Protocol of the Session on February 22, 2012

Ich sage es noch einmal: Wir haben 2009 - ich will keine Geschichtsklitterung betreiben oder einen Rückblick machen - ein Problem übernommen, weil wir eine Schuldensituation vorgefunden haben, die wir in den Griff bekommen mussten, nicht nur wegen der Schuldenbremse, sondern auch faktisch, weil klar war, dass wir - unabhängig von der Schuldenbremse - auf Dauer an den Kapitalmärkten die entsprechende Refinanzierung nicht darstellen können, wenn die Schulden über unsere Schuldentragfähigkeit hinaus wachsen. Das haben wir übernommen. Schwere Operationen waren notwendig. Was haben wir für Proteste in diesem Hause gehört, was haben wir für Proteste von außen hingenommen - im Interesse unseres Landes, definitiv. Da kam immer nur „ideenloses Sparen, konzeptionsloses Sparen“. Von Ihnen kommt überhaupt nichts zum Sparen, sondern es kommt jetzt die Erklärung: Mehrausgaben durch mehr Schulden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich muss sagen, dass die Grünen es immerhin vor der Wahl machen. Sie hätten es auch, wenn sie glauben, sie regieren mit, nach der Wahl durch die Veränderung des Gesetzes machen können. Es hätte nichts dagegen gesprochen, das im August oder wann auch immer noch einmal neu zu machen. Sie machen sich sozusagen schon einmal vorher ehr

(Lars Harms)

lich, wie sie glauben, weil sie anders ihre Wahlversprechen nicht unterlegen können.

Aber Herr Kollege Callsen, es wundert mich, dass die Schwarzen jetzt davon überrascht sind. Ich sage: Auch heute erleben wir, dass der letzte Rest an schwarz-grünen Träumereien definitiv geplatzt ist.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Jost de Jager kann seinen grünen Schal auch schon wieder abnehmen, denn die beiden wesentlichen Punkte Infrastruktur und Abbau der Neuverschuldung sind mit den Grünen definitiv nicht zu machen. Deshalb sage ich einmal, dass die Alternative darin besteht, entweder uns weiter zu unterstützen - auf einem guten Weg für Schleswig-Holstein - oder weiter den Weg in den Schuldenstaat zu gehen, wie Rot-Grün es gerade vorschlagen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Bevor ich Herrn Abgeordneten Dr. Habeck das Wort erteile, bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit mir gemeinsam auf der Tribüne Mitglieder der AWO Eutin und der FDP Scharbeutz, ebenfalls Ostholstein, im Kieler Landeshaus zu begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Nun hat Herr Abgeordneter Dr. Robert Habeck von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann das nicht ohne eine gewisse persönliche Verbitterung vortragen, was ich jetzt sagen will. Ich glaube, wir haben eine denkbar schlechte Stunde erlebt und denkbar schlechte 72 Stunden. Wir hatten in diesem Haus einen Konsens, die Schuldenbremse einzuhalten. Meine Fraktion und ich persönlich hatten die Bereitschaft, das alles zu tun, jenseits der Rituale von Regierung und Opposition, letztlich jenseits der Lager zu argumentieren, unbequeme Sparbeschlüsse mitzutragen und uns gemeinsam darüber zu verständigen, wie wir den schwierigen Weg der Einhaltung der Schuldenbremse gehen wollen.

Erstens. Dass sich der Finanzminister hier hinstellt und einen Beschluss zur Schuldenbremse als cha

rakterlos bezeichnet, mit einer gewissen moralischen Impertinenz darauf hinweist, dass das Einhalten dessen, was wir gemeinsam beschlossen haben, charakterlos sei, ist schon ein starkes Stück. Wie arm muss man sein, um so tief zu sinken!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zweitens stelle ich fest, dass alles, was wir machen, Steuererhöhungen sind. Wenn Sie aber die Steuern erhöhen, dann ist das Sparpolitik.

Ich stelle drittens fest, dass wir Ausgabevorschläge nicht machen dürfen, weil das ja alles charakterlose Schuldenmacherei sei, Sie aber Ausgabevorschläge machen können, wie Sie wollen.

Was wir einmal als Streit in der Sache hatten, hat sich jetzt zu einem Streit im Grundsatz verschärft. Der Streit vom Grundsatz liegt - das muss man nach dieser Debatte klar festhalten - nicht darin begründet, dass die linke Seite des Hauses ihre Position verändert hätte, sondern darin, dass sich die Regierungsseite des Hauses entschieden hat, eine Politik wieder aufzureißen, die wir schon überwunden hatten, nämlich die Vereinseitigung von Sparpolitik als Politikersatz zu definieren. Sie haben in den letzten Stunden die Gräben und die Rituale, die wir schon hinter uns hatten, wieder aufgemacht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist unglaublich!)

- Nein, Herr Kubicki, das ist nicht unglaublich, das ist die Wahrheit. Das ist ein Rückfall in die Vergangenheit, und er kommt nicht von der linken Seite des Hauses.

Was Sie getan haben, ist in der Form wie in der Substanz das, was wir - das kann ich auch für mich persönlich sagen - zu überwinden gehofft hatten. Warum hat der Finanzminister, weil wir die Schuldenbremse im Konsens beschlossen haben, nicht weiter den Konsens gesucht und diese Debatte vorher mit den finanzpolitischen Sprechern, mit den Fraktionen geführt, damit wir uns darauf einigen können? Das kann doch wohl nicht so schwer sein!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Warum - das ist der Kern der Auseinandersetzung will die Regierung 1 Milliarde € oder mehr aus dem Landeshaushalt herausziehen, ohne dass die Schuldenbremse das definiert? Damit verlassen Sie - das ist der Kern der Auseinandersetzung - den Schulterschluss, den wir in der Politik hatten, und verabso

(Wolfgang Kubicki)

lutieren Ihre Sparpolitik als Politikersatz. Es geht darum, eine Gesellschaft zu gestalten und deswegen von den Schulden herunterzukommen. Hier geht es um die Verselbstständigung von reiner Sparpolitik. Dass es so weit kommt, ist schade für die politische Kultur im Haus, für den Wahlkampf und auch für die Hoffnung, die man hatte, als man 2009 in den Landtag eingezogen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Abgeordneter Wolfgang Ku- bicki [FDP] meldet sich zu einer Zwischen- frage)

Herr Abgeordneter Dr. Habeck? - Das Wort hat nunmehr Herr Abgeordneter Tobias Koch von der CDU-Fraktion.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wir uns die ganze Zeit gefragt, wie die SPD ihre ganzen Wahlversprechen finanzieren will - seit heute wissen wir es: durch zusätzliche Schulden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Erschreckende daran ist, dass Sie die Grünen zum Erfüllungsgehilfen für diese Politik machen.

(Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit einem erheblichen Maß an Verbitterung muss ich feststellen, dass Sie zwei Monate vor der Wahl alle Bekenntnisse zur Haushaltskonsolidierung und nachhaltigen Finanzpolitik über Bord werfen und nahtlos an die Verschuldungspolitik von RotGrün anknüpfen, die Sie in früheren Jahren praktiziert haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wie anders klang es bei den Grünen noch bei den Haushaltsberatungen 2010. Frau Präsidentin, ich darf mit Ihrer Genehmigung die Pressemitteilung von Frau Heinold vom 6. September 2010 zitieren:

„Die Schuldenbremse führt … zu einer dramatisch hohen Neuverschuldung … Nach der alten Verschuldungsgrenze - die sich am Investitionsbegriff orientierte - … lag die Kreditaufnahmegrenze … bei höchstens 670 Millionen €.“

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das war Ihre Kritik damals. Was sagt die Landesregierung im Gesetzentwurf? Für 2012 eine Kreditobergrenze nicht von 670 Millionen €, sondern von 895 Millionen €. Da sagen Sie, das reicht uns nicht, 895 Millionen € sind zu wenig, wir brauchen 1,054 Milliarden €. - Das ist dramatisch hoch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Gerade gestern hat die Landesregierung ihre Eckwerte für den Doppelhaushalt 2013/14 beschlossen. Damit sieht die Landesregierung für 2012 nur noch eine Kreditaufnahme von 490 Millionen € vor. Und Sie wollen 1,054 Milliarden € Schulden aufnehmen. Das sind 564 Millionen € mehr als die Landesregierung vorsieht. Sie wollen weniger Schulden machen mit mehr Schulden und dafür Zinsen zahlen. - Das sind doch keine Investitionen in die Zukunft des Landes!

(Beifall bei CDU und FDP)

Mit Ihrem Gesetzentwurf werden Sie den Schuldenberg bis 2020 um weitere 1,8 Milliarden € erhöhen und nicht in die Zukunft des Landes investieren. 500 Millionen € davon nehmen Sie direkt und tragen sie zur Bank und zahlen dafür wieder Zinsen. Ab 2020 haben Sie jährlich 70 Millionen € zusätzliche Zinsen zu zahlen. Das sind 1.400 Lehrerstellen, die Sie mit der Politik verspielt haben, die Sie heute einleiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist in der Tat eine dramatische Wende, die die Politik in diesem Land nimmt. Alles, was Sie in den letzten zwei Jahren gesagt haben, ist nach dem Änderungsantrag, den Sie hier heute vorgelegt haben, Schall und Rauch.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn ich jetzt noch Redezeit hätte, hätte ich Ihnen gern erläutert, dass die Verbesserung des strukturellen Defizits im Jahr 2011, die wir von 1,1 Milliarden € auf 718 Millionen € zurückgeführt haben, nichts, aber auch gar nichts mit Steuereinnahmen zu tun hat. Strukturelle Defizite haben nichts mit konjunkturellen Steuereinnahmen zu tun. Auch das haben Sie bisher noch nicht verstanden.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Schöner Tag! - Weitere Zurufe)

(Dr. Robert Habeck)

Für die CDU-Fraktion hat nunmehr Herr Abgeordneter Peter Sönnichsen das Wort.

(Unruhe)