei der angedachten Fusion mit der Provinzial Rheinland unter Umständen diese Klausel in dem Fusionsvertrag nicht mehr enthalten sein könnte. Gehen Sie einmal davon aus, dass unsere nordrhein-westfälischen Freunde zunächst auch an sich denken und nicht an uns und die Gemeinsamkeiten. Die Situation der Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen ist noch dramatischer als die Situation der Sparkassen bei uns in Schleswig-Holstein.
Aus der Vergangenheit kenne ich eine Reihe von Verträgen, die das Land mit Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen geschlossen hat, bei denen wir heute sagen können, Herr Dr. Stegner, dass diese nicht zugunsten unseres Landes waren. Denken wir allein an den Verkauf der HDW-Anteile, an die Wohnungsübertragung und an den Verlust von mehreren 100 Millionen €. Dabei hat man nicht daran gedacht, bei einem Weiterverkauf der Wohnungen Schleswig-Holstein angemessen zu beteiligen. Worauf müssen wir also achten? Wir müssen darauf achten, dass wir nicht über den Tisch gezogen werden. Sie können davon ausgehen, dass die Opposition unter Einschluss aller Beteiligten sehr sorgfältig darauf achten wird, dass den großen Reden auch die richtigen Taten folgen werden.
Herr Dr. Tietze, ich habe das mit der Beute nicht richtig verstanden. Bisher habe ich vernommen, dass die Sparkassen aus purer Not nach einer Möglichkeit suchen, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken. Nicht die Allianz hat beschlossen, die Provinzial zu kapern. Vielmehr waren die Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen und in SchleswigHolstein der Auffassung, dass es möglicherweise Sinn ergeben kann, Kasse zu machen, Liquidität zu produzieren, um die Eigenkapitalbasis zu stärken.
Wie ist das zustande gekommen? Sie müssen jetzt Abschreibungen auf ihre Anteile bei der HSH Nordbank hinnehmen, die sie nur widerwillig übernommen haben. Bitte erlauben Sie mir diesen kleinen Schlenker: Die Geschäfte, um die es geht und die die jetzigen Abschreibungen verursachen, sind in einer Zeit entstanden, Herr Dr. Stegner, in der Sie im Aufsichtsrat saßen. Wenn wir schon über Verantwortung reden, dann sollten wir auch diesen Punkt ansprechen.
Das betrifft nicht nur die HSH Nordbank. Die Sparkassen müssen auch Abschreibungen die Landesbank Berlin betreffend übernehmen, und zwar in einer erheblichen Größenordnung. Auch die Abwicklung der WestLB - noch so ein gigantisches Projekt der deutschen Bankenlandschaft - kostet das Land Nordrhein-Westfalen und die dortigen Sparkassenverbände immense Summen mit der Folge, dass sie schlicht und ergreifend und der Not gehorchend nach Möglichkeiten suchen, ihre Kapitalbasis zu stärken oder zumindest zu erhalten.
Deshalb werden wir uns ganz genau anschauen, was Sie mit dem Sparkassengesetz in SchleswigHolstein machen wollen. Wo soll es denn herkommen für die Sparkassen in Schleswig-Holstein, wenn Sie ihnen die Möglichkeit nehmen wollen, dass sich die Haspa beteiligen kann? Wo soll es denn herkommen, Herr Dr. Stegner? Das fällt doch nicht vom Himmel. Es ist nichts in der Kasse.
Insofern sollten Sie etwas herunterkommen und deeskalierendere Formulierungen wählen. Vielleicht revidieren Sie auch einmal Ihre Vorurteile und suchen gemeinsam mit uns nach pragmatischen Lösungen, die es ermöglichen, diesen stabilen Zweig der Betriebswirtschaft aufrechtzuerhalten und die Versorgung der Wirtschaft sicherzustellen. Im Zweifel sollten Sie auch dafür Sorge tragen, dass die Menschen in Schleswig-Holstein nicht nur über Weihnachten, sondern auch im nächsten Jahr ruhig schlafen können, weil sie von der Provinzial ordentlich versichert werden, wie ich es übrigens auch bin. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer schlecht, wenn man als Vorletzter spricht; denn dann kann man nur Wiederholungen anbringen. Deswegen erspare ich mir einiges.
Vieles von dem, was ich eben gehört habe, ist richtig. Die Solidaritätsbekundung, die wir heute Morgen geschlossen geleistet haben, war notwendig und richtig. Vieles von dem, was der Kollege Tietze gesagt hat, unterstreiche ich ausdrücklich. Das ist so.
Ich möchte den Blick auf einen anderen Aspekt richten, nämlich auf die aus meiner Sicht schlimme Arbeitgeberkultur, die wir seit Helios beobachten. Wir mussten feststellen, wie mit 2.000 bis 3.000 Mitarbeitern bei der Provinzial umgegangen worden ist, die eine Woche lang ein Wechselbad der Gefühle mitmachen mussten, das man sich selbst auf keinen Fall wünscht.
Vor diesem Hintergrund ist die Arbeitnehmerkultur, die ich heute Morgen erlebt habe, als sich die Mitarbeiter der Provinzial ausdrücklich zu Herrn Rüther bekannt haben, umso bemerkenswerter. Das war menschliche Größe. Diese wünsche ich mir insbesondere von Arbeitgebern gegenüber Arbeitnehmern, wie es hier bei der Provinzial geschehen ist.
Die Provinzial ist ein öffentlicher Versicherer und wird von mir immer als ein seriöses Regulativ im Versicherungsmarkt bezeichnet. In kultureller und sportlicher Hinsicht leistet sie unheimlich viel für uns. Außerdem ist die Provinzial ein großer Arbeitgeber. Ferner braucht die Stadt Kiel dringend die 9 Millionen € Steuereinnahmen aus dem Lebensversicherungsgeschäft, das hier zentral angesiedelt ist. Das ist eine öffentliche Versicherung. Mit dem Auftrag der Gemeinwohlorientierung unterscheidet sich die Provinzial erheblich von dem, was eine private Versicherung machen würde.
Vor diesem Hintergrund braucht das Land die Provinzial. Das Land braucht die Mitarbeiter. Deshalb brauchen die Provinzial und deren Mitarbeiter unsere Solidarität, die wir heute Morgen gezeigt haben. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich im Namen des SSW meinen Respekt davor zollen, dass sich die Beschäftigten heute bei diesen Temperaturen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihr Unternehmen eingesetzt haben. Das ist eine großartige Leistung, die die Beschäftigten heute an den Tag gelegt haben.
Wenn wir heute über die Provinzial reden, dann reden wir eigentlich über zwei Themen. Einerseits reden wir über die Zukunft der Provinzial NordWest. Andererseits reden wir über die Finanznot der Sparkassen, die die Ursache dafür ist, dass man überhaupt über Verkäufe redet.
Heute wurde deutlich, dass es im Zusammenhang mit der Provinzial um die Förderung von Sport, Feuerwehr, Kultur und vielem mehr geht. Das ist aber nur möglich, wenn man einen öffentlichrechtlichen Status hat, wenn man am Markt nicht so agiert, wie dies die großen Versicherungskonzerne tun. Das haben der Fußballverband, der Feuerwehrverband und kulturelle Organisationen bereits im Vorfeld deutlich gemacht. An dieser Stelle ist der gesellschaftliche Wert einer öffentlichen Einrichtung ganz deutlich zu sehen, meine Damen und Herren. Deshalb ist es natürlich klar, dass wir ein sehr großes Interesse daran haben, die Provinzial in dieser Rechtsform weiter aufrechtzuerhalten.
Darüber hinaus tragen wir natürlich auch Verantwortung für die rund 3.000 Arbeitsplätze bei uns im Land. Das ist uns klar.
Um es einmal deutlich zu sagen: Die Allianz sitzt in München und nicht in Kiel. Wenn ein so großer Konzern unsere Provinzial übernimmt, dann müssen wir damit rechnen, dass Arbeitsplätze verlagert werden, und zwar in Richtung Süden. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Deshalb ist es gut, dass wir als Landtag versuchen, uns dagegen zu wehren.
Meine Damen und Herren, eine Fusion mit der Provinzial Rheinland hätte möglicherweise den gleichen Effekt. Der Kollege Kubicki hat gerade auf die Nöte in Nordrhein-Westfalen hingewiesen und damit auch auf die Nöte der Provinzial Rheinland, die zwar kleiner ist als unsere Provinzial Nordwest. Da der Anteil der Nordrhein-Westfalen jetzt schon wesentlich größer ist als unser Anteil, würde der Einfluss der Nordrhein-Westfalen aber noch weiter gestärkt werden. Es wird sicherlich so sein, dass dieser Einfluss auch dazu führen kann, dass Arbeitsplätze bei uns infrage gestellt werden.
Deswegen erscheint eine Fusion zwar zunächst einmal sinnvoll. Eine Fusion hilft auch, die Provinzial im Vergleich zu anderen großen Unternehmen auf stabilere Füße zu stellen. Wir sollten aber nicht blauäugig in diese Verhandlungen hineingehen und denken, dass das ein Selbstläufer ist. Vielmehr haben wir als Land Schleswig-Holstein die Verpflich
Selbst dann, wenn wir das so mit der Provinzial hinbekommen würden, ist damit nicht das Problem der Sparkassen gelöst. Das ist die eigentliche Ursache, warum wir überhaupt darüber reden. Das Finanzproblem der Sparkassen - insbesondere bei uns, mit Blick auf die Volumina in größerem Maße aber auch in Nordrhein-Westfalen - ist der eigentliche Ursprung dieser Verkaufsverhandlungen.
Lassen Sie es mich einmal so sagen: Ich komme aus einem Gebiet der Nospa, und der Nospa geht es nicht gut. Die haben Druck. Außerdem gibt es drei Sparkassen in Schleswig-Holstein, die einem enormen Finanzdruck ausgesetzt sind. Auch an dieser Stelle tragen wir Verantwortung, meine Damen und Herren. Wenn wir sagen, dass die Provinzial nicht verkauft werden darf - dahinter stehen wir alle -, dann müssen wir auch sagen, wie wir den Sparkassen helfen wollen.
Das bedeutet, dass wir dringend mit den Sparkassen darüber reden müssen, wie wir eine mögliche Novelle des Sparkassengesetzes gestalten
Für den SSW kann ich sagen, dass wir das völlig ideologiefrei angehen, weil wir die Notwendigkeiten sehen. Wir kennen auch die Notwendigkeiten in Bezug auf die HSH Nordbank, bei der wir Anteilseigner sind. Auch das gehen wir ideologiefrei an.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass uns das Problem sonst wieder einholt, nämlich spätestens im März 2013, sollten wir jetzt mit den Sparkassenvertretern ins Gespräch kommen. Mit diesen sollten wir in Ruhe und sachlich besprechen, wie ein zukünftiges Sparkassengesetz aussehen muss, damit die Sparkassen in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Dabei sollte auch darüber diskutiert werden, was die Sparkassen selbst dazu beitragen können in Bezug auf Fusionen und ähnliches, um wenn man so will - sich selbst am eigenen Schopfe aus dem Elend herausziehen zu können.
Meine Damen und Herren, deshalb sichern wir selbstverständlich den Beschäftigten der Provinzial unsere Unterstützung zu, gerade auch als SSW. Das machen wir auf allen Ebenen solidarisch.
Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch mit den Sparkassen Gespräche führen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir das tun werden. Ich bin davon überzeugt, dass auch die Landesregierung dies tun wird. Wenn die Landesregierung diese Gespräche führt, wird es möglicherweise Resultate geben. Diese Resultate müssen wir im Parlament besprechen, um zu gucken, dass die Sparkassen tatsächlich aus der Not herauskommen. Wenn die aus der Not herauskommen, ist mir um die Provinzial nicht mehr bange.
In der zweiten Runde hat zunächst der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zwei Anmerkungen zur Debatte machen. Erstens. Weil das ja protokolliert wird und nicht das stehen bleiben soll, was historisch anders war in der Debatte um die Provinzial: Seinerzeit hat die FDP eine Vollprivatisierung gefordert und von Milliardenerlösen geredet. Wir waren immer gegen Privatisierungen. Die Nachbesserungsklausel hat Peer Steinbrück ausgehandelt. - Das nur, damit wir da nicht auf der falschen Seite sind.
Zweitens. Zum Sparkassengesetz, und das ist der wichtigere Punkt. Beim Sparkassengesetz wird gesagt: Hände weg vom Sparkassengesetz. Kollege Kubicki sagt, man müsse das vorurteilsfrei angehen. Ich möchte Sie gern mit einem Zitat aus dem Januar 2009 erfreuen. Da hat die FDP erklärt, wie sie sich das mit dem Sparkassengesetz vorstellt. Sie verfolge seit Jahren das Ziel, die Sparkassen zu privatisieren, sie in Aktiengesellschaften umzuwandeln und mit 49,9 % privates Kapital zuzulassen. Dazu erklärte Ihr Vorsitzender Kubicki im Landtag:
„Ich will sagen, dass meine Fraktion selbstverständlich als Second-best-Lösung dem Beitritt der Haspa zum schleswig-holsteinischen Sparkassenmarkt zustimmen wird... Wir sind uns nämlich definitiv sicher, dass dies der Einstieg in die weitere Öffnung des Sparkassenwesens in Schleswig-Holstein sein wird.“
Das heißt Privatisierung über europäische Klagen. Das wollen wir in diesem Haus nicht, und das werden wir auch verhindern.
Ich gehöre nicht zu denen, die die Haspa als Bösewicht ansehen; sie ist auch keine Wohltäter, sondern sie ist eine Sparkasse und ein Unternehmen. Wenn sie sich hier engagiert, ist das in Ordnung, allerdings darf das nicht mit dem Risiko passieren, dass man die Tür öffnet, irgendeiner klagen kann, und am Ende die Deutsche Bank oder sonst irgendjemand dabei ist und unser Sparkassen- und dreigliedriges Bankenwesen tot ist.