Protocol of the Session on November 14, 2012

Sehr geehrte Frau Beer - und nach Ihren Ausführungen, Herr Dr. Breyer, möchte ich Sie mit einbeziehen -, Sie machen es mir und allen, die sich sehr ernsthaft und sorgfältig Gedanken darüber machen und Strategien dazu entwickeln, wie wir auch in Einzelfällen helfen können, sehr, sehr schwer. Das gilt vor allem für dieses Verfahren, das wir nicht selber in der Hand haben, sondern in dem wir auf andere angewiesen sind.

Frau Abgeordnete, ich zitiere: Sie „wollen die Gelegenheit nutzen“. Für zukünftige Fälle, die wir in diesem Haus gemeinsam bewältigen müssen, kann ich Ihnen nur raten, widerstehen Sie diesem Reflex, die Gelegenheit nutzen zu wollen. Ich möchte Ihr Engagement für Flüchtlinge und auch zukünftig Sie als Gesprächspartnerin ernst nehmen, und ich bitte Sie daher im Interesse der Betroffenen, deren Schicksal im Stillen positiv zu bewegen.

(Beifall SPD, CDU, FDP, SSW und verein- zelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erlaube mir noch zwei Richtigstellungen, da ich mir am Anfang Ihrer Rede so ein klein wenig wie auf der Anklagebank vorkam. Mitnichten unterstützen wir als Landesregierung Bundesinnenminister Friedrich in seinen Vorstellungen, die er entwickelt hat, um dem Phänomen der in größerer Anzahl nach Deutschland flüchtenden Roma Herr zu werden. Ich habe im Innen- und Rechtsausschuss am 24. Oktober 2012 - auch im Beisein Ihrer Fraktionskollegen - ausführlich dazu Stellung genommen und sehr dezidiert dargelegt, warum die einzelnen Maßnahmen, die Herr Friedrich da vorgeschlagen hat, aus unserer Sicht ungeeignet sind. Das gilt für alle bis auf eine einzige Maßnahme, das wäre die, die er selbst erfüllen kann, nämlich endlich sein Bundesamt personell so auszustatten - auch in

Schleswig-Holstein -, dass wir in den Verfahren schneller vorangehen können.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Und als Zweites: Ich habe mich dem Gesprächswunsch der Schülervertretung keinesfalls verwehrt, sondern im Gegenteil mit ihr Kontakt gesucht. Ich wollte die Unterschriften entgegennehmen, bin nur heute überrascht darüber, dass das am Rande der Landtagssitzung stattfinden soll. Aber ich nehme natürlich auch hier gern die Unterschriften entgegen.

(Beifall PIRATEN)

Ich gehöre aber auch zu denjenigen, die den Schülerinnen und Schülern dann sagen werden, dass ich die Unterschriften weiterleiten werde beziehungsweise dass ich zumindest mit dem Bundesinnenminister darüber sprechen werde. Denn es wird der falsche Eindruck erweckt, wir seien hier allein verantwortlich, vor allem, wir hätten es in der Hand, das Schicksal der Familie Chafi hier positiv zu verändern. Das haben wir eben nicht in der Hand. Ich finde, hier wird heute ein sehr schlechter und falscher Eindruck erweckt. In dieser Einschätzung schließe ich mich Frau Damerow uneingeschränkt an.

Jeder, der - aus welchem Grund auch immer - nach Schleswig-Holstein flüchtet, hat dazu ein Recht. Nach geltendem Recht darf nur nicht jeder hierbleiben. Wir wollen eine humane und liberale Flüchtlingspolitik. Ich finde, das, was diese Regierung an Initiativen in den vergangenen Wochen und Monaten ergriffen hat, kann sich durchaus sehen lassen. Ich denke dabei zum Thema Bleiberecht an unsere Initiative im Bundesrat und daran, dass wir über die Unterkunftsstandards mit den Kommunen diskutieren. Wir haben auch eine Bundesratsinitiative - inzwischen unterstützt von Brandenburg, RheinlandPfalz und Nordrhein-Westfalen - zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes gestartet. Das kann sich doch wirklich sehen lassen, und das ist alles andere als geeignet, uns hier auf die Anklagebank zu setzen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Als Letztes. Wir achten und schätzen Flüchtlinge in Schleswig-Holstein und heißen diese hier in unserem Land willkommen. Diese Landesregierung steht für eine humane Flüchtlingspolitik. - Herzlichen Dank.

(Dr. Patrick Breyer)

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Barbara Ostmeier [CDU], Anita Klahn [FDP] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich begrüße auf der Tribüne Jan Diedrichsen vom Bund Deutscher Nordschleswiger in seiner Funktion als Generalsekretär der FUEV, dem Dachverband der Minderheiten. Dort sitzt ebenfalls unser ehemaliger Kollege Andreas Beran. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 11, 12 und 56 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Haushaltsgesetzes zum Haushaltsplan 2013

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/220

b) Erste Lesung des Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2013

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/221

c) Finanzplan Schleswig-Holstein 2012 - 2016

Finanzplan Fortschreibung 2017 - 2022

Bericht der Landesregierung zum Abbau der strukturellen Verschuldung gemäß Artikel 59 a Landesverfassung

Bericht der Landesregierung Drucksache 18/315

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung zum Haushalt und erteile der Finanzministerin Monika Heinold das Wort.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung legt heute ihren ersten Haushaltsentwurf und die Finanzplanung bis 2022 vor. Das ist ein guter Tag für Schleswig-Holstein, denn wir halten die Schuldenbremse ein und zeigen gleichzeitig Perspektiven für unser Land auf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Land der Energiewende, Gesundheits- und Tourismusland, Bildungsland und Wissenschaftsstandort, Land innovativer Betriebe - Schleswig-Holstein hat unglaublich viel Potenzial.

Die Einhaltung der Schuldenbremse ist für uns eine selbstverständliche Pflichtübung. Die Kür und somit die eigentliche Herausforderung besteht darin, innerhalb des eng gesteckten Rahmens die Stärken Schleswig-Holsteins zu erkennen, in die Hand zu nehmen und damit eine gute Zukunft zu bauen. Das ist die Philosophie der rot-grün-blauen Landesregierung. Das ist die Grundlage, auf der wir unser Zahlenwerk erarbeitet haben. In großer Solidarität haben alle Häuser zur Finanzierung der Schwerpunkte Bildung und Klimaschutz beigetragen.

Als Haushaltskonsolidierungsland stehen wir unter strenger Kontrolle des Stabilitätsrates. Ich freue mich, dass es uns bereits nach kurzer Zeit gelungen ist, vom Stabilitätsrat das Vertrauen in den Konsolidierungswillen der neuen Landesregierung bestätigt zu bekommen. Damit ist absehbar, dass das Land auch zukünftig Jahr für Jahr 80 Millionen € Konsolidierungshilfen erhält, ein Solidarbeitrag von Bund und Ländern, der uns beim Abbau des strukturellen Defizits unterstützt.

Auf diesem Abbaupfad spielen konjunkturell bedingte Steuerschwankungen keine Rolle mehr. Wir planen mit Trendsteuereinnahmen. Der alten Gewohnheit, steuerbedingte Einmaleffekte sofort zu verfrühstücken, wurde ein Riegel vorgeschoben. Das ist auch gut so. Folge ist, dass die Steuermehreinnahmen 2012 in die Reduzierung der Verschuldung fließen. Für die Finanzplanung wirkt sich die Steuerschätzung nicht auf die Ausgabehöhe, wohl aber auf die Höhe der Neuverschuldung aus. Das sieht man exemplarisch am Haushalt 2012, der aufgrund der guten Konjunktur im Abschluss ausgesprochen erfreulich sein wird.

Meine Damen und Herren, im Haushaltsentwurf 2013 steigen die bereinigten Ausgaben auf 9,656 Milliarden €. Die bereinigten Einnahmen steigen auf 9,236 Milliarden €. Die Nettokreditauf

(Minister Andreas Breitner)

nahme beträgt somit 420 Millionen €. Nach den Berechnungen der Landesmethode darf das strukturelle Defizit in 2013 780 Millionen € betragen. Spitz gerechnet landen wir bei 730 Millionen €. Wir benutzen den verbleibenden Spielraum von 50 Millionen € für ein Programm, das die strukturelle Haushaltsbelastung in den kommenden Jahren verringert. PROFI ist unser Programm für vorsorgende Finanzpolitik. Wir nehmen heute investive Mittel in die Hand, um zukünftig konsumtive Ausgaben zu begrenzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Nach den Berechnungen der Bundesmethode bleiben wir sogar rund 560 Millionen € unter dem erlaubten strukturellen Defizit der Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund. Egal, wie man es rechnet, der Puffer, um am Jahresende sicher in den Zielhafen einzulaufen, ist groß.

Meine Damen und Herren, die Herausforderung für die nächsten Jahre liegt im Abbau des strukturellen Defizits. 2020 - wir wissen es - muss es bei null liegen. Umso wichtiger ist es, dass die Landeregierung Kurs hält, dass wir daran festhalten, bis 2020 5.300 Stellen abzubauen. In den Jahren 2011 bis 2013 werden es bereits 987 abgebaute Stellen sein. Stellen, die wir nicht - wie von Schwarz-Gelb geplant - im Schulbereich kürzen, müssen und werden wir auf die anderen Häuser verteilen. Das ist nicht schön, aber notwendig, wenn man sich dafür entschieden hat, Prioritäten zu setzen.

Zusätzlich zum Personalabbau muss bis 2016 eine Lücke von circa 300 Millionen € in der Finanzplanung geschlossen werden - eine große Kraftanstrengung. Dafür wird die Landesregierung ein belastbares Konzept erarbeiten. Wir werden uns die Zeit nehmen, die wir brauchen. Denn eines wollen wir nicht: mit unausgegorenen Konzepten gegen die Wand laufen. Davon hatte unser Land schon genug. Ich erinnere nur an das Desaster um die Uni Lübeck.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Gute Vorbereitung heißt für die Landesregierung: Wir suchen den Dialog mit den Menschen, prüfen strukturell wirkende Einnahmeverbesserungen, Verwaltungseffizienz, Zusammenarbeit mit den norddeutschen Ländern und natürlich Ausgabekürzungen. Auch die Opposition muss liefern und darf sich nicht in der Chill-out-Area verkriechen.

Die Schuldenbremse setzt den Rahmen. Mit dem heutigen Tag ist der Wettbewerb um das beste Konzept eröffnet.

(Christopher Vogt [FDP]: Das können wir nicht verbessern, Frau Heinold! Das ist doch unmöglich!)

Das strukturelle Defizit des Landes ist über Jahrzehnte aufgebaut worden. Auch aktuelle Entscheidungen tragen dazu bei, dass es neue Belastungen für den Landeshaushalt gibt. So führt der vom Bund beschlossene Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zu einer erheblichen Kostensteigerung. Die Landesregierung hat sich entschieden, die Rechnung nicht einfach an die Kommunen weiterzureichen. Wir unterstützen die Kommunen mit 15 Millionen € in 2013, aufwachsend auf 80 Millionen € in 2017, zusätzlich zu den eingeplanten Mitteln von 46,9 Millionen € für die U-3-Kinder und 70 Millionen € für weitere Betriebskosten der Kindertagesstätten. Für den Landeshaushalt ist das eine große Herausforderung, für die Kommunen eine große Unterstützung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Außerdem befreit die rot-grün-blaue Koalition die Kommunen aus der Zwangsjacke des alten Haushaltskonsolidierungsgesetzes. Bei uns heißt es jetzt: „Wer will, bekommt Hilfe!“ 15 Millionen € stehen dafür jährlich bereit.

Meine Damen und Herren, nicht nur die Kommunen, sondern auch Bildung, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit stehen im Mittelpunkt unserer Finanzplanung. Wir nehmen die Kürzung von 300 Lehrerstellen zurück, wir stärken die Schulen in freier Trägerschaft, wir tragen die Tarifsteigerungen der Hochschulen. Denn Rot-Grün-Blau hat erkannt: Mit guter Bildung für alle legen wir den Grundstein für die Zukunft unseres Landes.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)