Protocol of the Session on June 10, 2016

(Zurufe: Oh!)

Vorausgegangen waren übrigens mehrere Verstöße von Datenschutzbehörden, die anderswo die Totalüberwachung beanstandet hatten.

Das erinnert mich übrigens an die sogenannte BND-Reform, die ja zurzeit durch Berlin geistert. Auch hier soll das Recht angepasst werden, um alle möglichen Schweinereien der Vergangenheit zu legalisieren.

In unserem Fall will jetzt die Verkehrsministerkonferenz den Datenschutz und damit die Bürgerrechte aushöhlen, sodass bald kein Datenschutz mehr drin ist, wo „Datenschutz“ drauf steht.

Ich möchte an dieser Stelle eines klarstellen: Busse und Bahnen sind relativ sicher, der ÖPNV ist relativ sicher - nicht nur bei uns in Schleswig-Holstein, sondern auch im Rest der Republik.

(Beifall PIRATEN)

Ich sage „relativ“ deswegen, weil absolute Sicherheit kaum möglich ist. Das wissen Sie so gut wie ich. Wenn es möglich wäre, absolute Sicherheit zu schaffen, dann müssten wir einen gewaltigen Preis dafür zahlen, nämlich die absolute und totale Überwachung. Man könnte sich nicht mehr frei bewegen, alles würde kontrolliert werden.

Schauen wir uns die Situation in Schleswig-Holstein aber einmal genauer an und gucken wir, wie weit wir von absoluter Sicherheit entfernt sind. Die landesweite Verkehrsservicegesellschaft sagte es im Jahr 2004 ganz deutlich: Der Wirkungsnachweis von Videoüberwachung sei schon allein wegen der geringen Kriminalitätsraten im Nahverkehr schwierig.

(Präsident Klaus Schlie)

(Beifall PIRATEN)

Also halten wir fest: Wir haben so wenig Kriminalität im ÖPNV, dass allein schon die Messung eines eventuellen Rückgangs schwierig wäre. Das sind doch gute Neuigkeiten.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN] - Zu- ruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Oder sehen wir uns konkret die Zahlen der Deutschen Bahn aus dem Jahr 2015 an. Sie verzeichnen in Schleswig-Holstein 320 Körperverletzungen. Das klingt erst einmal nach einer hohen Anzahl, aber betrachten wir die Gesamtzahl von Körperverletzungen im selben Zeitraum, es sind etwa 19.000, verrechnen diesen Wert mit den Zügen und den Bahnhöfen, dann landen wir bei einem Wert von 0,02 % der Körperverletzungen, die in Bussen und Bahnen geschehen.

(Zuruf Lars Winter [SPD]: Frechheit!)

- Herr Winter, ich bin bei Ihnen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Um Gottes Wil- len, wer will das denn?)

Jeder Verletzte ist einer zu viel. Um es etwas anschaulicher zu machen: Wenn Sie abends von Ihrer Kieler Wohnung aus zur Bushaltestelle laufen, von dort zum Bahnhof fahren, mit dem Zug nach Hamburg fahren und dann die Nacht auf dem Kiez verbringen oder meinetwegen auch die Lange Nacht der Museen besuchen, am nächsten Morgen mit dem Zug wieder zurück nach Kiel fahren und dann mit dem Bus nach Hause, dann sind Bus- und Bahnfahrt Ihr geringstes Problem, wenn Sie auf die Sicherheit achten.

(Beifall PIRATEN)

Die Aufklärungsquote von Gewaltdelikten in der Bahn ist übrigens mit 77 % außerordentlich hoch.

(Beifall PIRATEN)

Gerade einmal bei 7 der insgesamt 311 Gewaltdelikte, die es 2013 in Schleswig-Holstein gab -

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, ich wurde darüber informiert, dass der Ältestenrat 10 Minuten Redezeit vereinbart hat. Sie haben 5 Minuten auf der Uhr eingestellt. Ich bitte, das zu korrigieren.

Ist das richtig? - Ja, Sie haben recht. Sie haben 10 Minuten Redezeit.

Danke.

(Martin Habersaat [SPD]: Der ganze Älte- stenrat gehört noch einmal überprüft! - Hei- terkeit)

Herr Abgeordneter Habersaat, ich nehme an, Sie haben das nicht ernst gemeint.

Ich schlage vor, wir richten einen Livestream für den Ältestenrat ein, dann haben wir das Problem nicht mehr, dann wissen wir alle, worum es ging. Meine Damen und Herren, es wurden nur 7 der 311 Taten in Zügen und Bahnhöfen mithilfe von Videokameras aufgeklärt. - Das bringt so doch alles nichts.

(Beifall PIRATEN)

Wir wollen aber nicht immer nur meckern, sondern wir wollen konstruktiv nach vorn arbeiten. Also, was könnte man mit dem ganzen schönen Geld machen, das wir hier im Haus eigentlich in die Videoüberwachung stecken wollten? Wir haben Zahlen bekommen, dass die Videoüberwachung für die Hamburg-Westerland-Strecke 1,5 Millionen € an Investitionen bedurft hätte, wenn man dies machen wollte. Dabei sind die Einsparungen durch geringeren Vandalismus bereits herausgerechnet. Das ist eine ganz schöne Stange Geld, liebe Koalition. Was könnte man damit nicht alles anstellen? Man könnte Bahnhöfe besser ausleuchten, um potenzielle Täter abzuschrecken und nicht nur zu filmen, oder man könnte Wachpersonal einstellen, das Verbrechen verhindert und nicht nur aufzeichnet. Dieses Wachpersonal könnten Sie gezielt dann dort einsetzen, wo Gefahren drohen, denn die Wahrscheinlichkeit, von gewalttätigen Ausschreitungen auf der Risikostrecke Husum-Niebüll ist wahrscheinlich als eher gering zu betrachten.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Es bleibt dabei: Noch nie ist eine Kamera aus der Halterung gesprungen und hat einen Kriminellen festgenommen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

(Uli König)

Lassen Sie uns einen Blick nach England werfen. Das Land ist mit CCTV wohl federführend bei der Überwachung des öffentlichen Raums. In London beispielsweise steigt die Kriminalität trotz Videoüberwachung immer weiter an, und das ist auch nicht verwunderlich, denn Kameras verhindern keine Verbrechen, allenfalls verdrängen sie sie. Wenn Sie jetzt mehr Kameras installieren, dann haben die Kameras irgendwann überhaupt keinen Abschreckungseffekt mehr. Dann ist es ja egal, wo Sie ein Verbrechen verüben.

(Beifall FDP und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Statt sich in die dunklen Gassen zu verziehen, ziehen Sie sich einfach die Kapuze ins Gesicht und begehen Ihr Verbrechen dort, wo Sie es gerade wollen.

Um das noch einmal an einem anderen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn Sie gegen einen Straßenmusiker einen Platzverweis aussprechen, stellt er dann das Musizieren ein? Nein, er baut sein Equipment zwei Straßen weiter wieder auf. In England hat man den Nichtnutzen von Überwachungskameras mittlerweile erkannt und baut die Kapazitäten wieder ab.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Für uns PIRATEN steht fest: Es ist nicht zielführend, den Menschen nur das Gefühl von Sicherheit zu geben, auch wenn sie sich das wünschen. Wir fordern, die tatsächliche Sicherheit zu verbessern.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Das ist aufwendiger, weil Sie den Bürgern dann erklären müssen, dass scheinbare Sicherheit und tatsächliche Sicherheit etwas Unterschiedliches sind. Aber aus unserer Sicht ist das die einzige vernünftige Vorgehensweise, um tatsächlich Sicherheit zu schaffen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Deshalb freue ich mich, dass wir uns mit Ausnahme der CDU darauf einigen konnten, die Deutsche Bahn um die Durchführung einer wissenschaftlichen Untersuchung zu bitten. Ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse helfen, die Bewertung von Überwachungsmaßnahmen in der Zukunft besser einzuschätzen.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Noch glücklicher bin ich darüber, dass wir uns zumindest über ein Überwachungsausbaumoratorium einigen konnten. Wichtig ist, dass das Daten

schutzrecht nicht aufgeweicht wird, um der Sicherheitsesoterik zu frönen.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Von daher bin ich enttäuscht darüber, dass Minister Meyer sich bei der Abstimmung der Verkehrsminister nur enthalten hat, als es um dieses Thema ging. Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, um den Datenschutz zu schützen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Herr Abgeordneter, der von Ihnen benutzte Begriff aus dem Nutztierbereich ist sicher dem Diskussionsniveau in diesem Hohen Haus nicht angemessen. - Für die CDU-Fraktion hat nunmehr Herr Abgeordneter Hans-Jörn Arp das Wort.