Protocol of the Session on September 23, 2016

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deshalb ist es völlig berechtigt, dass wir die Fachanforderungen eingesetzt haben. Im Übrigen ist es so, dass die Fachanforderungen ab Klasse 5 aufwachsend angewandt werden. Die Lehrkräfte haben genügend Zeit.

Meine Wahrnehmung ist, dass Sie eher einer sehr kleinen Gruppe, die aber so laut war, dass Sie sie gehört haben, hinterhergelaufen sind. Sie sollten sich das sehr gut überlegen. Im Vergleich zu Geschichte und Wirtschaft ist es unverhältnismäßig wenig gewesen, was an Kritik gekommen ist. Sie sollten sich gut überlegen, ob es angemessen ist, dass das Parlament diese inhaltlichen Fragen der Biologie debattiert. Wir sind gern bereit, im Ausschuss weiter darüber zu diskutieren.

Wir freuen uns aber über die gute und erfolgreiche Arbeit an den Fachanforderungen und halten es für völlig berechtigt, in Biologie so verfahren zu sein. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen aus dem Parlament oder von der Regierung liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Zur Klärung frage ich: Ist überhaupt ein Überweisungsantrag gestellt worden? - Ich sehe das nicht.

(Zurufe: Nein!)

Deshalb lasse ich jetzt in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der FDP-Fraktion mit der Drucksachennummer 18/4509 zustimmen möchte, den

(Ministerin Britta Ernst)

bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die FDP- und die CDU-Fraktion und ein PIRAT.

(Zuruf: Alle PIRATEN!)

- Jetzt ganz viele PIRATEN! Wer ist gegen diesen Antrag? - Das sind die anderen Abgeordneten, die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, mache ich darauf aufmerksam, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer beschlossen haben, vor der Pause im Anschluss an den nächsten Tagesordnungspunkt den Punkt 36, Einsetzung eines Ausschusses für die Zusammenarbeit der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg, aufzurufen. Danach ist Mittagspause. Danach wird der um 14 Uhr gesetzte Punkt aufgerufen. Wir haben also heute Nachmittag noch einen Punkt zu behandeln. So weit zum weiteren Ablauf!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Kinderehen passen nicht zu unseren Werten Schutzfunktion des Staates stärken

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/4511

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4664 (neu)

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/4665

Das Wort zur Begründung sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Beratung. Das Wort für die CDUFraktion hat die Frau Abgeordnete Katja RathjeHoffmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein ernstes Thema, das uns bewegt und durch die Flüchtlingskrise bei uns wieder aufgeploppt ist. Kinderehen sind zurück zu uns nach Deutschland gekommen. Die Kinderehe ist Realität.

Ich möchte mit nüchternen Zahlen beginnen. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden zum Stichtag 31. Juli 2016 in Deutschland 1.475 verheiratete Minderjährige von den Behörden gespeichert. Die meisten davon - 1.152 - sind Mädchen. Nach Altersgruppen aufgeteilt ergibt sich, dass 351 Kinder

unter 14 Jahren verheiratet worden sind. 120 Kinder betrifft es zwischen 14 und 16 Jahren und weitere 994 Kinder zwischen 16 und 18 Jahren. Das hätte ich so nie gedacht. Das darf nicht sein.

(Beifall CDU und FDP)

Das sind die offiziellen Zahlen. Jeder kann sich ausmalen: Die Dunkelziffer liegt viel höher.

Die allermeisten Kinder kommen aus Syrien, aus Afghanistan und aus dem Irak. Sie alle wurden bei der Einreise nach Deutschland seit dem Herbst 2015 registriert. In den meisten Fällen handelt es sich um minderjährige Mädchen, die in ihrer Heimat mit einem viel älteren Mann verheiratet worden sind. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Landesregierung keinerlei Angaben zu diesem Phänomen machen kann. Das ist verwunderlich. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 7. Juli 2016 gibt das Innenministerium an:

„Angaben hierzu im Sinne statistischer Auswertungen liegen dem Land nicht vor.“

In anderen Bundesländern kann man dagegen genau sagen, wie viele Kinderehen es in ihrem Land gibt, nur in Schleswig-Holstein nicht. Da frage ich mich: Warum denn nicht?

Doch eines ist klar: Auch in Schleswig-Holstein gibt es Kinderehen, und wir dürfen die Augen vor diesem Problem nicht verschließen. Was wir brauchen, ist ein eindeutiges Verbot.

(Beifall CDU)

Wir müssen uns fragen, ob diese Eheschließungen in Deutschland wirksam sind und wirksam sein sollen. Der Bundesgesetzgeber ist nach unserer Auffassung spätestens jetzt aufgefordert, das Heiratsalter ausnahmslos gesetzlich auf 18 Jahre festzulegen. Das sagt im Übrigen auch die UN-Kinderrechtskonvention, das sagt Human Rights Watch, das sagt Terre des Femmes, das sagt UNICEF - ich glaube, dem sollten wir uns anschließen.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die deutsche Rechtslage hierzu ist aktuell nicht eindeutig genug, denn es gilt bis heute eine Ausnahmeregelung, nach der eine Genehmigung für eine Heirat ab 16 Jahren möglich ist. Das trifft fast immer Mädchen. Oft entsprechen die Asylbehörden dem Begehren von minderjährigen weiblichen Flüchtlingen, dass schon bestehende Ehen anerkannt werden sollen. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren. Diese Mädchen sollen in die Schule gehen und nicht vor dem Traualtar stehen.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen Kinderehen einen Riegel vorschieben. Für alle, die hier dauerhaft leben, muss deutsches Recht gelten. Es darf keine Lücken für Ehen mit Minderjährigen geben.

Außerdem müssen wir den zuständigen Jugendämtern das Recht einräumen, die Auflösung einer Kinderehe durch ein Gericht zu beantragen. Wir müssen besser aufklären. Als das Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat und zum besseren Schutz von Opfern der Zwangsheirat 2011 in Kraft getreten ist, wurden die Aufklärungs- und Hilfsangebote ausgebaut. Doch angesichts der aktuellen Situation durch die faktische Zunahme von Kinderehen in Deutschland müssen wir breiter aufklären und für Hilfe und Information sorgen. Die Mädchen müssen eine Chance haben, ihre Rechte in Deutschland zu kennen, damit sie von dieser Ehe befreit werden können. Der Staat muss das Selbstbestimmungsrecht der Kinder schützen. Mädchen werden fast immer zur Kinderehe gezwungen.

Problematisch wird die Lage für die Frauenhäuser, wenn ein minderjähriges Mädchen um Zuflucht und Aufnahme bittet. Denn Frauenhäuser sind nach dem Gesetz überhaupt nicht für minderjährige verheiratete Mädchen zuständig. Alle unter 18-Jährigen dürfen nicht aufgenommen werden, weil die Frauenhäuser nicht die Kriterien des Kinder- und Jugendhilfegesetzes erfüllen. Das ist ein neues und ungelöstes Problem für SchleswigHolsteins Frauenhäuser, das ebenfalls angepackt werden muss.

Es müssen jetzt - ausnahmslos - die Voraussetzungen, gegen die Verheiratung von Minderjährigen vorzugehen, geschaffen werden. Je früher, umso besser! Mädchen sind Kinder und keine Bräute!

(Beifall CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Peter Eichstädt [SPD] und Lars Harms [SSW])

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Simone Lange das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat gibt es im Moment diese Schlagwörter, die uns zunehmend beschäftigen. Das sind die Schlagwörter: Kinderehen, Kinderverlobung und Kinderbräute. Wir alle haben dann auch sofort

Bilder vor Augen, die wir entweder über die sozialen Medien oder auch über die Zeitungsblätter vor Augen gestellt bekommen. Das sind Bilder von sehr, sehr jungen Mädchen, von Achtjährigen, von Elfjährigen, die dann schon verheiratet werden, oft verhüllt sind.

Man darf nicht vergessen: Wenn wir von 15-jährigen oder 16-jährigen Mädchen sprechen, die, wenn sie Deutsche sind, nach der Ausnahmeregelung heiraten dürften, geschieht dies oft aus einer ganz anderen Intention heraus. Deutsche Mädchen sind ganz anders sozialisiert. Ihrer Heirat ist in der Regel keine Kinderverlobung im Alter von sechs Jahren vorausgegangen.

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, das ist ein extrem ernstes Thema, aber es ist auch ein nicht weniger komplexes Thema. Denn das deutsche Recht stellt sozusagen auf eine andere Geschichte ab. Wir werden jetzt mit Konstellationen konfrontiert, die wir so nicht kennen. Diese Konstellationen gilt es in der Tat zu regeln.

An einer Stelle - muss ich sagen - gibt es Gott sei Dank eine eindeutige Regelung. Wenn wir nämlich tatsächlich eine verheiratete Elfjährige vor uns haben, ist durch den grundgesetzlich verankerten Minderjährigenschutz die Ehe hier in Deutschland zu versagen. Aber in der Tat gibt es einen Bereich, der - wie ich auch finde - neu justiert werden muss. Ich bin ganz dankbar dafür, dass Heiko Maas auf Bundesebene die Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt hat. Diese hat auch ein sportliches zeitliches Ziel, um genau diese Fragestellungen, die auch Sie, Frau Katja Rathje-Hoffmann, angesprochen haben, zu regeln.

Ich glaube, an einer Stelle sind wir uns wirklich alle einig - behaupte ich jetzt einmal, obwohl ich noch nicht alle Reden gehört habe -, nämlich dass Kinderehen auch religiös nicht begründbar sind. Kinderehen sind mit nichts begründbar und schlichtweg grausam.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU)

Ich möchte aber auch noch einmal Zahlen in den Raum stellen: In Deutschland gibt es die Regelung, dass Heiraten grundsätzlich erst ab dem 18. Lebensjahr möglich ist, mit Ausnahme auch schon darunter. Aber ich muss immerhin 16 Jahre alt sein. Jünger darf ich definitiv nicht sein. Immer mit bedenken muss man auch, dass juristische Regelungen für alle Ehekonstellationen gelten. Diese Regelung, die wir in Deutschland haben, entspricht einer Regelung, die viele europäische, auch nord

(Katja Rathje-Hoffmann)

europäische Länder haben. Deshalb muss ein Weg gefunden werden, der ganz klar abgrenzt zu dem, was mit den Geflüchteten zu uns kommt.