Protocol of the Session on June 10, 2016

Wenn Sie jetzt eine Offenlegung ablehnen, dann kann der Bürger das doch nur so verstehen, dass Sie sich die Möglichkeit offenhalten wollen, unerkannt Lobbyistenwünsche in Gesetzesform gießen zu können, ohne Rechenschaft darüber ablegen zu müssen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Non- sens!)

Für Außenstehende erweckt das den Eindruck eines Ausverkaufs der Demokratie, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Auch ein Non- sens!)

Wenn Sie nicht glauben, dass zum Beispiel 61 % der repräsentativ befragten Menschen in Deutschland der Aussage zustimmen: „Unsere Demokratie ist keine echte Demokratie, da die Wirtschaft und nicht die Wähler das Sagen haben“ - das sagen 61 % der Bürger! -, dann glauben Sie vielleicht einer Befragung aller Bundestagskandidaten

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie ja! Deshalb werden Sie nicht mehr gewählt!)

durch das WZB im Jahr 2014. Das Ergebnis ist: Nur 27 % unserer Bundestagskandidaten glauben noch daran, dass die Gesetzgebung die Interessen der Mehrheit in unserem Land widerspiegelt. Fast 70 % der Bundestagskandidaten beklagen einen zu großen Einfluss von Interessengruppen auf die Gesetzgebung.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

(Dr. Patrick Breyer)

Herr Abgeordneter Dr. Breyer, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir PIRATEN sagen deswegen: Nur Transparenz schafft Vertrauen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Non- sens!)

Heute wird die Öffentlichkeit sehen, wer sich für Transparenz einsetzt und wer sie verhindert.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen uns darauf verständigen, dass der Abgeordnete Lars Harms bei dem vorletzten Punkt, über den wir jetzt diskutieren, das Wort hat.

(Vereinzelter Beifall SPD - Lars Harms [SSW]: Da bin ich für!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesetzgebungs-Outsourcing dieses 24-Buchstaben-Ungetüm soll einen Skandal suggerieren. Es geht um die Frage der bezahlten Beteiligung von Dritten - die Antragsteller nennen ausdrücklich Juristen - bei der Normsetzung. Es ist eigentlich ganz einfach. Es gilt für die Gesetzgebung das strucksche Gesetz, wonach kein Gesetz den Bundestag beziehungsweise den Landtag so verlässt, wie es hineinkommt - auch keines, an dem Externe mitgearbeitet haben. Experten, Fraktionen, Nutzer und nicht zuletzt Journalisten nehmen sich die Gesetze vor. Dann werden sie geändert, in der Regel verbessert, neue Formulierungen werden eingearbeitet und alte verworfen.

Die Nutzung außerparlamentarischer Expertise ist also nicht die Ausnahme, sondern der ausdrückliche Normalfall.

Meine Fraktion nimmt jedenfalls für sich nicht in Anspruch, in jeder Fachfrage ohne Beratung von außen auskunftsfähig zu sein. Ganz im Gegenteil,

wir verstehen die Gespräche mit Verbänden als probates Mittel der Erkenntnisgewinnung. Die Vorschläge, die wir allerdings mit oder ohne Hilfe von Verbänden und Organisationen vorlegen, sind ausschließlich unsere Vorschläge und nicht die der Verbände und Organisationen.

Dabei schätze ich insbesondere die Anhörungen als ein Korrektiv parlamentarischen Handelns. Auch Politiker können sich ja irren. Oft genug haben in der Vergangenheit Anzuhörende Dinge geradegerückt - nicht immer unwidersprochen. Aber gerade das Zusammenspiel von Rede und Gegenrede lässt der eigenen Meinungsbildung der Parlamentarier in solchen Verfahren breiten Raum. Schließlich haben wir weit überwiegend mit Partikularinteressen zu tun. Es liegt an uns, aus den Einwänden und Argumenten gemeinwohlorientierte Gesetzentwürfe zu erstellen. Ich unterstelle uns allen, egal welcher politischer Couleur wir sind, dass wir genau das tun.

Die Beiträge und Protokolle der Anhörungen sind im Landtagsinformationssystem nachzulesen; niedrigschwellig und umfassend. Jede Schleswig-Holsteinerin oder jeder Schleswig-Holsteiner kann nachlesen, welcher Verband welche Stellungnahme erarbeitet und abgegeben hat. Das ist in lobenswerter Weise technisch aufgearbeitet, sodass die Vorgänge für Bürgerinnen und Bürger leicht nachzuvollziehen sind, ohne dass man sich durch das System klicken muss.

Dem Landtag wiederum steht zur Kontrolle der gesetzgeberischen Arbeit der Landesregierung ebenfalls ein bewährtes Instrument zur Verfügung: die Kleine Anfrage. Es ist ein bewährtes Verfahren, um Auskünfte zu erhalten. Die Landesregierung liefert auf diesem Weg oftmals Informationen zu Gesetzgebungsverfahren nach, und zwar allen, denn die Antworten sind öffentlich und jederzeit zugänglich. Diese Transparenz hat sich insgesamt bewährt. Darüber hinaus gibt es dann auch noch die Möglichkeit der Einsichtnahme von Akten und Vorgängen. Es ist also im Wesentlichen alles nachvollziehbar.

Ich will allerdings nicht verhehlen, dass nicht alle Einflussnahmen öffentlich rekonstruierbar sind. Es ist nicht immer klar ersichtlich, wer versucht hat, ein Gesetz umzuformulieren. Das gilt übrigens auch für die PIRATEN, die alle einladen, sich zu Gesetzen zu äußern. Auch Sie sind nicht davor gefeit, dass Lobbyisten diese Öffnung für ihre eigenen Zwecke nutzen, indem sie unter falscher Fahne Mails schicken und auf diese Weise das scheinbar offene System kapern.

Natürlich kann es auch sein, dass Lobbyisten Gesetzesänderungen bei den PIRATEN vorschlagen. Das ist nicht die Regel, schon gar nicht bei den PIRATEN, wie wir ja wissen, aber es ist schon vorgekommen, und es ist auch in Zukunft denkbar.

Nur dann, wenn Formulierungshilfe und persönliche Vorteile zusammenkommen, ist es anrüchig. Der persönliche Vorteil ergibt sich, wenn sich der Auftragnehmer ein Gesetz zusammenschustert, von dem er selbst profitiert. Das geht natürlich nicht. Hier müssen wir wachsam sein, und sind das ja auch.

Aber noch einmal: Die Formulierungshilfen von Gesetzen oder Verordnungen sind nicht per se problematisch. Das gilt im Übrigen sowohl für Gesetzentwürfe von Regierungen als auch von Fraktionen. Dass also zum Beispiel der Wissenschaftliche Dienst hier als quasi Außenstehender Hilfestellung gibt, ist genauso sinnvoll wie die Hilfestellungen durch private Anwaltskanzleien. Bedient sich beispielsweise eine Fraktion dieser Hilfen, so sind diese Hilfen auch erst einmal schützenswert. Auch das Innenverhältnis zwischen beiden Partnern ist schützenswert. Man muss auch die Chance haben, sich Gedanken zu machen, ohne dass einem dies gleich entsprechend vorgehalten wird.

Man kann Gesetzesformulierungen, wenn man sich eine Meinung gebildet hat, umsetzen oder entsprechend verwerfen. Am Ende ist entscheidend, was die Fraktion aus diesen Vorschlägen macht und welche sie dem Parlament vorlegt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Nur das ist der Punkt, an dem man wirklich sagen kann: Das Volk muss bewerten, was eine Fraktion macht. Der Verlauf der Zusammenarbeit zwischen denjenigen, die uns beraten, und denjenigen, deren Ratschläge wir möglicherweise verwerfen, muss weiterhin geschützt sein.

Fraktionen sind politisch ausschließlich an dem zu messen, was sie dann auch tatsächlich vorschlagen. Da sind dann die späteren Anhörungen ein gutes Korrektiv. Politik ist nicht käuflich, und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit externen Partnern ist kein Gemauschel, so sehr sich die PIRATEN das in ihrer Skandalisierungswut auch wünschen. Die Welt ist zum Glück eine völlig andere.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich eigentlich nicht mehr zu Wort melden, aber diese Impertinenz des Abgeordneten Breyer geht mir mittlerweile wirklich auf den Senkel.

Herr Kollege Dr. Breyer, verfassungsrechtlich verantworten die Fraktionen die Gesetzentwürfe, die sie einbringen, selbst. Und dafür werden sie gewählt oder auch abgewählt. Diese Insinuierung von Ihnen, etwas sei käuflich, finde ich extrem unverschämt.

(Beifall FDP - Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

- Doch, selbstverständlich! Sie insinuieren dauernd - dazu komme ich gleich -, dass hier Lobbygruppen Einfluss nähmen - Lobbygruppen, deren Tätigkeit von Verfassungs wegen gewollt ist: Die Idee der Verfassung besteht darin, dass verschiedene Berufsgruppen sich im Parlament wiederfinden, dass deren Interessen, die unterschiedlich sein können, im Parlament aufeinanderprallen und dann eine gemeinsame Lösung gefunden wird.

Die politischen Organisationen, die hier im Parlament vertreten sind, dokumentieren auch gelegentlich, dass man unterschiedliche Interessen hat. Die Grünen haben andere Interessen als wir - jedenfalls in einigen Teilbereichen.

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutlich!)

Wir beschweren uns nicht darüber, dass sie vom BUND oder anderen beraten werden, genauso wenig wie sie sich wahrscheinlich darüber beschweren, dass wir, wenn wir uns über wirtschaftliche Fragen unterhalten, oft mit Unternehmensverbänden reden, mit IHK und anderen. Das ist der Sinn der Veranstaltung.

(Zuruf SPD: Ja!)

Selbstverständlich stehen wir alle miteinander im Wettbewerb.

Was Sie momentan wollen, ist, sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen zu verschaffen. Wenn wir uns mit einer Überlegung beschäftigen und dann externen Rat einholen, weil wir - im Gegensatz zu Ihnen - nicht alles bei uns organisieren

(Lars Harms)

selbst ich glaube nicht, dass ich das alles beherrsche -,

(Anita Klahn [FDP]: Oh! - Christopher Vogt [FDP]: Das ist neu! - Heiterkeit und Zurufe)

und wir das jetzt öffentlich machen müssten, Herr Kollege Breyer, dann würden wir wissen, dass sofort die mit uns politisch in Konkurrenz stehenden Organisationen entweder das Gleiche oder etwas anderes machen würden. Wir hören hier dauernd von der CDU, wenn wir Anträge stellen: Oh, was für ein Mist, ihr wart schneller als wir!

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das habe ich nie ge- sagt!)

- Das hast du mir heute Morgen gerade gesagt!