Protocol of the Session on December 17, 2010

Das Asylbewerberleistungsgesetz steht schon seit seiner Einführung 1993 in der Kritik. Diese Kritik wurde nicht weiter verfolgt, obwohl Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen protestierten. Mittlerweile ist die Politik in der Berechnung von Leistungen aber etwas weiter, sodass hier aus Sicht des SSW dringender Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Die Kollegen und Vorredner darf ich darauf hinweisen, dass es seit 1993 bundesweit verschiedene Regierungen gab, die etwas daran hätten ändern können.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das ist nicht geschehen. Das haben auch schon die Kollegen gesagt. Wir finden, jetzt ist die Zeit da. Es ist schön, dass sich der Bundestag - wie Frau Damerow schon sagte - damit beschäftigt. Das widerspricht aber nicht einer Bundesratsinitiative. Das sage ich ausdrücklich.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Es bewirkt eher genau das Gegenteil, wenn von mehreren Seiten auf dasselbe Problem zugegangen und versucht wird, dieses Problem zu lösen.

Hinsichtlich der Krankheiten hat die Kollegin Dr. Marret Bohn schon ausgeführt, wie man als Ärztin akute Schmerzen, chronische Schmerzen behandelt und wie eine Erkrankung aussieht. Bei akuten Schmerzen ist selbstverständlich jeder Arzt verpflichtet, etwas zu unternehmen, bei chronischen nicht. Das hat auch Frau Klahn inzwischen herausgefunden.

(Widerspruch der Abgeordneten Anita Klahn [FDP])

Die Bundesregierung hatte 1993 mit dem Asylbewerberleistungsgesetz beschlossen, für die Menschen, die ohnehin in einer Notlage sind, die Notlage zum Teil aufrechtzuerhalten.

(Unruhe)

Frau Abgeordnete, einen kleinen Augenblick bitte. - Es ist schön, dass wieder so viele Abgeordnete im Plenarsaal sind, aber es wäre auch nett, wenn alle der Rednerin zuhören würden. - Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das Asylbewerberleistungsgesetz soll ja so aufrechterhalten werden. Aber mir ist nicht bekannt, dass es eine sinnvolle Argumentation in der Flüchtlingspolitik ist, diese Notlage aufrechtzuerhalten.

Die heutige Bundesregierung kann keine Angaben dazu machen, wie sich die Leistungen für Asylsuchende zusammensetzen. Klar ist nur, dass sie mit den circa 225 € pro Monat bummelig 30 % unter den heutigen Hartz-IV-Bezügen liegen und dass die 1,34 € Taschengeld pro Tag noch nicht einmal für das Allernötigste reichen.

Es ist völlig klar, wieso die Leistungen 17 Jahre lang nicht den Preissteigerungen angepasst wurden, oder - wie man sich zurechtreden konnte - dass Integrationsbedürfnisse erst nach einem Jahr und mittlerweile erst nach vier Jahren existieren. Diese Fakten sind haarsträubend, sodass man sich wirklich wundern kann, dass dieses Gesetz noch nicht einmal überarbeitet wurde.

Aus Sicht des SSW ist durchaus zu begrüßen, dass hier im Land kaum noch Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verteilt werden und dass die meisten Leistungen als Geld ausbezahlt werden. Das sehen wir tatsächlich als Fortschritt, denn es gibt weiterhin Bundesländer, in denen nur diese Sachleistungen ausgegeben werden.

Auch sehen wir die Dezentralisierung bei der Unterbringung positiv. Gemeinschaftsunterkünfte mögen als vorübergehende Lösung praktikabel sein, sie sind aber eindeutig auf Dauer nicht geeignet, Menschen über Jahre hinweg eine würdige Unterbringung zu garantieren.

Obwohl das Gesetz in Schleswig-Holstein bereits anders als in Bayern oder Baden-Württemberg - angewandt wird, spricht sich der SSW dafür aus, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen oder zu

(Silke Hinrichsen)

mindest zu überarbeiten. Wir brauchen ein transparentes und sachgerechtes Verfahren, dass nicht von politischen Vorgaben bestimmt ist oder der Abschreckung dient, sondern sich an den Bedarfen der Menschen misst. Komplizierte Sach- und Rechtsfragen müssen zügig gelöst werden. 17 Jahre Stillstand sind schon lange genug.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Emil Schmalfuß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Asylbewerberleistungsgesetz stellt die leistungsrechtliche Komponente des sogenannten Asylkompromisses von Dezember 1992 dar. Damit sollten auch wirtschaftliche Anreizwirkungen für einen Missbrauch des Asylrechts eingeschränkt werden. Das Gesetz ist am 1. November 1993 in Kraft getreten. Es kennt zwei Leistungsstufen, die sogenannten Grundleistungen nach § 3 bis 6 des Gesetzes und die sogenannten Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz in entsprechender Anwendung des Sozialgesetzbuches XII. Diese Leistungen kann ein Leistungsempfänger nach vierjährigem Grundleistungsbezug erhalten, sofern er die Dauer seines Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat.

Auch wenn die Gesetzesbezeichnung etwas anderes suggerieren mag, es haben neben Asylsuchenden auch Personen mit einer Duldung und Personen mit bestimmten Aufenthaltserlaubnissen Anspruch auf die Sozialleistungen des Gesetzes. Ende September 2010 erhielten von den insgesamt rund 4.500 sich in Schleswig-Holstein aufhaltenden Leistungsbeziehern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz etwa 1.800 Analogleistungen in Höhe der Regelsätze des Sozialgesetzbuches XII. Diese Leistungen werden als Barleistungen gewährt.

Diese Personen sind des Weiteren nach § 264 Sozialgesetzbuch V bei einer gesetzlichen Krankenkasse angemeldet - dazu ist hier bereits alles gesagt worden - und haben den gleichen Behandlungsanspruch wie gesetzlich Versicherte.

Im Übrigen besteht für Leistungsberechtigte nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz, also nach vier Jahren, nach den einschlägigen Bestimmungen der Beschäftigungsverfahrensverordnung ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt. Für die übrigen 2.700 Grundleistungsbezieher nach §§ 3 bis 6 ist die Leistungsform bei uns in Schleswig-Holstein schon seit 1997 in das Ermessen der zuständigen Leistungsbehörden vor Ort gestellt: Barleistungen, Wertgutscheine und Sachleistungen. Das Gros der Behörden - das haben Sie vorhin gesagt, Frau Hinrichsen - hat sich für die Gewährung von Barleistungen entschieden.

Richtig ist, dass während des in aller Regel nur kurzfristigen Aufenthaltes von Asylbewerbern in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster bis auf das Taschengeld Sachleistungen ausgegeben werden. In Anbetracht des Charakters dieser Einrichtung halte ich diese Lösung für richtig. Ich stimme Ihnen zu, Herr Weber.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Eine Diskussion über das Asylbewerberleistungsgesetz ist - wie Sie, Frau Damerow, es hier vorgetragen haben, und wie wir wissen - bereits im Bundestag angestoßen worden. Mittlerweile ist die Frage auch das ist schon gesagt worden -, ob die maßgebliche Leistungsregelung des § 3 des Gesetzes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstößt, seit Ende Juni 2010 beim Bundesverfassungsgericht anhängig, hergeleitet aus dem sogenannten HartzIV-Urteil vom Februar 2010 und auf Betreiben des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen. Insoweit hat die Bundesregierung jetzt zugesichert, im Anschluss an die Neufestsetzung der Regelbedarfe nach dem Zweiten und Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches zu prüfen, mit welchem Anpassungsmechanismus im Asylbewerberleistungsgesetz der verfassungsrechtlichen Pflicht zur fortwährenden Überprüfung und Weiterentwicklung der festgesetzten Leistungen bei sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprochen wird. Ich halte eine maßvolle Anpassung insoweit für überfällig.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Bund und Länder sind gut beraten, hier schon vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verantwortungsbewusst zu handeln.

Für eine Streichung des § 3 oder gar des gesamten Gesetzes werden sich schon auf Länderebene unter

(Silke Hinrichsen)

Garantie keine Mehrheiten finden. Das scheint mir sehr klar zu sein. Insofern brauchen wir auch über die von der Fraktion DIE LINKE angedachte Bundesbeteiligung an den entstehenden Mehrkosten im Falle einer kompletten Streichung des Gesetzes erst gar nicht zu diskutieren.

(Beifall bei FDP, CDU, vereinzelt bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich gehe nach der Debatte davon aus, dass Abstimmung in der Sache erwartet wird. Es ist beantragt worden, über die Anträge Drucksachen 17/1093 und 17/1128 in der Sache abzustimmen.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 17/1128, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/1128 abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 17/1093, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte im um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 17/1093, abgelehnt. Der Tagesordnungspunkt 42 ist erledigt.

Ich teile Ihnen geschäftsleitend mit, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, den Tagesordnungspunkt 32 noch vor der Mittagspause aufzurufen. Wir haben jetzt also noch die Tagesordnungspunkte 50, 49, 59 und 32 bis zur Mittagspause. Zum Tagesordnungspunkt 32 haben sich die Fraktionen auf folgendes Verfahren verständigt: Es werden dazu zunächst der Ausschussvorsitzende und dann die Ministerin sprechen. Danach wird die Möglichkeit eröffnet, Dreiminutenbeiträge zu leisten. - Das ist das, was uns hier oben mitgeteilt worden ist. Sollte es dazu andere Vorstellungen geben, dann bitte ich um einen entsprechenden Hinweis an das Präsidium.

(Unruhe)

- Wenn es dazu noch unterschiedliche Auffassungen gibt, bitte ich die Parlamentarischen Geschäftsführer, sich darüber verständigen und uns das Ergebnis mitteilen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 50 auf:

Tätigkeit des Petitionsausschusses in der Zeit vom 1. Juli 2010 bis 30. September 2010

Bericht des Petitionsausschusses Drucksache 17/1046

Ich erteile das Wort der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, der Frau Abgeordneten Katja RathjeHoffmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle Ihnen - wie eben schon gesagt - heute den aktuellen Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das 3. Quartal in diesem Jahr vor und möchte Sie zugleich im Anschluss daran über aktuelle Entwicklungen im schleswig-holsteinischen Petitionswesen informieren.

Zunächst zum Bericht. Der Bericht umfasst die Monate Juli bis September 2010. In diesem Zeitraum sind bei uns 175 neue Petitionen eingegangen. Davon richteten sich allein 77 Petitionen gegen die Schließung der JVA in Flensburg. Insgesamt hat der Petitionsausschuss im letzten Quartal 65 Petitionen abschließend beraten. Hiervon konnten rund 30 % ganz oder zumindest teilweise im Sinne der Petentinnen oder Petenten entschieden werden.

Die meisten Petitionen betrafen die Bereiche Justiz, Inneres und Verkehr.

Ich möchte Ihnen einige Beispiele aus dem aktuellen Bericht nennen. Da wären Bürger einer Gemeinde im Kreis Stormarn, die sich erfolgreich gegen die Erhebung von zu hohen Straßenausbaubeiträgen gewehrt haben. Die Überprüfung im Rahmen des Petitionsverfahrens hat ergeben, dass die von den Petenten beanstandeten Bescheide fehlerhaft waren. Das zuständige Amt hat seine Berechnungen inzwischen korrigiert. Für einen Petenten hat der finanzielle Unterschied immerhin 6.200 € betragen. Ich glaube, wir haben da einen guten Erfolg für die Menschen erzielt.

(Beifall)