Das war eine schwere Nacht. Die Eckpunkte der jüngsten EEG-Reform sind ein Abschied von alten Gewissheiten. - Ja, das wissen wir. Aber ich bin ganz sicher: Wir in Schleswig-Holstein werden das miteinander hinbekommen. Die Erneuerbaren sind längst den Kinderschuhen entwachsen. Windstrom an Land ist inzwischen kostengünstiger - ist kostengünstiger! - als die Stromerzeugung mit neuen, fossilen Kraftwerken, und er ist auch viel kostengünstiger als die Stromerzeugung durch Atomkraft, wenn wir denn alle wahren Kosten von Atomenergie mit auf die Rechnung schreiben würden.
Windstrom kann sich am Markt behaupten, gerade hier bei uns, wo der Wind stärker weht. Die Debatte über Technik, die Debatte über Wirtschaftlichkeit ist ausgefochten.
Jetzt müssen wir die Energiewende gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern umsetzen. Die Vereinbarung im Kanzleramt und unsere gerade laufende Fortschreibung der Regionalpläne sind beide dazu geeignet. Am Ende helfen sie uns, Akzeptanz zu erhalten, auch den Konsens in Schleswig-Holstein zu erhalten.
Die Energie in Zukunft ist sauber. Den Weg, den wir dafür gehen müssen, können wir nur gemeinsam mit den Menschen gehen, in Verantwortung vor den Menschen, aber eben nicht nur in Verantwortung vor einer, vor dieser Generation, sondern in Verantwortung auch vor den nächsten Generationen. Das ist die Politik, für die wir stehen. Wir stehen für Verantwortung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit von 15 Minuten um 15 Minuten überzogen, sodass jetzt allen Rederinnen und Rednern der Fraktionen 30 Minuten zur Verfügung stehen. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Oliver Kumbartzky das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, vielen Dank für Ihren kurzen, knackigen Bericht aus Berlin. Ich frage mich wirklich, warum Sie 15 Minuten Redezeit anmelden und dann einfach mal das Doppelte brauchen.
- Ja, Frau Kollegin, mal ganz im Ernst: Das war keine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, das war ein energiepolitischer Offenbarungseid!
(Beifall FDP und CDU - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin auswendig gelernt! - Weitere Zurufe)
- Es freut mich ja, dass Sie endlich aktiv und wach werden! Da habe ich ja schon einmal mein Ziel erreicht. Ich habe Zeit!
Herr Ministerpräsident, Sie scheinen wirklich jeden Gestaltungsanspruch verloren zu haben. Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, fährt Ihnen auch noch Ihr Energiewendeminister Dr. Habeck permanent in die Parade und kritisiert das, was Sie selbst vor Kurzem noch begrüßt haben.
Sehr deutlich wird das an der aktuellen Diskussion über das EEG. Das Ziel, eine Überförderung zukünftig auszuschließen, ist richtig. Hier teile ich Ihre Einschätzung, Herr Ministerpräsident. Die Umstellung auf einen mit einem Ausschreibungssystem verbundenen Mengenansatz ist ein Schritt in die richtige Richtung zu mehr Wettbewerb und damit zu mehr Marktwirtschaft. Das bisherige System der Einspeisevergütung war marktfeindlich und gehört zu Recht abgeschafft.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Ausschreibungen werden den Teilnehmern natürlich einiges an bürokratischem Aufwand und wirtschaftlichem Risiko abverlangen. Das kann gerade für die kleinen Marktakteure der dezentralen Energiewende ein Hindernis sein. Schlimmstenfalls kann das Ganze
zu einer Oligopolbildung beitragen. Die vielgepriesene Akteursvielfalt der Energiewende steht damit zur Disposition. Gerade auch, um die Zukunftsfähigkeit der Bürgerwindparks zu erhalten, erwarten wir hier im weiteren Verfahren deutliche Nachbesserungen.
Wirklich bedauerlich ist aus unserer Sicht, dass die Ministerpräsidentenrunde bei der Kanzlerin beim Thema Strompreis keinen Durchbruch erzielt hat. Offenbar war der Strompreis überhaupt kein Thema. Dabei belasten die seit Jahren immer weiter steigenden Strompreise Unternehmen und private Haushalte gleichermaßen. Aufgrund der permanent steigenden EEG-Umlage, der Stromsteuer und der auf beides zusätzlich erhobenen Mehrwertsteuer kommen die seit einigen Jahren wieder sinkenden Großhandelspreise bei den Stromkunden nicht an. Neben einer umfassenden EEG-Reform ist daher eine deutliche Senkung der Stromsteuer notwendig.
Ein weiterer Kostenpunkt sind die unterschiedlichen Netzentgelte. Ein bundeseinheitliches Netzentgelt ist dringend geboten. Bei diesen Themen schweigen sich die Ministerpräsidenten auch leider aus.
Ein weiterer Punkt, bei dem Sie, Herr Ministerpräsident, sich nicht durchsetzen konnten, sind die sogenannten Netzengpassgebiete. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, eine gerade Linie zwischen Nord- und Süddeutschland zu ziehen. Dass im Norden der Neubau von Windkraftanlagen auf 58 % des jetzigen Niveaus sinken soll, führt dazu, dass windreiche Standorte bei Ausschreibungen den Kürzeren ziehen werden. Das wiederum wird dann dazu führen, dass die Vergütungssätze im Süden und damit auch wieder die EEG-Umlage steigen.
(Beifall FDP und Hans-Jörn Arp [CDU] - Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Warum klatscht denn die CDU da, das kommt doch von Ihnen! - Christopher Vogt [FDP]: Von Kretschmann auch! - Unru- he)
Vielen Dank. - Die eben erwähnten Regelungen werden dazu führen, dass weniger als 150 Windenergieanlagen pro Jahr in Schleswig-Holstein gebaut werden können. Zuletzt waren es 300 jährlich.
Herr Minister Dr. Habeck: Dass Sie den Ausbau der Windenergie beziehungsweise Ihre energiepolitischen Ziele nun strecken wollen, ist vor diesem Hintergrund weder verwunderlich noch eine gestalterische Glanzleistung. Sie haben schlicht keine andere Wahl. In der Energiewende sind Sie kein aktiver Faktor, Sie sind ein Getriebener!
Wir haben es in der letzten Woche auch im Wirtschaftsausschuss gehört, wo Herr Dr. Habeck gesagt hat, das 300-%-Ziel müsse man gar nicht so starr sehen, und man könne sich von der Zahl verabschieden. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Sie nun von dieser Zahl abrücken. Das ist aber weder mutig noch ein Entgegenkommen an all diejenigen, die Sorgen um ihre Gesundheit und den Wert ihres Eigentums haben. Es ist ganz allein ein Resultat des Kompromisses, den Ihr Ministerpräsident in Berlin mit ausgehandelt hat.
Sie verabschieden sich von dieser planwirtschaftlichen Vorgabe, weil Sie wissen, dass Sie sie nicht mehr erreichen können. Diese Einsicht haben Sie immerhin der CDU voraus, die in ihrem heute vorliegenden Antrag noch starr am 300-%-Ziel festhalten will. Auch das muss man einmal sagen.
Auch wenn die Ergebnisse aus Berlin unterm Strich nicht gut für Schleswig-Holstein sind, sollten wir die aus der EEG-Reform resultierende Drosselung des Ausbaus zumindest nutzen, um Versäumnisse der letzten Zeit aufzuarbeiten. Wir Freien Demokraten haben es an dieser Stelle schon mehrfach gefordert: Die Menschen müssen besser vor Schatten und Lärm geschützt werden.
Eine grundlegende wissenschaftliche Überprüfung der Prognosen und Bewertungen von Schallimmissionen in Bezug auf hohe Anlagen, die auch gesundheitsschädliche Auswirkungen durch übermäßige und vor allem niederfrequente Schallentwicklung und Infraschall untersucht, ist unerlässlich, um Wissensdefiziten abzuhelfen und um die Rechte von Nachbarn von Beginn an wirkungsvoll zu schützen. Eine solche Überprüfung wäre ein deutli
ches Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass ihre Belange beim Ausbau der Windenergie wieder stärker berücksichtigt werden.
Die Ankündigung der Landesregierung, ein Messprogramm zur Schallbelästigung durchzuführen, war insofern längst überfällig. Wir erwarten, dass es sich hierbei nicht nur um rhetorische Placebos handelt, sondern dass ergebnisoffen geprüft wird.
Ihre bisherigen Signale sind einigermaßen irritierend. Einerseits halten Sie Infraschall für unbedenklich und die DIN-Norm für richtig, andererseits sagen Sie, dass das Ganze nicht präzise sei. Es ist auch nicht besonders vertrauensfördernd, wenn man, wie Kollege Detlef Matthiessen das am 9. September 2015 im Umweltausschuss getan hat, die gesundheitlichen Bedenken der Menschen in Bezug auf Infraschall als „Märchen“ abstempelt.
Das kann wirklich nicht sein! Bis wir beim Thema Schall Ergebnisse haben - und das drückt unser Antrag aus -, müssen unter dem Gesichtspunkt des vorsorgenden Immissionsschutzes die Abstände festgelegt werden. Es geht um die Menschen, da sollte das Vorsorgeprinzip gelten. Wir müssen frühzeitig und vorausschauend handeln, um Belästigungen der Menschen durch Windkraftanlagen zu vermeiden.
Wenn künftig in Schleswig-Holstein ohnehin nur noch weniger als 150 Windenergieanlagen pro Jahr errichtet werden können, so sollten für diese deshalb auch die größtmöglichen Abstandsregelungen gelten. Wir haben hier einen konkreten Vorschlag unterbreitet, wie das funktionieren könnte. Herr Albig hat den Vorschlag dann kritisiert, aber gleichzeitig gesagt: Bringen Sie doch einmal Ihre Vorschläge. - Das passt nicht zusammen!
Wir haben hier einen konstruktiven Vorschlag gemacht und erwarten jetzt eine wirklich ernsthafte, konstruktive Diskussion im Ausschuss darüber. Wir hatten schon einmal einen Vorschlag zur Abstandsregel gemacht. Da hat dann die Mehrheit im Ausschuss entschieden, dass man nicht einmal eine Anhörung durchführen wollte. Warum drücken Sie sich davor? Wir erwarten jetzt, dass zu diesem An
trag wirklich eine intensive Anhörung durchgeführt wird, sodass wir wirklich intensiv über diese Alternative nachdenken können.
Wir lassen auch nicht irgendwelche willkürlichen Abstandszahlen in den Plenarsaal plumpsen, sondern fordern anlagenhöhenabhängige Abstände, die nach der Schutzbedürftigkeit des benachbarten Gebiets differenziert sind.
Das heißt: Für besonders geschützte Qualitäten des Wohnens sollte ein Abstand von sieben mal Höhe, mindestens aber 1.000 m, gelten, für den Außenbereich vier mal Höhe und mindestens 500 m.
(Martin Habersaat [SPD]: Und sieben mal Höhe ist nicht willkürlich? - Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])