Protocol of the Session on March 22, 2012

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen in Schleswig-Holstein - da bin ich mir mit meiner Fraktion einig - auch in Zukunft eine bäuerliche Landwirtschaft erhalten und stärken und ihr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung geben. Gerade weil die Landwirtschaft staatliche Transferleistungen erhält und durch die gemeinsame Agrarpolitik ab 2014 auch in Zukunft erhalten muss, müssen die Ansprüche an eine tier- und umweltgerechte Landwirtschaft steigen. Dann können Subventionen auch als gesellschaftlich gewünschte Leistungen besser legitimiert werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Carsten-Peter Brodersen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße es sehr, dass uns das Ministerium den im Januar erbetenen ausführlichen Bericht vorgelegt hat und bedanke mich dafür im Namen der FDP-Fraktion ganz herzlich.

Es ist uns ein großes Anliegen, in dieser Debatte eine sachliche Betrachtung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Schleswig-Holstein vorzunehmen. Bevor ich näher auf den uns vorliegenden Bericht eingehe, will ich mich zwei Punkten in den Anträgen der LINKEN, Drucksache 17/2153, und der Grünen, Drucksache 17/1939, zuwenden. Hier wird nämlich sehr deutlich, welches Bild Sie von der Landwirtschaft in unserem Bundesland haben. Dieses Bild gilt es, den Bürgerinnen und Bürgern, allen voran den Landwirten, zu verdeutlichen.

Der Antrag in Drucksache 17/1939 enthält schon in der Überschrift das Wort „Tierfabriken“. Wie auch Sie schon in der Einleitung des Berichts des LMUR lesen können, ist dieser Begriff in keiner Weise wissenschaftlich beschrieben, noch ist es eine angemessene Beschreibung der Nutztierhaltung in Schleswig-Holstein. Aber diese Art der Dämonisierung der Landwirtschaft sind wir ja durchaus schon gewohnt. Diese Ihre Geisteshaltung sollte jeder Landwirt kennen, wenn er am 6. Mai in der Wahlkabine steht.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist aber eine Drohung!)

- Ja, das ist so.

Meine Damen und Herren, der Antrag der LINKEN fordert, dass Landwirten in Zukunft in der Ausbildung möglichst tiergerechte Tierhaltungsmethoden vermittelt werden. In dieser Forderung steckt der Vorwurf, dass sich Landwirte bisher nicht um tiergerechte Haltung bemühen. Das zeigt uns mal wieder, mit welchem Sachverstand Sie in diesem Haus Anträge vorlegen.

Landwirt wird man aus Überzeugung. Das Tier und seine Gesundheit nehmen in der Ausbildung, aber auch im Arbeitsalltag seit jeher eine zentrale Rolle ein. Wer diese Tatsache verkennt, diskreditiert sich durch absolute Unkenntnis, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

Herr Abgeordneter Brodersen, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jezewski zu?

Vielen Dank, Kollege Brodersen. Sie ist auch relativ schnell beantwortbar. Halten Sie die Gepflogenheiten, die der Kollege Rickers vorhin als reformbedürftig beschrieben hat, nämlich das Kupieren von Hühnerschnäbeln, das Enthornen von Kälbern ohne Betäubung oder die Kastration von Schweinen ohne Betäubung für tiergerecht?

Nein; darüber müssen wir natürlich reden. Das sind Dinge, die angepasst werden müssen. Aber das hat nichts damit zu tun,

(Zuruf: Aha!)

- Entschuldigung, ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort -, dass Sie den Landwirten unterstellen, dass sie nicht fachgerecht mit Tieren umgehen.

(Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE]: Das lernen sie doch in ihrer Ausbildung!)

- Wie man fachgerecht mit Tieren umgeht, lernen sie in ihrer Ausbildung, das ist richtig.

Nun komme ich zum Bericht des Ministeriums. Die Landwirtschaft erzielte in Schleswig-Holstein im Jahr 2010 einen Produktionswert in Höhe von 3,2 Milliarden € und lag damit doppelt so hoch wie

(Lothar Hay)

vergleichsweise zum Beispiel der Schiffbau. Die tierische Erzeugung mache 1,5 Milliarden € aus. Hieran hat die Rinder-, Kälber- und Milchproduktion einen Anteil von über 70 %. Dies macht schon deutlich, in welchem Bereich die schleswig-holsteinische Nutztierhaltung ihren Schwerpunkt hat.

Die per Definition festgelegte Intensivtierhaltung betrifft in unserem Bundesland circa 214.000 wirtschaftlich tätige Betriebe. Wenn wir uns diese Zahl ansehen und sie dann auf die Auslöser der Diskussion, nämlich die intensive Nutztierhaltung und den Antibiotikaeinsatz in der Geflügelzucht, übertragen, wird deutlich, dass wir dieses Problem in Schleswig-Holstein nicht in diesem Maße vorfinden, wie es die Opposition immer wieder als Schreckensszenario darstellt.

Ich will damit diese Diskussion nicht verharmlosen oder für nichtig erklären. Jedoch zeigt die Betriebsstruktur, dass man Probleme beispielsweise in Nordrhein-Westfalen nicht in Gänze auf SchleswigHolstein übertragen kann.

Meine Damen und Herren, die Abschaffung der Privilegierung im Baurecht gerade für gewerbliche Stallanlagen müssen wir natürlich intensiv diskutieren. Vor- und Nachteile sind abzuwägen. Aber wir müssen darauf achten, dass unseren Landwirten auch weiterhin die Möglichkeit gegeben wird, eine wettbewerbsfähige Entwicklung zu vollziehen.

Schon heute ist es bei den gesetzlichen Vorgaben nicht möglich, beliebig große Stallanlagen aus dem Boden zu stampfen. Schon die Düngeverordnung regelt explizit, dass Stallungen nur in dem Maße gebaut oder erweitert werden können, wie auch Ausbringungsfläche für die anfallenden Güllemengen nachgewiesen werden kann.

In der teilweise polemisch geführten Diskussion um die Tiergesundheit muss man ganz klar feststellen, dass Tiergesundheit nicht ein Thema von groß oder klein ist, sondern in erster Linie eine Frage des Managements. Das geht allein schon aus der Tierhaltungsverordnung hervor. Das gilt sowohl für 50 Tiere als auch für 1.000 Tiere, welcher Tierart auch immer.

Die Landwirtschaft hat in Schleswig-Holstein einen großen Stellenwert für die Wirtschaft, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Das sollte bei aller Ideologie niemals vergessen werden. Ich danke dem Ministerium für den ausführlichen Bericht und Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben immer häufiger in unseren Kommunen, dass sich Bürgerinitiativen gründen, die sich gegen den Bau von Biogasanlagen oder großen Mastanlagen richten. Dies hat vielerorts zu heftigen Streitigkeiten innerhalb der Gemeinden geführt.

Für mich ist dies in erster Linie ein Zeichen dafür, dass etwas mit dem Planungsrecht nicht mehr stimmt. Mit der Privilegierung im § 35 des Baugesetzbuches wurde die kommunale Planungshoheit mehr oder weniger ausgehebelt. Eine direkte politische Beeinflussung beim Bau derartiger Anlagen ist kaum noch möglich. Der potenzielle Betreiber hat einen Rechtsanspruch, seine Anlage zu bauen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Es gibt durchaus rechtliche Möglichkeiten, gegen solche Projekte vorzugehen, jedoch erfordert dies fachlich qualifizierte Stellungnahmen, die nur von eingefuchsten Fachleuten erbracht werden können. Dies können die betroffenen Kommunen jedoch kaum leisten. Zudem spielt auch die zeitliche Komponente für einen Einspruch eine wichtige Rolle.

Gleichwohl besteht die Möglichkeit der Steuerung über die Bauleitplanung der Gemeinden. Dies macht auch der Bericht der Landesregierung deutlich. Ich möchte mich an dieser Stelle, Frau Ministerin, auch für meine Partei für diesen Bericht bedanken, der sehr ausführlich ist. Es hat aber den Anschein, dass viele Kommunen von der Privilegierung überrumpelt wurden und ihren Flächennutzungsplan nicht entsprechend angepasst haben. Es gibt sogar Kommunen, die nicht einmal einen Flächennutzungsplan haben. Dies haben wir zum Beispiel neulich in Tielen erleben müssen. Dies ist für mich wieder ein Beleg für die Kleinteiligkeit der Gemeindestruktur bei uns im Land.

Fakt ist aber, dass mit derartigen Anlagen die Siedlungsentwicklung der Gemeinden gehemmt wird, die Immissionsbelastungen zunehmen, Umweltbelastungen steigen und der Außenbereich als Erholungsraum verloren geht.

Aus dem Bericht geht hervor, dass es auf Bundesebene mittlerweile Planungen gibt, die rechtlichen Einspruchsmöglichkeiten zu verschärfen. Jedoch gilt dies nur für große gewerbliche Tierhaltungsan

(Carsten-Peter Brodersen)

lagen, das, was man als „Agrarindustrie“ bezeichnen würde. De facto bringt das aber keine wirkliche Änderung und keine Verbesserung für die kommunale Planungshoheit mit sich. Auch von der Landesregierung ist hier nicht mit wirklicher Unterstützung zu rechnen, denn prinzipiell hält die Landesregierung weiter an der Privilegierung im Außenbereich fest.

Das Engagement der Bürgerinitiativen ist aber auch ein Beleg dafür, dass in weiten Teilen der Gesellschaft ein Umdenken bezüglich der Entwicklung der Landwirtschaft stattfindet. Die Liste der Einwände gegen Massentierhaltungsanlagen ist lang, ob aus rein naturschutz- oder tierschutzfachlicher Sicht. Zudem sind die Bürgerinitiativen gut vernetzt mit Umweltschutzverbänden oder Tierschutzorganisationen, und sie tauschen sich untereinander aus. Dieser Druck von unten ist ein Beweis dafür, dass wir bereits eine breite Diskussion über die künftige Ausgestaltung der Land- und Ernährungswirtschaft in der Gesellschaft haben.

Vor dieser Entwicklung darf die Politik nicht die Augen verschließen.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen uns diesen Aufgaben stellen und Lösungen aufzeigen, wie wir die Landwirtschaft zukunftsorientiert und nachhaltig gestalten wollen. Die bisherige Landwirtschaftspolitik wurde in Bahnen gelenkt, die einzig auf Wachstum ausgerichtet sind. Es musste immer mehr zu immer günstigeren Preisen produziert werden, um am Markt zu bestehen. Diese Entwicklung ist wirtschaftlich nicht gesund. So vollzieht sich auch seit Jahrzehnten der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die Betriebe, die nachbleiben, sind gezwungen, sich zu vergrößern: mehr Fläche und immer mehr Tiere. Dies ist aber keine Entwicklung, die sich die Landwirte freiwillig ausgesucht haben. Viele Landwirte, mit denen ich gesprochen habe, lehnen dies eigentlich ab. Aber wenn sie nicht aufgeben wollen, dann müssen sie vergrößern, um die Produktionskosten zu verringern. Dieser Kreislauf muss endlich durchbrochen werden. Das bedeutet aber, dass die Förderpolitik in der Landwirtschaft komplett geändert werden muss.

Aufgrund der Komplexität dieses Themas schlage ich vor, dass wir das alles noch einmal im Ausschuss vertiefen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 17/1939 und 17/2153 dem Umwelt- und Agrarausschuss sowie den Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/2327, dem Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dann ist das einstimmig so beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist abgearbeitet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 61 auf:

Pflegepolitische Perspektiven des Landes Schleswig-Holstein

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/2223

Ich erteile das Wort für den Bericht dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Bericht legt die Landesregierung dar, wie viele Menschen mit Pflegebedarf heute und absehbar künftig in Schleswig-Holstein leben, unter welchen Rahmenbedingungen, im eigenen Zuhause oder in Einrichtungen, sie leben, was zu tun ist, damit mehr pflegebedürftige Menschen selbstbestimmt leben, und als Dreh- und Angelpunkt aller politischen Bemühungen, was wir tun, damit es zukünftig genügend Menschen gibt, die Pflegebedürftige unterstützen und begleiten, also zukünftig auch wieder Menschen für die Pflege zu gewinnen.

Als zuletzt verfügbare Zahl für Schleswig-Holstein weist die Pflegestatistik für 2009 etwa 79.500 sogenannte Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung aus, davon werden knapp 40 % stationär, also in Einrichtungen der Alten- und Pflegehilfe versorgt, 17.000, gut 21 %, werden von ambulanten Pflegediensten versorgt.