Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin neidisch. Ich bin neidisch auf die Leute, die glauben können, weil das ganz viel mit Hingabe und mit Vertrauen zu tun hat. Das ist mir leider nicht gegeben. Denn bei all dem Leid in der Welt kann ich persönlich die göttliche Fügung darin leider nicht erkennen.
Aber diese ganze Debatte um diesen einen Teil der Verfassung ist Glaubenssache. Ich glaube, dass keine Verfassung und kein Satz wirklich das wiedergeben kann, was der Glaube für jeden einzelnen bedeutet. Das ist einfach unmöglich. Dafür ist der Glaube und auch das, was in den Köpfen und in den Herzen der Menschen vorgeht, zu unterschiedlich.
Wir können hier ganz viel über die Leistungen der Kirche für die Gesellschaft reden. Wir können hier ganz viel über die tolle Haltung der Kirche in der Flüchtlingsfrage reden. Wir können hier ganz viel über die Rolle der Kirche in der Gesellschaft reden, darüber, was die Kirche alles für die Gesellschaft getan hat. Das können wir alles machen. Aber dieser eine Satz in der Verfassung wird nicht dazu führen, dass der Glaube in Schleswig-Holstein auf einmal eine größere oder kleinere Rolle spielen wird. Dieser eine Satz, der von Verfassungsrechtlern und Wissenschaftlern bis aufs Letzte und Kleinste „totanalysiert“ worden ist, wird nicht die Rolle spielen, die man ihm zuweist. Niemand wird rausgehen, in die Verfassung gucken, ihn lesen und dann sagen: „Oh, das ist jetzt meine Verfassung!“, oder: „Oh, das ist jetzt nicht meine Verfassung!“
Ich persönlich bin der ganz großen Überzeugung, dass die Mehrheit in der Bevölkerung, nämlich die Leute, die nicht einmal am Tag in die Verfassung gucken und sich darüber freuen, dass da ein Satz drinsteht oder nicht, ein Großteil der Bevölkerung, keinen Gottesbezug in der Verfassung möchte. Ich bin der Überzeugung, dass sich die Mehrheit in der Bevölkerung eine Verfassung wünscht, die sich aus den grundsätzlichen Menschenrechten und aus unseren grundlegenden staatstragenden Werten ergibt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Verfassung staatstragend und werteerzeugend ist - und das auch ohne einen expliziten Bezug zu
Gott. Ich bin auch der Meinung, dass auch die Leute, die keinen Gottesbezug in der Verfassung möchten, trotzdem Respekt und auch Demut und Mitgefühl entwickeln können, auch wenn sie sich dabei vielleicht nicht auf Gott berufen.
Deswegen kann ich persönlich nur dem ursprünglichen Entwurf, der durch die Verfassungskommission vorgelegt worden ist, zustimmen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es jetzt schwierig, in einem Kurzbeitrag all die Gedanken, die man sich zu den Gedanken anderer macht, aufzunehmen. Deswegen will ich mich hauptsächlich auf eine Sache beschränken: Es darf keine Vorfahrt für religiös abgeleitete Werte geben. Den entsprechenden Versuch habe ich in der ersten Gottesbezugsdebatte kritisiert. Dazu stehe ich auch.
Die Kritik, die an der Formulierung „andere Quellen gemeinsamer Werte“ hier zitiert worden ist, kann ich so allerdings nicht teilen. „Mein Kampf“ ist nicht die Quelle gemeinsamer Werte, auch die Altenburger Skatordnung nicht.
Mein Eindruck ist: Diese Formulierung wird jetzt von einigen, die gefordert haben, nicht nur religiöse, sondern auch andere Quellen sollen vorkommen, deswegen angegriffen, weil sie natürlich Dinge umfasst, die die alte Formulierung nicht umfasst hat. Wenn man das überhaupt nicht will, ist es schwierig, schlüssig zu argumentieren. Ich finde aber, man sollte dann ehrlich argumentieren.
Andere Quellen gemeinsamer Werte können zum Beispiel auch andere Religionen oder auch die habermassche Diskurslogik sein. Der gemeinsame Wert Menschenwürde ist eine in der Philosophie seit der Nachkriegszeit sehr stark diskutierte Fragestellung.
Entschuldigung, ich habe Sie nicht gesehen. - Herr Abgeordneter Dr. Dolgner, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?
Herr Kollege Dr. Dolgner, mir ist aufgefallen, dass Sie immer von „anderen Quellen gemeinsamer Werte“ sprechen. Das findet sich aber bedauerlicherweise in dem Antrag nicht wieder, über den wir jetzt abstimmen sollen. Da steht nur: „oder aus anderen Quellen ergeben“. Andere Quellen: Das kann Google oder Siri sein, was auch immer. Andere Quellen, nicht gemeinsame Werte!
- Herr Kollege Kubicki und, weil Sie lachen, Herr Kollege König: Ich habe eine andere Formulierung in die Debatte eingebracht. Es ist eine andere Drucksache. Darauf bezog sich auch die Anhörung, die Abgeordneter Dr. Breyer zitiert hat. Das schriftliche Anhörungsergebnis lag ja noch gar nicht vor. Ich weiß schon, welche Formulierung ich eingebracht habe.
- Genau. Es ist nicht die Drucksache, die Sie jetzt in der Hand haben. Da gab es noch die Frage mit „universell“. Das ist dann auch missverstanden worden. Das ist dann herausgestrichen worden. Das ist auch kein großes Problem.
Der Hintergrund ist aber natürlich, dass man eben nicht beliebige Quellen nehmen kann, sondern solche, die der gleichen Argumentationslogik, einer Diskurslogik folgen. Man hätte vielleicht auch noch philosophische Quellen dazupacken können. Es ist möglich, Menschenwürde auf verschiedene Arten abzuleiten. Insgesamt kommt man zum gleichen Wert Menschenwürde.
Übrigens, Herr Kollege Kubicki: Auch die andere Formulierung „andere Quellen“ muss ja trotzdem zu den Werten führen, die in der Verfassung festgelegt sind. Das ist fast schon etwas semantische Spielerei: Selbst wenn ich andere Quellen und gemeinsame Werte in der Formulierung nicht direkt hinten anhänge, geht es um die Werte, die wir in unsere Verfassung hineinschreiben.
Kampf“ oder die Altenburger Skatordnung die Werte unserer Verfassung begründen können. Deswegen können sie auch keine Quellen sein. Ich glaube, dass dies jedem klar sein muss, der diese Debatte ernsthaft führt. Ich habe auch viel Spaß an Formulierungen. Sie können aber im gegenseitigen Respekt glauben, dass jemand, der diese Formulierung in die Debatte eingebracht hat, genau das im Hinterkopf hatte.
Man kann natürlich vorwerfen, dass das ein Sammelbegriff ist. Das sind religiöse und kulturelle Quellen. Sie können aber nicht jeden Künstler nennen. Diesen Teil der Kritik kann ich nicht annehmen.
Andere Teile der Kritik kann man hingegen sehr wohl annehmen. Man muss sie in einer Abwägungsentscheidung aber nicht zu seiner Entscheidungsgrundlage machen. Mit dem Kollegen Peters würde ich zum Beispiel gern darüber sprechen wollen, dass er die Verfehlungen der protestantischen Kirche als Begründung für seine Entscheidung genommen hat. Man kann sich vielleicht später noch einmal darüber unterhalten, ob das Problem nicht eher war, dass die Deutschen Nazis waren beziehungsweise dass eine Mehrheit die nationalsozialistische Partei gewählt hat.
Man kann sich darüber unterhalten, ob das nicht eher das Hauptproblem war und weniger die eine oder andere Überzeugung in der einen oder anderen Institution. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich auch die Vereinigung der Juristen in der Weimarer Republik nicht mit Ruhm bekleckert hat. Nichtsdestoweniger werden wir dafür die heutigen Juristen nicht unbedingt verantwortlich machen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mir fehlt bei dieser Diskussion immer ein bisschen der Aspekt des Glaubens. Wir diskutieren hier heute, so finde ich, etwas technokratisch. Deswegen erlauben Sie mir noch einige Erklärungen von meiner Seite.
Ich habe mich in den letzten Monaten sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und bedanke mich bei den Vertretern der Bürgerinitiative ganz herzlich für sehr bereichernde Diskussionsmomente, aus denen ich auch sehr viel mitgenommen habe. Ich finde, es war eine sehr gute Diskussion, die uns als Land auch gutgetan hat. Ich bedanke mich auch für den fairen und sehr toleranten Umgang miteinander. Das ist in dieser Debatte keine Selbstverständlichkeit.
Allerdings - das möchte ich auch sagen - konnten all die Diskussionen und all die vorhandenen Textvorschläge meine eigene Grundhaltung nicht ändern. Ich bin getauft. Ich bin sehr bewusst konfirmiert. Ich bin in der evangelischen Jugendarbeit jahrelang aktiv gewesen.
Als gläubige Christin bin ich bewusst dankbar für mein Leben. Wenn ich im Winter an stürmischen Abenden bei schlechten Straßenverhältnissen nach Hause komme, bin ich manchmal sehr dankbar und schicke auch ein Stoßgebet - in welche Richtung auch immer. Diese Haltung kann man auch haben, wenn man nicht jeden Sonntag den Gottesdienst besucht - Herr Magaard als mein Nachbar weiß das.
Also: Der Glaube ist eine feste Säule meines Lebens und gibt mir Halt im Alltag, aber auch in schwierigen Situationen. Bei meiner Vereidigung, als ich hier das erste Mal 2009 stand, habe ich sehr bewusst den Eid auf die Verfassung mit dem Schlusssatz „So wahr mir Gott helfe“ beendet. Mit einer christlichen Wertehaltung versuche ich, meinem Gegenüber zu begegnen. Ich versuche es auch im politischen Leben - das fällt nicht immer leicht, aber ich versuche es. Dazu gehört für mich selbstverständlich aber auch der Respekt vor anders- und nichtgläubigen Menschen.
Aber: Das ist meine ganz persönliche Haltung, das ist meine innere Haltung. Dafür brauche ich keinen Gottesbezug in der Präambel unserer Landesverfassung. Demut fängt im Kopf an und nicht auf dem Papier.
Ich bin davon überzeugt, dass sich die praktische Politik dieses Hauses nicht ändern wird. Wir werden weiterhin sehr verantwortungsvoll mit dem uns von den Bürgern übertragenen Mandat umgehen. Daran wird sich an dieser Stelle nichts ändern.
Eine Landesverfassung sollte jedoch alle Menschen in diesem Land ansprechen, unabhängig von ihrem Glauben, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer
Wir haben alle ganz viele Briefe bekommen und diese Diskussion mit ganz unterschiedlichen Menschen geführt, mit Theoretikern, aber auch mit Nachbarn und vielen anderen. Wir haben alle Mails aus der einen wie aus der anderen Richtung bekommen. Mein Stimmungsbild, das ich daraus mitgenommen habe, ist, dass diese vorliegenden Textvorschläge nicht dazu dienen, dieses Land über diesen Text zu einen. Deswegen und in diesem Sinne werde ich heute gegen den Gottesbezug in der Landesverfassung stimmen. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Debatte um den Gottesbezug habe ich bei der letzten Tagung erst einmal nur zugehört und viel nachgedacht. Ich habe mich gefragt: Haben wir denn keine anderen Probleme in Schleswig-Holstein? Hilft es den Menschen in SchleswigHolstein, wenn wir die Verfassung wieder ändern?
Ich muss aber sagen, dass bei der letzten Debatte um die Verfassung und auch heute wieder ganz viel bei mir in Bewegung gekommen ist. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht, was sich hier in den letzten Monaten abgespielt hat. Ich habe den Eindruck, dass die Volksinitiative, also diejenigen, die sich am Anfang einen Gottesbezug gewünscht haben, sehr weit auf diejenigen zugegangen ist, die das am Anfang der Debatte nicht wollten.
Genauso haben sich diejenigen bewegt, die gesagt haben: Wir möchten einen Toleranzbegriff in der Verfassung haben, die Werte Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit, die mir sehr wichtig sind. Ich wünsche mir sehr, dass die in die Verfassung aufgenommen werden.