Protocol of the Session on December 17, 2009

können, das die Bezirke mehrerer Ausländerbehörden umfasst.

Die kulturellen und sozialen Angebote, aber auch die Angebote des Einzelhandels und des öffentlichen Personennahverkehrs konzentrieren sich in den größeren Städten des Landes Schleswig-Holstein. Deshalb ist eine Aufhebung der räumlichen Beschränkungen für eine integrative Politik erforderlich.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere in den ländlichen Räumen kommt es zwangsläufig immer wieder zu solchen durch die örtlichen Verhältnisse provozierten Verstößen gegen diese Regelung. Eines sollten wir dabei nie vergessen: Es sind Menschen, die dahinterstehen, Frauen, Männer und Kinder. Nur, sie sind nicht deutscher Herkunft. Dennoch sind es Menschen, für die auch Menschenrechte und Menschenwürde gelten. Wer sich in Schleswig-Holstein niederlassen möchte und nicht zufällig aus einem EU-Land kommt, hat es schwer, dort anzukommen, wo er eigentlich hin möchte. Gibt er sich als Asylbewerberin oder als Asylbewerber zu erkennen, fällt er entweder unter die regressive deutsche Auslegung des Asylverfahrensgesetzes, oder er wird auf seine „wirtschaftliche Verwertbarkeit“ hin überprüft und dementsprechend entweder aufgenommen oder zurückgeschickt.

In Anbetracht dessen, was wir täglich vom hohen Gut der Freiheit in der Zeitung lesen, ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass wir die Freiheit eines jeden Menschen, dorthin zu gehen, wohin er möchte, nicht gewähren, obwohl es sich dabei um ein Menschenrecht handelt. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Grünen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den SSW hat nun Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Erfahrungen mit der Residenzpflicht hatten das Innenministerium im letzten Jahr bewogen, über diese gründlich nachzudenken. Die Erfahrungen sind nämlich folgende: erheblicher Verwaltungsaufwand, keine Integration, Isolation der Betroffenen und vor allen Dingen eine Kriminalisierung der Be

troffenen. Das hat die Kollegin von der SPD vorhin auch schon ausgeführt.

Es konnte auch nicht der Beweis erbracht werden, dass die Residenzpflicht und das ihr innewohnende Mobilitätsverbot das Untertauchen eines einzigen ausreisepflichtigen Geduldeten verhindert hat. Der Innenminister weiß um die Nachteile der Durchsetzung der Residenzpflicht und empfiehlt den Ausländerbehörden darum per Erlass, möglichst frühzeitig einen Aufenthaltstitel nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes in Betracht zu ziehen, der volle Bewegungsfreiheit gewährt. Zur grundsätzlichen Ausweitung der Residenzpflicht auf das gesamte Schleswig-Holstein konnte sich der Minister allerdings nicht durchringen. Dann würde der Residenzpflicht nachgekommen, diese gilt dann im gesamten Bundesland. Darauf hatten auch viele gehofft. Damit wurde eine Chance vertan, das kleinteilige und obrigkeitsstaatliche Ausländerrecht zumindest an einer Stelle zu modernisieren.

Ausbildungsplatz- und Arbeitssuche gestalten sich für Geduldete per se sehr schwer.

Oftmals scheitern die Bemühungen schließlich an der Residenzpflicht. Die Kollegin hatte das allen seit Jahrzehnten bekannte Beispiel von Kronshagen und Kiel genommen. Wir haben das Problem, dass Kronshagen zum Teil mitten in Kiel liegt. Wenn man nach Kronshagen möchte oder sich innerhalb des Orts bewegt, dann muss man durch Kiel fahren. Das kann erhebliche Probleme bedeuten. Dies ist sicherlich durch praktische Überlegungen gelöst worden, aber im Prinzip widerspricht das dem, was mit der kleinlichen Residenzpflicht gemeint ist.

Aus diesem Grund können viele Geduldete nicht die sogenannte Altfallregelung in Anspruch nehmen, weil diese einen Arbeitsplatz zur Voraussetzung eines dauerhaften Bleiberechts macht. So wird eine verhängnisvolle wechselseitige Abhängigkeit zulasten der Betroffenen konstruiert: ohne Arbeit kein Aufenthaltsrecht, ohne Aufenthaltsrecht keine Arbeit. In der „Juristen-Zeitung“ wurde beklagt, dass aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen in praxi oft in geradezu verhängnisvoller Weise als schweres Hindernis für das ehrliche Fortkommen des Betroffenen wirken. So nachzulesen im 11. Jahrgang der „Juristen-Zeitung“ von 1906. Damals ging es um den Schuster Voigt, bekannt als Hauptmann von Köpenick, der einen Arbeitsplatz gefunden hatte, aber eben nicht dort, wo er als Haftentlassener zu wohnen hatte. Er wurde deshalb ausgewiesen. So wurde er gezwungen, zu anderen Mitteln zu greifen.

(Ranka Prante)

Meiner Ansicht nach sind wir bis heute scheinbar nicht weitergekommen. Es wäre schön, wenn wir in Schleswig-Holstein die Residenzpflicht endlich dahin gehend ändern könnten, dass die Residenzpflicht für das Land Schleswig-Holstein gilt. Wir setzen uns deshalb für die Aufhebung dieser Pflicht ein. Wir schließen uns dem Antrag an, damit diese Sache an den Ausschuss überwiesen wird.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat sich Frau Abgeordnete Amtsberg gemeldet.

Das sind weite Wege hier. - Ja, Herr Kubicki, ich möchte mich höflich und in aller Form vor allen entschuldigen. Es steht natürlich drin. Ich habe es mir im Übrigen selbst gezeigt. Es steht im Zusammenhang mit der Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ich freue mich darauf, dass das hier im Landtag ankommt, wenn sie fertig geprüft haben, und dass wir das Wort Flüchtling hier öfter hören werden.

Eine Sache noch zu der Frage, ob es für SchleswigHolstein möglich ist. Ich beziehe mich auf einen Paragrafen des Asylverfahrensgesetzes, und zwar auf § 58 Abs. 6. Er besagt, dass das Land Kompetenzen hat, diese Regelung auf das gesamte Landesgebiet auszuweiten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für mich ist weniger die Frage, wer irgendwie benachteiligt wird. Wir haben das so beantwortet, dass wir keine Grenzen und keine Unterschiede wollen; egal zwischen wem. Geduldete Flüchtlinge und im Asylverfahren steckende Menschen sind die eigentliche Intention unseres Antrags.

Ich möchte darauf hinweisen: Es gibt zum Beispiel einen Erlass vom 15. Januar 2008. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass wohngebietsbeschränkende Auflagen für anerkannte Flüchtlinge rechtswidrig sind. In Berlin und Brandenburg überlegt man gemeinsam, diese Auflagen auf zwei Bundesländer auszuweiten. So weit wollte ich heute nicht gehen. Ich dachte, so weit wären wir noch nicht. Vielleicht wäre das eine Idee für Hamburg und Schleswig-Holstein, die ich ganz interessant finde.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Auch darauf komme ich gern zurück. Ich frage, warum wir das nicht früher gemacht haben. Ganz generell finde ich, auch wenn es nicht genau zum Thema passt: Wir sitzen hier jetzt zusammen, und ich bin für dieses Thema zuständig. Ich bin sehr gern dafür zuständig, deshalb liegt das Thema jetzt auf dem Tisch. Das, was früher war, ist mir völlig egal. Wir können das in Zukunft anders machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Für die Landesregierung hat der Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herr Schmalfuß, das Wort. - Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! In der bisherigen Debatte wurde schon sehr deutlich, dass es hinsichtlich der räumlichen Beschränkungen für die genannten drei Personengruppen unterschiedliche gesetzliche und landesinterne Regelungen gibt. Zunächst möchte ich darauf hinweisen und betone dies besonders: Für Flüchtlinge gilt im Bundesgebiet keine räumliche Beschränkung. Ich sage das, damit wir das klargestellt haben.

Ich komme zu den Asyl- und Schutzsuchenden. Diese Personen sind während des Prüfverfahrens im Besitz einer sogenannten Aufenthaltsgestattung. Das bei diesen Personenkreisen anzuwendende Asylverfahrensgesetz sieht mit dieser Aufenthaltsgestattung eine räumliche Beschränkung vor, das heißt, die Bewegungsfreiheit wird auf den Bezirk der Behörde beschränkt, die zuständig ist. Das ist mehrfach gesagt worden. Es ist auch schon gesagt worden: Diese Regelung dient unter anderem der jederzeitigen Erreichbarkeit der Betroffenen und damit auch der Beschleunigung der Verfahren. Das allein aber kann es sicherlich nicht sein.

Es sind deshalb bei der räumlichen Beschränkung im Asylverfahren sowohl individuelle als auch allgemeine Ausnahmen möglich. Diese werden täglich praktiziert. Die schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden sind bereits seit vielen Jahren durch Erlass dazu angehalten, ihr Ermessen grundsätzlich zugunsten der Asyl- und Schutzsuchenden auszuü

(Silke Hinrichsen)

ben. Das gilt beispielsweise dann, wenn Betroffene bei der Unterbringung in der Nähe einer Kreisgrenze Bezüge zu Einkaufsmöglichkeiten und anderen Angeboten und Einrichtungen haben, die jenseits des zugewiesenen Kreises liegen. Das Beispiel Kiel, Kronshagen wurde genannt. Diese Ausnahmen sollen ermöglicht werden, und sie werden auch ermöglicht. Das heißt, Einkaufen und Sport sind in der Praxis berücksichtigt. Eine darüber hinaus gehende Möglichkeit, die räumliche Beschränkung von Asyl- und Schutzsuchenden auf ein gesamtes Bundesland auszudehnen, sieht das Asylverfahrensgesetz, das geltendes Bundesrecht ist, derzeit nicht vor.

Ich komme zu der dritten Fallgruppe, die Sie angesprochen haben. Dabei geht es um die Duldung. Eine Duldung wird vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern erteilt, wenn diese ihrer Ausreiseverpflichtung nicht folgen können oder bewusst nicht folgen und wenn ihre Abschiebung aus diesem Grund oder aus anderen Gründen jeweils nicht möglich ist. Nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes ist der Aufenthalt vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer auf das Gebiet des Landes beschränkt. Weitere Bedingungen und Auflagen können allerdings angeordnet werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich machen, dass es für die Ausländerbehörden im Fall vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländerinnen und Ausländer in erster Linie gilt, die Ausreisepflicht auch durchzusetzen. § 58 des zitierten Aufenthaltsgesetzes regelt hierzu sehr eindeutig, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer abzuschieben ist, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar und deren freiwillige Erfüllung nicht gesichert ist.

Natürlich ist mir bewusst, dass dies in einer Vielzahl von Fällen aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. Für diese Fälle gilt es in der Diskussion um die Ausdehnung der räumlichen Beschränkung, die folgenden Aspekte zu berücksichtigen: Den weitaus größten Anteil an der Zahl geduldeter Ausländerinnen und Ausländer bilden ehemalige Asylund Schutzsuchende, deren Anträge nach Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolglos geblieben sind. Für diesen Personenkreis gilt nach dem Asylverfahrensgesetz, dass räumliche Beschränkungen auch nach Abschluss des Verfahrens fortgelten, bis sie aufgehoben werden. Dennoch sind die Ausländerbehörden mit Erlass des Innenministeriums - er ist hier heute schon einige Male zitiert worden - angehalten worden, Duldun

gen räumlich auf das gesamte Land SchleswigHolsteins zu erstrecken, sofern - und das ist die Einschränkung - die Betroffenen ihr Ausreisehindernis nicht selbst zu vertreten haben.

Ich finde, das ist eine angemessene Regelung. Für eine Anwendung der erweiterten räumlichen Beschränkungen auch auf den Personenkreis, der seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt und ein bestehendes Hinternis selbst zu vertreten hat, ist dieser Bedarf nicht ersichtlich. In diesen Fällen gilt vielmehr, dass die Verpflichtung zur Ausreise mit den rechtlich angemessenen Mitteln durchzusetzen ist.

Zusammengefasst stelle ich fest: Erstens. Es bestehen für Flüchtlinge keinerlei räumliche Beschränkungen. Zweitens. Die Ausdehnung der räumlichen Beschränkung auf das gesamte Bundesland für Asyl- und Schutzsuchende ist rechtlich zurzeit nicht möglich. Drittens. In den Fällen geduldeter Ausländerinnen und Ausländer können räumliche Beschränkungen auf das gesamte Bundesland ausgeweitet werden. Diese Möglichkeit ist in SchleswigHolstein bereits in einem hohen Maß für die Betroffenen umgesetzt worden. Zum Abschluss möchte ich hinzufügen und darauf hinweisen, dass ich die Initiative, über die wir heute sprechen, vom Grundsatz begrüße. Als zuständiger Minister für Integration liegt es mir sehr am Herzen, in einem sehr positiven Gespräch zu bleiben und alle Gedanken, die dazu dienen, den Menschen bei der Integration zu helfen, zu fördern.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Midyatli?

Ja.

Herr Minister Schmalfuß, Sie haben eben gesagt, dass viele Ausländerbehörden ohnehin großzügiger mit den Genehmigungen verfahren und dass es anscheinend keine Probleme bereitet, für den täglichen Bedarf einzukaufen und andere Dinge zu erledigen. Dann kann man die Residenzpflicht für das Land Schleswig-Holstein doch auch aufheben.

(Beifall bei der LINKEN)

(Minister Emil Schmalfuß)

Warum hält man daran fest, wenn es ohnehin nicht praktiziert wird? Ich möchte an unsere gestrige Debatte über das Kennzeichenscanning erinnern, in der ich dahingehend korrigiert wurde, dass man etwas, was man ohnehin nicht einhält, auch abschaffen kann.

(Unruhe)

Die Frage richtete sich an Herrn Minister Schmalfuß, meine Damen und Herren!

Ich wehre mich schon, keine Sorge.

(Zuruf von der SPD)

- Ich habe es auch nicht so aufgefasst.

Wie Sie wissen, bin ich noch nicht sehr lange für dieses Haus zuständig. Ich habe die Erlasslage gesehen, und mir ist berichtet worden, die Praxis sei entsprechend. Ich stehe auf Ihrer Seite, wenn Sie sagen, Verbesserungsmöglichkeiten sollten ausgeschöpft werden, um die Integration zu verbessern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)