Sie sind eine Ein-Punkt-Regierung, mehr bieten Sie nicht, weil Sie es versäumt haben, Ideen, die über Einsparungen hinausgehen, zu entwickeln. Weil dieser Haushalt für die Ideenlosigkeit Ihrer Politik steht, lehnen wir ihn ab.
Meine Damen und Herren, zu Anfang der Legislatur gab es eine große Bereitschaft im Parlament, gemeinsam Verantwortung zu tragen. Wir haben angeboten, gemeinsam mit der Regierung konzeptionell an der Konsolidierung des Landes mitzuwirken. Wir haben angeboten, uns die Hände dreckig zu machen. Frau Heinold hat in der Zwischenfrage darauf hingewiesen. Nie hat die alte schwarz-gelbe Opposition ein ähnliches Angebot unterbreitet. Wir haben angeboten, die Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition zu durchbrechen. Wir haben uns sogar vor Ihnen aus der Deckung gewagt und eigene Vorschläge zur Konsolidierung unterbreitet. Aber Ihnen war der Closed Shop der Haushaltsstrukturkommission lieber als ein transparentes, offenes, demokratisches Verfahren.
Ich gehe so weit zu sagen, dass es auch in der Bevölkerung eine Bereitschaft zum Verzicht gegeben hat. Doch sie wurde zerstört durch Hinterzimmerpolitik, durch Autismus und Männereitelkeit. Sie wollten alles für sich und haben es sich jetzt mit allen verscherzt.
Stellen Sie sich einen Augenblick vor, was wohl passiert wäre und wie Sie von den derzeit regierungstragenden Fraktionen reagiert hätten, wenn die linke Hälfte des Hauses die Grunderwerbsteuer in der Regierung angehoben hätte oder eine Küstenschutzabgabe hätte einführen wollen! Wenn Sie ehrlich sind - und ich bitte Sie, seien Sie das doch
einmal für eine halbe Minute -, dann werden Sie zugeben, Sie hätten den Untergang des Abendlandes oder mindestens das Widererstarken des Sozialismus beschworen.
Stellen Sie sich vor, ein sozialdemokratischer oder grüner Finanzminister oder Ministerpräsident hätte dem Verband Haus & Grund versprochen, dass es keine Grunderwerbsteuererhöhung vor 2013 geben würde, und sie dann doch beschlossen. Vermutlich wäre das Ihrerseits der Grund für rote Köpfe und erhitzte Rücktrittsforderungen gewesen. Nun, meine Damen und Herren, nichts davon von unserer Seite, sondern nur die Feststellung, dass wir uns viele Debatten hier hätten ersparen oder weitaus besonnener hätten führen können, wenn Sie unserem Vorschlag gleich offener begegnet wären und nicht Steuererhöhungen in unsinniger Verwesterwellung in Bausch und Bogen verteufelt hätten.
Die Wahrheit ist: Dieser Doppelhaushalt ist ein Steuererhöhungsdoppelhaushalt, nicht nur wegen der Grunderwerbsteuer. Ihr gestriger Beschluss, die Küstenschutzabgabe gegebenenfalls über die Kommunen einzutreiben, bedeutet technisch, dass Sie das FAG zulasten der Kommunen ändern müssen. Diese können dann, wenn sie nicht baden gehen wollen, entweder die Grundsteuern erhöhen, oder sie werden erneut geschröpft. Also zweimal Steuererhöhungen. Den Bürgermeistern im Land wird inzwischen schwarz vor den Augen, wenn sie an die schwarze Politik der CDU denken.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW - Zuruf des Ab- geordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])
- Herr von Boetticher, hören Sie zu. Folgender Satz stammt aus Ihrem noch nicht sehr alten Landtagswahlprogramm:
Herr von Boetticher, Sie haben gesagt, Sie wollen einen ehrlichen Wahlkampf führen und den Leuten vorher sagen, was auf Sie zukommt. Ich stelle fest: Das haben Sie nicht getan. Ich stelle auch fest: Wenn Sie jetzt den Mut haben, das zuzugeben, ist das gut, und die Schuldenbremse hat zumindest zu Erkenntnissen geführt.
Meine Damen und Herren, Sie tun so - das ist das zentrale Problem -, als gäbe es eine Sparlogik, und nennen es das sogenannte Bausteinsystem. Aber diese Logik würde voraussetzen, dass es genaue Berechnungen des eigenen Tuns gibt, was es von der beabsichtigten Schließung der Uni Lübeck bis zu den gestrigen Deals in ihren Fraktionen offensichtlich nicht gibt, und dass diese zweitens dann auch eingehalten werden.
Von den Häfen an der Westküste über die Erhöhung der Straßenbaumittel bis zu den Mehrausgaben für die Kitas - die ich ausdrücklich begrüße -, immer wurde nachgebessert, ohne dass die Bausteine definiert, geschweige denn gegenfinanziert wurden.
Aber warum legen Sie jetzt nur da Kohle drauf und nicht bei Mädchentreffs, den Fachhochschulen oder dem FÖJ? Warum wurde die Schließung der JVA Flensburg aufgegeben - auch das ist richtig -, nicht aber die von JazzBaltica?
Ihr Bausteinsystem funktioniert nämlich so, dass Sie alle Klötze haben und der Gesellschaft nur die Lücken bleiben. Es ist ein einseitiges System, und das erweckt den Eindruck von Willkür und Unfairness. Deshalb haben Sie den gesellschaftlichen Rückhalt verloren, weil es nämlich willkürlich und unfair ist.
Die Wahrheit ist, Ihr Sparkurs folgt keinem System, sondern dem Schlingerprinzip, denjenigen nachzugeben, deren Zustimmung Sie brauchen. Wer wen kennt, der laut schreit, kriegt Geld. Die anderen sind die Doofen.
(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wer denn? - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Das stimmt nicht!)
Ihr Problem ist aber, dass die Bevölkerung sich nicht für doof verkaufen lässt und ein feines Gespür für politische Widersprüche hat.
Und einer der schlimmsten ist, dass Sie - wie in der Atompolitik gesellschaftliche Konflikte, die längst geheilt waren, erneut aufreißen. Nach dem Vorschlag von gestern spielen Sie nun erneut Natur- gegen Küstenschutz aus. Sie wollten Frau Damerow einfangen und haben eine Kampfansage an die Westküste formuliert - wider bessere Einsicht. Denn es ist ja richtig, Küstenschutz wird in Zukunft
noch mehr Geld kosten, verursacht durch den Klimawandel, der wiederum ist verursacht durch eine falsche Industriepolitik. Und jetzt tun Sie erneut so, als ob alles auch billiger zu haben sei, als ob nicht der Klimawandel das Problem sei, sondern der Naturschutz. Sie machen eine völlig neue Frontstellung auf und treiben das Land in die Auseinandersetzungen der Vergangenheit - als Resultat Ihrer „Billigheimer-Politik“.
Meine Damen und Herren, Sie haben es versäumt, gemeinsam mit den Haushaltsberatungen eine Reformdebatte zu initiieren. Das betrifft die großen Baustellen wie Beamtenpensionen; ein mutiges Voran bei der verstärkten Zusammenarbeit mit Hamburg statt des Rumbremsens in der Enquetekommission Ihrerseits; das beinhaltet Initiativen auf Bundesebene statt der Abspeisung mit Keks und Kleckerbeträgen im Kanzleramt; das beinhaltet eine Reform der kommunalen Verwaltung, statt dass der CDU-Innenminister - der gerade nicht im Raum ist - vor CDU-Bürgermeistern das CDUWahlprogramm verspricht, das abfeiern lässt und das dann auch noch Gesprächsforum nennt; das beinhaltet ein Hinterfragen der alten Infrastrukturpolitik des letzten Jahrtausends.
Das beinhaltet aber auch ganz viele kleine, konkrete Maßnahmen der gesellschaftlichen Reorganisation im Land. Zum Beispiel: Die Mädchentreffs mit der Schularbeit, speziell den Ganztagsschulen, zu verschränken, hätte die Existenz der einen gleichzeitig mit der Unterstützung der anderen bedeutet. Die Arbeit des Landesmusikrates durch Zielvereinbarungen mit den Festivals JazzBaltica oder Schleswig-Holstein Musik Festival zusammenzubringen, würde beide Instanzen stärken. Statt das Landesblindengeld gegen die Blindenhilfe des Bundes auszuspielen, hätte man ein neues System aus einer Hand entwickeln müssen. Und Sie tun das Gegenteil, untergliedern nun auch noch die Blinden in Einzelgruppen und spielen sie gegeneinander aus. Das ist einfach kläglich.
Das ganze Weltbild ist: Teile und herrsche schlimmer: Filetiere die Gesellschaft in Partikularinteressen und sichere den eigenen Machterhalt.
gendfreizeiten, der Ferienarbeit, die auf Vereinsebene geleistet wurden, drohen verloren zu gehen, damit dann der Sozialminister seinerseits, staatlicherseits teure Programme auflegen kann, damit der Staat das leistet, was zuvor die Zivilgesellschaft getragen hat. Die neue FDP-Politik ist also augenscheinlich die Verstaatlichung von bürgerschaftlichem Engagement. Ihre Ideologie treibt Sie in die Paradoxie, und Sie merken es nicht einmal.
Meine Damen und Herren, sehr geehrtes Kabinett, zu fataler Kommunikation und fehlendem Gestaltungswillen kommt als Drittes noch die Unterlassungssünde mangelnder Zukunftsperspektiven hinzu. Von Visionen will ich gar nicht erst reden. Am greifbarsten ist dies in der von Herrn von Boetticher schon angesprochenen Hochschulpolitik. Erst sollten die Uni Lübeck geschlossen und die Wirtschaftswissenschaften in Flensburg abgewickelt werden, dann wurden die Zuschüsse für die Fachbereiche Medizin um 10 Millionen € gekürzt - als hätte man nichts gelernt: wieder ohne mit den Betroffenen zu reden -, und schließlich sollten 5.000 Studienplätze nach Niedersachen verhökert werden. Man kann sich inzwischen sicher sein: Immer wenn es gegen die Unis geht, ist diese Landesregierung vorneweg dabei.
Den Ruf des Landes als Wissenschaftsland haben Sie bundesweit ruiniert. Das ist Ihr historisches Vermächtnis. Herr von Boetticher, sich hier dafür zu bedanken, dass die Uni Lübeck auf Reformideen kommt, als Notwehr gegen die Regierung und Ihre Koalition, das ist wirklich eine Verhohnepiepelung der Uni Lübeck.
Es heißt, man solle vor seiner eigenen Haustür kehren - Herr von Boetticher, wahrscheinlich ist das ein bürgerlicher Spruch. Es ist so, dass das Kehren leider eine Sisyphusarbeit ist, wenn einem der Sturm immer neuen Dreck vor die Tür pustet. Wenn das so ist, dann muss man einen Zaun oder Windfang bauen oder noch besser die Ursache des Drecks bekämpfen. Mit anderen Worten: Schleswig-Holstein hat so immense Probleme, dass jede Regierung ihrer Aufgabe nicht gerecht wird, wenn
sie nur nach unten starrt und fegt, sondern sie muss über das Land hinaus denken, sich einmischen, Ursachenbekämpfung betreiben und einen politischen Ehrgeiz entwickeln, der über das Land hinausreicht. Das tun Sie in genau einem Bereich, nämlich beim Glücksspiel. Statt bei den wirklichen Zukunftsfeldern Wissenschaft, Bildungsfinanzierung, erneuerbare Energien und moderne Verwaltung Druck zu machen, putteln sie rum. Haustürpolitik statt klugem Haushalten.
Als ich zuerst hörte, dass Schleswig-Holstein die Verluste durch die Absetzbarkeit der Brennelementesteuer im Bundesrat nicht hinnehmen will, da habe ich mich gefreut. Aber diese Freude war nur kurz, denn wieder haben Sie, Herr Finanzminister, sich vertrösten lassen, wieder sind Sie der merkelschen Lyrik aufgesessen, so wie damals bei dem legendären Kekseessen im Kanzleramt.
- Aber die Struktur ist die gleiche. Man könnte ja auch aus den Fehlern anderer lernen. So weit sitzen Sie ja nicht auseinander, Sie könnten ja miteinander reden oder einmal Ihre Handynummern austauschen. Denn Sie wissen ja, wie es bei Frau Merkel zugeht.
Dass Frau Merkel nun uns - und Herr von Boetticher tut es auch - als Lieblingsgegner auserkoren hat, macht mich geradezu stolz. Es zeigt doch, wie wenig prinzipientreu Frau Merkel ist und wie sehr dies von strategischem Kalkül geprägt ist. Erst „Greenwashing“, jetzt „Greenbashing“. Und wenn Herr Kollege von Boetticher sich über meine Partei - ausdrücklich den Landesverband Schleswig-Holstein meinend - so zitieren lässt - ich lese das, mit Verlaub, einmal vor -: