Protocol of the Session on October 5, 2011

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wichtigste Voraussetzung für kommunale

(Minister Klaus Schlie)

Gestaltungsmöglichkeit ist finanzielle Handlungsmöglichkeit. Die Fehlbeträge unserer Kommunen in Schleswig-Holstein belaufen sich jedoch im Jahr 2009 auf insgesamt circa 720 Millionen €.

Der Innenminister hat in seinem Redebeitrag schon einiges zu den Zahlen gesagt. Ich will das hier nicht wiederholen.

Diese sehr hohe Summe ist erschreckend. Aber viel wichtiger noch ist die Verteilung dieser Summe. Die größten Schuldenprobleme konzentrieren sich in den vier kreisfreien Städten, in sieben von elf Kreisen sowie in sieben weiteren Kommunen.

Genau hier setzt der Gesetzentwurf der Landesregierung an. Die Umsetzung wird dem Land und der kommunalen Familie viel abverlangen. Das Land wird eigene Mittel in Höhe von 15 Millionen € zur Verfügung stellen. Weitere 15 Millionen € kommen aus dem kommunalen Anteil an der Grunderwerbsteuererhöhung. Weitere 15 Millionen € gehen zulasten der Schlüsselzuweisungen. Das sind mit den bisherigen bestehen Mitteln aus dem Bedarfsfonds von 50 Millionen € insgesamt 95 Millionen €. 5 Millionen € davon wiederum stehen für Defizite anderer kreisangehöriger Gemeinden als Sonderbedarfzuweisungen zur Verfügung. Das heißt, 90 Millionen € bleiben für die Schuldenhilfe in den Kommunen.

Der größte Teil dieser Finanzierung - der Minister hat bereits darauf hingewiesen - wird durch die Kommunen selbst aufgebracht werden müssen. Das bedeutet, die gesamte kommunale Familie wird hier in einem solidarischen Kraftakt helfen. Das verlangt großen Respekt, und dieser Respekt kann nur dadurch gezeigt werden, dass die Empfänger dieser Konsolidierungshilfe deutliche Anstrengungen unternehmen, um ihre Defizite dann auch zu verringern.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Sie werden ihren Respekt auch dadurch zeigen müssen, dass sie sich vertraglich dazu verpflichten. Ich meine, das ist wirklich nicht zu viel verlangt, sondern muss eine Bedingung für die Teilnahme an diesem Konsolidierungspaket sein. Im Übrigen haben wir das als Land Schleswig-Holstein gegenüber dem Bund schließlich auch getan.

Es darf nicht sein, dass Kommunen, die große Anstrengungen unternehmen oder in den letzten Jahren unternommen haben, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen, auch in Zukunft die Lasten für die

mittragen, die diese Anstrengung von vornherein ablehnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn ich mir nun die Bemerkungen von Kiels Oberbürgermeister, Herrn Albig, anhöre, der schon jetzt pauschal Bedingungen für diese Mittelzuweisungen ablehnt und stattdessen einfach nur mehr Geld fordert,

(Beifall bei der LINKEN)

dann zeigt mir das sehr deutlich, dass die Schuldenhilfe unbedingt an individuelle vertragliche Bindungen und klare Eigenanstrengungen gebunden werden muss.

Herr Schippels, auch die Einlassungen der Fraktion DIE LINKE, die gar von Erpressung redet, beweisen, dass auch Sie von nachhaltiger Haushaltsführung keine Ahnung haben.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Abge- ordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

- Herr Schippels, es reicht doch einfach nicht, dass man immer nur mehr Geld in das System schiebt, ohne dann auch zu verlangen, dass strukturelle Änderungen herbeigeführt werden.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Wo haben wir Geld hingeschoben?)

Sie werden die Defizite nicht verringern können, wenn Sie nicht an die strukturellen Ausgaben herangehen. Das ist das kleine Einmaleins der Haushaltsführung.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist die Aktion „rostiger Zügel“, was Sie da machen!)

- Herr Dr. Stegner, ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal mit Ihren Kollegen in Nordrhein-Westfalen zu unterhalten, die nämlich eine ähnliche Schuldenhilfe für ihre Kommunen verabschiedet haben. Die Zügel, die dort angelegt werden, sind erheblich restrikriver als die, die hier auch nur im Ansatz geplant sind.

Das einzige, was ich von der Opposition immer höre, ist: Die 120 Millionen € müssen wieder zurück ins FAG. Was ich allerdings nie höre, ist die Antwort auf die Frage: Woher sollen die eigentlich kommen? Wem wollen Sie denn diese 120 Millionen € wegnehmen, und wie wollen Sie das erklären? Das ist einfach eine reine Luftbuchung, die Sie vornehmen. Sie haben es ja heute mit der Luft, heute Morgen auch schon. Das ist genauso. Irgendwo scheinen Sie einen Geldesel zu haben, den aber außer Ihnen keiner kennt.

(Astrid Damerow)

Für unsere Fraktion kann es deshalb nur heißen: Schuldenhilfe für diese Kommunen ja - in letzter Konsequenz wird dies auch allen Kommunen helfen -, aber - das ist unausweichlich - nur mit klaren Bedingungen und Zielvorgaben, die im Übrigen auch der Gemeindetag zu Recht fordert.

Wir beantragen Ausschussüberweisung der Gesetzesvorlage, und zwar federführend in den Innenund Rechtsausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss. Ich bin schon sehr gespannt auf die Diskussionen, die wir dort haben werden, und auf die Meinungen, die wir dazu von den kommunalen Landesverbänden sicherlich noch hören werden. Die weichen im Übrigen jetzt weit von den Ihrigen ab.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Redezeit des Ministers ist um 38 Sekunden überschritten worden. Diese Zeit steht selbstverständlich allen Fraktionen zur Verfügung. Ich erteile nun dem Herrn Abgeordneten Dr. Kai Dolgner von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Kommunen in Schleswig-Holstein geht es schlecht. Bei einigen ist der Karren sprichwörtlich im Dreck, und die kommunalen Zugpferde bemühen sich vergebens. Da kommt dann zur Rettung als strahlender Held unser Innenminister angeritten

(Zuruf)

- das kann das Problem sein - und bietet sein 95-Millionen-€-starkes Zugpferd als Konsolidierungshilfe an. Gleichzeitig hat er die goldenen Zügel dabei, damit die widerspenstigen kommunalen Pferde auch in die richtige Richtung gezerrt werden können. Der Jubel beim Publikum ist zunächst wie auch hier - groß. Nur einige, scheinbar die üblichen notorischen Nörgler, wollen nicht so recht mitjubeln. Ihnen kommt das Pferd nämlich merkwürdig bekannt vor.

(Zuruf von der SPD: Maultier!)

Zu Hause angekommen, bestätigt sich dann ihr Verdacht. Der ach so holde Ritter hat das Pferd aus ihrem eigenen Stall entwendet,

(Heiterkeit bei der SPD)

umgefärbt und als sein eigenes ausgegeben. Von den besagten 95 Millionen € sind 80 Millionen €, also mehr als fünf Sechstel, kommunales Geld.

(Zuruf)

- Das hat er in der ursprünglichen Pressekonferenz aber nicht so laut gesagt.

Für sein Sechstel möchte der Innenminister nun weitgehend Rechte eingeräumt bekommen, um in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen zu können, ohne sich selbst - auf der anderen Seite des Vertrags - festlegen zu müssen. So finden sich in Artikel 1 Nr. 5 zu § 16 a nur Kann-Bestimmungen. Wenn die Kommune alle in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Bedingungen erfüllt, also den Vertrag unterschreibt und so weiter - das kann jeder selber nachlesen -, dann können die Konsolidierungshilfen gewährt werden, müssen aber nicht. Dieses Hintertürchen lässt sich der Herr Minister offen.

Verwundert haben wir auch zur Kenntnis genommen, dass die Betroffenen noch einmal all ihre Konsolidierungsbemühungen aus der Vergangenheit darstellen sollen. Da wir so gern Vergangenheitsbetrachtungen machen: Herr Minister Schlie, Sie als Innenminister müssten doch eigentlich wissen, dass die Konsolidierungsmaßnahmen bei den Anträgen auf Haushaltsgenehmigung Jahr für Jahr für Jahr neu dargestellt und von Ihnen bewertet werden. Es gibt Schreiben zurück. Warum sollen Ihnen die Kommunen das jetzt bitte noch einmal alles aufschreiben? Ersparen Sie als ehemaliger Entbürokratisierungs-Staatssekretär uns wenigstens diese Bürokratie, und fragen Sie in Ihrem eigenen Haus nach!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unbestimmtheiten ziehen sich durch den ganzen Antrag. Was, bitte schön, sind denn „strukturelle Besonderheiten“? - Ich habe die Definition nicht so richtig gefunden.

Ich weiß, einige Gemeindevertreter in finanziell gut dastehenden Kommunen tun gern so, als sei es ausschließlich ihr Verdienst, dass ihre Kommune gut dasteht, und die anderen, in den schlechter dastehenden Kommunen, seien einfach nur zu dumm zum Haushalten oder könnten nicht mit Geld umgehen. Aber ist das wirklich so? Ist das wirklich die Ursache?

In meiner Heimat liegen zwei benachbarte Städte, Büdelsdorf und Rendsburg.

(Astrid Damerow)

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

- Sie können gern eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Kalinka, wenn Sie etwas wissen wollen.

Die Stadt Büdelsdorf hat ein Pro-Kopf-Guthaben von 1.200 € pro Einwohner, die Stadt Rendsburg hat eine Pro-Kopf-Verschuldung von 10.000 €. Ich kann Ihnen versichern, dass die Hauptursache nicht in der unterschiedlichen Qualität der Ratsarbeit dieser beiden benachbarten Städte liegt.

(Werner Kalinka [CDU]: Ich wollte fragen, ob es Unterschiede gibt!)

Übrigens, in beiden Städten stellt die SPD die größte Fraktion. Daran kann es wohl auch nicht liegen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Dr. Chri- stian von Boetticher [CDU]: Wie viel hat Norderstedt?)

Wenn man eine allgemeine Erklärung macht, muss man schon mal gucken, welche Faktoren sonst Ursache sein könnten.

Nach der Hauptursache muss man übrigens nicht lange suchen. Während Rendsburg 15 % seiner Einnahmen für soziale Leistungen aufwenden muss, sind es in Büdelsdorf nur 1 %. Direkte Nachbarschaft! Die Defizite sind also nicht die Ursache, wie eben dargestellt worden ist, sondern die Folge.