Protocol of the Session on December 18, 2009

Gut aufbereitete Unterrichtsmaterialien, Gegenwartsbezüge sowie Zeitzeugenberichte sollen helfen, dieses Thema zu vertiefen und Erfahrungen der Menschen, die in Unterdrückung und Unfreiheit leben mussten, mehr ins Bewusstsein unserer Schülerinnen und Schüler zu bringen.

Mit dem Ende der DDR hat sich das vereinte Deutschland die Aufgabe gestellt, das von der SED und Staatssicherheit begangene Unrecht auszugleichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein gutes Zeichen ist, dass wir zu diesem wichtigen Thema heute einen gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW vorlegen. Ich meine, dass bei diesem Thema diese Gemeinsamkeit schon ein Wert an sich ist.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist ein Wert, für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE unserem Antrag angeschlossen hätten.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Dann hätten Sie fragen sollen! - Weitere Zurufe)

(Susanne Herold)

Es geht nicht um Verklärung, es geht nicht um politische Ausgrenzung, es geht schlicht und allein um die Wahrheit. Ich bedanke mich bei den genannten Fraktionen für die Unterstützung.

(Zurufe von der LINKEN)

- Der Antrag ist Ihnen zugeleitet worden. Sie haben gesagt, Sie möchten das noch in der Fraktion diskutieren. So ist es nun einmal. Sie hätten das diskutieren und dann das „Go“ geben können. Ich hätte mir das gewünscht. Das wäre vorbildlich gewesen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der angespannten Zeitlage, die wir heute haben, und der Tatsache, dass viele von Ihnen durch den Schnee noch nach Hause müssen, möchte ich meinen Redebeitrag nur auf ganz wenige Punkte beschränken.

Es handelt sich um einen gemeinsamen Antrag. Ich finde, das ist gut so, und das ist das richtige Zeichen, das wir setzen können.

(Beifall des Abgeordneten Gerrit Koch [FDP])

Ich denke schon, dass wir im Rahmen des Unterrichtes in der Schule - sei es im Bereich der politischen Bildung oder auch der Geschichte - jungen Menschen das vermitteln müssen, was notwendig ist, um diese Zeit zu verstehen. Denn wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie meine Generation im Jahr 1965, 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wo wir ganz, ganz wenig über das wussten, was in der Nazi-Zeit geschehen ist. Ich denke, das sollte für uns ein Warnzeichen sein, dass wir so etwas nicht wiederholen.

Wir müssen uns natürlich darüber unterhalten, was denn - ich sage es einmal so - im Rahmen des Unterrichts oder auch sonstiger Aktivitäten pädagogisch angemessen ist. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass das, was vor einigen Tagen hier geschehen ist, nämlich die Aufrichtung eines Mauerstückes vor dem Parlament, nach meiner Auffassung vom pädagogischen Wert her doch eher fragwürdig ist.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans-Jörn Arp [CDU]: Warum denn das? Was ist denn daran frag- würdig?)

- Ich möchte das einmal aus denkmalfachlicher Sicht darstellen, lieber Kollege Arp. Ein transluziertes Teil eines Originals verliert immer an Authentizität, zumal es sich hier, Hans-Jörn Arp, um ein Objekt handelt, das so richtig aufgehübscht würde.

(Beifall beim SSW)

Das Graffiti ist richtig toll nachgemalt, alles ganz frisch - so hat das Ding die Berliner Mauer nicht verlassen.

(Jürgen Weber [SPD]: So ist es!)

Ich frage einmal: Welcher Museumspädagoge oder Denkmalpädagoge hat denn hier jemanden über die Aufstellung dieses Stückes beraten?

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich glaube, das muss man sehr kritisch sehen.

Ich wünsche, dass wir das an anderer Stelle anders machen. Wir haben in dem gemeinsamen Antrag auch beschrieben, dass wir das Lernen am anderen Ort als einen wichtigen Aspekt ansehen, jungen Menschen anschaulich zu machen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, wenn man heute mit dem Auto oder der Eisenbahn nach Lübeck und dann weiter in den Osten fährt. Das war vor 20 Jahren unvorstellbar. Ich kann mir auch vorstellen, dass man auch dort statt einer Tafel dann doch wieder ein Stück des Grenzzaunes hinstellt, um deutlich zu machen, was hier einmal war, und den Menschen zu erklären, warum man immer noch nicht durch Schlutup fahren darf. Auch das hat etwas mit der deutschen Teilung zu tun.

Wir sollten deshalb auch alle Chancen nutzen, die Menschen in den Unterricht zu bringen, die als Zeitzeugen Schülerinnen und Schülern berichten können, was denn in dieser Zeit wirklich passiert ist, in diesem ostdeutschen Staat. Wir sollten sie hinsichtlich dessen befragen, was die Oppositionsarbeit bedeutete, denn es hat immer eine Opposition in der DDR gegeben - verdeckt oder nicht verdeckt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sollen über das Thema der Blockparteien und über den staatlichen Einfluss - das hat schon die

(Susanne Herold)

Kollegin Herold genannt - auf das Privatleben sprechen. Das halte ich auch für einen ganz wichtigen Aspekt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich würde mich freuen, wenn alle unserem Antrag zustimmen würden.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat die Kollegin von der FDP, Frau Abgeordnete Cornelia Conrad.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte im Schulunterricht ist ein wichtiges Thema. Daher ist es sehr begrüßenswert, dass dieser Antrag interfraktionelle Zustimmung findet, auch wenn die Fraktion DIE LINKE hier bedauerlicherweise ausschert.

Der Antrag war schon in der letzten Wahlperiode Konsens und ist lediglich aufgrund der Neuwahlen nie im Landtag beschlossen worden.

Zu viele Themen diskutieren wir in diesem Plenum kontrovers, aber gerade bei den Auseinandersetzungen mit Unrechtssystemen oder Diktaturen, wie es der SED-Staat unzweifelhaft war, müssen wir Demokraten zusammenstehen. Das für sich genommen ist schon ein Stück weit ein Zeichen gegen Unterdrückung, Unfreiheit, Diktatur und Willkür.

Der Mauerfall hat sich in diesen Monaten zum 20. Mal gejährt. Viele junge Menschen haben keine eigenen Erinnerungen mehr an die DDR-Diktatur und das SED-Regime. Auch die aufkommende Demokratiebewegung, die maßgeblich zum Zerfall des Unrechtssystems beigetragen hat, droht mehr und mehr aus den Köpfen zu verschwinden. Das liegt sicherlich auch daran, dass das, was die Schüler im Unterricht über die Zeit erfahren, teilweise lückenhaft, unvollständig und damit alles andere als angemessen ist.

Uns alle schockieren die aktuellen Umfragen und Befragungen, bei denen sich herausstellt, wie bruchstückhaft das Wissen von Schülern über die DDR ist. Knapp 90 % der Schüler geben an, wenig oder gar nichts über die DDR zu wissen. Gerade einmal 30 % können den Bau der innerdeutschen Mauer thematisch korrekt einordnen. Das allein

sollte verdeutlichen, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte im Schulunterricht ist. Das gilt für Ost und West gleichermaßen. Denn auch, wenn in den neuen Ländern eine stärker werdende Tendenz zur sozialromantischen Verklärung der DDR-Vergangenheit zu bemerken ist, so ist gleichermaßen in allen Landesteilen gegen dieses Unwissen anzukämpfen.

(Beifall bei FDP, CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn nur noch die Hälfte der Jugendlichen in Ostdeutschland die DDR als Diktatur bezeichnet und die Stasi darüber hinaus für einen ganz normalen Geheimdienst hält, so ist dringender Handlungsbedarf angezeigt. Darüber hinaus muss der Tatsache vorgebeugt werden, dass immer wieder Menschen egal welchen Alters - die Unrechtsstaatlichkeit des SED-Regimes verharmlosen.

Wir haben heute noch die Möglichkeit, dass unsere Schüler die Orte sehen können, an denen das Unrecht dokumentiert wird, und dass sie sich mit Zeitzeugen über das Leben in einer Diktatur austauschen können. Ich finde es auch vor diesem Hintergrund außerordentlich begrüßenswert - im Gegensatz zum Abgeordneten Herrn Höppner -, dass die Landesregierung ein altes Stück Mauer vor dem Wirtschaftsministerium aufgestellt hat.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU - Zu- rufe von der SPD)

Die Productplacement-Debatte wegen des winzigen Hinweises auf den Spender des Mauerstückes fand ich vor diesem Hintergrund peinlich und kleinkrämerisch.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es sind genau diese Exponate, die einen Teil des Unrechtsstaates DDR sichtbar und für jüngere Generationen erlebbar machen.

Meine Damen und Herren, die Zeitzeugenaktualität muss dringend genutzt werden. Klassenfahrten nach Berlin, die unter anderem den Besuch in der ehemaligen Stasi-Zentrale in den Normannenstraße oder der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen beinhalten, tragen entscheidend dazu bei, solch eklatante Fehlurteile und solch eklatantes Unwissen zu beseitigen.

Den Schülern muss dieses Wissen auch anhand von Eindrücken und Erfahrungen vermittelt werden. Ein bloßes Buchwissen reicht nicht aus. Darauf wollen wir gemeinsam hinwirken.

(Dr. Henning Höppner)

Die DDR-Geschichte muss als Thema der historisch-politischen Bildung mehr als bisher in den Schulen behandelt werden, nicht zuletzt, um immer wieder freiheits- und demokratiefeindlichen Tendenzen entschieden vorzubeugen.