Protocol of the Session on February 17, 2016

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Nein!)

oder wahrscheinlich zerreißen werden.

(Ines Strehlau)

Wir befinden uns mit diesem Antrag eigentlich in bester Gesellschaft. Diese beste Gesellschaft gehört wahrlich nicht zum Kreis derer, die verdächtig wären, sich als Konsumenten lediglich um ihre eigenen Interessen zu kümmern. Die 123 Strafrechtsprofessoren des Schildower Kreises, die sich in ihrer Resolution ,,Notwendigkeit der Überprüfung der Wirksamkeit des Betäubungsmittelgesetzes“ an die Abgeordneten des Bundestags gewandt haben, sind wohl eher unverdächtig, an den Spätfolgen eines übermäßigen Cannabis-Konsums zu leiden.

Gleiches gilt sicherlich auch für den Chef der Gewerkschaft des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, auf den ich gleich noch zu sprechen kommen werde.

Aus dem Kreis des Schildower Kreises spricht der Sprecher Lorenz Böllinger, und er nennt das Betäubungsmittelgesetz, das zurzeit gilt, sogar verfassungswidrig, weil die Bestrafung von CannabisKonsum unverhältnismäßig sei. Das Gesetz erschwere die Prävention und sei ein opferloses Delikt, wie er sagt. Er sagte dies am Rande einer Fachtagung in Frankfurt im Herbst 2014 der ,,Frankfurter Allgemeinen“. Der Konsument, so führt er aus, schädige nur sich selbst, wenn überhaupt.

Auf derselben Veranstaltung führte Dirk Peglow vom Bund Deutscher Kriminalbeamter aus, dass 145.000 - diese Zahl muss man sich merken - von insgesamt 250.000 ermittelten Drogendelikten im Jahr 2013 Cannabis betrafen. Von denen wurden knapp 90 % eingestellt.

Dazu sagt dann der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, es sollte eine Diskussion über alle Rauschmittel von Alkohol über Tabak und Cannabis bis hin zu harten Drogen geführt werden. Es müsse neu bewertet werden, wie gefährlich harte, aber auch vermeintlich harmlose legale Drogen seien. Dann müsse man abwägen, ob ein regulierter Markt für Cannabis oder andere Substanzen eine gute Alternative sein könnte.

(Beifall PIRATEN)

Die Zahl der 145.000 Cannabis-Delikte aus dem Jahr 2013 überrascht nicht. Jetzt kommt eine andere wichtige Zahl; die kommt von dem Suchtforscher Heino Stöver von der Fachhochschule Frankfurt. Er hat in einer Untersuchung festgestellt, 2013 hätten 12 % der Deutschen Cannabis konsumiert. Nur 3 % seien allerdings Gewohnheitskonsumenten. Der Dauergebrauch sei auf niedrigem Niveau stabil und werde, wie der Vergleich mit anderen Ländern zeige, durch rechtliche Änderungen kaum verändert.

Damit kann das leidige ,,Haschisch-ist-die-Einstiegsdroge-Argument“ auch abgehakt werden. Ja, fast alle Konsumenten sogenannter harter Drogen haben am Anfang Haschisch geraucht. Von diesen gibt es in Deutschland laut der Studie des Fachverbandes Sucht e.V. etwa 319.000. Wir müssen diese Zahl einmal Folgendes gegenüberstellen. Von den 9,84 Millionen Cannabis-Konsumenten im Jahr 2013, wie die Fachhochschule Frankfurt feststellt hat, sind etwa 2,46 Millionen Gewohnheitskonsumenten. Mit anderen Worten: Über 98 % der Cannabis-Konsumenten sind eben nicht den harten Drogen verfallen.

(Beifall PIRATEN und Lars Harms [SSW])

Ähnliche Erkenntnisse haben 23 US-Bundesstaaten dazu bewogen, ihre Cannabis-Politik zu liberalisieren bis hin zur Freigabe für Erwachsene, so wie es das zweitgrößte Land der Erde, nämlich Kanada, jetzt auch betreibt. Weltweit hat aktuell zum Beispiel Uruguay sechs Substanzen zum Eigenanbau freigegeben, Portugal ist umgeschwenkt von der Repression auf die Prävention, ein weltweiter Trend der Vernunft zieht ein, Deutschland bleibt außen vor.

Neben der anfangs von mir genannten Unverhältnismäßigkeit der Strafverfolgung von Cannabis-Delikten möchte ich auch das Argument anführen, dass es diese absolut nicht mehr zeitgemäße Verbotspolitik ist, die der Mafia und den Terroristen die Taschen vollmacht.

(Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein staatlich kontrollierter Vertrieb wäre für diese Leute ein echter Schlag ins Kontor. Die durch eine solche Politik frei werdenden Kapazitäten der Polizei und Justiz könnten sich endlich wichtigeren Dingen zuwenden als der formellen Abarbeitung von im Grammbereich befindlichen Kleinstdelikten im CannabisBereich.

(Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist doch absolut unglaubwürdig, einen verschärften Kampf gegen die Einbruchskriminalität zu fordern und den nicht führen zu können, weil sich Polizei und Justiz mit ihren Ressourcen im Grammbereich bei Cannabis verzetteln.

(Beifall PIRATEN und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die 9,84 Millionen Deutschen, die 2013 Cannabis konsumiert haben sollen, haben nach ihrem Kon

(Wolfgang Dudda)

sum tatsächlich nichts auf der Straße verloren. Sie haben aber genauso wenig irgendetwas in Kriminalstatistiken oder polizeilichen Datenbanken verloren. Genau dem trägt unser Antrag Rechnung.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ja. - Lassen Sie uns wegkommen von einem Drogenkrieg, der nicht zu gewinnen ist, und hinkommen zu einer zeitgemäßen Suchtpolitik, die die Menschen, und zwar Millionen von redlichen Menschen, nicht kriminalisiert. Wichtiger als neue Bargeldobergrenzen sind Obergrenzen bei Cannabis, bis wir das geschafft haben.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Mit dem Änderungsantrag der Koalition kann ich wenig anfangen, weil er nur versucht, eine Suchtproblematik dort zu erzeugen, wo keine ist.

Ich beantrage namentliche Abstimmung in der Sache.

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Herr Abgeordnete Hans-Hinrich Neve.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das YouTube-Video der PIRATEN zur Lockerung des Tanzverbotes hat es bereits angekündigt. Es hat auch nicht lange gedauert, bis der Antrag der PIRATEN zur Legalisierung von Cannabis gestellt worden ist. Meine Damen und Herren, es wird Sie sicherlich nicht verwundern, wenn ich vorweg sage, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Meiner Ansicht nach liegen unsere Aufgaben auch weiterhin in der Abwehr von und Vorbeugung gegen Suchterkrankungen, aber nicht in der Förderung, wie wir es mit Ihrer Forderung nach einer uneingeschränkten Legalisierung tun würden. Die Gesundheit der Menschen muss immer im Mittelpunkt stehen. Wir sind bei Änderungen in der

Pflicht, auch zusätzlich über die sozialen Folgen einschließlich der gesundheitlichen Risiken und der Langzeitfolgen des Konsums nachzudenken. Diese Risikoabschätzung fehlt mir bei Ihrem Antrag.

Liebe PIRATEN, mit Ihrem Antrag versuchen Sie, den Konsum der illegalen Droge Cannabis als Genussmittel für Erwachsene hoffähig zu machen.

(Wolfgang Dudda [PIRATEN]: Das ist doch schon hoffähig!)

Was ist aber mit den Jugendlichen? Das Problem der jungen Konsumenten schweigen Sie hier einfach aus. Fakt ist doch: Je jünger ein Konsument von Cannabis und anderen Drogen ist, umso größer sind die Risiken.

Bisher besteht unsere Drogenpolitik doch aus vier Säulen: erstens Prävention; zweitens Beratung und Hilfe; drittens Schadensreduzierung und -verhinderung; viertens Strafverfolgung. Meiner Ansicht nach wollen Sie mit Ihrem Antrag die vierte Säule eliminieren, auch wenn Sie in Ihrem Antrag davon reden, dass die Strafverfolgung flexibilisiert werden soll.

Wie soll zukünftig mit Dealern umgegangen werden, die ihre Ware als Eigenverbrauch deklarieren? Wie soll mit konsumierenden Autofahrern umgegangen werden? Dazu findet sich nichts. Sicherlich können wir über die Verteilung der Schwerpunkte auf die einzelnen Säulen reden. Einig waren wir uns bisher aber alle, dass vor allem die Präventionsarbeit intensiviert und ausgebaut werden muss. Eine Abschaffung einer dieser vier Säulen lehnen wir strikt ab.

(Beifall CDU)

Wir sind bei Ihnen, wenn es darum geht, den Zugang zu Cannabis als Arzneimittel zu erleichtern. Für chronisch schwer kranke Patienten soll es schneller und einfacher möglich sein, an hilfreiche Medikamente zu kommen. In diesem Bereich gibt es bereits einen Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, sodass wir hierbei in naher Zukunft mit einer Verbesserung rechnen können.

Zum Schluss möchte ich kurz auf den Änderungsantrag der regierungstragenden Fraktionen eingehen. Unter Punkt 2 sprechen Sie von einer „konsequenten Strafverfolgung“. Allerdings sprechen Sie nur von Dealern und vom organisierten Drogenhandel. Dabei wird einiges ausgespart.

Unter Punkt 5 geht es um Drogenkonsumräume. Das haben wir bereits im Rahmen der vergangenen Anhörung im Jahr 2012 thematisiert. 91,5 % der

(Wolfgang Dudda)

Fachleute haben dies abgelehnt. Nur 27,5 % sahen überhaupt einen geringen Bedarf.

Nun zu Punkt 7 Ihres Änderungsantrags. Im Referentenentwurf geht es auch um Cannabis als Arzneimittel sowie um die qualitätssichernde Versorgung von Cannabis. Cannabis ist schließlich nicht gleich Cannabis. Dort wird auch der Anbau geregelt. Es geht aber auch darum, dass dies ausschließlich zu medizinischen Zwecken geschieht. Insofern sehen wir Punkt 7 Ihres Antrags, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, als erledigt an; denn da ist schließlich schon etwas im Gange. Das ist unsere Sicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich bleibe ich bei der Einschätzung: Cannabis ist eine Droge, die Suchtpotenzial birgt und gesundheitsschädlich ist. Wir werden alle Anträge ablehnen. Danke schön.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Peter Eichstädt das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihr letzter Satz war erstaunlich. Insofern kann ich Ihnen nur etwas zu bedenken geben: Sie haben dem, was in unserem Änderungsantrag steht, bereits im Jahr 2013 zugestimmt. Vielleicht haben Sie das aber übersehen.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Ende 2013 hat der Landtag einen Beschluss gefasst, der für eine fortschrittliche und konsequente Drogenpolitik klare Zielvorgaben macht. Erstens: Prävention und Aufklärung über die Gefahren. Zweitens: Niedrigschwellige Hilfsangebote für Drogenkonsumentinnen und Drogenkonsumenten. Drittens: Eine qualifizierte Hilfe für Suchtkranke. Viertens: Konsequente Strafverfolgung von kriminellen Dealerinnen und Dealern sowie organisiertem Drogenhandel.