Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/1955 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
muts- und Reichtumsbericht der Landesregierung gehört. 76.000 Kinder sind in Schleswig-Holstein von Armut betroffen. Das ist jedes fünfte Kind. In den Städten Kiel, Lübeck, Neumünster und Flensburg ist es sogar jedes dritte Kind. Das wussten die meisten von uns schon vorher. Durch den Bericht ist es uns noch einmal vor Augen geführt worden.
Die Kinderarmut ist in anderen Ländern deutlich geringer. Warum ist das so? - Das ist die eine Frage, die wir uns stellen müssen. Was müssen wir zukünftig in der Familienpolitik anders und besser machen? - Das ist die andere Frage, die wir uns stellen müssen. Die Antwort von unabhängigen Fachleuten liegt vor: Die Kinderarmut ist in den Ländern deutlich geringer, in denen die Erwerbstätigkeit der Eltern höher ist als bei uns. Der Schlüssel für die Erwerbstätigkeit der Eltern ist eine gute Betreuungsmöglichkeit für die Kinder. Liebe Kolleginnen und Kollegen, und in so einer Situation wollen Sie allen Ernstes das Betreuungsgeld unterstützen? - Das kann nicht Ihr Ernst sein!
150 € im Monat dafür, zu Hause am Herd zu bleiben, 150 € dafür, nicht arbeiten gehen zu können; was meinen Sie, wie hoch in 20 oder 30 Jahren die Rentenansprüche der Eltern sein werden? - So wird Familienpolitik zur Armutsfalle.
Die CDU-Frauen proben den Aufstand. Ich bin gespannt auf den Beitrag der Kollegin Rathje-Hoffmann. Der Verband der Evangelischen Kindertageseinrichtungen schlägt Alarm, der Landesfrauenrat spricht sich einstimmig gegen das Betreuungsgeld aus. Und da wollen Sie wirklich sagen: Augen zu und durch? - Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, öffnen Sie die Augen! Es ist kurz vor Weihnachten, wir haben ein Geschenk für Sie. Wir Grüne möchten Ihnen einen Kompromiss nach dem Motto vorschlagen: Retten, was zu retten ist.
Sie wissen, dass wir das Betreuungsgeld ablehnen. Es ist falsch im Sinne der frühkindlichen Bildung. Es ist falsch im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und es ist falsch im Sinne einer nachhaltigen und generationengerechten Armutsbekämpfung.
Bei aller Streiterei, die hier so üblich ist, wollen wir doch alle, dass in Schleswig-Holstein weniger Kinder in Armut leben, dass weniger Eltern in Altersarmut landen und dass weniger Fachkräfte in der
Wirtschaft fehlen. Ich unterstelle niemandem der hier Anwesenden, dass jemand etwas anderes möchte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir aber auch so handeln.
Wie es derzeit aussieht, werden Sie nicht versuchen, das Betreuungsgeld in der derzeit geplanten Form zu verhindern. Das müssen wir als Grüne in der Opposition zur Kenntnis nehmen. Genaue Zahlen zur Höhe des Betreuungsgeldes liegen leider nicht vor. Wir sprechen allerdings von mindestens 35 Millionen €. Das sind 35 Millionen €, die wir Grüne in die Qualität der frühkindlichen Bildung investieren wollen.
Das sind 35 Millionen € für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und 35 Millionen € für eine nachhaltige Armutsbekämpfung. Daher appelliere ich an die Landesregierung: Unterstützen Sie unseren Vorschlag! Sorgen Sie dafür, dass die CSU in Bayern ihren Willen bekommt, und machen Sie es möglich, dass andere Bundesländer wie SchleswigHolstein einen anderen Weg gehen! Ich freue mich darüber, dass die Genossinnen und Genossen von der SPD unseren Antrag mit einbringen.
- Sehr gut, Herr Stegner. Das freut mich. Wir Grüne wollen, dass die Bundesregierung das Betreuungsgeld an die Länder zahlt. Dann fördern die Länder gezielt gemeinsam mit den Kommunen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die frühkindliche Bildung. Wir in Schleswig-Holstein und in anderen Ländern können dann das tun, was wir für richtig halten, nämlich gezielt die frühkindliche Bildung und die Familien fördern, gezielt die Kommunen unterstützen und gezielt gegen Armut vorgehen.
Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie kurz vor Weihnachten über Ihren Schatten springen und ihn unterstützen. Da die ersten Rückmeldungen im Sozialausschuss sehr positiv waren, beantragen wir weitere Beratungen im Sozialausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute zum wiederholten Mal gestellte Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und jetzt auch der SPD sieht vor, das Betreuungsgeld zu verhindern und stattdessen das dafür vorgesehene Geld des Bundes den Ländern zur Verfügung zu stellen, um damit die Familienförderung auszubauen.
- Warten Sie ab! Dieser Antrag beschäftigt sich aber keineswegs damit, dass die meisten Kinder im Alter von null bis drei Jahren von einem Elternteil zu Hause erzogen werden. Selbst in Großstädten betreuen mehr als die Hälfte aller Eltern ihre Kinder in den ersten drei Jahren selbst. Das ist Fakt. Im ländlichen Bereich sind es aktuell mehr als zwei Drittel, die ihre Kinder selbst betreuen. Für uns ist es wichtig zu fragen: Was wollen die Familien?
Meine Damen und Herren, ich vermisse in Ihrem Antrag die Möglichkeit zur Wahlfreiheit für die Familien und damit einhergehend die Wertschätzung des Lebensmodells, bei dem sich die meisten Eltern in dieser frühen Lebensphase ihrer Kinder selbst um die Erziehung ihrer Kinder, um das Aufwachsen sowie um die Entwicklung ihrer Kinder kümmern wollen. Wir sind weder gegen das Modell der Betreuung der Kinder in Krippen oder in der Tagespflege, noch sind wir gegen die Betreuung unserer Jüngsten durch die Eltern. Wir sind für die Wahlfreiheit der jungen Eltern, und wir unterstützen beide Betreuungsformen.
Uns ist selbstverständlich klar, dass nicht alle Mütter und Väter die Freiheit haben, hier auswählen zu können. Natürlich ist das nicht so. Uns ist auch klar, dass Eltern eine leistungsfähige Betreuungsinfrastruktur brauchen. Gerade Alleinerziehende benötigen dringend eine verlässliche und qualitativ hochwertige Betreuung für ihre Kinder; natürlich auch, um das Armutsrisiko zu minimieren, zu verhindern oder zumindest einzudämmen.
An dieser Stelle möchte ich ein großes Lob in Richtung der Städte und Gemeinden in Schleswig-Holstein aussprechen, die seit vielen Jahren kontinuierlich dabei sind, die steigenden Betreuungsbedarfe zu decken und so die von uns allen gewünschte und geforderte Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu
verbessern. Das Land und der Bund unterstützen sie dabei nach Kräften. Die Gemeinden geben für diese Vereinbarkeit einen Haufen Geld aus. Das ist eine gute Investition in unsere Zukunft und in die Zukunft unserer Kinder.
Wir tragen aber auch die Verantwortung gegenüber den Eltern, die es vorziehen, ihre Kinder in den ersten Lebensjahren - das sind in der Regel das zweite und das dritte Jahr - selbst zu betreuen. Wir unterstützen diese Entscheidung, und wir stehen für die echte Wahlfreiheit. Das ist unser Gesellschaftsbild. Wir wollen nicht, dass sich Väter und Mütter dahin gehend rechtfertigen müssen, welches Familienmodell sie für die Erziehung ihrer Kinder wählen wollen. Bei uns gibt es kein staatlich verordnetes Familienmodell.
Liebe Kollegin Rathje-Hoffmann, könnten Sie so freundlich sein, mir zu erklären, wie sich Ihre Wahlfreiheit langfristig auf die Erwerbstätigkeit der Eltern auswirkt, die länger als ein Jahr dem Arbeitsmarkt fortgeblieben sind?
- Ich will nicht den Schluss meiner Rede vorwegnehmen. Warten Sie es nur ab, Frau Dr. Bohn. Sie werden sehen, dass wir hier eine Lösung finden.
Dazu gehört aber auch zuzugeben, dass es bei uns Verständnis dafür gibt, eine Barauszahlung des Betreuungsgeldes kritisch zu sehen. Wir sind der Meinung, dass es beim Betreuungsgeld auf jeden Fall auf die konkrete Ausgestaltung ankommt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass es rechtlich auf sicheren Beinen steht, und wir müssen verhindern, dass es zu möglichen Fehlanreizen durch die Barauszahlung des Betreuungsgeldes kommen kann.
Jedoch sind wir uns in der Koalition im Bund einig, dass es nicht nur darauf ankommt, wo ein Kind betreut wird, sondern dass es genauso wichtig ist, wie ein Kind betreut wird. Wir möchten, dass die betroffenen Eltern entscheiden können. Wir stehen für die Wertschätzung der Familie und für die Viel
falt in der Betreuung unserer Jüngsten. Wir sind nicht für oder gegen berufstätige Mütter und Väter, wir sind nicht für oder gegen Hausfrauen oder Hausmänner. Wir stehen für die Wahlfreiheit, und wir trauen den Eltern grundsätzlich zu, die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Deswegen sind wir gegen Ihren Antrag und lehnen ihn ab. Eines noch: Das Betreuungsgeld ist kein Kind der christlich-liberalen Koalition in Berlin, sondern es ist ein Kind der Großen Koalition in Berlin.
Frau Kollegin, ich wollte fragen, ob es nach Ihrer Auffassung heute keine Wahlfreiheit dahin gehend gibt, ob man arbeitet oder zu Hause bleibt.
- Natürlich gibt es die Wahlfreiheit, aber man muss sehen: Wenn man die Kinder zu Hause erzieht, dann ist es auch nicht schlecht, wenn man ein bisschen für die Rente tut. Dafür ist das Betreuungsgeld sehr gut geeignet.
(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür ist es gut geeignet? - Man arbeitet doch eben nicht! - Wolfgang Baasch [SPD]: Das gibt Armutsrenten! - Weitere Zu- rufe)