Protocol of the Session on January 26, 2012

Die Frage muss hier sehr viel eher an die Stadt Schleswig gehen. Konkret: Wie konnte es so weit kommen, dass sich ein solch erheblicher Schaden über längere Zeit derart ausweiten konnte und „plötzlich“ ein hoher Millionenbetrag für die Sanierung erforderlich ist?

(Zurufe)

Fragen, die wir hier und heute im Parlament nicht beantworten können, Fragen, die nicht allein vom Land beantwortet werden können.

Zum Abschluss möchte ich dem Minister danken, dass er die Theater von Lübeck, von Kiel und das Landestheater innerhalb dieser Legislaturperiode an einen Tisch gebracht hat und aus diesen Gesprächen etwas entstanden ist, wie zum Beispiel gemeinsame Projekte der Theater Lübeck und Kiel. Deswegen möchte ich an dieser Stelle Vorwürfe zurückweisen.

Mein kulturpolitischer Ansatz deckt sich mit dem des Ministers. Ich bin froh, dass Kultur von ihm nicht von oben verordnet wird, sondern im Dialog mit den Kulturschaffenden

(Birte Pauls [SPD]: Im Dialog? - Weitere Zu- rufe von der SPD)

wie auf den von ihm organisierten und ins Leben gerufenen Kulturkonferenzen.

(Beifall bei der FDP)

(Kirstin Funke)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck, das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nicht immer sind Kulturdebatten weiterführend. Ich finde, das war in dieser Runde anders. Ich will ausdrücklich loben, dass wir in dieser Debatte Soziokultur und Landestheater in einem Zusammenhang gebracht haben. Herr Minister, das erklärt auch meine Einlassung; ich komme darauf zurück. In dieser Debatte hat sich das erhärtet. Das liegt vor allem an den Reden der Kollegen Spoorendonk und Wengler, für die ich mich ausdrücklich bedanke.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Herr Wengler, ich hoffe Sie verstehen es als Kompliment. Das hätte ich von einem CDU-Abgeordneten so nicht erwartet, eine Gegenüberstellung der Leistungen von Soziokultur und Landestheater. Vielen Dank dafür! Was Sie nämlich gesagt haben, ist doch im Kern, dass die soziokulturellen Zentren und die freien Theater quasi Aufgaben staatlicher Institutionen wahrnehmen, die Integration von Milieus, die Abholung von Jugendlichen von der Straße, das Heranführen an Kultur. Das ist doch die Definition dessen, was wir von staatlichen Institutionen erwarten.

Wenn das so ist und wir das von staatlichen Institutionen erwarten, müssen wir doch auch über eine institutionelle Förderung reden. Sie erfüllen faktisch die Aufgabe, die wir als Staat von Kultureinrichtungen erwarten.

Wir haben uns über die Zahlen ausgetauscht - mögen sie sein, wie sie sind -, in jedem Fall haben die soziokulturellen Zentren viel zu wenig Geld.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Sie haben so wenig Geld, dass sie die Bundesfördermittel parallel zu den Gedenkstätten, die wir haben, die theoretisch im Raum stehen könnten, abgerufen zu werden, nicht abrufen können.

Darüber habe ich gesprochen, als ich in Lübeck gesagt habe, man müsse darüber nachdenken, ob man die starre Trennung zwischen Landestheater oder städtischen Theatern und soziokulturellen Zentren beibehalten soll. Man muss schon ziem

lich Scheuklappen vor Augen haben, daraus ableiten zu wollen, dass ich die Standorte der Landestheater infrage stelle. Was gemeint ist, ist, dass die Aufgaben, die die soziokulturellen Zentren wahrnehmen, so weitreichend sind, dass sie wie staatliche Institutionen arbeiten und dass andererseits das Landestheater und in den nächsten Jahren auch das Lübecker und das Kieler Theater unter einem so hohen finanziellen Druck stehen, dass man möglicherweise eine Win-win-Situation schaffen kann, wenn man die beiden Komplexe nicht parallel behandelt, wie es der Minister getan hat, sondern in einen Zusammenhang bringt, die eine Seite entlastet und die andere Seite vernünftig fördert. Das kann natürlich nur funktionieren, wenn man die kleinen Schächtelchen, in denen wir Kulturpolitik bisher denken, einmal zusammenknüllt, glättet und neu zusammenbaut. Das kann nur funktionieren, wenn beide Seiten das wollen. Ein Dirigismus - um die Debatte von heute Mittag über die Bildungspolitik zu zitieren - hilft natürlich nicht weiter.

Herr Müller, es hilft auch nicht weiter, wenn Sie sagen, nur mutig voran, Herr Klug, aber selbst auch keine Richtung vorgeben. Es kann nicht sein, dass wir in einer so komplizierten Lage, in der keiner eine Antwort auf die Frage der Finanzierung gegeben hat, jeden abstrafen, der sich mit irgendeiner Idee hervortraut. So ist dort keine Veränderung zu erwarten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Minister, nun kann ich Ihnen leider nicht ersparen, dass ich glaube, dass die Sicht der Landesregierung auf die Kultur doch geschmäcklerisch ist. Ich erinnere daran, dass die Eutiner Festspiele - es sei ihnen gegönnt -, nachdem sie ein Rettungskonzept erarbeitet haben, nach der Haushaltsdebatte mit 50 % der Förderung, die das Land für sie bereitgestellt hat, zusätzlich gefördert wurden, weil sie ein - zugegebenermaßen - cleveres, innovatives, neues Konzept aufgelegt haben. Nur clevere, innovative, neue Konzepte legen die soziokulturellen Zentren und Theater permanent auf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Auch das Landestheater ist unter dem neuen Intendanten Herrn Grisebach mit starker Beteiligung und auf Kosten der Mitarbeiter permanent dabei, sich anzustrengen und neue Konzepte zu erarbeiten.

Es ist unsystematisch, das eine zu fördern und bei dem anderen zu sagen: Ihr müsst euch irgendwie zusammenraufen. Das kann es nicht sein. Insofern

ist die Förderung von Eutin so etwas wie ein Punkt, an dem sich Kulturpolitik in anderen Bereichen messen lassen muss. Wenn es gelingt - ich habe ein Beispiel genannt mit dem Westküstenrock-Zitat -, neue, innovative Wege parallel zu Eutin zu finden, muss es auch möglich sein, dafür Gelder bereitzustellen, die möglicherweise den Landesetat gar nicht belasten, sondern nur eine Umschichtung sind, die beiden Haushaltstiteln Rechnung trägt.

Herr Jezewski, das heißt nicht, dass ich der Meinung bin, das Landestheater oder die kommunalen Theater in Kiel und Lübeck sollten nicht über das FAG gefördert werden. Im Gegenteil, ich sage voraus, dass der Weg, den Sie beschrieben haben, nämlich dass das Land die Theater fördert, bedeutet, dass wir in Schleswig-Holstein ein Staatstheater machen, faktisch nur ein Theater. Wir werden nur ein Theater fördern können.

Ich finde es richtig, dass ein Land wie SchleswigHolstein kommunale Mittel einsetzt und die Kommunen in der Verantwortung für ihre Theater stehen. Ich glaube aber damit bin ich bei Schleswig -, dass die Verantwortung bei den jeweiligen Trägern liegt, selbst zu entscheiden, wie die Mittel verwendet werden. Das heißt im Klartext, dass eine Förderung aus FAG-Mitteln durch einen weiteren Vorwegabzug, wie es in Schleswig gewünscht wird - der Bürgermeister ist ja anwesend -, nicht in das System hineinpasst. Ich kann das nicht sehen. Warum sollten wir dafür den Vorwegabzug erhöhen, aber nicht für Bibliotheken, Schwimmbäder oder andere Baustellen, die die Kommunen noch und nöcher haben?

Systemrichtig wäre es - ich will noch einmal unterstreichen, was Kollegin Spoorendonk gesagt hat -, die Dynamisierung zu erhöhen. Wir haben damals angeboten, das mitzutragen; das gilt noch immer. Damit könnte das Landestheater als GmbH selbst tätig werden und dann einen Neubau schaffen, möglicherweise mit einer Bürgschaft des Landes. So weit kann man gehen. Dann hätte man im System gehandelt. Man hätte in Schleswig, was ich für sehr wünschenswert und unbedingt erforderlich halte, einen Neubau, und man würde im System des FAG die Mittel für die Theater systematisch erhöhen. Wenn man das dann noch kombiniert mit dem Ansatz, soziokulturelle Zentren und die soziokulturelle Arbeit zusammenzunehmen, dann hätte man zumindest Umrisse, wie sich die Theaterlandschaft in Zukunft stabil entfalten kann. Es gibt Tausende von Einwänden. Es gibt Tausende von Bedenkenträgern, die sagen: „Aber das kann doch nicht sein, das haben wir noch nie so gemacht.“ Aber es wäre

jedenfalls die Skizze eines Lösungswegs. Ich hoffe, wer einen anderen Weg gehen will, sagt dann auch irgendwann einmal, wie es gehen soll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor wir in die Dreiminutenbeiträge einsteigen, möchte ich Ihnen gern mitteilen, dass wir nur noch den Tagesordnungspunkt 48 aufrufen werden, damit wir dann anschließend rechtzeitig an der Gedenkveranstaltung in Rendsburg teilnehmen können.

Ich erteile nun der Frau Abgeordneten Birte Pauls von der SPD-Fraktion für einen Dreiminutenbeitrag das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich den Eindruck habe, dass viele grundlegende Dinge einfach noch nicht bei allen angekommen sind.

Frau Funke, die Frage nach den Schuldzuweisungen ist, glaube ich, weder hilfreich noch zielführend. Ich finde, wir sollten den Blick auch einmal etwas nach vorne richten.

Das bauliche Problem am schleswig-holsteinischen Landestheater ist eben nicht nur ein lokales Problem der Stadt Schleswig, sondern es betrifft den gesamten nördlichen Landesteil. Denn wenn es jetzt keine positiven Signale für den Erhalt des Landestheaters gibt, dann ist die Stadt Schleswig gezwungen, aus der GmbH auszusteigen und den Vertrag zu kündigen. Das wird schon relativ schnell geschehen müssen. Alles andere wäre auch aus der Sicht der Stadt verantwortungslos. Damit würde das gesamte Konstrukt schleswig-holsteinisches Landestheater zusammenbrechen.

Deshalb ist an dieser Stelle dieses Kirchturmdenken aus einigen Regionen völlig unangebracht. Wenn Sie schon in Kirchturmdenken verfallen, dann bitte klettern Sie ganz weit nach oben, damit Sie die ganze Region betrachten können. Denn wenn man will, dass 1,2 Millionen Menschen und circa 50 % der Landesfläche ohne direkten Zugang zum Landestheater mit den verschiedenen Sparten sind, dann muss man das so machen, wie die Landesregierung das gerade tut, sich nämlich initiativlos, undynamisch und phantasielos einfach nur zurücklehnen und die Schultern zucken, immer mit dem Verweis auf die leeren Kassen.

(Dr. Robert Habeck)

Die Antwort auf meine Kleine Anfrage fand ich relativ schockierend und auch nicht wirklich zielführend. Sie war auch nicht gerade von Ideenreichtum geprägt. Wir werden auch keine finanziellen Luftsprünge machen, selbstverständlich nicht, und wir werden auch keine Versprechungen machen, die wir nicht halten können.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Aber!)

- Aber - Moment, das kriegen Sie auch

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Hört, hört!)

Politik ist eben mehr, als nur mit Schecks zu wedeln. Politik ist auch moderieren, Politik kann auch Ziele formulieren, kann Initiativen ergreifen und kann auch zusammenführen.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Dann mal los!)

Das ist doch das, was wir jetzt tun können, und es wäre gut, wenn wir das alle gemeinsam tun. Das Landestheater braucht jetzt das klare Signal, dass wir uns fraktionsübergreifend zum Landestheater bekennen und dass wir unsere Möglichkeiten in allen Gremien ausschöpfen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an die Historie erinnern. In den Jahren 1994 bis 2003 sind 25,56 Millionen € für den Bau und für Sanierungsmaßnahmen der Theaterspielstätten in Schleswig-Holstein geflossen. Davon entfielen 80 % auf die Theater in Lübeck und Kiel. Nur 17,6 % sind dem Schleswig-Holsteinischen Landestheater zugeflossen, davon 5 % nach Schleswig.

Es gibt - wir erleben das gerade in Schleswig - viele regionale Kraftanstrengungen. Die meisten Kraftanstrengungen werden von dem Personal geschultert. Wir erleben eine riesengroße Solidarität. Räumlichkeiten werden zur Verfügung gestellt. Hier auch einmal ein Dank an die A. P. MøllerSchule, an Slesvighus und an Schloss Gottorf. Aber das sind doch alles nur Interimslösungen. Diese sind auch vertraglich zeitlich begrenzt. Das ist ja nichts, auf das man in Zukunft setzen kann, wie der Minister das in der Kleinen Anfrage beantwortet hat. Das geht doch alles nicht.

Auch da scheint der Minister nicht im Film beziehungsweise, um das in der Theatersprache zu sagen, nicht in der Szene zu sein. Er hat da seine Vorstellungen, die eigentlich vor Ort nicht machbar sind.

Wir erleben viele Bürgerspenden. Wir erleben viele Bürgerinitiativen. Wir haben viele Zusagen, dass das Theater finanziell und praktisch unterstützt wird. Wir haben steigende Besucherzahlen. Wir haben grenzübergreifende Ideen. Wir haben eine Bereitstellung von 5 Millionen € aus dem städtischen Haushalt.

Ich möchte noch einmal an alle appellieren: Das Theater ist eben nicht nur Kultur. Theater ist auch Bildung, und Theater bedeutet auch im nördlichen Landesteil sehr, sehr viele Arbeitsplätze.

(Beifall bei der LINKEN)