Die polizeiliche Kommunikation beeinflusst das Sicherheitsgefühl der Menschen stark. Hier ist offenbar die Transparenz immer besser als das Gegenteil. Solche verabscheuungswürdigen Taten können für die Opfer mitunter traumatische Konsequenzen haben; denn die Folge aus solchen Vorfällen ist, dass Mädchen und Frauen jetzt den Eindruck haben, tagsüber im Einkaufszentrum nicht mehr unbeschwert einkaufen gehen zu können. Dies ist mit Sicherheit kein guter Fortschritt.
Wir können es auch nicht wollen, dass bewaffnete Polizisten dauerhaft in Einkaufszentren abgestellt werden müssen, um dort täglich für Sicherheit beziehungsweise für ein großes Sicherheitsgefühl darum geht es ja - zu sorgen.
Wir dürfen diese Vorfälle sicherlich nicht schlimmer machen, als sie ohnehin schon sind. Wir dürfen sie aber genauso wenig verharmlosen; denn das Gefühl, das sich durch Vorfälle in Köln, Hamburg oder jetzt in Kiel festsetzen kann, ist für eine freie Gesellschaft fatal.
Deshalb brauchen wir Handlungskonzepte, mit denen die Strafverfolgungsbehörden diesem neuen Phänomen wirksam Herr werden können; denn auch das Sicherheitsgefühl ist ein hohes Gut.
Eine von den Koalitionsfraktionen geforderte Verschärfung des Sexualstrafrechts ist aus unserer Sicht nicht nur nicht nötig, sondern teilweise sogar kontraproduktiv. Ich bin gespannt, wie die politischen Entscheidungsträger reagieren werden, wenn sie feststellen werden, wie beispielsweise die deutsche Justiz auch in Anwendung von § 177 Absatz 1 Nummer 3 StGB mit den Kölner Vorfällen umgehen können, ohne dass wir eine Verschärfung benötigen. Die Justiz kann auf solche Vorfälle mit dem vorhandenen Instrumentarium angemessen reagieren und wird dies auch tun.
Das Problem, Frau Ministerin, bei der Verschärfung des Sexualstrafrechts ist, dass wir nicht ausschließlich auf die innere Willensbildung der Frau abstellen dürfen, solange es dem Mann, dem potenziellen Täter, nicht vermittelt wird, dass er eine Grenze überschreitet; denn ansonsten bekommen Sie eine Strafbarkeit, die in einem gerichtlichen
Wir haben es in den meisten Fällen mit einer Situation zu tun, in der sich zwei Personen gegenüberstehen und in aller Regel keine Öffentlichkeit vorhanden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es kein Prä der einen oder anderen Aussage. Das Problem in einem gerichtlichen Verfahren wird darin bestehen - der Kollege Peters wird das wissen -, den Tatnachweis zu führen. Das bedeutet, zu erklären, dass die Kommunikation zwischen den Beteiligten genauso abgelaufen ist, wie dies von der einen Person dargestellt wird und von der anderen Person jeweils bestritten wird.
Eine Verschärfung des Sexualstrafrechts führt daran nicht mehr vorbei, weil selbstverständlich die Aufklärung in einem gerichtlichen Verfahren unter enormen Schwierigkeiten leiden würde. Frau Ministerin, nach meiner Einschätzung - Sie wissen, ich mache kein Sexualstrafrecht, sondern ich bin Verteidiger - würde das Problem darin bestehen, dass man in einer Hauptverhandlung unter Umständen nicht zu einer Verurteilung kommen kann, weil sich genau diese beiden Personen gegenüberstehen mit der Folge, dass bei einer Vielzahl weiterer angezeigter Straftaten Ergebnisse dann nicht mehr erzielt werden können, wodurch wiederum das Gefühl entstehen kann, dass der Staat hier wieder ohnmächtig einer Situation gegenübersteht.
Wir haben - das ist meine feste Überzeugung, und das sagen auch sehr viele Strafrechtswissenschaftler, unter anderem auch der BGH-Richter Fischer ein ausreichendes Instrumentarium, um mit dem Problem fertig zu werden. Wir müssen nicht dauernd den Eindruck erwecken, dass eine weitere Vorverlagerung von Strafbarkeit das Problem des Umgangs von Menschen miteinander in den Griff bekommen werden. Überall dort, wo zwei Personen aufeinander treffen, wird der Tatnachweis im Zweifel sehr schwierig sein, wenn wir, wie gesagt, nur noch auf die innere Willensbildung der Frau abstellen - oder des Mannes; umgekehrt gilt das gelegentlich ja auch - und nicht mehr objektive Kriterien haben, an denen wir das anknüpfen können.
Sie haben darauf hingewiesen: Die Unschuldsvermutung ist nicht nur ein hohes Gut, sondern sie kann nicht beseitigt werden. Sie hat logischerweise Verfassungsrang, weil die Behauptung einer Straftat noch nicht das Urteil beinhalten kann; sonst bräuchten wir ja keine gerichtlichen Verfahren.
xualstrafrechts in dem beschrieben Sinn mehr erreichen können als durch eine öffentliche Deklamation, die auch schon ganz gut ist, um das Bewusstsein zu schärfen. Aber wir werden nicht dazu kommen, dass wir die Tatnachweise anders führen können als gegenwärtig und dass wir mehr Verurteilungen bekommen werden als gegenwärtig.
Deshalb muss zugleich auch erklärt werden: Wir dürfen nicht den falschen Eindruck erwecken, als sei die Verschärfung des Rechts dazu geeignet, das gesellschaftliche Problem zu beseitigen. Insoweit sind wir äußerst skeptisch.
In der Sache selbst ist eine öffentliche Debatte über die Frage, wie wir Menschen miteinander umgehen und wann eine Grenze überschritten ist, sicher sinnvoll. Aber das Strafrecht ist hier nicht das Instrument, das diesen gesellschaftlichen Diskurs ersetzen kann. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kubicki, tut mir leid, aber das sehe ich vollkommen anders.
In Schleswig-Holstein sind im vergangenen Jahr die polizeiliche Kriminalstatistik ist soeben veröffentlicht worden - 253 Strafanzeigen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung erstattet worden. Insgesamt sind 1.600 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erstattet worden. Man geht davon aus, dass die Dunkelziffer bei über 90 %, wahrscheinlich bei nahezu 100 % liegt.
Das würde bedeuten, dass von zehn Taten nur eine angezeigt wird. Das würde bedeuten, dass wir statt 1.600 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 16.000 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in diesem Land zu verzeichnen hätten.
liegt das auch daran, dass unser Strafrecht an einem ganz entscheidenden Punkt meines Erachtens eine Lücke aufweist, die wir gern geschlossen sehen wollen. Unser Strafrecht stellt nämlich beim Straftatbestand des § 177 StGB auf eine aktive Gegenwehr des Opfers ab oder auf eine schutzlose Lage oder auf eine Bedrohung für Leib und Leben. Das ausgesprochene Nein reicht für eine Strafbarkeit der Handlung im Moment nicht aus. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das entspricht unserer Meinung nach nicht der gebotenen Achtung gegenüber dem Opfer, die sich auch im Strafrecht widerspiegeln müsste.
Mehr noch: Die sexuelle Selbstbestimmung erfährt nämlich erst dann einen strafrechtlichen Schutzrahmen, wenn sie sich nur durch körperliche Gegenwehr verteidigen kann, was dazu führt, dass das, was nicht unter Strafe gestellt wird, als legal und legitim angenommen wird. Wir sagen: Wer die sexuelle Selbstbestimmung achten will, muss das Wort achten. Das muss auch im Strafrecht gelten.
Ich habe fünf Jahre lang als Kriminalbeamtin im Bereich der Sexualstraftaten gearbeitet. Ich habe zu häufig erlebt, dass Anzeigen erstattet wurden und dass Opfer - zumeist weibliche Opfer, ich will aber betonen, dass wir hier nicht nur über weibliche Opfer sprechen - dann zu mir sagten: „Aber ich habe doch Nein gesagt!“ - Diesen Menschen muss man erklären, wo die Strafbarkeit anfängt und welche Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen.
Da ist man auch als Kriminalbeamtin an einem Punkt, bei dem man wirklich nicht mehr plausibel erklären kann, warum das so ist. Es sind gerade die Situationen, in denen Opfer in Angst und Verzweiflung geraten. Es sind Schocksituationen und auch Situationen, in denen sich das Opfer körperlich unterlegen fühlt und gerade deshalb vielleicht nicht in der Lage ist, diese aktive körperliche Gegenwehr auszuüben.
Was ist an dem Wort Nein eigentlich nicht zu verstehen? Wir finden, dass das Wort das gleiche Gewicht haben muss wie andere Tatbestandsmerkmale, zum Beispiel in § 177 StGB. Deshalb werden auch wir - der Landtag Schleswig-Holstein - wie auch schon die Länder Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Hessen der Bundesratsinitiative zur Reform des Sexualstrafrechts im Sinne der Initiative „Nein heißt Nein“ beitreten.
zeichneten Istanbul-Konvention gerecht werden kann, wonach sich alle Vertragsstaaten verpflichtet haben, die Vornahme nicht einverständlicher sexueller Handlungen unter Strafe zu stellen. Wenn ich es immer unter der Prämisse beurteile, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Nachweises dieser Straftat ist, dann komme ich aus der falschen Richtung. Das ist der Grund unseres Vorschlags. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir widmen uns heute dem Thema „Verbesserung des Schutzes vor sexualisierter Gewalt“. Ich bedanke mich bei der Frau Ministerin für ihren Beitrag und dafür, dass sie ihre Redezeit um 2 Minuten überzogen hat. Wir diskutieren heute in verbundener Debatte zwei Anträge, die die Komplexität dieses Themas wiederspiegeln. Insofern wäre dies einer längeren Redezeit wert gewesen. So ist es aber beschlossen worden. Insofern hoffe ich, dass wir großzügig mit der Redezeit umgehen.
Das Phänomen der sexuellen Gewalt durch organisierte Gruppen im öffentlichen Raum ist ein aktuelles Thema. Außerdem sprechen wir darüber, wie wir den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung in unserem Sexualstrafrecht nachhaltig verbessern können.
Zumeist sind Frauen Opfer. Es ist eine große Herausforderung, die Opfer bestmöglich zu schützen. Hierfür gibt es unterschiedliche Maßnahmen.
Ich möchte zunächst auf den Antrag zur Unterstützung der Bundesratsinitiative eingehen. Mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention haben wir uns verpflichtet, nicht einvernehmlichen Sexualverkehr unter Strafe zu stellen. Unstrittig ist aber auch, dass die Rechtsprechungspraxis der vergangenen Jahre deutlich vor Augen geführt hat, dass die derzeit geltenden Gesetze entgegen der Absicht des Gesetzgebers nach wie vor große Lücken aufweisen. Diese Lücken sind inakzeptabel; denn sie lassen zu viele Opfer von sexueller Gewalt schutzlos und allein. Wir sind uns alle einig, dass diese Lücken unbedingt und zweifelsfrei geschlossen werden müssen.
Sehr geehrter Herr Kubicki, Fakt ist auch, dass seit der Reform von 1997 dies bis heute offensichtlich nicht gelungen ist, weil die Ausnutzungsvariante vom BGH eng interpretiert wird. Dies zeigt, wie komplex das Thema ist und wie wichtig es ist, hierfür Lösungen zu finden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere, wenn es um den Schutz vor häuslicher Gewalt geht, bewegen wir uns - da gebe ich dem Kollegen Kubicki recht - in einem ganz sensiblen Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen. Insofern ist es von großer Bedeutung, dass die gesetzlichen Regelungen eindeutig aufzeigen, wo die Grenze zwischen legal und illegal verläuft.
Dies ist auch die Erwartungshaltung der Frauenorganisationen; denn mit der klaren Ansage „Nein heißt Nein“ kämpfen sie für ein - ich zitiere aus der Zeitung - „praxistaugliches und opfergerechtes Sexualstrafrecht“. Genau darum muss es gehen. Das ist unsere Aufgabe.
Frau Abgeordnete Ostmeier, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Abgeordneten Kubicki?
Frau Ostmeier, Sie haben behauptet, der Bundesgerichtshof habe eine sehr restriktive Rechtsprechung angewandt. Ist Ihnen bekannt, dass der BGH seit 2005 seine Rechtsprechung in diesem Bereich geändert und erklärt hat, dass allein eine psychische Zwangseinwirkung auf das Opfer ausreichend ist, um den Tatbestand zu erfüllen?