Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Dolgner, ich möchte Ihnen noch einen Grund geben, noch dankbarer dafür zu sein, dass wir PIRATEN hier im Landtag sind.
Zum Thema Internet. Fakt ist, dass Sie Strafgefangenen keinen Anspruch darauf geben wollen, einen Zugang zum Internet zu bekommen, sondern es dem freien Ermessen der Anstalt obliegen soll, ob
sie den Zugang eröffnet oder nicht. Das ist das, was wir kritisieren. Denn ohne Internet ist eine Resozialisierung im 21. Jahrhundert schwerlich möglich. Bevor Sie nachfragen - auch wir haben in unserem Gesetzentwurf die Möglichkeit von Einschränkungen vorgesehen, aber wir haben einen grundsätzlichen Anspruch drin gehabt.
Herr Kollege Breyer, weil es für Sie so schlimm ist, dass das dem Ermessen der fachlich Zuständigen überlassen bleibt, denn es kann auch gute Gründe geben, Telekommunikation und den Internetzugang einzuschränken, auch wenn Sie diese Gründe vielleicht nicht teilen, muss ich Ihnen doch sagen, dass es mich stört, dass Sie so tun, als ob pflichtgemäßes Ermessen etwas mit Willkür zu tun hätte. Das ist schlicht und ergreifend verkehrt.
Ich wiederhole mich: Auch wir haben Einschränkungsmöglichkeiten vorgesehen, aber im Grundsatz einen Anspruch. Eine bloße Kann-Regelung ist in Wirklichkeit eine Null-Regelung. Dann hätten Sie genauso gut gar nichts ins Gesetz zu schreiben brauchen, denn schon heute kann die Anstalt einen Internetzugang eröffnen. Das ist eine völlig untaugliche Regelung.
Der Internetzugang muss auch nicht überwacht werden. Das ist falsch. Herr Kollege Dudda hat ausführlich ausgeführt, welche Systeme es gibt, um von vornherein nur den Zugang zu solchen Seiten zu eröffnen, auf die bedenkenlos zugegriffen werden kann. Völlig aus der Zeit gefallen ist auch, dass den Gefangenen Briefverkehr ermöglicht wird, aber auf E-Mail-Verkehr kein Anspruch bestehen soll. Was hat das mit dem 21. Jahrhundert zu tun?
Es kommt Folgendes hinzu: In Ihrem Entwurf fehlt auch eine Regelung darüber, dass Gefangene aus ihrem Einkommen überhaupt Geld ansparen dürfen, um die Internetnutzung finanzieren zu können. Ohne eine solche Regelung bleibt das reine Theorie, weil schlichtweg alles gepfändet wird und dementsprechend keine Internetnutzung bezahlt werden kann. Das kritisieren wir auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit.
Jetzt zu Ihrer Frage, warum wir den Gesetzentwurf ablehnen. Schlicht und ergreifend zum einen, weil er sogar Verschlechterungen gegenüber der jetzigen Gesetzeslage enthält.
So schreibt uns die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter, dass Sie die Fixierung gegenüber den jetzigen Möglichkeiten über ein bedenkliches Maß hinaus noch ausweiten wollen.
Das ULD schreibt uns, dass Sie eine biometrische Erfassung ohne jeden praktischen Bedarf einführen wollen, die bisher nicht erlaubt ist.
Weitere Kritikpunkte, die Sie aus der Anhörung nicht aufgegriffen haben, sind die weitreichende Überwachung von Kontakten zu Berufsgeheimnisträgern einschließlich Seelsorgern und Beratungsstellen.
Kritisiert worden ist auch zum Beispiel, dass Sie eine Entkleidung ohne besondere Voraussetzungen einführen. Auch da tragen Sie der Kritik der Sachverständigen keinerlei Rechnung. Uns dann vorzuwerfen, wir blockierten dieses Gesetz total, obwohl wir Ihnen einen dreißigseitigen Änderungsantrag mit Verbesserungsvorschlägen vorgelegt haben, ist ja wohl hanebüchen. Wir haben gesagt, wie wir diesen Gesetzentwurf wollen. Wenn Sie da in keinem einzigen Punkt mitgehen und den Bedenken auch der Sachverständigen keine Rechnung tragen, dann ist die Ablehnung die logische Konsequenz.
Vielen Dank. - Für die Landesregierung erteile ich nunmehr der Justizministerin Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einige von Ihnen werden wissen, dass Gelassenheit nicht wirklich zu meinen Kernkompetenzen gehört. Darum habe ich beschlossen, nicht auf Einzelheiten einzugehen, die schon oft und hinlänglich im Ausschuss debattiert worden sind. Diese Debatte hat nichts Neues gebracht, das darf ich wohl heute für mich als Schlussfolgerung der Debatte deutlich machen.
Liebe Frau Ostmeier, Sie sind ja sehr engagiert, das rechne ich Ihnen hoch an. Aber auch Sie müssen sich gefallen lassen - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, dass vieles von dem, was Sie sagen, ein bisschen an das erinnert, was Groucho Marx gesagt haben soll. Er soll einmal gesagt haben: Meine Damen und Herren, ich habe meine Ideale, aber wenn sie Ihnen nicht passen, habe ich auch noch andere.
Darum noch einmal ganz deutlich: Ja, wir brauchen ein neues Strafvollzugsgesetz. Unser Gesetz ist ein modernes Strafvollzugsgesetz. Auch das brauchen wir. Wir können ganz einfach nicht mit dem Bundesgesetz aus dem Jahre 1977 weiterleben, schon aus formalen Gründen nicht, aber schon gar nicht aus inhaltlichen Gründen. Wir brauchen ein neues Strafvollzugsgesetz, und wir brauchen genau dieses Gesetz, weil dadurch - das ist hinlänglich diskutiert worden - auch das Thema Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft gestärkt wird. Dieses Thema steht im Vergleich zu dem Gesetz des Bundes von 1977 in den letzten Jahren verstärkt auf der politischen Tagesordnung.
Ein Gesetz, das die Wiedereingliederung der Menschen sichert, ist vorausschauende Kriminalitätsbekämpfung und ist natürlich letztlich auch Opferschutz. Darum ist es eine künstliche Diskussion zu sagen: Auf der einen Seite haben wir das Strafvollzugsgesetz, auf der anderen Seite haben wir Opferschutznotwendigkeiten. Beides hängt zusammen, beides sind zwei Seiten derselben Medaille.
Zu der Vorbereitung dieses Gesetzes: Ich muss sagen, ich war ziemlich geplättet, lieber Herr Abgeordneter Klug, als Sie von grottenschlechter Vorbereitung sprachen.
(Christopher Vogt [FDP]: Und dann ist das dabei herausgekommen? Das ist ja noch schlimmer! - Zuruf Dr. Ekkehard Klug [FDP])
- Ja, aber darum kann ich das auch alles zurückweisen, was der Herr Abgeordnete Klug sagt. Ich sage noch einmal, dass das Thema Sicherheit auch hoch und runter diskutiert worden ist, weil Sicherheit natürlich viel mehr als bauliche Sicherheit ist, viel mehr als subjektives Sicherheitsgefühl. Da bin ich dann wieder bei dem Schusswaffengebrauch. Stattdessen heißt Sicherheit auch soziale Sicherheit, und Sicherheit bedeutet natürlich die Notwendigkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs.
Im Ausschuss habe ich und haben wir vonseiten des Landesjustizministeriums mehrfach deutlich gemacht, dass wir es bei diesem Strafvollzugsgesetz mit einem aufwachsenden System zu tun haben. Das heißt, wir schaffen im Gesetz die notwendigen Rechtsgrundlagen, um bewährte Inhalte auszubauen und um auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können. Wir fangen ja nicht bei null an. Ich glaube, auch das sollte man nicht vergessen, wenn man jetzt in eine Fundamentalkritik verfällt.
Zu dem Thema Telekommunikation: Herr Dudda, richtig ist, dass wir uns ausführlich miteinander darüber unterhalten haben. Ich sage in Klammern: Man kann ja immer mal fragen, meine Tür steht für gute Gespräche immer offen; das weiß Herr Dudda, das wissen andere auch. - Wir haben uns zu dem Thema Internetzugang und neue Telekommunikationsmöglichkeiten wirklich ausgetauscht. Ich stehe Ihrem Ansatz offen gegenüber, und wir werden uns weiterhin nicht nur schlaumachen, sondern uns auch die Projekte anschauen, die es in anderen Bundesländern gibt. Meines Wissens ist man dort auch noch nicht so viel weiter als wir, aber wir werden damit weiter zu arbeiten haben, weil dieses Thema ein Zukunftsthema ist, auch im Hinblick auf den Angleichungsgrundsatz.
Zum Internet: Es ist richtig, dass wir, anders als im offenen Vollzug, derzeit im geschlossenen Vollzug nicht die Möglichkeit haben, Gefangenen zum Beispiel zur Förderung ihrer beruflichen Qualifikation durch einen sogenannten getunnelten Zugang ein ELearning-Programm zu ermöglichen. Aber das wird
ja ein Thema sein, mit dem wir uns weiter befassen müssen. Das ist ganz klar, und ich glaube, das kann jeder nachvollziehen.
Jetzt ist auch heute wieder sehr viel zu Skype gesagt worden. Ich habe die Gelegenheit gehabt, mir anzuschauen, wie dieses in der JVA Neumünster eingeführt wurde. Das ist aus meiner Sicht in erster Linie ein Baustein zur Verstärkung des familienorientierten Vollzugs - nicht mehr und nicht weniger. Das ist sehr leicht zu handhaben. Auch dort hat man sich überlegen müssen, wie man Sicherheitsaspekten Rechnung trägt. Ein Bediensteter sitzt in einem anderen Raum und schaut sich das mit an. So geht das, das kann nicht anders sein. Aber wir haben ja Gefangene, deren Familien weder das Geld noch vielleicht die Zeit oder die Möglichkeit haben, ihr Besuchskontingent in der JVA auszuschöpfen. Für diese Familien ist Skype als Kommunikationsmöglichkeit wirklich ein Gewinn.
Man kann mit Skype von Angesicht zu Angesicht besser reden und kommunizieren. Das habe ich mir zum Glück auch mit ansehen können. Dass die Familienorientierung ein Schwerpunkt unseres Gesetzes ist, brauche ich - so glaube ich - nicht zu wiederholen; denn die Inhaftierung der Gefangenen trifft stets Partner, Kinder und alle anderen Familienangehörigen. Das zerstört ganz wichtige Bindungen, das wissen wir alle zur Genüge. Darum wollen wir diese Auswirkungen auch mindern - durch familienunterstützende Beratungs- und Trainingsangebote, durch Ausweitung von Besuchszeiten für Angehörige und Kinder und durch Schaffung der Möglichkeit zum Langzeitbesuch oder durch die Einführung kindgerechter Gestaltung in Warte- und Besuchsbereichen. All das läuft auch schon. Wir haben erste Projekte, die wirklich als Erfolgsprojekte zu sehen sind. Wir haben zum Beispiel mit der Diakonie gemeinsam in der JVA Neumünster ein familien- und paartherapeutisches Angebot laufen, das sehr gut angenommen wird, das wir auch erweitern wollen.
Natürlich - noch einmal, weil ich das eingangs schon sagte - ist all das auch wichtig unter der Überschrift Opferschutz. Wir haben jetzt den Täter-Opfer-Ausgleich in den Gefängnissen eingeführt. Ich hatte schon im letzten Jahr in der JVA Flensburg die Gelegenheit, mir das anzuschauen. Wir haben in den Anstalten Opfer-Empathie-Trainings eingeführt. Das wollen wir jetzt verstärkt implementieren. Auch dort haben wir schon erste Erfahrungen in der Jugendarrestanstalt Moltsfelde und
auch in der JVA Kiel. Wir stärken und fördern die schulische und berufliche Qualifizierung, wir schaffen verstärkt auch Möglichkeiten des offenen Vollzugs. Wir müssen und wollen sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen ausweiten. All das ist Inhalt dieses Gesetzes.
Noch einmal: Das Gesetz ist hoch und runter diskutiert worden. In der Vorbereitung hat sich meine Vollzugsabteilung auch immer wieder mit der Praxis der JVAen zusammengesetzt, um zu sehen, was wir machen können, was notwendig ist. Das heißt, dieses Gesetz war von Anfang an kein Gesetz nach dem Motto „Wünsch dir was“.
Es ist ein konzeptionell gut aufgestelltes Gesetz. Wir brauchen wirklich keine Fundamentalkritik der CDU-Fraktion in dieser Hinsicht. Dass man sich dann in der letzten Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses ausführlich über das Thema Kleidung unterhalten hat, das ist gut und schön. Dass wir in Hamburg, in Niedersachsen und sogar im CDU-geführten Sachsen schon Zivilkleidung als Regel haben und in Schleswig-Holstein 30 % der Gefangenen schon Zivilkleidung tragen, all das wissen Sie. Dass wir jetzt, wenn das Gesetz hoffentlich heute so beschlossen wird, wie wir das vorschlagen, sagen: „Wir müssen an der Umsetzung dieser Maßgabe arbeiten“, kann auch nicht wirklich so überraschend sein.
Meine Damen und Herren, trotz aller Diskussionen bedanke ich mich dann doch für die konstruktive Zusammenarbeit in Bezug auf dieses Gesetz - denn es hat sie ja gegeben; zwar nicht die ganze Zeit, aber es hat eine gegeben. Dafür bedanke ich mich. Wir werden - soweit der Wunsch dazu besteht auch im Ausschuss weitere Maßnahmen miteinander diskutieren können, zum Beispiel das Thema Übergangsmanagement, zu dem ich Ihnen heute auch etwas erzählen könnte, aber vor dem Hintergrund der Zeit lasse ich das jetzt. Ich habe nämlich bereits 4 Minuten überzogen. - Vielen Dank.