Protocol of the Session on November 18, 2010

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! CDU und FDP in SchleswigHolstein haben zur Frage der Verlängerung von Kernkraftwerkslaufzeiten unterschiedliche Positionen. Diese sind seit Langem klar, diese sind bekannt und in diesem Hohen Haus zuletzt in der Landtagssitzung im September in der Rede meines Kollegen, des Wirtschaftsministers de Jager, deutlich benannt worden. Es wird deshalb niemanden überraschen, wenn ich Ihnen heute an dieser Stelle sage, dass sich hieran nichts geändert hat.

Ungeachtet dieser Grundpositionierung stellen sich im Zusammenhang mit der Verlängerung von Laufzeiten eine Reihe sicherheitstechnischer und atomaufsichtsrechtlicher Fragen. Darauf zielen die beiden hier heute diskutierten Berichtsanträge der SPD

(Minister Jost de Jager)

einerseits und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN andererseits ab.

Soweit die Landesregierung um einen schriftlichen Bericht der Auswirkungen des 11. und 12. Änderungsgesetzes zum Atomgesetz auf SchleswigHolstein gebeten worden ist, haben wir Ihnen einen solchen zugeleitet. Darin sind wir auch präzise auf die neun aufgeworfenen Eckpunktfragen eingegangen.

Zu den Kernpunkten und den mit dem mündlichen Berichtsantrag aufgeworfenen Fragestellungen will ich hier Folgendes besonders betonen: Für die Landesregierung steht es außer Frage, dass Kernkraftwerke der genehmigten Anlagenkonzeption auf einem bestmöglichen Sicherheitsniveau betrieben werden müssen. Die Verantwortung dafür tragen primär die Betreiber von Kernkraftwerken. Das gilt auch bei einer Verlängerung von Laufzeiten. Sicherheit muss immer Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben.

(Vereinzelter Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Dies zu überwachen, ist die Aufgabe der Atomaufsicht. Die Überwachung als solche ist ein dynamischer Prozess. Nach dem vom Bundesverfassungsgericht postulierten Grundsatz der bestmöglichen Schadensvorsorge sind entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik aufsichtliche Prüfungen wahrzunehmen. Dies gilt auch bei einer Laufzeitverlängerung. Wir werden uns atomaufsichtlich dafür einsetzen, dass das Sicherheitsniveau gerade älterer Anlagen möglichst vor dem Wirksamwerden einer in Anspruch genommenen Laufzeitverlängerung weiter verbessert wird und die Sicherheitsreserven erhöht werden. Dies ist mein klares Ziel und Mandat. Ich hätte es begrüßt, wenn der Bundesgesetzgeber durch eine gesetzliche Regelung sichergestellt hätte, dass die Nutzung neu gewährter Strommengenkontingente und die damit eingeräumte Laufzeitverlängerung erst hätten genutzt werden dürfen, wenn sicherheitstechnische Nachrüstungen zur Hebung der Sicherheitsniveaus der betreffenden Anlagen zuvor tatsächlich realisiert worden wären.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ungeachtet dessen werden wir auf der Basis des geltenden Rechts sowie des gültigen sogenannten untergesetzlichen Regelwerkes den Dialog mit dem Bundesumweltministerium wie auch mit den Betreibern der schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke zu Nachrüstungsmaßnahmen fortsetzen.

Unter Berücksichtigung der anlagespezifischen Gegebenheiten werden wir die notwendigen Entscheidungen herbeiführen. Eine zunehmende Bedeutung wird bei einer Laufzeitverlängerung auch das Alterungsmanagement bei Kernkraftwerken erlangen. Es liegt auf der Hand, dass ältere Anlagen im Vergleich zu jüngeren eine noch höhere Überwachungsintensität erfordern. Betreiber, Sachverständige und Aufsichtbehörden stehen damit vor anspruchsvollen Herausforderungen. Auf allen Ebenen wird eine quantitativ wie qualitativ angemessene Personalausstattung zu gewährleisten sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch auf die von Ihnen angesprochene Frage der Notwendigkeit neuer gesetzlicher Regelungen zur Durchsetzung sicherheitstechnischer Nachrüstungen eingehen. Nach Auffassung der Landesregierung sind Kernkraftwerksbetreiber bereits auf der Basis des geltenden Rechts zu einer dynamischen Anpassung ihrer Anlagen an aktuelle Entwicklungen und damit zu einer bestmöglichen Schadensvorsorge verpflichtet.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Kommen Sie diesen Verpflichtungen nicht nach, haben die Reaktorsicherheitsbehörden mit der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 3 des Atomgesetzes die Möglichkeit, mit nachträglichen Auflagen die Betreiber zur Durchführung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Auf Basis dieser Rechtsgrundlage können die Atombehörden selbstverständlich auch im Fall einer Laufzeitverlängerung unter Zugrundelegung des Standes von Wissenschaft und Technik Nachrüstungen und Anpassungen auf hohem Niveau durchsetzen. Einer konstitutiven weiteren Ermächtigung bedarf es dazu deshalb nicht.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich eröffne die Aussprache. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jens-Christian Magnussen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar für die Debatte und insbesondere für das Zusammenfassen der einzelnen Punkte. Aber noch ausgewogener wäre die Debatte gewesen, wenn wir das Thema Elektromobilität, das mittlerweile ein gemeinsames Thema ist, und den Bericht der Landesregierung zur globalen Netzsituation mit angesprochen und besprochen hätten.

(Minister Emil Schmalfuß)

Dann hätten wir die Gesamtproblematik allumfassend herausstellen können.

(Zurufe von der SPD)

- Es liegen Anträge vor, Sie müssen nur einmal in die Unterlagen gucken.

Also eine Vertagung dieses Zukunftsthemas auf die Dezember- oder Januar-Tagung in Gänze wäre zielführender und umfassender gewesen.

Liebe Kollegen der SPD, zum Thema Dringlichkeit in der letzten Sitzung und Ihrem Antrag ist noch einmal ganz klar herauszustellen: Wir haben nicht Ihren Antrag abgelehnt, sondern nur die Dringlichkeit wegen der fehlenden Notwendigkeit.

(Zuruf von der SPD)

Uns liegen neue Gesetze des Bundes vor, die auch wir erst einmal intensiv prüfen. Das Thema ist uns zu ernst und zu vielschichtig, als dass man jedes Mal Emotionen schüren sollte.

Ich danke den beiden Ministern für ihre Berichte. Sie tragen zur Versachlichung bei und stellen viele Punkte klar. Die ernsthafte Diskussion kann beginnen.

Zuerst möchte ich mit dem Schwerpunkt der schleswig-holsteinischen Energiepolitik beginnen, dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Dies hat für uns erste Priorität. Die Wege dahin sind wahrscheinlich unterschiedlich, Herr Kollege Dr. Stegner.

Die Koalitionspartner haben den Bericht der Landesregierung zur Offshore-Strategie erbeten, da sich viel getan hat und noch viel tun wird. Aber wir werden auch noch viel zu tun haben. Wir müssen diese Probleme gemeinsam offensiv angehen. Es zeigt sich: Schleswig-Holstein befindet sich im Offshore-Bereich trotz beschränkter finanzieller Ressourcen auf einem guten Weg. Die Berichte unterstreichen eindeutig, welche Bedeutung der Ausbau der erneuerbaren Energien für CDU und FDP hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme noch einmal auf Ihren Einwurf, Frau Heinold, von gestern zurück: Im Wirtschaftsausschuss ist etwas los. Dazu kann ich erwidern: Im Wirtschaftsausschuss führt Kollege Matthiessen die Wirtschaftlichkeitsdebattte bei Offshore-Windkraft. Bei den deutlich teureren Solarenergien kritisiert er die Absenkung der Einspeisevergütung. Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass dieses Jahr circa 10 GW neue Solarkapazität installiert werden - allein hierfür Einspeisevergütungen bis 2030 in Höhe von circa 20 Milliarden €.

Unser Weg ist der ausgewogene, der vernünftige und der im Energiekonzept dargelegte politische Weg für eine Energiepolitik der Zukunft.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Unsere Lobbyarbeit richtet sich an alle,

(Martin Habersaat [SPD]: An alle vier!)

die sich als Hersteller, Ideengeber und Realisierer in diesem Themenkomplex einbringen.

(Christopher Vogt [FDP]: Wer hat denn die vier geschaffen? - Zuruf: Jetzt ist Herr Vogt aufgewacht! Guten Morgen!)

Ich bin dem Ausschussvorsitzenden Bernd Schröder sehr dankbar für die Initiative, den Wirtschaftsausschuss am 4. und 5. Oktober 2010 auf Helgoland getagt haben zu lassen. Der Dank geht ebenfalls an den Landtagspräsidenten, der mit seiner Anwesenheit und seinem Besuch auf der Insel und dem sich daran anschließenden Empfang die Bedeutung des Themas unterstrichen hat. - Vielen Dank auf diesem Weg an beide Kollegen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir wollen Helgoland zum Service-Hafen ausbauen. Das ist das erklärte Ziel. Das schafft auf der Insel Wertschöpfung und Arbeitsplätze, generiert Steuereinnahmen, und ein neues Standbein für die einzige deutsche Hochseeinsel ist damit geboren. Aber Helgoland ist nur ein Baustein in der Offshore-Strategie. Auch andere Häfen sind potenziell wichtige Standorte, in erster Line der Hafen Brunsbüttel als Schnittstelle, als Festlandanbindung zu Helgoland.

Aber es ist auch klar: Das Land hat wenig Geld. Der Minister hat es ausgeführt. Allen ist es bekannt. Wir handeln verantwortungsvoll im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten. Häfen auf Verdacht auszubauen, wie Niedersachsen und Bremen, können wir nicht, so leid uns das tut. Bremen hat es sich trotzdem geleistet. Schauen wir einmal, wo der Weg für Bremen endet.

Wir stehen notgedrungen für Zukunftsinvestitionen mit Augenmaß, brauchen aber für Brunsbüttel ein klares Konzept, an dem intensiv gearbeitet wird. Kommunen, Betreiber - hier tut sich insbesondere der Hafen Brunsbüttel Ports als Motor der Hafenkooperation Offshore aller schleswig-holsteinischen Nordseehäfen mit dem Untertitel „Produktions-, Logistik- und Service-Häfen für OffshoreWindparks“ hervor, und selbstverständlich die

(Jens-Christian Magnussen)

Wirtschaftsförderung der Region, die Entwicklungsgesellschaft Brunsbüttel.

Die Landesregierung unterstützt das Vorhaben dankenswerterweise mit einer Machbarkeitsstudie. Wir, CDU und FDP, begleiten den Weg intensiv.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Aha!)

Auf der HUSUM WindEnergy wurde deutlich, wie stark Windkraft und Offshore-Bereich wachsen. Dort wurde auch die Offshore-Strategie der Landesregierung ausdrücklich gelobt. Energie- und wirtschaftliche Perspektiven des Landes sind aufgrund der hervorragenden Arbeit des Wirtschaftsministers sehr gut. Windenergie ist regionale Wirtschaftspolitik. Rot-Grün hat das Thema nicht intensiv genug besetzt, geschweige denn vorangetrieben. CDU und FDP haben sich aufgemacht, den Weg für neues Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein freizuräumen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zum Ausbau der erneuerbaren Energien gehören Fakten. Auch wenn wir in der Jahressumme mehr Strom aus regenerativen Energiequellen erzeugen als wir verbrauchen, können wir noch nicht auf konventionelle Kraftwerke verzichten. SchleswigHolstein ist in Anbetracht der Tatsache, dass wir außer Wind und Sonne begrenzte Rohstoffressourcen besitzen, ein Energieexportland. Der Ausbau der Stromnetze muss erheblich beschleunigt werden. Insgesamt 4.300 km neue Leitungen - sprich: Investitionen von 600 Millionen € jährlich in den nächsten zehn Jahren laut dena-Netzstudie II - sprechen eine deutliche Sprache. Speichertechnologien müssen erforscht werden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Erneuerbare Energien sind noch nicht grundlastfähig. Es gibt noch keine Kapazitäten, die überschüssige Windenergie in großem Umfang speichern können. Außerdem ist die Netzinfrastruktur dafür nicht ausgelegt.

Um beispielsweise Schwankungen bei der Windstromerzeugung europaweit auszugleichen, sind dafür erhebliche Investitionen intelligente Leistungsund Steuerungsnetze erforderlich. Dieses Problem hat verschiedene Aspekte. Überall - das ist leider mit zunehmender Tendenz wahrnehmbar - werden Bürgerinitiativen gegen den Bau von Überlandleitungen gegründet - mit den Grünen vorneweg. Das ist ein Problem, das auch durch Erdkabel nicht gelöst werden kann. Mit zunehmender Tendenz entstehen Bürgerinitiativen gegen Windkraft, bei der Solarenergie lassen sie nicht lange auf sich warten. Wir brauchen viel Geld für Investitionen in Netze und Speichertechnologien.

(Der Abgeordnete Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Herr Matthiessen, Sie können sich setzen, die belehrenden Zwischenfragen lasse ich in diesem Fall nicht zu.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Hans Hinrich Neve [CDU])