Protocol of the Session on May 26, 2011

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich komme zum Schluss. Europa ist unsere Vision gewesen, und sie ist es noch. Unsere Vision ist ein friedliches Europa der guten Nachbarn, der Offenheit, der Demokratie und der Toleranz. Rechtspopulistische Parteien wie die Dänische Volkspartei, die sogenannten Wahren Finnen, Parteien wie Ungarns Neo-Pfeilkreuzer oder Wilders in Belgien zerstören diese Vision. Lassen wir uns diese Politik nicht aufdrängen! Warnen wir vor diesen Ideen! Ich glaube, das muss man als überzeugter Demokrat und als überzeugter Europäer tun. Der Antrag ist dazu ein Anfang.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Kirstin Funke das Wort.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ist der Fraktions- vorsitzende schon in Dänemark?)

Herr Stegner, darüber kann ich nicht lachen, dazu nur so viel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich eigentlich, dass wir hier und heute stehen und einen gemeinsamen Antrag über die Fraktionsgrenzen hinweg schaffen konnten. Ich freue mich darüber, wie wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag mit dem Thema der ab 2013 von Dänemark geplanten Einführung von Grenzkontrollen umgehen und gemeinsam einen Appell an Dänemark richten, diesen Beschluss wieder zurückzunehmen.

Europa ist ein Raum von Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Diese drei Bereiche haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit dem Schengener Abkommen hart erarbeitet und geschaffen. Kinder und Jugendliche wachsen heute ganz selbstverständlich mit der geschaffenen Freiheit, der Mobilität über Staatsgrenzen hinweg, auf. Dies ist eine Erfahrung und eine Errungenschaft, die von immenser Bedeutung für ein Zusammenwachsen der Regionen ist. Ein starkes Europa kann nur dann existieren, wenn es eine Gemeinschaft wird, die nicht im nationalstaatlichen Denken verharrt.

Europa ist auch ein Raum der Sicherheit. So wurde durch Fortschreibung des ursprünglichen Schengener Abkommens ein Weg der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gefunden. Auch wenn

(Rolf Fischer)

die Regionen weiter zusammenwachsen, so wird die EU trotz allem auch immer mit einer gewissen übergreifenden Kriminalität konfrontiert sein. Dieses wurde von der EU erkannt und durch gezielte Maßnahmen im Hinterland geregelt.

Der Europaausschuss besuchte vor nicht langer Zeit das Gemeinschaftsbüro der Bundes- und Landespolizei und des Zolls in Padborg. Dort findet nicht nur über Behördengrenzen hinweg, sondern auch mit den Kollegen aus Dänemark eine gute vernetzte Zusammenarbeit statt. Ebenfalls bestehen auch dort gute Kontakte zu anderen Dienststellen der anderen EU-Mitgliedsländer, um die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Durch eine gute Vernetzung, durch ganz gezielte Aktionen und Kontrollen im Hinterland erreicht man mehr als durch ständige Personenkontrollen an den Grenzübergängen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ständige Personenkontrollen an den Grenzübergängen geben ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Doch bereits jetzt ist für größtmögliche Sicherheit der Bevölkerung gesorgt. Mit der Angst der Bevölkerung zu spielen, ist immer zweischneidig. Leicht wird der Ruf nach mehr Sicherheit an den Grenzen zu einem Signal, das die gesamte europäische Gemeinschaft und deren Ziele infrage stellt. Es sollte auch für jeden von uns eine Warnung und Mahnung sein, dass wir im Ringen um Kompromisse und Mehrheiten nicht so weit gehen sollten, um Größeres zu gefährden.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken: Auch Herr Stegner verlässt zurzeit den Raum bei diesem so wichtigen Thema.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist gar nicht wahr!)

Dass sich die EU Gedanken machen muss - sehr schön, wenn Sie hierbleiben -, wie sie zukünftig ihre Flüchtlingspolitik gestaltet und mit Nicht-EUStaaten auf den unterschiedlichsten Ebenen in dieser Hinsicht zusammenarbeitet, steht außer Zweifel. Wir haben bereits heute schon darüber debattiert. Das wird der Weg sein, um verantwortungsvoll mit dem Thema Sicherheit umzugehen.

Auch wenn sich Dänemark derzeit im Wahlkampf befindet und mit anderen Mehrheitsverhältnissen nach der Wahl die Entscheidung vielleicht zurückgenommen wird, so kann das keine Lösung im Umgang miteinander sein. Deswegen appellieren wir als FDP-Fraktion an Dänemark, den Beschluss bereits vor der Wahl im Herbst zurückzunehmen.

Herr Fischer, ich möchte Sie noch kurz ansprechen. Der Bundesaußenminister hat genauso an die Regierung Dänemarks appelliert, wie wir das heute tun. Er hat sich ganz entschieden gegen diese Maßnahmen gestellt und diese auch verurteilt. Ich bitte Sie, dieses hier noch einmal klarzustellen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Beschluss, zwischen Deutschland und Dänemark die Schlagbäume wieder zu errichten, rüttelt die dänische Regierung an den Grundpfeilern der Europäischen Union: die Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Offene Grenzen und die Vielfalt der europäischen Regionen und Kulturen sind die Basis der europäischen Integration. Ohne sie gibt es keine erfolgreiche Entwicklung, auch nicht in der nordeuropäischen Wirtschafts- und Wissensregion.

Der Schutz vor zunehmender Kriminalität ist dabei nur eine vorgeschobene Begründung. Sie haben durch Schengen und eine ganze Reihe von weiteren Kooperationsverträgen in dem Bereich eine gute Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden über die Grenze hinaus. Wir haben es bei dem Besuch des Europaausschusses sehr deutlich dargestellt bekommen. Diese polizeiliche Zusammenarbeit kann unsere Sicherheit und den Schutz vor Kriminalität viel besser garantieren als eine Rolle rückwärts in die alten Zeiten.

Leider ist Dänemark nicht das einzige Land in Europa mit fremdenfeindlichen Mehrheitsbeschaffern in der Regierung. Auch in den Niederlanden, in Finnland und in Italien haben wir ähnliche Konstellationen. In Schweden, Ungarn, Österreich und auch Norwegen sind die Rechtsnationalen in einer starken Opposition. In Frankreich erzielt die Front National zurzeit erschreckende 23 % bei den Umfragen. Das Erstarken der Ultrarechten ist mit Sicherheit auch ein Grund dafür, warum Frankreich und Italien bei der EU beantragt haben, nationale Grenzkontrollen wieder einzuführen.

Viele Menschen genießen heute wie selbstverständlich alle Vorteile der europäischen Integration,

(Kirstin Funke)

ohne sich bewusst zu machen, wie stark Wohlstand und Sicherheit vom Erfolg dieses Prozesses wirklich abhängig sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegt auch an uns als Abgeordnete, dauerhaft zu vermitteln, wie wichtig ein vereintes und solidarisches Europa für uns alle ist. Sich hinzustellen und alles, was negativ ist in Europa, ins ferne Brüssel zu schieben, das war gestern. So ist es auch gefährlich, wenn sich Frau Merkel hinstellt, wie jetzt in Meschede, und sagt, wir Deutschen seien so fleißig und tüchtig, und uns suggeriert, wir müssten für die Renten und den Urlaub der Menschen in halb Europa aufkommen. Das ist eine grobe Verzerrung der Verhältnisse.

Wir haben, um die defizitären Strukturen in Griechenland wissend, jahrzehntelang gut von den Exporten und dem Handel mit Griechenland gelebt. Wer immer nur sagt, was uns Europa alles kostet, ohne zu sagen, was wir dafür bekommen, arbeitet den Europaskeptikern und -skeptikerinnen in die Hände. Bei allem Verständnis für Diplomatie: Ich kann auch nicht die verständnisvollen Äußerungen des Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche in Dänemark zu den neuen Schlagbäumen an der Grenze nachvollziehen.

Der Prozess der europäischen Integration ist ein ständiger Prozess, bei dem Stillstand gleichbedeutend ist mit Rückschritt. Es reicht nicht aus, sich zurückzulehnen und sich darüber zu freuen, was in der Vergangenheit alles erreicht wurde. Denn dann besteht die Gefahr, dass Europa zerbröselt.

An dieser Stelle habe ich den Europaabgeordneten Elmar Brok von der CDU zitiert:

„Europa steht vor großen Herausforderungen: eine Finanzkrise mit einer gemeinsamen Währung aber ohne eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, Flüchtlingsproblematik in Nordafrika und andere Migrationsbewegungen, die Notwendigkeit des Umbaus der Energieversorgung. Wir können uns dabei nicht leisten, nationalen Egoismen nachzugeben. Mit nationalen Alleingängen wird Europa seine Probleme überhaupt nicht lösen können und die Länder für sich allein auch nicht.“

Um die Euratomdebatte aufzugreifen, müssen wir hier ein bisschen etwas auseinanderhalten. Europa heißt nicht gleichschalten, sondern Europa ist schon so zu verstehen, dass Länder, das Regionen vorangehen, technischen Fortschritt einbringen, erneuer

bare Energien einbringen, höhere Standards setzen, zum Beispiel den Verbraucherschutz. Sonst wird Europa nicht vorankommen können. Wir müssen das an dieser Stelle wirklich auseinanderhalten und Europa nicht für ein Gleichschalten stehen lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich hoffe, dass es uns gemeinsam - ich betone, auch mit Dänemark - gelingt, diese Grenzkontrollen, die vorgesehen sind, wieder rückgängig zu machen, offene Grenzen zwischen Deutschland und Dänemark aufrechtzuerhalten. Damit wäre allen gedient. Ich denke, die Debatte, die wir heute haben, und auch der gemeinsame Antrag sind eine wichtige Grundlage dafür, dass uns das gelingen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE hat der Herr Abgeordnete Jezewski das Wort.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich das Wort „Grenzkontrollen“ höre, fühle ich mich als Bewohner der deutsch-dänischen Grenzregion im ersten Moment in die Vergangenheit zurückversetzt. 10 Minuten Wartezeit bei der Einreise nach Dänemark, 10 Minuten, um sonntagmorgens Brötchen zu kaufen, 10 Minuten Wartezeit bei der Ausreise - das war in den 70er-Jahren so üblich. Im Sommer konnte samstags oder sonntags aus den 10 Minuten gern auch einmal eine Stunde werden.

Wollen die Dänen das jetzt wieder einführen? Denn die Wartezeiten galten ja nicht nur für den, der von Deutschland nach Dänemark wollte, sondern auch für den, der die Reise in die andere Richtung antrat. Wollen die das wirklich den Tausenden antun, die mittlerweile in Deutschland leben und in Dänemark arbeiten oder umgekehrt?

Wir alle wissen, auf wessen Initiative oder - besser gesagt - auf wessen Erpressungsversuch dieser Plan zurückgeht. Der Kollege Fischer hat dankenswerterweise sehr viel dazu ausgeführt, das ich Wort für Wort unterschreiben kann; deswegen kann ich mich hier kurzfassen. Kriminelle und Flüchtlinge wolle man von der Einreise nach Dänemark abhalten, sagt die Dänische Volkspartei. Belege für die massenhafte Einreise von Kriminellen in das kleine Königreich ist die rechtspopulistische Partei aber bisher schuldig geblieben, und die Zahlen der in Däne

(Bernd Voß)

mark gelandeten Flüchtlinge sinkt seit vielen Jahren merklich, genau wie in Deutschland; das belegen die amtlichen Statistiken.

(Unruhe)

Um einmal klarzustellen, wes Geistes Kind die Dänische Volkspartei ist und was hinter diesen Plänen steckt, möchte ich mit Genehmigung der Frau Präsidentin den dänischen Historiker und HolocaustExperten Therkel Stræde von der Universität von Süddänemark zitieren, der 2007 wörtlich sagte:

„Die Mitglieder der Dansk Folkeparti sind keine Nazis. Aber durch ihren extrem fremdenfeindlichen Nationalismus ist die Partei mit dem Nazismus verwandt.“

Trotzdem haben andere Parteien in Dänemark die Forderung der Dänischen Volkspartei akzeptiert, jetzt arbeitet man wohl daran, diese Forderung umzusetzen. Trotzdem tun wir meines Erachtens gut daran, ob dieser Abschottungstendenzen nicht in Panik zu geraten und so zu reagieren, wie es sich unter guten Nachbarn gehört, mit sachlichen Gesprächen, in denen wir den Dänen erklären, was die Umsetzung der Pläne nicht nur für uns, sondern auch für sie bedeuten würde. Der Ministerpräsident hat bereits damit angefangen. Auch wenn auch ich mir gewünscht hätte, dass er deutlichere Worte findet, bin ich doch sicher, dass sich diese Gespräche auf vielen Ebenen und zwischen vielen Partnern fortsetzen werden. Wir sollten unseren dänischen Partnern und Freunden aber auch klarmachen, dass der europäische Gedanke für uns keine Phrase für Sonntagsreden ist. Der Wiederaufbau der Grenze zwischen Deutschland und Dänemark würde die in vielen Jahren harmonisch gewachsene, gute Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern empfindlich und vor allem nachhaltig belasten.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Entwicklung würde nicht nur die deutsche Grenzregion empfindlich treffen, sondern auch die dänische. Ich weiß, dass in diesem Hause und vermutlich in ganz Schleswig-Holstein niemand die dänischen Pläne für gut und richtig hält, auf jeden Fall niemand, der politisch ernst genommen werden könnte. Ich bin guter Hoffnung, dass die in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Strukturen zwischen unseren beiden Ländern die Umsetzung dieser Pläne noch verhindern werden. Bei allen politischen Unterschieden zwischen den Parteien in diesem Parlament vertraut DIE LINKE den Entscheidungsträgern aller Parteien, dass sie das ihnen Mögliche unternehmen werden, um die Umsetzung dieser Pläne zu verhindern.