b) Bericht der Landesregierung zum Antrag „Menschenwürdige Unterbringung sichern! Gemeinsames Konzept von Land und Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen im Land Schleswig-Holstein“ und zum Antrag „Halbjährlicher schriftlicher Sachstandsbericht der Landesregierung über die Umsetzung des Flüchtlingspaktes“
Mit dem Antrag zu a) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen sehe ich nicht. Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Dann hat zunächst die Landesregierung das Wort. Ich erteile dem Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Stefan Studt, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mai des vergangenen Jahres haben wir uns mit dem Flüchtlingspakt eine strategische Grundlage für die Integration von Flüchtlingen gegeben. Der unerwartet starke Anstieg der Flüchtlingszahlen in der zweiten Jahreshälfte 2015 hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig und richtig dieser Schritt war. Dem Pakt zugrunde liegt der Gedanke „Integration vom ersten Tag an“. Heute wissen wir, dass dieser Ansatz aktueller denn je ist.
Bei der Umsetzung des Flüchtlingspakts sind wir insgesamt auf einem guten Weg. Mehr noch: Wir haben in vielen Bereichen weitaus mehr getan, als wir uns damals vorgenommen haben. Dies ist nicht allein ein Verdienst dieser Landesregierung, son
dern das Ergebnis einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung von Land, Kommunen und Partnern der Zivilgesellschaft. Dafür möchte ich mich auch an dieser Stelle bei allen Beteiligten, ganz gleich ob haupt- oder ehrenamtlich, herzlich bedanken.
Bei meinen Besuchen vor Ort bin ich immer wieder überwältigt - das geht wahrscheinlich auch Ihnen so -, was wir in Schleswig-Holstein insgesamt zu leisten vermögen. Über alles zu berichten, was wir im Bereich der Integration bisher getan und angestoßen haben, würde den zeitlichen Rahmen sprengen.
Daher möchte ich einige Beispiele nennen und mit der Sprachkompetenz beginnen, die zentrale Bedeutung im Bereich der Integration hat. Wir alle wissen: Nur wer Deutsch lernt, kann an Bildung, Arbeitsmarkt und gesellschaftlichem Miteinander teilhaben. Aus diesem Grund beginnt der Spracherwerb bei uns buchstäblich am ersten Tag mit den Willkommenskursen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, die seit Herbst 2015 sukzessive angeboten werden, mit den sogenannten STAFFKursen vor Ort in den Kreisen und kreisfreien Städten oder mit dem Sprachfördersystem des Bundes und dem allgemeinen Integrationskurs, den berufsbezogenen BAMF-Kursen, den Sprachkursen der Bundesagentur für Arbeit und mehr.
Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, die Integrationskurse für Asylbewerber und Geduldete mit jeweils guter Bleibeperspektive zu öffnen. Wir werden unsere Bemühungen weiter verstärken und verstärken müssen, um das Sprachkursangebot und seine Reichweite noch weiter auszubauen.
Zudem haben wir das Netz der DaZ-Zentren ausgebaut. Schulpflichtige Kinder und Jugendliche erhalten in DaZ-Zentren an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen eine durchgängige Sprachbildung nach dem Stufenmodell. In Kindertagesstätten oder anderen frühkindlichen Bildungseinrichtungen können die ganz Kleinen sprichwörtlich spielend Deutsch lernen. Ich finde es immer wieder faszinierend, wenn man erlebt, wie schnell das spielerisch miteinander geht.
Ein weiteres wichtiges Feld stellt die Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt dar. Wir ver
bessern den Zugang, indem wir die Arbeitsmarktakteure unterstützen, deren Aktivitäten vernetzen und darüber hinaus eigene Programme anbieten. Konkret nennen will ich zwei Programme der Bundesarbeitsagentur: Perspektiven für Flüchtlinge beziehungsweise Perspektiven für junge Flüchtlinge. Flüchtlinge werden hierbei an den deutschen Arbeitsmarkt herangeführt, ihre berufsfachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden festgestellt und berufsfachliche Sprachkenntnisse vermittelt.
Das Netzwerk „Mehr Land in Sicht“ und das IQNetzwerk bieten Beratung und Qualifizierung für Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund. Beide Programme werden aus ESF-Mitteln sowie Mitteln des Bundes finanziert. Im Rahmen des Landesprogramms Arbeit werden Gründungswillige gecoacht und begleitet. Wir werden Flüchtlinge bei ihrem Übergang in Arbeit und Ausbildung auch begleiten. Von unserem Programm BÜFAA.SH, Begleiteter Übergang für Flüchtlinge in Arbeit und Ausbildung, profitieren derzeit bis zu 2.000 Personen intensiv über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten.
Es werden Potenziale und Kompetenzen erhoben und schließlich Ausbildungsplätze und Arbeitsstellen vermittelt. Auch das Beraternetzwerk Fachkräftesicherung soll um zusätzliches Personal aufgestockt werden.
Wie wir wissen, findet Integration ganz wesentlich vor Ort statt. Daher hat die Unterstützung und Entlastung unserer Partner vor Ort für mich eine entscheidende Bedeutung: So haben wir in den Kreisen und kreisfreien Städten Koordinierungsstellen geschaffen. In dezentralen Unterkünften haben wir mehr als doppelt so viele Fördermittel investiert, um so rund 4.000 Asylsuchenden ein Dach über dem Kopf anzubieten. Mit dem bereits gestern diskutierten Sonderprogramm für erleichtertes Bauen haben wir die finanzielle Grundlage geschaffen, damit vor Ort spürbar mehr bezahlbarer Wohnraum, bezahlbare Wohnungen, geschaffen werden können als in dem Ausgangsprogramm angelegt.
Nicht versäumen zu erwähnen möchte ich, dass Asylsuchende in Schleswig-Holstein eine Gesundheitskarte erhalten. Darüber hinaus haben wir unter www.willkommen.schleswig-holstein.de ein zentrales Willkommensportal für Flüchtlinge sowie für haupt- und ehrenamtlich Engagierte geschaffen. In
sechs - bald sieben - Sprachen finden sie hier umfassende und verlässliche Informationen. Auch wenn Herr Dudda jetzt nicht mehr hier ist: Unter anderem hier, in diesem Forum, informieren wir Flüchtlinge auch über die in Deutschland bestehenden Grundwerte sowie über rechtlichen und gesellschaftlichen Normen.
Zudem verstehen wir uns als zentrale Plattform im Land, die Informationen für Haupt- und Ehrenamt bündelt, sei es bei der Suche nach Ansprechpartnern oder Dolmetschern, bei Informationen für die Kommunen oder beim Bereitstellen von Leitfäden und regionalen Beispielen für gelungene Integration. Im Hilfs- und Vernetzungsportal www.ich-helfe.sh werden Bedarfe und Angebote in der Flüchtlingshilfe zusammengeführt. Gut 100 Initiativen und Organisationen sind hier bereits vertreten.
Dies sind nur einige der Erfolge, über die der Landtagsbericht ausführlichere Auskunft gibt. Ich will allerdings - das gehört auch zur Ehrlichkeit dazu nicht beschönigen, dass einige Bereiche auch noch Nachholbedarfe haben. Insbesondere vor dem Hintergrund der doch erheblich gestiegenen Zugangszahlen musste das eine oder andere Paktziel tatsächlich auch hinter dem operativ notwendigen Geschäft zurückstehen, zum Beispiel die qualifizierte Flüchtlingsverteilung - um einen Aspekt zu nennen.
In allen Bereichen leisten Menschen oft mehr als eigentlich menschenmöglich erscheint und erschien. Menschen sind es auch, die in anderen Teilhabebereichen diese Paktziele schon heute übererfüllt haben. Das sind manchmal wirklich ganz außergewöhnliche Situationen. Das ganz besondere Engagement kann man gar nicht genug würdigen.
Im Bereich der Erstaufnahme-Landschaft haben wir diese mittlerweile auf 15 Standorte ausgebaut. Die etwas geringere Belegung nutzen wir gerade, um die Strukturen zu optimieren. Zum Beispiel werden Belegungen entzerrt, und in allen Einrichtungen gibt es besondere Spiel-, Aufenthalts- und Lernbereiche. Die Integrationspauschale, über die wir hier schon häufiger gesprochen haben, die Integrations- und Aufnahmepauschale, wie sie jetzt heißt, fällt deutlich höher aus als im Flüchtlingspakt vereinbart. Seit dem 1. März 2016 gibt es 2.000 € je Flüchtling, der in der Kommune ankommt. Wir werden das Ehrenamt weiter entlasten, indem wir dem Ehrenamt mehr und mehr auch das Hauptamt zur Seite stellen.
Der Flüchtlingspakt macht mit der Erfüllung seiner Ziele nicht Halt. Jetzt und auch in Zukunft geht es darum, gemeinsam neue Herausforderungen der Integrationspolitik aufzugreifen. Wir alle wissen das: Integration ist ein langer Weg, und die Mehrzahl unserer Maßnahmen ist innovativ und neu. Ob sie am Ende erfolgreich sein werden, kann hier sicher noch keiner sagen. Wohl aber wollen wir dieses regelmäßig überprüfen und evaluieren, und das tun wir bei einzelnen Maßnahmen auch regelmäßig. Bisher aber, so kann man sagen, werden die Programme gut angenommen. Wie im Mai 2015 verabredet, werden wir im zweiten Halbjahr 2016 eine nächste Flüchtlingskonferenz durchführen, unter anderem, um zu schauen, wie weit wir gekommen sind und was wir noch vor uns haben.
Am Ende lassen Sie mich auch hier einmal die Bitte äußern: Lassen Sie uns diesen Weg im Jahr der Integration - ich glaube, wir alle wissen es, dass es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte der Integration sein werden - weiter gemeinsam und mit unveränderter Kraft weitergehen. Das sind wir den Menschen, die bei uns sind und die zu uns kommen, schuldig. Ganz herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten überzogen. Diese 3 Minuten stehen allen Fraktionen zur Verfügung.
Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Astrid Damerow.
13, 13 Minuten! - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Flüchtlingspolitik ist und bleibt das bestimmende Thema hier in unserem Land. Wir stehen vor der Herausforderung, die Menschen unseres Landes dabei auch mitzunehmen. Wir wissen: Wir müssen informieren, aber vor
allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir zuhören. Nach wie vor gibt es eine große Bereitschaft in unserem Land zu helfen und die zu uns kommenden Menschen zu integrieren. Gleichzeitig müssen wir aber auch feststellen, dass die Verunsicherung unserer Bürger wächst, und dass auch zunehmende Ängste vorherrschen. Es geht einher mit der deutlichen Erwartung an den Staat, den Zuzug zu verlangsamen und vor allem auch zu begrenzen. Es besteht auch die Erwartungshaltung: Es müssen klare Regeln gelten, die auch eingehalten werden.
Die CDU-geführte Bundesregierung hat mit den Asylpaketen I und II bereits einiges getan. Weitere Maßnahmen werden folgen. Der Bericht, Herr Minister, für den ich mich hier ausdrücklich bedanke, enthält ausführliche Hinweise zu diesem Gesetzgebungsverfahren, allerdings - das kann ich Ihnen auch nicht ersparen - hätte ich schon erwartet, dass es nicht nur einfach eine Aufzählung der Vereinbarungen ist, sondern dass hierzu auch eine Positionierung der Landesregierung erkennbar gewesen wäre.
Wie halten Sie es denn mit dem Vorrang von Sachleistungen? Wie stehen Sie zur Wohnortzuweisung für anerkannte Asylbewerber? Was ist mit Ihrer Zustimmung zur Ausweisung weiterer sicherer Herkunftsstaaten? Und wann werden Sie endlich zu effektiven Rückführungen kommen?
Vor Wochen haben Sie uns im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags erklärt, dass Sie im Moment nicht wissen, wie Sie mit den Menschen umgehen, die sich einer Abschiebung entziehen. Sie erinnern sich, das war die Antwort auf eine Kleine Anfrage aus unserer Fraktion, in der deutlich geworden ist, dass mehrere hundert Menschen einfach verschwunden sind, dass Sie es nicht fertiggebracht haben, die Rückführung auch zu vollziehen. Sie haben uns dort erklärt, Sie wollten ein Konzept erarbeiten. In Ihrem Bericht lesen wir jetzt, dass Sie mit EU-Mitteln immer noch an einem Konzept arbeiten. Also einmal ganz ehrlich: Das Thema der Rückführung besteht ja nicht erst seit gestern, und Sie arbeiten immer noch an einem Konzept? - Das verwundert uns und ist im Grunde auch nicht zu akzeptieren und im Übrigen auch unseren Bürgern nicht zu erklären.
Wir erklären unseren Bürgern permanent, dass wir den Menschen, die vor Not, Krieg und Verfolgung fliehen, hier Schutz gewähren wollen, dass wir uns auf diese Menschen konzentrieren, dass wir aber
demzufolge andere Menschen, die hier keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben, zurückführen müssen. Und Sie arbeiten immer noch an einem Konzept, wie Sie das umsetzen wollen. Es ist deshalb auch wirklich nicht verwunderlich, dass die Kreise mit ihren Ausländerbehörden hier auch sehr empört sind. Die Kreise bringen nämlich Menschen, die rückzuführen sind, unter Polizeibegleitung beispielsweise nach Boostedt, und dort verschwinden sie dann einfach. Das liegt in der Verantwortung des Landes. Hier erwarten wir von der Landesregierung wirklich, dass sie sich endlich dazu bereitfindet, auch wenn es nicht angenehm ist und nicht in Ihre ideologischen Vorstellungen passt.