Protocol of the Session on March 25, 2011

Schleswig-Holstein hat dann aber gemeinsam mit den Bundesländern Niedersachsen und BadenWürttemberg versucht, diesen Antrag Bayerns zu verunreinigen. Die völlige Reinheit von Saatgut sollte nicht mehr gelten. Die Antragsteller standen mit diesem Antrag aber allein. Ich denke, das macht

deutlich, wie rückwärtsgewandt die Landesregierung in ihrer Agrarpolitik ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Kein weiteres Land hat dem zugestimmt, und das ist auch gut so. Dies macht aber deutlich, wohin diese Landesregierung beim Einsatz der grünen Gentechnik immer wieder schielt. Das wird auch deutlich, wenn sie zum Beispiel versucht, den Passus im Waldgesetz zu streichen, dem zufolge Gentechnik nicht in den Wald gehört. Die Landesregierung versucht, wo es nur geht, den Weg für Gentechnik in Feld, Wald und Flur freizumachen. Dem werden wir uns weiterhin massiv entgegenstellen. Schleswig-Holstein braucht den Weg weiterer Gentechnikfreiheit und des gentechnikfreien Anbaus auf den Feldern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Heiner Rickers das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Voß, es geht wieder einmal um GVO. Nach wie vor dürfen in Deutschland keine GVO angeboten werden, mit Ausnahme der Kartoffel „Amflora“ in Mecklenburg-Vorpommern. Insofern muss das Saatgut nachweislich frei von GVO-Spuren sein. Darüber sind wir uns alle einig.

(Beifall bei der CDU)

Einen Schwellenwert für zufällige, technisch unvermeidbare GVO-Einträge, wie bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln, gibt es bei Saatgut jedoch nicht. In den vergangenen Jahren haben daher positive GVO-Nachweise bundesweit immer wieder zur Sperrung von Saatgutportionen und zum Umpflügen von Feldern geführt, da verunreinigtes Saatgut bereits ausgesät worden war. Uns sind die Fälle, nicht nur in Schleswig-Holstein, bekannt. Sie haben für Niedersachsen genügend Beispiele benannt.

Die damit verbundenen Schäden führten zu Rechtsstreitigkeiten sowohl zwischen Landwirten und Saatzuchtunternehmen als auch zwischen Saatzuchtunternehmen und Untersuchungsbehörden.

(Bernd Voß)

Denn bei den heutigen Nachweisverfahren sind keine zuverlässigen, aussagekräftigen Ergebnisse möglich, wenn die Verunreinigung unter 0,1 % liegt. Das ist ein statistisches Problem. Wiederholt konnten daher GVO-positive Nachweise bei Zweituntersuchungen nicht bestätigt werden.

Landwirte, die unbewusst verunreinigtes Saatgut bezogen und auch ausgesät haben, haben Anspruch auf schnellstmögliche Entschädigung. Darüber, wie diese Entschädigung vonstatten gehen soll, sind wir uns politisch alle einig, und wir stehen hier auch in der Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP] und Ranka Prante [DIE LINKE])

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine einheitlichen rechtsverbindlichen Regeln zu labortechnischen Untersuchungen von GVO-Verunreinigungen von Saatgut. Aus diesem Grund haben bei der Agrarministerkonferenz am 8. Oktober 2010 in Lübeck alle Bundesländer mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen die Bitte an die Bundesregierung gerichtet, eine für Wirtschaft und Überwachung praktikable Anwendung der Nulltoleranz zu ermöglichen. Daraufhin haben die Länder BadenWürttemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein folgenden Antrag in den Agrar- und Verbraucherausschuss des Bundesrats eingebracht - ich zitiere -:

„Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Wege der Ausgestaltung einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift, eine für alle Wirtschaftsbeteiligten praktikable technische Lösung für die Nulltoleranz bei Saatgut baldmöglichst zu definieren. Hierfür sollen Probenahme und Nachweisverfahren anhand von wissenschaftlichen und statistischen Protokollen mit hoher Zuverlässigkeit sowie Maßgaben für die Ergebnisinterpretation definiert werden.“

In dem zuständigen Ausschuss des Bundesrats ist dieser Antrag von der Mehrheit der Länder angenommen worden. In diesem Antrag fordert, anders als behauptet, niemand einen Grenz- oder Toleranzwert, sondern es geht um eine definierte Nulltoleranz. Es geht darum, zuverlässige, rechtssichere und rechtsverbindliche Labormethoden festzulegen und bundeseinheitliche Standards sowohl für die Beprobung als auch für die Untersuchung und Bewertung der Ergebnisse zu schaffen.

Die Gerichte haben in der Vergangenheit bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit verun

reinigtem Saatgut immer wieder insbesondere die Untersuchungsmethoden hinterfragt. Es muss ein verlässliches Verfahren entwickelt werden, bei dem das Ergebnis der Stichprobe - das hat die Ministerin gesagt - mit dem wahren Wert der Saatgutcharge übereinstimmt. Wenn ein GVO-Samenkorn bei einer Beprobung statistisch sicher nachgewiesen wird, darf natürlich dieses Saatgut nicht in Verkehr gebracht werden.

Das würde in Zukunft Sicherheit für Saatgutproduzenten, Landwirte und Behörden schaffen. Deshalb bin ich - das muss ich hier sagen - wenig erfreut darüber, dass der Antrag, aus welchen Gründen auch immer - Sie, Herr Voß, meinen, die Gründe dafür erkannt zu haben -, am 18. März im Bundesrat mehrheitlich abgelehnt wurde. Ich bin überzeugt davon, dass mit der Ablehnung im Bundesrat die Problematik noch nicht ausgestanden ist, weil sie immer noch nicht sachgerecht gelöst wurde.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lothar Hay das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist das denn? Ist er genpolitischer Sprecher der SPD?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kubicki, ich freue mich, dass Sie sich mit etwas Neuem beschäftigen müssen. Es ist das erste Mal in meiner parlamentarischen Zeit, dass ich mich hier im Plenum mit einem gescheiterten Bundesratsantrag beschäftigen muss.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich stelle fest: Erstens freue ich mich, dass die Initiative Schleswig-Holsteins gescheitert ist. Zweitens freue ich mich, dass zumindest das durchgesetzt worden ist, was Bayern beantragt hat, dass nämlich in Zukunft, wenn verunreinigtes Saatgut ausgebracht worden ist, Hersteller und Vertreiber schadenersatzpflichtig sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wenn man sich mit der Initiative Schleswig-Holsteins beschäftigt, so ist man auf den ersten Blick geneigt, sie harmlos zu finden, weil über eine allgemeine Verwaltungsvorschrift möglichst bald eine für alle Wirtschaftsbeteiligten praktikable techni

(Heiner Rickers)

sche Lösung für die Nulltoleranz bei Saatgut geschaffen werden soll. Das hört sich toll an. Nur, bei technischen Lösungen werde ich immer hellhörig, weil ich in verschiedenen Bereichen meine Erfahrungen damit gemacht habe, was geschieht, wenn Techniker etwas vorschlagen. Was auf den ersten Blick harmlos erscheint, stellt aus Sicht der SPDFraktion die Koexistenz zwischen gentechnikfreier Erzeugung und Anwendung der Agrotechnik grundsätzlich infrage und bedeutet das Ende der gentechnikfreien Landwirtschaft.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Die technische Lösung bedeutet den Abschied von der Saatgutreinheit. Das ist mit der SPD in Schleswig-Holstein nicht zu machen.

Ich will mich kurzfassen, weil Herr Kollege Voß schon vieles vorweggenommen hat, was ich mit anderen Worten auch gesagt hätte.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das hören wir trotz- dem gern!)

Die grüne Gentechnik hat keine Vorteile, sie liegt nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher in Schleswig-Holstein und in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist ein Irrweg, und sie bringt die Landwirtschaft in die Abhängigkeit von den Saat-Multis, ob sie nun Monsanto oder anders heißen. Das ist mit der SPD nicht zu machen. Wir wollen, dass es beim Saatgut bei der Nulltoleranzlinie bleibt. Insofern freue ich mich, dass die Bundesratsinitiative gescheitert ist, und bedanke mich für die kurzfristige Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihren Bericht.

Eines möchte ich vorweg sagen: Ganz gleich, wie ein Bauer oder jeder von uns zu genveränderten Organismen steht - jene, die GVO ablehnen und entsprechende Pflanzen nicht anbauen beziehungsweise entsprechende Lebensmittel nicht zu sich nehmen möchten, haben einen Anspruch darauf, anderes Saatgut erwerben oder andere Lebensmittel es

sen zu können. Sie müssen sich auf die Deklaration oder Auszeichnung verlassen können. Unsere Landwirte benötigen aber auch die Rechtssicherheit, nicht für Schäden aufkommen zu müssen, sollte es schuldlos zu ungewollter Aussaat von gentechnisch veränderten Organismen kommen. Sie könnten das wirtschaftlich nicht leisten.

Bei uns in Schleswig-Holstein ist es erst im Jahr 2007 zur Aussaat von genverändertem Rapssaatgut auf 1.500 ha gekommen, obwohl diese Saat nicht bestellt und ihre Aussaat nicht genehmigt war. Die gesamte Fläche musste umgebrochen werden. Zu diesem Zeitpunkt war aber rechtlich noch nicht geregelt, wer für mögliche wirtschaftliche Schäden haftet, wer als Verursacher im rechtlichen Sinne zu gelten hat.

Der betroffene Landwirt ist meines Erachtens nicht heranzuziehen; denn es kann ihm nicht zugemutet werden, selbst aufwändige Analysen vorzunehmen. Die Sicherheit muss vom Saatguthersteller oder vom Händler garantiert werden, der dann auch entsprechend haftet.

(Beifall bei der FDP)

Wir unterstützen deshalb den Entschließungsantrag Bayerns, mit dem Rechtssicherheit geschafffen werden soll.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, ich komme nun zur Nulltoleranzgrenze. Sie bedeutet, dass Saatgut, das gentechnisch verändert und in der EU nicht zugelassen ist, nicht eingeführt und damit auch nicht ausgebracht werden darf. Dabei muss es auch bleiben. So weit, so gut. Selbstverständlich muss entsprechendes Saatgut erst das Zulassungsverfahren der EU durchlaufen haben und als unbedenklich eingestuft worden sein, bevor es in Europa verarbeitet werden darf.

Die Frage, die sich aber stellt, ist, ob wir eine 100-prozentige Reinheit des Saatguts garantieren können. Wir können es nicht, denn dafür müsste jedes Korn einer Saatlieferung analysiert werden - ich betone: jedes Korn. Nur dann hätten wir leider keine Saat mehr, die wir eigentlich aussäen wollten, aber möglicherweise die Gewissheit, qualitativ einwandfreie Saat gehabt zu haben. Auf diese Logik hat auch die Frau Ministerin schon hingewiesen. Wir müssen nämlich dabei bedenken, dass zur Beprobung einer Charge 1.000 Körner entnommen und anschließend feinst gemahlen werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer zählt die?)

(Lothar Hay)

Nach einem aufwendigen Verfahren kann dann die DNA bestimmt werden. Es können also sinnvoll nur Stichproben untersucht werden. Aber bei Stichproben kann es logischerweise keine absolute Sicherheit auf Sortenreinheit geben. Daher finden wir es richtig, dass die Landesregierung eine genaue Definition verlangt, bis zu welcher Toleranzgrenze eine Saatgutlieferung als rein gilt und ab wann nicht mehr.

Rechtssicherheit für Landwirte setzt aber auch voraus, dass für Züchter - also Saatguthersteller und Händler auch eindeutige Bestimmungen bestehen müssen. Es kann der Fall eintreten, dass sich trotz aller Kontrollen genveränderte Saatkörner in einer Charge befinden, aber nicht zu den beprobte 1.000 Körnern gehören. Insofern sollte eine Grenze eingezogen werden, die für solche Fälle den Züchter oder Händler von Saatgut entlastet, weil eben der 100-prozentige Nachweis nicht geführt werden kann. Vor allem die Saatgutlieferanten, die ihr Saatgut im Ausland beziehen, stehen vor einem Problem. Allein bei Mais beträgt die Quote des Import-Saatguts in etwa 33 %. Der größte Teil dieses Saatguts stammt aus den USA, die bekanntlich im Bereich gentechnisch veränderter Organismen eine ganz andere Einstellung haben als wir in Europa. Es ist vorhin schon darauf hingewiesen worden.