Herr Präsident, nach den Spielregeln der Geschäftsordnung darf ich eine Frage vollständig beantworten.
Das dürfen Sie. Wenn Sie noch nicht fertig waren, sind Sie jetzt dran, und nicht die Frau Abgeordnete. - Bitte.
Ich wollte noch einen zweiten Satz anfügen. Sie müssten mir sagen: An wen richtet sich dieser Appell?. Das müssen Sie erklären. Wenn er sich an Menschen draußen richtet, müssen Sie mir erklären, dass es jemanden außerhalb des Parlaments gibt, der glaubt, hier säßen Sympathisanten von Straftätern. Wenn sich der Appell nach innen richtet, müssen Sie erklären, was uns das sagen soll, uns als Parlamentarier, die wir auf Gesetz und Verfassung verpflichtet worden sind - genauso wie die neue Abgeordnete heute, die ich herzlich begrüße. Wir brauchen diesen Appell nicht, und nach außen erweckt er den Eindruck, wir müssten den Menschen erklären, dass hier keine Sympathisanten von Straftätern sitzen.
Sie haben mich ja gefragt und gebeten, das zu erklären, Herr Kubicki. Mich wundert das, weil Sie selber oft Gast in Talkshows sind. Dort wird zurzeit doch ganz intensiv - die Talkshows richten sich ja nun wirklich an die breite Öffentlichkeit - diskutiert, ob diese Gesellschaft, ob ein Teil der Politik - ich würde einmal sagen, mindestens unsere Partei gehört dazu -, auf einem Auge blind war und weggeguckt hat, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen kriminell geworden sind. Um deutlich zu machen, dass wir weder blind sind noch pauschalisieren, dafür finde ich diesen Satz hilfreich. Das wird doch in der breiten Öffentlichkeit - jedenfalls nehme ich das so wahr - in verschiedensten Talkshows rauf und runter - aus meiner Sicht im Moment auch gefährlich - diskutiert. Sagen wir einmal so, das wird in einer Tonart, die mir nicht gefällt, diskutiert.
Frau von Kalben, ich versuche es noch einmal. Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich keine Talkshows, ich bin da gelegentlich Gast, aber ich sehe sie nicht.
Im Übrigen weise ich diesen Satz, der dahingesagt worden ist, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen kriminell geworden seien, entschieden zurück. Es gibt keine Bevölkerungsgruppen, die per se als solche kriminell geworden sind, es gibt immer Menschen aus bestimmten Bevölkerungsschichten und Herkunftsländern, die kriminell geworden sind, so, wie es auch kriminelle Deutsche gibt. Deshalb ist die Bevölkerungsgruppe der Deutschen nicht per se kriminell. Diesen Lapsus müssen Sie schon relativieren.
Aber ich frage mich und Sie selbst im Ernst: Was soll dieser Satz, den Sie beschließen wollen, den Opfern von Köln sagen? Was soll er diesen Opfern sagen? Das ist doch die Frage. Was soll er den Menschen sagen, die draußen im Land und bei uns im Land Antworten auf die Herausforderungen erwarten? Dass wir bekräftigen, dass hier keine Sympathisanten von Sexualstraftätern sitzen, ist wirklich so unterirdisch, dass ich gar nicht weiß, was ich damit anfangen soll. Es gibt eine ganze Reihe von weiteren Allgemeinplätzen in Ihrem Antrag. Das hat bei mir das Gefühl verstärkt, dass da schnell etwas zusammengezimmert werden sollte, um einen Anlass für die Debatte zu haben,
Konzentrieren wir uns auf das, worauf es ankommt. Damit ist auch alles gesagt und alles getan. Dieser Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, erfüllt diese Kriterien jedenfalls nicht. - Ich bedanke mich herzlich.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sexualisierte Gewalt ist zu verurteilen und abzulehnen. Den Opfern solcher abscheulicher Straftaten gilt unser Mitgefühl.
Hierzu gibt es keine zwei Meinungen. Es ist unsere Aufgabe als Staat und Gesellschaft, alles dafür zu tun, dass kein Mensch Opfer von Gewalt, gerade von sexualisierter Gewalt, wird. Das gilt für eine Silvesternacht in Köln, das Oktoberfest, die Kieler Woche oder aber auch die eigenen vier Wände.
Genauso ist es Aufgabe des Staates, dass derartige Taten schnellstmöglich aufgeklärt und Täter konsequent bestraft werden. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, dass dies nicht verharmlost wird und es volle Transparenz über die Umstände und die Tathergänge gibt.
Aber genauso wie jetzt schnell gehandelt werden muss, gilt es, dass unsere Strafverfolgungsbehörden sorgfältig arbeiten müssen. Ergebnisse zu präsentieren, um Ergebnisse zu haben, ist unserem Rechtsstaat genauso unwürdig wie Leute ungestraft zu lassen.
In unserem Rechtsstaat ist jeder gleich, egal woher er kommt. Jeder hat einen Anspruch und das Recht auf ein gerechtes und geordnetes Verfahren. Vor diesem Hintergrund muss man konsequenterweise jeden Generalverdacht gegen einzelne Bevölkerungsgruppen ablehnen.
All das sind Selbstverständlichkeiten, die nicht erst seit der Silvesternacht in Köln gelten sollten. Es sollte erst recht nicht eines Antrags im Landtag bedürfen, damit diese Selbstverständlichkeiten als solche anerkannt werden.
Seit etwa 140 Jahren sagt unser Strafrecht, dass die gemeinschaftliche Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren, sexuelle Nötigung mit einer Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren und Raub mit einer Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren geahndet wird. Diese Selbstverständlichkeiten sind also längst geltendes Recht in Deutschland. Die Bürger erwarten, dass dieses Recht auch konsequent angewandt wird.
Das sind nicht nur deutsche Selbstverständlichkeiten, auch die Justiz in Marrakesch, in Algier, Tunis und Tripolis sieht das ganz ähnlich. Wir können uns an dieser Stelle tatsächlich einmal die Frage stellen, ob diese Debatte und das Ansprechen von Selbstverständlichkeiten nicht schon eine Instrumentalisierung der Ereignisse der Silvesternacht darstellt.
Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich finde die Debatte, die wir hier führen, richtig. Wir sollten allerdings diese Debatte nicht entpolitisieren und so tun, als würden wir nicht selbst ein Zeichen setzen wollen, also die Debatte dazu nutzen wollen, unsere demokratische Sicht der Dinge zu dokumentieren. Deshalb haben wir unseren Änderungsantrag eingebracht.
Ich sehe es genauso mit Sorge und Abscheu, dass insbesondere rechtspopulistische und rechtsextremistische Gruppen, aber auch andere Parteien, die Gewalttaten in der Silvesternacht dazu nutzen, davon abzulenken, dass Gewalt und sexuelle Übergriffe ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellen.
„Alleine der kurze Weg zur Toilette ist der reinste Spießroutenlauf. Drei Umarmungen von wildfremden, besoffenen Männern, zwei Klapse auf den Hintern, ein hochgehobener Dirndlrock und ein absichtlich ins Dekolleté geschütteter Bierschwall sind die Bilanz von dreißig Metern. Es ist Samstag, 11 Uhr morgens im Hofbräuzelt. Der Wiesntag hat gerade angefangen.“
Dieses Zitat dokumentiert, dass dies schon länger ein Problem unserer Gesellschaft darstellt und nicht erst in der Silvesternacht entstanden ist. Herr Ku
(Heiterkeit - Volker Dornquast [CDU]: Kann er sich nicht erinnern! - Christopher Vogt [FDP]: Das ist nicht so lange her, wie Sie denken!)
Für sogenannte Pick-up-Artists, also Menschen, die es zur Kunst erheben, Frauen zum Sex zu bringen, ist es eine ganz normale Taktik, Frauen zu umkesseln, um sie zum Sex zu bringen.
Dieses Problem gibt es in unserer Gesellschaft schon lange. Machen wir uns nichts vor. Jeder Mensch weiß, dass es bei Menschenmassen, gerade in Gruppen von alkoholisierten Männern, eher zu Gewalt und Übergriffen kommt. Das beobachten wir ständig bei Fussballspielen.
Natürlich kann und darf man die Tatsache auch nicht leugnen, dass einige der Verdächtigen aus nordafrikanischen Ländern und Syrien kommen. Jetzt aber die Ereignisse in der Silvesternacht dahin gehend zu instrumentalisieren und zu suggerieren, dass mit der Flüchtlingskrise auch sexuelle Gewalt nach Deutschland käme und pauschal ganze Gruppen unter Generalverdacht zu stellen, ist einfach nur falsch und rassistisch.
„Die Entscheidung Flüchtlinge aufzunehmen bleibt auch richtig - trotz Köln. Denn die Ereignisse der Silvesternacht haben nichts mit unseren eigenen Werten und unseren Ansprüchen an uns selbst zu tun. Entweder wir sind der Meinung, dass der Schutz von Verfolgten richtig ist, oder wir sind es nicht. Alles hinzuschmeißen, weil ein Tausendstel der Flüchtlinge kriminell geworden ist, würde unser Wertesystem als Heuchelei entlarven. Man kann nicht der Vorsitzende vom Vegetarierbund sein, aber zur nächsten Schnitzelbude flüchten, wenn man eine angeschimmelte Gurke im Kühlschrank hat. Richtig ist
aber auch, dass wir nun konsequent handeln und Straftäter ihrem rechtmäßigen Schicksal zuführen. Ich kenne aber auch niemanden, der anderer Meinung wäre. Umgekehrt würde es von einer unfassbaren Prinzipienlosigkeit zeugen, wenn dieser Anlass nun genutzt würde, um unsere gesamte Flüchtlingspolitik um 180 Grad zu drehen.“