Liebe Frau Kollegin Bohn, Sie haben natürlich vollkommen recht, dass es sinnvoller ist, jetzt darüber zu sprechen, wie wir die Gesetzentwürfe zusammenbekommen und in dieser Frage zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen kommen. Aber da das, was die Frau Kollegin Ostmeier hier gesagt hat, protokolliert worden ist, will ich ungern im Protokoll den Eindruck entstehen lassen, Herr Maas sei Christdemokrat. Er ist Mitglied der SPD und hat im letzten Sommer einen Vorstoß zur Veränderung des Sexualstrafrechts gemacht. Dieser Vorstoß ist aus dem von der Union geführten Kanzleramt blockiert worden und hat die Union überhaupt erst angefangen zu interessieren, als es Übergriffe in Köln gegeben hat, an denen Flüchtlinge beteiligt waren. Das gehört zur Wahrheit dazu; das muss man hier feststellen. Das möchte ich hier auch ausdrücklich sagen; denn sonst wirkt es ja so, als stimme man dem zu, wenn gesagt wird, die Initiative sei eigentlich von der Union. Also, Herr Maas ist nach wie vor Sozialdemokrat. Darüber bin ich ganz froh. Dass Sie inzwischen bereit sind, darüber zu reden, spricht für Sie. Ihre Rede hier war ja auch ausgewogen. Aber korrekt wollen wir es doch bitte halten. Sonst steht im Protokoll noch etwas Falsches, und das wollen wir doch gemeinsam vermeiden.
Lieber Kollege Stegner, vielen Dank. Dann entspricht Ihre Wahrheit auch meiner Wahrheit, und es ist doch ein gutes Zeichen, wenn der SPD-Minister Maas da weiter aktiv werden wird. Ich bedanke mich für Ihren Hinweis.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Weltfrauentag waren einige von uns beim „Flashmob in the City“, der vom Landesfrauenrat organisiert worden ist. Die Forderung war eindeutig: Nein heißt Nein! Reform des Sexualstrafrechts jetzt - jetzt und heute, nicht morgen, nicht übermorgen, nicht irgendwann, jetzt wollen wir handeln. Wir Grüne unterstützen die Forderung der Frauenverbände und Beratungsstellen. Wir brauchen diese Reform. Wir sind absolut davon überzeugt, dass es Lücken gibt. Ich teile Ihre Einschätzung ausdrücklich nicht, lieber Kollege Kubicki. Es ist höchste Zeit.
Auf Initiative des rot-grün regierten Hamburg ist aktuell eine Bundesratsinitiative für eine Reform auf den Weg gebracht worden, und wir Grüne möchten, dass das Land Schleswig-Holstein diese Initiative nicht nur aktiv unterstützt, sondern auch Mitantragstellerin wird. Hiermit setzen wir ein deutliches Zeichen, dass die Worte „Nein heißt Nein“ bald keine leeren Worte mehr sein werden. Ein entsprechender Antrag der Küstenkoalition liegt Ihnen vor. Ich würde mich über Ihre Unterstützung und Zustimmung sehr freuen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Spoorendonk, ich danke Ihnen für Ihren Bericht, aus dem hervorgeht, dass polizeilich geleistet werden kann, was geleistet werden soll. Wir werden sehen, ob das funktioniert. Wir alle wissen, wie angespannt die Lage bei der Polizei ist. Dennoch sind die ersten Reaktionen, die wir wahrnehmen können, die richtigen Reaktionen. Präsenz ist das richtige Konzept. Allerdings setzt das, glaube ich, zu spät ein.
Wir müssen uns darum kümmern, dass unsere Normen und Werte auch unseren Gästen rechtzeitig vermittelt werden, und zwar so, dass das verständlich ist. Das Phänomen, das Herr Kubicki beschrieben hat, ist das eine; das andere ist, dass die Rolle der Frau für uns eine ganz andere ist als für viele unserer neuen Gäste, die Flüchtlinge. Da muss noch viel mehr passieren. Ich wünsche mir so etwas wie einen Einbürgerungsunterricht. Dazu gehört aber auch, dass unsere Flüchtlinge lernen beziehungsweise darin unterrichtet werden, gegen andere Formen des organisiert Unredlichen - Handyabzocke und Ähnliches - vorzugehen. Die Menschen müssen auch wissen, wie sie sich dagegen wehren können.
Damit komme ich zu dem Sicherheitsgefühl, dass Sie, Herr Kubicki, angesprochen haben. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung, die die FDP hier mit Herrn Feltes 2007 oder 2008 durchgeführt hat. Herr Feltes gilt unbestritten als einer der Päpste der Kriminologie. Er definiert „gefühlte Sicherheit“ so: Das ist die Summe aus zwei Dingen: Das Erste ist,
was ich öffentlich über die Lage erfahre, und das Zweite ist, was ich persönlich erlebt habe. - Wenn ich die Kommunikationslage bezüglich der Vorfälle im Sophienhof betrachte, muss ich die gefühlte Sicherheit der Bevölkerung als desorientiert beschreiben.
Einer Polizei, die nicht melden kann oder nicht vermelden will, was tatsächlich passiert ist, kann man nicht trauen. Das ist schwierig. Das verunsichert noch viel mehr als das, was an sich geschehen ist.
Die Vorfälle im Sophienhof kann man allerdings in keinem Fall auch nur im Ansatz mit dem vergleichen, was in Köln oder der Silvesternacht generell passiert ist. Das hatte eine ganz andere Qualität.
Es geht darum, dass alle Verantwortung übernehmen, im journalistischen Bereich genauso wie im politischen, und diese Dinge auf keinen Fall politisch instrumentalisiert werden, damit Parteien, die am nächsten Wochenende leider in viele Landtage einziehen werden, nicht noch mehr Nahrung bekommen, als sie ohnehin schon haben.
Jetzt kommen wir zum wesentlichen Punkt. Wir haben über das Thema sexualisierte Gewalt hier schon öfter gesprochen, auch im Zusammenhang mit der anonymisierten Spurensicherung, wenn wir uns erinnern. Dabei war das Problem, dass die Beweislage aus Sicht des Opfers immer schwierig war. Weil die Beweislage so schwierig war, haben wir an der Stelle nachgebessert, nicht so, wie ich mir das vorstelle, aber immerhin sind wir als Land diesbezüglich vorn. Eine Nachbesserung war notwendig, weil - das war das Problem - das Nein als Nein eben nicht so klar war.
Die „Nein-heißt-Nein“-Initiative begrüßen wir. Wir haben aber auch Magengrummeln und Bauchschmerzen damit, weil das die Rechtslage nicht verbessern würde - das haben Sie beschrieben, Herr Kubicki -, sondern im Gegenteil sogar über Jahre hinweg, wenn es strittig wird, lähmend wirken könnte. Deswegen bin ich völlig bei der Kollegin Ostmeier: Ich sage, die Initiative ist gut - ich sage auch gleich, warum ich sie gut finde -, wir müssen aber super sorgfältig sein, damit das nicht kontraproduktiv verläuft.
Noch einmal: Nein heißt Nein. Das muss klar sein. Wenn die Gesellschaft das will, dann muss sie das auch öffentlich formulieren. Ein Bekenntnis zu der
Istanbul-Konvention reicht da nicht. Ich will ein Beispiel nennen: Den schweren Diebstahl - § 243 StGB - könnte man auch als Summe von Sachbeschädigungen und Diebstahl verstehen. Aber die Gesellschaft hat klar gesagt: Wir wollen diese Norm; es muss erkennbar sein, dass wir einen schweren Diebstahl, einen Einbruchdiebstahl nicht haben wollen. - Ein ähnliches Bekenntnis, eine ähnliche Norm ist offensichtlich auch im Bereich der sexualisierten Gewalt notwendig. Nur müssen wir dabei sorgfältig sein, damit das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird.
Meine Fraktion ist tatsächlich nicht gegen „Nein heißt Nein“, sondern wir haben ein Problem mit dem Umsetzen von „Nein heißt Nein“ im § 177 StGB. Ich setze darauf, dass es so ist, wie Frau Ostmeier es beschrieben hat, dass das eine Initiative ist, die darauf abzielt, die bestmögliche Lösung zu erreichen. Wenn das der Fall ist, dann kann ich dem zustimmen und viele meiner Kollegen auch. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Stunde, jetzt, in diesem Moment werden Frauen belästigt, begrabscht, herabgewürdigt und auch vergewaltigt. Die Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen finden sich rund um den Globus, in allen Gesellschaftsschichten und in allen Altersgruppen. Wenn es uns schon nicht gelingt, diese Taten zu verhindern, dann muss es darum gehen, dass die Frauen nach der Tat nicht noch einmal traumatisiert werden.
Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ meldete 2014, dass es in nur 8,4 % aller angezeigten Vergewaltigungen zu einer Verurteilung kommt. Oftmals fehlt es schlicht und ergreifend an psychosozialer Prozessbegleitung, die den vergewaltigten Frauen das Durchhalten ermöglicht. Wir müssen die Opfer sexueller Gewalt ernster nehmen und dürfen die Taten nicht als Kavaliersdelikte verharmlosen.
ne oder die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung. Andere Vorhaben werden aber nicht umgesetzt. Das macht mich als Frau wütend. Sowohl Vorschläge als auch konkrete Maßnahmen sind verabschiedungsreif, finden aber offenbar keine politische Mehrheit in Berlin.
Warum ratifiziert Deutschland nicht die IstanbulKonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt? Das ist längst überfällig. Nach dieser Konvention des Europarats werden alle sexuellen Akte bestraft, die ohne das Einverständnis der Beteiligten erfolgen. Aus dem Bundesjustizministerium hört man, dass das ja in Deutschland sowieso schon gelte. Dabei muss gerade diese Regelung im Strafrecht dringend reformiert werden. Warum konnte sich der Bundesrat vor wenigen Tagen nur zu einer allgemeinen Formulierung, aber nicht zu einer Strafrechtsreform des § 177 StGB durchringen? Warum muss eine Frau bluten, damit Polizei und Staatsanwaltschaft ihr eine Vergewaltigung überhaupt abnehmen?
Ein deutliches Nein reicht in Deutschland nicht als Qualifizierung einer Vergewaltigung aus, obwohl Frauenverbände gerade das seit vielen Jahren fordern. Warum geht gegen diese bornierte Haltung kein Aufschrei durchs Land? Warum belässt es die Bundesregierung bei Zwischenschritten und Willenserklärungen zur Bekämpfung sexueller Gewalt in den Familien?
Die Täter lachen sich ins Fäustchen. Sie basteln weiter an ihren Ausflüchten und konstruieren Geschichten, die die Frauen zu Komplizen machen sollen. Dabei ist klar: Gewalt gegen Frauen hat nichts mit Sexualität zu tun, sondern mit Macht. Vergewaltigungen sind nicht zufällig eine Waffe im Krieg: in Bosnien, in Syrien und dem Kongo. Vergewaltiger zielen auf die psychische Zerstörung des Opfers.
Ich bin zugegebenermaßen parteiisch. Die Strafverfolgungspraxis dagegen muss sachlich unabhängig sein. Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sind durch das Prinzip eines fairen Verfahrens angehalten, nicht nur das Opfer zu würdigen, sondern auch die Interessen von Beschuldigten zu beachten. Gerade darum muss die gesetzliche Grundlage, die wir den Strafverfolgungsbehörden an die Hand geben, dringend reformiert werden, damit sozusagen Waffengleichheit herrscht.
Strafrecht soll Opfer schützen. Damit es das kann, müssen wir es entsprechend ertüchtigen. Aber auch auf uns wartet eine riesengroße Aufgabe: Die Gesellschaft muss sexualisierte Gewalt ächten. Diese ist alltäglich, wie die Statistiken belegen. So gab jede zweite Beschäftigte gegenüber der Antidiskriminierungsstelle des Bundes an, anzügliche Witze hören zu müssen oder unsittliche Berührung ertragen zu müssen. Das muss aufhören.
Aus einer statistischen Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2014 geht hervor, dass eine von drei Europäerinnen seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hat. Die Hälfte aller Frauen ist schon sexuell belästigt worden. In Deutschland hat rund ein Drittel der Frauen schon ein- oder mehrmals sexuelle Gewalt erleben müssen. Solche Zahlen muss man sich erst einmal bewusst machen. Gewalt gegen Frauen wird dabei überwiegend durch Partner oder Ex-Partner und im häuslichen Bereich verübt. Sexualisierte Gewalt darf nicht nur dann thematisiert werden, wenn sie Stereotype, Vorurteile und Rassismen bedient. Sie muss immer geächtet werden. Dabei ist es vollkommen egal, welche Nationalität oder Hautfarbe die Täter haben. Gewalt gegen Frauen findet überall statt, und wir können und wollen dazu nicht mehr schweigen. Nein heißt Nein, immer und überall.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man muss in dieser Debatte darauf hinweisen, dass Pathos rationale Argumente nicht ersetzen kann. Selbstverständlich ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen - und nicht nur gegen Frauen - von Rechts wegen ein Verbrechenstatbestand. Damit ist das gesellschaftliche Unwerturteil dokumentiert. Die dauernde Wiederholung von „Es ist kein Kavaliersdelikt“ muss man deshalb nicht betonen, weil es kein Kavaliersdelikt ist.
Wenn Sie jetzt darauf hinweisen, dass nur 8 % der angezeigten Taten zu einer Verurteilung führen, müssen wir uns die Frage stellen, warum das so ist
und ob die Vorschläge, die Sie unterbreiten, dazu beitragen, dass die Verurteilungsquote erhöht wird. Alleine die Überlegung, ich senke die Schwelle des Tatbestands, um die Verurteilungsquote zu erhöhen, ist komisch und einem Rechtsstaat unwürdig. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wie wir die Probleme bei der Verfolgung lösen können.
Pro Jahr gibt es in Deutschland über 6.500 von der Polizei wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung ermittelte Tatverdächtige. Etwa 1.000 Personen werden deswegen auch verurteilt. Die meisten Verfahren werden mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Ein paar hundert Beschuldigte werden aus den unterschiedlichsten Gründen, die nirgendwo erfasst werden, freigesprochen. Die Zahlen entsprechen anderen Tatbeständen, die schwierig zu ermitteln sind. Dies - das sagen Sie - sei skandalös, und weil das skandalös sei, fordern Sie jetzt schon die Erklärung „Nein heißt Nein“ soll zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen.
Damit lösen wir das Problem jedoch nicht. Denn immer dann, wenn zwei Menschen aufeinander treffen, können wir zwei Aussagen haben. Die Frau sagt, ich habe Nein gesagt. Der Mann sagt, das stimmt nicht. Wo stehen wir dann da? Das Problem, das Sie momentan erzeugen, ist, dass Sie, wenn weitere Anzeigen dieser Art folgen, zu weiteren Nicht-Verurteilungen kommen werden, mit der Folge, dass Sie wiederum eine größere Strafbarkeitslücke entdecken, die dann wiederum mit fatalen Nichtkonsequenzen geschlossen werden muss.
Wir müssen eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, wie Menschen miteinander umgehen dürfen: Ja und Nein und Sollen und Ja und Nein. Aber zu glauben, dass das Strafrecht als Ultima Ratio eines jeden demokratischen Staates in der Lage ist, dieses gesellschaftliche Problem in den Griff zu bekommen, ist illusorisch. Sie erzeugen Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können, mit fatalen Konsequenzen der weiteren enttäuschten Hoffnungen. Führen wir eine öffentliche Debatte darüber, wie man miteinander umgehen soll, aber versuchen wir nicht, dieses Problem auf die Schulter von Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern zu verlagern, die das gar nicht lösen können. Denn die Unschuldsvermutung zwingt sie dazu, der einen Aussage keinen größeren Glauben zu schenken als der anderen, es sei denn es gibt weitere objektive Daten, an denen man festmachen kann, dass die eine oder andere Aussage zutreffender ist. Sie brauchen diesen objektiven Anknüpfungspunkt.
Frau Bohn, die Behauptung, die Rechtsprechung könne nicht die psychische Zwangslage einer Frau berücksichtigen, ist schlicht und ergreifend juristischer Unsinn. Denn spätestens seit 2005 - das ist in § 177 Absatz 1 Nummer 3 geregelt - ist es strafbar, wenn eine schutzlose Lage ausgenutzt wird und sich das Tatopfer deshalb in einer Zwangslage befindet und sich nicht wehrt und auch nichts erklärt. Allein die objektive Feststellung einer schutzlosen Lage reicht aus, um zu einer Verurteilung zu führen. Das ist das, was ich sage: