Protocol of the Session on September 23, 2016

Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle recht herzlich wieder im Plenum.

Die Abgeordnete Ines Strehlau ist erkrankt. Wir wünschen ihr an dieser Stelle gute Besserung.

(Beifall)

Durch den Ältestenrat sind wegen dienstlicher Abwesenheit Ministerpräsident Albig, Ministerin Heinold und Minister Studt entschuldigt.

(Zuruf: Geht doch! - Zuruf SPD: Und wo ist Kubicki?)

Aber wir haben auch eine schöne Begebenheit heute Morgen; ein Geburtstag ist wieder angesagt. Die Ministerin Kristin Alheit hat heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch im Namen des SchleswigHolsteinischen Landtages!

(Beifall)

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Krankenpflegeschülerinnen und -schüler der Segeberger Kliniken sowie Mitglieder und Teilnehmer der Förde-VHS, Kiel, mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Orientierungskurses. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 38 auf:

Kein Fahrverbot bei allgemeiner Kriminalität

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/4594

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Liberale wenden uns gegen die Absicht der Bundesregierung, Fahrverbote als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht bei allgemeiner Kriminalität einzuführen. Durch eine solche Veränderung des Strafrechts würde man in Deutschland so etwas wie eine Zwei-Klassen-Justiz einführen. Der Gleichheitsgrundsatz würde verletzt, weil eine solche Strafe Wenig- und Vielfahrer, Be

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rufspendler, Einwohner im ländlichen Raum und Menschen aus Städten, Städten mit gutem öffentlichem Personennahverkehr zumal, in sehr unterschiedlicher Weise treffen würde. Die einen wären unter Umständen in ihrer beruflichen Existenz getroffen, andere könnten eine solche Sanktion locker wegstecken.

Der Deutsche Richterbund hält eine solche Änderung des Strafrechts wegen dieser Ungleichheiten sogar für verfassungsrechtlich problematisch. Verschärft werde diese Ungleichheit noch dadurch, dass der Vollzug der Strafmaßnahme nicht überwacht werden könne. Für den Deutschen Richterbund kritisierte Stefan Caspari die Pläne daher mit den Worten - ich zitiere -:

„Ob einer seinen Führerschein abgegeben hat und trotzdem fährt, fliegt nur zufällig auf, wenn er in eine Kontrolle gerät.“

Außerdem werden unter Umständen bei solchen Strafen auch Familienmitglieder quasi in Sippenhaft genommen, wenn sie ihrerseits darauf angewiesen sind, dass zum Beispiel ein Elternteil die Kinder zum Kindergarten oder zur Schule fährt oder ein Ehepartner zum Arbeitsplatz gebracht wird.

Im Übrigen besitzt nicht jeder einen Führerschein. Folglich wird dessen Entzug immer nur eine Alternative zu einer Geldstrafe sein können. Sobald der Führerscheinentzug als Strafe bei allgemeiner Kriminalität verankert ist, wird es also eine Umrechnungstabelle geben müssen nach dem Muster: Sechs Monate Führerscheinentzug entsprechen X Tagessätzen Geldstrafe. Die Wahl wird letzten Endes der Bestrafte haben. Rechtlich würde es kaum möglich sein, ihm aus purer Bosheit von zwei Alternativen die unangenehmere zu verordnen. Selbst wenn man dies wollte, müsste man, um festzustellen, welche Alternative denn im konkreten Einzelfall härter treffen würde, die Lebensverhältnisse des Betroffenen sehr genau ausforschen. Für einen Bus- und Bahnfahrer, der nur sehr selten seinen Führerschein benötigt, wäre dessen zeitweiliger Entzug nämlich eine tolle Möglichkeit, eine für ihn viel ärgerlichere Geldstrafe abzuwenden, um nur ein Beispiel zu nennen. Experten meinen daher: Wer glaubt, die Gerichte könnten dies bei Verfahren im Bereich der Kleinkriminalität genau und treffsicher herauszufinden, der habe wohl noch nie einen Gerichtssaal von innen gesehen. Mit solchen Verfahren kennt er oder sie sich jedenfalls ganz und gar nicht aus.

Das gilt auch für die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im vorigen Monat nach einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin im Online-Angebot der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit den Worten zitiert wurde - Zitat -:

„Schön, dass die SPD mal wieder in den Koalitionsvertrag reingeschaut hat.“

Für eine solche Gesetzesänderung hatten sich nämlich zuvor mehrere prominente SPD-Politiker ausgesprochen. Bundesministerin Schwesig will sie als Strafe für Elternteile, die sich um Unterhaltszahlungen drücken. Bundesjustizminister Heiko Maas und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, also der Parteivorsitzende der SPD, schlossen sich dann auch noch an.

Wir freuen uns aber, dass es in den Reihen der Union auch noch eine Stimme der Vernunft gibt. Frau Kollegin Katja Rathje-Hoffmann hält den Vorschlag aus Berlin - Zitat - „für reinen Populismus“, „sh:z“ vom 10. August 2016.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Liebe Kollegin, Sie haben diese Idee aus Berlin deshalb zu Recht abgelehnt. Wir hoffen, dass die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Landtagsfraktion heute bei dieser klaren Haltung bleiben und sich daher in Ihrer Partei ausnahmsweise einmal wie das bekannte kleine Dorf im Norden Galliens gegen die aus der Parteizentrale verordnete Linie positionieren.

(Beifall FDP und vereinzelt PIRATEN)

Der Justizstaatssekretär Schmidt-Elsaeßer wird in dem gleichen „sh:z“-Artikel übrigens mit dem Einwand zitiert - ich gebe es wörtlich wieder -:

„Eindeutig geklärt werden müsste, wie die Befolgung der Strafe überprüft wird.“

Bei Geldstrafen und verhängten Sozialstunden sei das kein Problem. Aha. Also, wie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD oder Kollegin Justizministerin, soll denn im Zweifelfall diese Überprüfung stattfinden? Etwa durch die Polizeibeauftragte sozusagen als sozialdemokratische Allzweckwaffe für Frieden und Gerechtigkeit oder wie sonst? Vielleicht hören wir dazu ja aus Ihren Reihen heute eine Antwort.

Mein Fazit lautet: Hier ist von der Bundesregierung wieder einmal totaler Unfug produziert worden, von einer Regierung, in der heute über fast gar nichts mehr Einigkeit besteht außer über solchen gesetzgeberischen Murks.

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(Dr. Ekkehard Klug)

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Barbara Ostmeier das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Das Thema „Kein Fahrverbot bei allgemeiner Kriminalität“ ist nicht neu. Bereits seit 1992 wird es äußerst kontrovers diskutiert. Seit 2013 ist die Ausweitung des Fahrverbots Gegenstand des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD. Im September diesen Jahres hat der SPD-Justizminister Heiko Maas einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt, der sich derzeit in der Verbandsanhörung und in der Abstimmung mit den Ministerien befindet. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht, was am Ende tatsächlich zur Diskussion stehen wird.

Nach geltendem Recht kann ein Fahrverbot nur dann verhängt werden, wenn der Täter eine Straftat begangen hat, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen wurde. Dazu zählen beispielsweise Unfallflucht, Körperverletzung, Nötigung oder auch die körperliche Misshandlung eines anderen Verkehrsteilnehmers im Rahmen einer Auseinandersetzung über dessen Fahrverhalten.

Mit der Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten auch ohne Bezug zum Führen eines Fahrzeugs soll die Bandbreite strafrechtlicher Maßnahmen erweitert werden. In der öffentlichen Diskussion werden die vorgesehenen Sanktionen teilweise als unzureichend wahrgenommen. Immer wieder wird beklagt, Geldstrafen würden beim Verurteilten keine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Unsere Bürgerinnen und Bürger empfinden das so. Ich denke, dass das deshalb immer wieder Gegenstand von Diskussionen ist.

Gerade in Fällen, in denen eine Geldstrafe allein bei dem Verurteilten keinen hinreichenden Eindruck zu hinterlassen scheint, könnte das Verhängen einer Freiheitsstrafe aber eine zu einschneidende Maßregelung sein. Es könnte durch das Fahrverbot eine zusätzliche Möglichkeit geboten werden, schuldangemessen auf den Täter einzuwirken. So die Verfechter der positiven Meinung.

Erfahrungen mit dem Verhängen eines Fahrverbots zeigen auch, dass diese Maßnahme durchaus einen

lehrreichen Effekt hat, auf das viele empfindlicher reagieren als auf eine Geldstrafe.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang vor allen Dingen der Hinweis, dass anders als im Koalitionsvertrag vereinbart und abweichend von bisherigen Diskussionen in den vergangenen Jahren eine Ausweitung des Fahrverbots als eigene Sanktion nicht mehr beabsichtigt scheint. Vielmehr soll das Fahrverbot weiterhin Nebenstrafe bleiben. Die Kombination des Fahrverbots mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe ist weiterhin zwingend. Das Fahrverbot stellt damit lediglich eine ergänzende Möglichkeit dar, dem Täter einen spürbaren Denkzettel zu erteilen, dies ganz im Sinne einer präventiv wirkenden Abschreckung.

Problematisch bleibt, dass sowohl die mangelnde Kontrollierbarkeit der Einhaltung des Fahrverbots als auch die unterschiedlichen Lebensumstände der Betroffenen eine Gleichbehandlung schwer machen. Insofern ist die Diskussion über einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach wie vor nicht vom Tisch. Ich glaube, dass es zu unterschiedlichen Wirkungen kommen kann.

Denken wir beispielsweise daran, wie die Situation im ländlichen Raum ist und wie die Situation in der Stadt ist. Welche Möglichkeiten und Alternativen gibt es, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen? Es betrifft vor allem niedrigschwellige Berufsbereiche, in denen der Besitz einer Fahrerlaubnis wichtig ist, um den Beruf weiter ausüben zu können. Ich denke, das ist ein sehr wichtiges Argument, das in diesem Referentenentwurf nicht außer Acht gelassen wird.

Sicherlich könnte man durch das Instrument, das beibehalten wird, dass das Fahrverbot weiterhin als Nebenstrafe angesehen wird, den Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz einschränken, zumal die zwingende Kombination des Fahrverbots mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, die Strafe so zu kombinieren, wie es der Schuld und den Auswirkungen, die für den Betroffenen zu erwarten sind, am besten entspricht.

Verhehlen möchte ich aber auch nicht, dass die sachfremde Verknüpfung von Tat und Strafe, die Gefahr mangelnder Akzeptanz sowie verfassungsrechtliche Bedenken nicht von der Hand zu weisen sind. Ich möchte außerdem betonen, dass sämtliche Fachverbände erhebliche Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Fahrverbot als allgemeine Strafe wird sicher keine Wunder bewirken können, in manchen Fällen aber eventuell

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(Dr. Ekkehard Klug)

doch eine wirksame Alternative zur Freiheitsstrafe darstellen können. Alle rechtlichen Bedenken, die dazu geäußert werden, halte ich dennoch für wichtig. Deswegen würde ich mich über eine Ausschussüberweisung freuen. Wenn es heute zur Abstimmung kommt, tendieren wir dazu, dem Antrag der FDP zuzustimmen.