Protocol of the Session on June 10, 2016

Von der Rehabilitation und der Entschädigung der Homosexuellen muss ein Signal an die Gesellschaft ausgehen, auch noch die letzten Ungleichbehandlungen abzuschaffen. Das muss das erweiterte Ziel sein. Es wird ein großer Tag für unser Land sein, wenn die Rehabilitierung der Betroffenen umgesetzt wird und sie ihre Würde zurückerhalten. Aber es wird ein noch größerer Tag sein, wenn sämtliche Menschen in diesem Land endlich gleichgestellt sind. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt CDU und FDP)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung darf ich nun der Ministerin für Justiz, Europa und Kultur, Anke Spoorendonk, das Wort erteilen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Zum einen freue ich mich sehr darüber, dass der Antrag zur Rehabilitierung der nach 1945 verurteilten homosexuellen Männer von allen Fraktionen dieses Hauses getragen wird. Das ist ein gutes und ein wichtiges Signal.

Wir hörten es bereits: Fakt ist, dass Homosexuelle, die die Konzentrationslager der Nazis überlebt hatten und 1945 von den Alliierten befreit worden waren, von den Gerichten der jungen Bundesrepublik zur Fortsetzung der Strafverbüßung wieder eingesperrt wurden. Bis zur Entschärfung 1969 wurden nach Schätzungen - auch das ist schon gesagt worden - 50.000 Männer zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, danach noch einmal rund 3.500. In der DDR wurde der alte § 175 bereits 1968 abgeschafft, in der Bundesrepublik gab es, wie ich eben schon sagte, die Entschärfung 1969.

Zum anderen sehe ich das Anliegen dieses Hohen Hauses auch als einen weiteren Aspekt in unserem Bemühen, das Strafgesetzbuch von Reminiszenzen des NS-Strafrechts zu bereinigen. Das war meine Motivation, als ich mich 2013 als einen ersten Schritt zur Reform für eine Wortlautbereinigung der Tötungsdelikte des Strafgesetzbuches starkgemacht habe, was sich jetzt auch in den Empfehlungen der von Bundesjustizminister Maas eingesetzten Expertenkommission wiederfindet.

Letztlich - der Herr Abgeordnete Rasmus Andresen sprach es an - ist all dies auch unter der Überschrift Gedenkstättenarbeit und Erinnerungsarbeit zu betrachten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung steht zu dem Anliegen dieses gemeinsamen Antrags. Sie braucht nicht erst dazu aufgefordert werden. Sie steht fest an Ihrer Seite.

Konkret kann ich darauf verweisen, dass ich dies auch im Namen der Landesregierung deutlich machte, als es vor rund eineinhalb Jahren einen Entschließungsantrag des Landtags dazu gab. Ich

(Lars Harms)

will die Beschlussvorlage nicht zitieren; Sie kennen sie alle genauso gut wie ich.

Bei der Justizministerkonferenz im Frühjahr 2015 habe ich als Mitantragstellerin einen Beschluss herbeigeführt, der noch einmal sehr deutlich die Forderung nach zeitnahen Regelungen zur Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer von Strafverfolgung wegen homosexueller Handlungen formuliert. Die nötigen Regelungen muss allerdings der Bundesgesetzgeber schaffen. Das - Sie wissen es ist bis heute noch nicht geschehen, und das ist bitter.

Deshalb hat Schleswig-Holstein im Juli 2015 wiederum als mitantragstellendes Land eine Entschließung des Bundesrats herbeigeführt. Darin ist die Bundesregierung ausdrücklich aufgefordert worden, den nötigen Gesetzentwurf nunmehr vorzulegen und in den Bundestag einzubringen.

Nun - Sie wissen es - hat Bundesjustizminister Heiko Maas im Mai 2016 angekündigt, einen Gesetzentwurf zur Aufhebung einschlägiger Verurteilungen und daraus entstehende Entschädigungsansprüche vorzulegen. Darüber freue ich mich. Ich hoffe, dass mit dem nun vorliegenden Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch die letzten politischen Widerstände gegen diesen notwendigen Gesetzentwurf abgeräumt werden können.

Meine Damen und Herren, letzte Woche fand die Justizministerkonferenz der Bundesländer statt. Auch dort wurde von den Justizministern der Länder eingefordert, dass es noch in dieser Legislaturperiode des Bundestags zu einer Novellierung kommt. Dass Schleswig-Holstein diesen Beschluss selbstverständlich mitgetragen hat, brauche ich nicht zu erwähnen. Der Beschlussvorschlag lautet:

„Die Justizministerinnen und Justizminister begrüßen die Bereitschaft des Bundesministers der Justiz und für Verbraucherschutz, … einen Vorschlag für ein Rehabilitierungsgesetz vorzulegen, und erklären ihre Bereitschaft, an einem zügigen Gesetzgebungsverfahren mitzuwirken.“

Ich finde, auch das war ein notwendiges und wichtiges Signal.

Meine sehr verehrten Damen und Herrn, wie Sie sehen, teilt und unterstützt diese Landesregierung das Ziel des Antrags von ganzem Herzen. Wir sind uns in der Sache vollkommen einig, dass der nötige Gesetzentwurf so schnell wie möglich kommen muss, damit er den vielen, zum Teil schon älteren Betrof

fenen endlich zugutekommt. Ich danke für den erneuten Rückenwind für unseren Einsatz. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb schließe ich die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, PIRATEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/4194 (neu), seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.

(Beifall)

Ich rufe dann Tagesordnungspunkt 28 auf:

Mehr stationäre Plätze und eine umfassendere finanzielle Unterstützung für ehrenamtlich Tätige im Hospiz- und Palliativwesen

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/4240

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht, dann eröffne ich die Aussprache und erteile der Abgeordneten Birte Pauls von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 7. Januar 2016 hat auf unsere Anregung hin in diesem Saal ein Runder Tisch Hospiz stattgefunden. Viele Gäste aus der Hospiz-, Palliativ- und Trauerbegleitung haben sich auf den Weg gemacht, haben sich hier getroffen und die Möglichkeit für den regen Austausch und die gute Vernetzung genutzt. Für uns anwesende ich glaube, da kann ich für alle sprechen, die dabei gewesen sind - Mitglieder des Sozialausschusses war dieser Abend genauso lehrreich wie informativ. Ich danke allen Beteiligten, der Verwaltung und dem Sozialausschussvorsitzenden Peter Eichstädt für die Durchführung der Veranstaltung, von der ich sicher bin, dass sie eine verstetigte Fortsetzung erfährt. Jedenfalls wäre das der Wunsch der SPDFraktion.

(Beifall SPD)

(Ministerin Anke Spoorendonk)

Vielleicht ist dazu auch zu sagen: Ich finde, der Runde Tisch ist wirklich ein geeignetes Instrument, um sich mit der Fachwelt auszutauschen, wo Politik und Fachwelt zusammenarbeiten können, um gemeinsame Wege aufzuzeigen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn sich das Leben dem Ende neigt, wünschen sich wohl die meisten Menschen, dass sie nicht alleine sind, dass sie sich geborgen und sicher fühlen können, respektvoll angenommen werden, in Stärke und in Schwäche, in Angst und Zuversicht, und dass ihre individuellen Wünsche, Persönlichkeit, Herkunft und Weltanschauung angemessen Berücksichtigung finden - und dass sie ohne Schmerzen sind.

Das Sterben gehört selbstverständlich zum Leben, und doch sind es meist die schwersten Stunden, Tage, sogar Wochen für den Sterbenden selbst, aber auch für die Angehörigen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem das Leben nur noch eine Richtung nimmt, bedarf es Rahmenbedingungen, die auf die Wünsche und Bedürfnisse des Sterbenden eingehen und vor allen Dingen diese auch ermöglichen können. Dazu gehören die gewünschte Nähe von Angehörigen, Freunden und anderer zugewandter Begleitung, ein respekt- und würdevoller Umgang und eine professionelle pflegerische und medizinische Betreuung, die Schmerzen und andere Symptome zu lindern weiß.

Dass dieser Wunsch vieler überhaupt umgesetzt werden kann, verdanken wir den Hospizdiensten, den Palliativ-Care-Teams, den stationären Hospizen und den Palliativstationen in unserem Land, die auf vielfältige und wunderbare Art und Weise sterbende Menschen und ihre Angehörigen würdevoll begleiten. Ich bedanke mich ganz herzlich im Namen der SPD-Fraktion bei den vielen Hauptamtlichen und noch sehr viel mehr ehrenamtlich tätigen Menschen in diesem Bereich.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt CDU)

Viele Menschen haben Scheu und Angst, sich überhaupt mit dem Tod und Sterben auseinanderzusetzen. Das weiß man vielleicht von sich selber auch. Umso größer ist mein persönlicher Respekt vor diesem fachlich hohen und gleichzeitig zutiefst menschlichen Engagement.

Diese Tätigkeiten werden allerdings durch einen hohen Bürokratie- und Koordinierungsaufwand belastet. Eine langjährige Forderung des Hospizverbands ist deshalb auch die Einrichtung einer Koordinierungsstelle auf Landesebene. Mit diesem An

trag wollen wir dieser Forderung gern nachkommen.

(Beifall SPD)

So werden Hospizdienste und die Arbeit der Trauerbegleitung organisatorisch entlastet. Es gibt mehr Raum, sich den Menschen zu widmen, die Unterstützung brauchen.

Durch das neue Bundesgesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung sind schon einige Forderungen und Wünsche der Vertreterinnen und Vertreter der Hospizarbeit erfüllt. Das Gesetz bietet vielfältige Ansätze für eine bessere Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen im ambulanten Bereich und in Pflegeeinrichtungen. Aber trotzdem bleibt noch viel zu tun.

Der SPD-Fraktion ist zum Beispiel die wohnortnahe Versorgung mit Hospizbetten ein ganz großes Anliegen. Nicht immer - leider; aber oft ist es ja so - ist das Sterben zu Hause möglich oder gewünscht. Unsere Hospize bieten da eine umsorgende Alternative. Wenn ein Familienangehöriger im Sterben liegt, ist das für ihn und für alle um ihn herum eine belastende Situation. Wenn Kinder betroffen sind, sind Kummer und Schmerz kaum zu bewältigen. Eine zusätzliche räumliche Distanz sorgt nur für eine weitere Belastung.

Zurzeit haben wir für unsere 2,8 Millionen Einwohner in Schleswig-Holstein 66 Betten in sechs stationären Hospizen im Land, in denen eine wundervolle Arbeit geleistet wird. Laut dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband liegt der Bedarf allerdings bei 50 stationären Betten pro 1 Million Einwohner. Andere empfehlen sogar 80 Betten pro 1 Million Einwohner. Demnach haben wir eine Lücke, besonders weil wir wissen, dass die Menschen in diesem Land immer älter werden.

Deshalb bitten wir die Landesregierung, den tatsächlichen Bedarf für zusätzliche Angebote für Kinder zu ermitteln und Maßnahmen zu ergreifen, die Zahl der Hospizbetten entsprechend zu erhöhen. Dabei muss besonders natürlich auch der ländliche Raum beachtet werden. Wir finden: Niemand sollte alleine sterben. Anliegen der SPD-Fraktion ist es, den Hospiz- und Palliativbereich weiter zu stärken. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion erteile ich nun dem Kollegen Karsten Jasper das Wort.

(Birte Pauls)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer alternden Gesellschaft wird eine patientengerechte und flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung immer wichtiger. Egal wo Menschen ihren Lebensabend verbringen, ob im eigenen Haus, in einer Pflegeeinrichtung, in einem Krankenhaus oder eben in einem Hospiz, überall muss humanes Sterben möglich sein.

Gott sei Dank hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren vieles getan. Niemand muss im Alter alleine sterben. Menschen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf eine angemessene Begleitung in diesem Abschnitt. In Schleswig-Holstein haben sich in all den Jahren vielfältige Möglichkeiten entwickelt: ambulante und stationäre Hospize oder auch Palliativstationen. Hinzu kommt die spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

Die Hospizbewegung in unserem Land bleibt aber weiterhin eine unersetzbare Säule in der Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, 80.000 Menschen sind in Deutschland bürgerschaftlich und ehrenamtlich für die Palliativ- und Hospizversorgung tätig. Dafür spreche ich an dieser Stelle allen Beteiligten meinen herzlichen Dank aus.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, SSW und Peter Lehnert [CDU])