Protocol of the Session on March 10, 2016

Die Frage der technischen Komplexität bringt mich zum zweiten Aspekt, der von der Bundesregierung vorgetragen wird, nämlich der Kostenbelastung für die Unternehmen. Nach Angaben der betroffe

nen Verbände wären 1,4 Millionen Unternehmen und circa 2,9 Millionen Geräte betroffen. Das Bundeswirtschaftsministerium geht deshalb von einem einmaligen Umstellungsaufwand von 1,6 Milliarden € und laufenden jährlichen Kosten von 250 Millionen € aus. Auch anhand dieser Zahlen wird deutlich: Die Einführung ist keineswegs trivial. Mit Sicherheit braucht es Übergangsfristen, Ausnahmeregelungen für Kleinstunternehmen und so weiter.

Ich habe beide Aspekte nicht angeführt, weil sie gegen den Antrag sprechen, sondern nur um deutlich zu machen, dass die Aufgabenstellung doch etwas anspruchsvoller ist, als es der Antrag und auch manche öffentliche Äußerungen der Ministerin hier erwecken.

Ungeachtet dieser noch zu klärenden Fragen ist aber entscheidend, dass es jetzt endlich zu einer Lösung kommt. Der im Bundesfinanzministerium bereits in Arbeit befindliche Gesetzentwurf muss noch in diesem Jahr verabschiedet werden, damit der Einsatz von Schummelsoftware in Kassensystemen ein für alle Mal unterbunden wird.

Mit unserer Zustimmung zum vorliegenden Antrag geht es uns deshalb weniger darum, dass INSIKAKonzept für alternativlos zu erklären; dieses Zauberwort ist nicht zwingend, es mag da auch andere technische Lösungen geben. Aber mit unserer Zustimmung wollen wir deutlich machen, dass wir mit breiter Mehrheit ein starkes Signal auszusenden, weil dringender Handlungsbedarf besteht. In diesem Sinne bitte ich, unsere Zustimmung zu verstehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Herr Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Steuerhinterziehung ist eine Straftat, die zulasten der Allgemeinheit geht. Dem Staat entgehen so massive Einnahmen, die in öffentliche Infrastrukturen wie Schulen oder Krankenhäuser investiert werden könnten. Besonders ärgerlich ist es, wenn der Staat selbst Steuerschlupflöcher zulässt, auch wenn diese schon lange bekannt sind und leicht hätten geschlossen werden

(Tobias Koch)

können, so wie im Fall der Steuermanipulation an Ladenkassen.

Im Einzelhandel und in der Gastronomie werden in erheblichem Umfang die Kassen oder die Kassensoftware so eingerichtet, dass Umsätze gar nicht oder zu niedrig verbucht werden.

Bereits seit dem Jahr 2003 macht der Bundesrechnungshof auf dieses Problem aufmerksam. Die daraus entstehenden Schäden sind enorm. Es wird geschätzt, dass etwa 5 % der Umsätze nicht korrekt versteuert werden. Die Steuerausfälle betragen 5 bis 10 Milliarden € jährlich im Bundesgebiet. Wir sind unserer Finanzministerin sehr dankbar dafür, dass sie das auf Bundesebene mit ihren Länderkollegen thematisiert hat und dazu auch im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zu einer Anhörung geladen war.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Tatsächlich könnte es aber auch um noch größere Summen gehen. Es gibt Schätzungen, die über die 5 bis 10 Milliarden € noch hinausgehen. Die Phantomware und die vorübergehende Installation von Schadprogrammen sind für die Betreiberinnen und Betreiber einfach umzusetzen und in der Steuerprüfung kaum nachweisbar. Es findet systematischer Betrug statt.

Kleine Beträge summieren sich zu großen Steuerausfällen wie im Fall einer Eisdiele, in der über mehrere Jahre fast 2 Millionen € hinterzogen wurden. Obwohl das Bundesfinanzministerium nach dem Bericht des Bundesrechnungshofs schnelle Konsequenzen angekündigt hat, ist bis heute wenig passiert. Dabei gibt es bereits eine technische Lösung für das Problem. Da sind wir dann bei dem sogenannten INSIKA-Verfahren. Es ist einfach zu implementieren und verhindert eine nachträgliche Manipulation der Daten.

Die Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder plädieren für eine gesetzliche Regelung zur Einführung dieses Systems, was wir auch heute mit unserem Antrag unterstützenwollen. Es wird in Taxametern in Hamburg bereits erfolgreich eingesetzt und hat dort zu Umsatzsteigerungen von 50 % geführt.

(Zuruf CDU: Oh!)

- Ja, da kann man einmal sehen.

Vor dem Hintergrund der Zahlen halte ich es für gerechtfertigt, dass die Händlerinnen und Händler die Kosten für die Implementierung des Systems

tragen müssen. Es sollte auch im Sinne der Betriebe sein, dass für sie Sicherheit und Chancengleichheit besteht und der Staat die ihm zustehenden Steuergelder dann halt eben auch bekommt.

Nur durch eine verlässliche Einnahmebasis können Handlungsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit garantiert werden. Ich habe erfreut gelesen, dass das auch der Schleswig-Holsteinische Hotel- und Gaststättenverband so sieht, anders als sein eigener Bundesverband. Jedes Geschäft und jedes Restaurant, das seine Steuern ehrlich ausweist, hat ein Interesse daran, dass diese Ehrlichkeit nicht zum Wettbewerbsnachteil wird. Auch für uns Grüne gilt der Satz: Die Ehrlichen dürfen nicht die Dummen sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Dies gilt auch für Kassenabrechnungen.

Der Bund steht insoweit, Herr Kollege Koch, leider weiter auf der Bremse. Wir freuen uns aber sehr, dass Sie gerade erklärt haben, unserem Antrag zustimmen zu wollen, auch wenn man über bestimmte Einzelheiten in der Ausgestaltung unterschiedlicher Meinung sein kann. Aber es ist ein gutes Signal, das die CDU-Fraktion hier im Landtag uns und unserer Finanzministerin gegeben hat.

Die technische Umsetzung des freien INSIKA-Verfahrens kann von den Kassenherstellern individuell geleistet werden. Mindestens fünf Hersteller können bereits einsatzbereite Kassen anbieten. Hätte jeder Hersteller ein ganz eigenes System, wäre der Prüfaufwand sehr groß und die Kosten für die Händlerinnen und Händler dadurch natürlich erheblich höher, da die Entwicklungskosten über die Anschaffungskosten auf sie übertragen werden würden.

Wir unterstützen unsere Finanzministerin und alle anderen Finanzministerinnen und Finanzminister der Länder in dieser Auseinandersetzung, und wir glauben, dass das gar nicht schnell genug gehen kann. Denn es geht hier wirklich um hohe Summen, es geht um Summen, die eine erhebliche Bedeutung für alle staatlichen Ebenen haben. Je schneller wir dieses Problem angehen, desto schneller kommen wir zu mehr Steuergerechtigkeit und zu mehr Ehrlichkeit in diesem Bereich.

Ich würde mich freuen, wenn sich auch noch andere Fraktionen dem Beispiel der CDU-Fraktion anschließen könnten und unserem Antrag zustimmen würden. - Vielen Dank.

(Rasmus Andresen)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst ein Dankeschön an die Kollegin Raudies, die es mir ermöglicht hat, dass ich Ihnen INSIKA nicht mehr erklären muss. Herzlichen Dank also dafür, dass ich nicht mehr darlegen muss, was sich dahinter verbirgt.

(Beifall FDP)

Anders als meine Vorredner möchte ich aber doch sehr darum bitten, dass wir Gelegenheit haben, über den Antrag noch einmal im Ausschuss zu sprechen. Insbesondere rege ich an, den einen oder anderen Experten dazu zu hören, weil ich in der Tendenz sehr viel Sympathie für das Anliegen habe, Herr Kollege Rasmus Andresen. Aber durch die große Diskrepanz - ich werde das gleich anhand einiger Beispiele deutlich machen - wären wir, glaube ich, gut beraten, wir uns die Zeit dafür in der Tat noch nähmen.

Deswegen plädiere ich dafür, den Antrag in den zuständigen Finanzausschuss zu überweisen, weil sich unter anderem einige Fragen aus dem Antrag, aus der schriftlichen Stellungnahme der Finanzministerin und aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema manipulierte Kassensysteme in der Drucksache 18/6481 ergeben. Diese würde ich gern aufgreifen, weil ich finde, dass sie geklärt werden müssen.

Außerdem - Herr Kollege Koch, Sie haben das angesprochen - ist es natürlich spannend, zu erfahren, welche Kosten entstehen und welche Steuermittel dem gegenüberstehen. Ich zitiere aus der Antwort auf die Frage 20 - das ist Seite 11 der Kleinen Anfrage - hinsichtlich der Bürokratiekosten, die bei der Einführung des INSIKA-Konzepts entstehen:

„Die Bürokratiekosten für die verpflichtende Einführung des INSIKA-Konzepts belaufen sich nach den Berechnungen der Bundesregierung auf 1,6 Milliarden € einmaligen Erfüllungsaufwand und 250 Millionen € jährlichen Erfüllungsaufwand für die Unternehmen. Die Berechnungen des Steuerausfalls

von 5 bis 10 Milliarden € hält die Bundesregierung für nicht belastbar.“

Das liest sich im Übrigen in der schriftlichen Stellungnahme von Finanzministerin Heinold allerdings ganz anders:

„Der bundesweite Steuerausfall aus Kassenmanipulationen wird sowohl vom Bundesrechnungshof als auch vonseiten der Länder auf insgesamt 5 bis 10 Milliarden € geschätzt.“

Hier sind sich die Länder mit dem Bund ganz offensichtlich nicht einig.

Da der Stellungnahme sowie dem Antrag zu entnehmen ist, welches System die Landesregierung bevorzugt, nämlich das INSIKA-Konzept, verweise ich auf eine weitere Antwort zum Projekt des Taxigewerbes in Hamburg aus der eben genannten Antwort der Bundesregierung:

„Der Begriff INSIKA bezeichnet streng genommen allein die technische Komponente des Systems basierend auf der Datensignierung durch die eingesetzte Smartcard. Dieses alleine reicht nicht als Schutz vor Manipulation aus. Zusätzlich sind weitere rechtliche Maßnahmen erforderlich wie zum Beispiel Vor-Ort-Kontrollen.

Beim Hamburger Taxiprojekt wurden - anders als beim INSIKA-Konzept vorgesehen die Einzelumsätze eines jeden Taxis nicht nur auf der INSIKA-Smartcard gespeichert, sondern in Echtzeit an einen externen Server bei einem Dritten gesandt. Dadurch, dass die Daten sofort gesendet wurden und sich außerhalb einer nachträglichen Zugriffsmöglichkeit des Unternehmens befanden, waren somit auch keine nachträglichen Manipulationen möglich. Es ist fraglich, ob das Projekt ohne Sendung der Daten zu den gleichen Ergebnissen geführt hätte. Denn die Smartcard könnte zum Beispiel ‚verloren‘ gehen oder einen ‚technischen Defekt‘ aufweisen, sodass die Daten darauf nicht mehr lesbar wären.“

Auch beim Thema Manipulationsschutz ist man sich offenkundig nicht einig; denn in der Stellungnahme von Finanzministerin Heinold heißt es:

„Selbst bei einer Manipulation oder beim Verlust der Daten ist durch technische Vorkehrungen eine Abschätzung der Umsätze möglich.“

(Rasmus Andresen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor genau diesem Hintergrund, bei aller Sympathie dafür und auch bei grundlegendem Verständnis für dieses Anliegen plädiere ich dafür, dass wir genau diese Fragen gemeinsam mit Fachleuten noch einmal im Finanzausschuss erörtern dürfen, um dann im Zweifel zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die PIRATEN-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Uli König das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gerade gehört: Im Juni 2015 hat die Finanzministerkonferenz einen Umsetzungsplan für sichere Kassensysteme beschlossen. Wieso sich die Bundesregierung noch nicht dazu durchringen konnte, dies verbindlich zu machen, ist die große Frage.

Nach Auskunft der Deutschen Steuer-Gewerkschaft haben wir allein in Schleswig-Holstein einen Verlust von 350 Millionen € pro Jahr durch manipulierte Kassensysteme. Das ist ein ziemlich dicker Batzen Geld. Die Schätzungen gehen auseinander. Das hat etwas damit zu tun, dass man nicht genau weiß, wer wie viel manipuliert. Wenn man das wüsste, könnte man das den Leuten nachweisen und sagen: Du musst das jetzt nachbezahlen!