Protocol of the Session on January 28, 2011

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Abstimmung, nachdem ich keine weiteren Wortmeldungen sehe. Ich schließe die Beratung. Ich weise darauf hin, dass der Tagesordnungspunkt 52 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 17/1071 und 17/1176 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/1229 federführend dem Umweltund Agrarausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin den Hinweis von den Parlamentarischen Geschäftsführern bekommen, dass die Tagesordnungspunkte 21 und 28 - Atommülltransporte und Kommunismusdebatte - auf den Nachmittag verschoben werden sollen. In Anbetracht der Zeit - es ist jetzt 10 Minuten nach eins - schlage ich vor, dass wir den Tagesordnungspunkt 21 dennoch aufrufen. Da bitte ich jetzt um ein Signal. - Herr Eichstädt.

Das Signal kommt. Es ist so, dass der Tagesordnungspunkt 21 jetzt noch aufgerufen werden sollte.

Genau, dann sind wir uns einig. Das ist wunderbar. Ich rufe also Tagesordnungspunkt 21 auf:

Atommülltransporte durch schleswig-holsteinisches Gebiet

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1092

Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Aussprache. Das

Wort für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Kollegin Ranka Prante.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Atomenergie ist teuer, gefährlich und unfriedlich. Vom Uranabbau mit seinen umwelt- und gesundheitszerstörenden Folgen bis zur ungelösten Frage der Endlagerung von Atommüll kennzeichnet Atomenergie eine endlos lange Reihe von Skandalen, Unfällen, Lügen und ungelösten Problemen nach dem Prinzip Learning by doing. Aber leider lernt keiner.

Die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie konnte sich nur vor dem Hintergrund militärischer Interessen entwickeln. Die Politik musste daher von Anfang an enorm viel Geld in die Atomenergie stecken, um sie für die Energiewirtschaft attraktiv zu machen. Die Atomkonzerne machen Kasse, während die Risiken und Folgekosten auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Atomkraft erzeugt Atommüll, von dem weder Herr Schmalfuß noch irgendeine andere Person in diesem Raum und ich glaube, auch nirgendwo anders - weiß, wohin mit diesem Schrott.

Es gibt auf dieser großen ganzen Welt keine Antwort auf die Frage, wo man den Atommüll lagern soll. Es gibt aber auch keine Frage, wie man mit dem Atommüll umgehen soll. Trotzdem rollen fast jedes Jahr Castor-Transporte durch das Land. Jedes Jahr entstehen in den deutschen Atomkraftwerken rund 400 t hochradioaktive abgebrannte Brennelemente.

Ein gelagerter Castor-Behälter enthält eine Radioaktivitätsmenge von bis zu 1.018 Trillionen Bq. Die Castor-Behälter sind zudem unsicher und ungetestet. An den Behältern wurde in Deutschland noch kein richtiger Sicherheitstest durchgeführt, weder für mechanische noch für thermische Belastungen. Zum Beweis der Sicherheit wurden lediglich rechnerische Nachweise herangezogen. Rechensimulationen müssen aber durch praktische Tests bestätigt werden, um wirklich bei so einer Sache belastbar zu sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Hierfür ist es aus unserer Sicht nicht ausreichend, sich auf mehr als 20 Jahre zurückliegende Tests mit anderen Behältertypen zu beziehen. Castor-Transporte mit Atommüll-Behältern haben eine Strahlungsmenge von bis zu 80 Hiroshima-Bomben. Trotz dicker Stahlwände gelangt Strahlung durch

die Abschirmung. Ich, wir und - ich denke - eigentlich alle Menschen wissen, dass schon sehr niedrige Strahlendosen gesundheitliche Schäden verursachen. Das zeigen die Ergebnisse einer ganzen Reihe von Untersuchungen aus verschiedenen Ländern, unter anderem Untersuchungen von Beschäftigten in Nuklearbetrieben.

Die Studien widerlegen die noch immer verbreitete Annahme, dass niedrig dosierte Strahlung nicht gesundheitsschädigend sei. Radioaktivität ist schädlich, egal in welcher Dosis. Radioaktivität verändert lebende Zellen. Kleinste Strahlendosen verändern die Erbinformationen, verändern und schädigen das Immunsystem und lösen Krebs aus. Radioaktive Strahlung ist gefährlicher, als bisher immer wieder angegeben wurde. Auch wenn keine Grenzwerte überschritten werden, bedeutet das nicht, dass die Strahlenbelastung unschädlich ist.

Strahlenschutzgrenzen geben keinen Schutz. Strahlenschutzgrenzen sagen nur aus, wie viel Strahlung man glaubt, bestimmten Personengruppen zumuten zu können. Es gibt keine Strahlendosis, die so klein wäre, dass sie keinen Schaden anrichten kann. Ein Polizist, der den Castor im Abstand von 1 m begleitet, hat schon nach wenigen Stunden - nach wenigen Stunden! - die zulässige Jahresstrahlendosis überschritten.

Auch die anliegenden Bewohner der CastorTransportstrecken werden immensen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Atommüll wird per Bahn und per Schiff, aber auch über Straßen und damit auch durch besiedelte Wohngebiete transportiert. Die Folgen eines Unfalls wären verheerend. Es drohen Evakuierungen und Todesfälle. Und das alles ohne einen wirklichen Grund und ohne ein wirkliches Ziel.

Wir, DIE LINKE, wollen die Menschen vor diesem Risiko schützen. Für uns heißt das: Radioaktivität ist gefährlich - egal ob in geringer oder in hoher Dosis. Strahlenschutz bedeutet nicht den Schutz der Menschen vor radioaktiver Strahlung - so wird es anscheinend definiert -, sondern anscheinend den Schutz des Einsatzes der Atomenergie.

Ein Castor-Transport kostet das Land circa 50 Millionen €. Wer zahlt diesen Irrsinn? Nicht etwa die Atomindustrie, nein, es ist der Steuerzahler. Selbst die Polizeigewerkschaft fordert eine Gebühr für den Transport. Ich zitiere aus der „Neuen Osnabrücker Zeitung“

„‚Wir fordern eine Sicherheitsgebühr von 50 Millionen € von den Atomkonzernen’,

sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt.“

Nun die Frage: Warum gehen solche Transporte durch Deutschland, obwohl Castor-Transporte gesundheitsschädigend und die Castor-Behälter unsicher und ungetestet sind?

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. - Obwohl es keine Klärung in Bezug auf Endlagerung gibt? Ich kann nur sagen: Die Atomlobby wird vom Staat subventioniert und unterstützt. Wir, DIE LINKE, wollen es der Atomlobby nicht vereinfachen und ihr nicht helfen, Millionengewinne abzuschöpfen. Wir wollen, dass die Atomkonzerne zahlen müssen - und zwar für jeden Castor.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Der Castor darf erst wieder über unser Land fahren, wenn er das letzte Atomkraftwerk verlässt, das vom Netz geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Darum hoffe ich, dass wir alle gemeinsam zum Schutz unserer Bevölkerung hier den ersten Schritt in die richtige Richtung machen und sagen: Wir verweigern diese Transporte durch unser Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Magnussen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie jeder weiß, haben wir in Schleswig-Holstein drei Kernkraftwerke: Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel. Gestern hat Herr Minister Schmalfuß dankenswerterweise bestätigt, dass alle drei Kernkraftwerke über eine gültige Betriebsgenehmigung verfügen. Auch der letzte Kernkraftgegner weiß, dass die Meiler für den Betrieb Kernbrennstoff benötigen. So weit, so gut.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist alles?)

Nun fordern die LINKEN in ihrem Antrag, dass Kernbrennstoff nicht mehr durch schleswig-holsteinisches Gebiet transportiert werden darf, was

(Ranka Prante)

natürlich nichts anderes heißt, als dass die Kernkraftwerke abgeschaltet werden müssen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein, aus der Luft können sie versorgt werden!)

Ich finde, das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, den die LINKEN hier vollziehen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können doch nicht einem Kraftwerk die Genehmigung erteilen und dann sagen: Den Brennstoff bekommt ihr nicht. Das haut Ihnen doch jedes Gericht um die Ohren!

Als Nächstes fordern die LINKE einen Elbstaudamm bei Boizenburg, damit den Kraftwerken das Kühlwasser ausgeht.

(Zurufe)

Man muss schon sagen, das sind bemerkenswerte Vorgänge, die sich hier abspielen.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung und alle beteiligten Behörden, insbesondere die unseres Bundeslandes, sind bei dem Thema Atommülltransporte sehr umsichtig und gehen mit größter Sorgfalt damit um. Das zeigte sich erst wieder im vergangenen Jahr, als Bundesumweltminister Röttgen einem Atommülltransport nach Russland die Genehmigung verweigerte. Vor dieser Entscheidung war die Empörung in der Opposition groß. Renate Künast sprach von einer Billigentsorgung zulasten der Sicherheit. Sigmar Gabriel setzte sogar noch einen drauf: Das sei unverantwortlich und ein Akt der politischen Feigheit, empörte er sich. Dabei hat gerade der Bundesvorsitzende der SPD sämtliche Glaubwürdigkeit bei diesem Thema verspielt.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Da auch! - Wolfgang Baasch [SPD]: Mal ganz ruhig da drüben!)

- Da auch, ja, genau.

Heute sagt er: Jedes Land solle seinen Atommüll selbst entsorgen. Bundesumweltminister Gabriel hingegen hat noch 2009 Atomtransporte nach Russland durchführen lassen. Der Atommüll aus Rossendorf wurde 2006 sogar per Flugzeug nach Russland verbracht. Man stelle sich vor, die jetzige CDU-FDP-Regierung würde das beschließen! Dann wäre hier ein Riesentheater! Hier klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der SPD, die abenteuerlich ist.

(Beifall bei CDU und FDP)