Protocol of the Session on September 10, 2010

ken unterstellen mit ihrem Antrag, dass ein international nicht autorisierter Einsatz vorliegt, zum Beispiel am Horn von Afrika. Das impliziert - das muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen -, das wäre ein Einsatz - das wird von den Linken aus dem Grundgesetz abgeleitet -, der das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören droht. Die Bundeswehr als Friedensstörer! Das ist eine unglaubliche Bewertung. So etwas sagt nicht nur irgendwer, sondern ein Abgeordneter des SchleswigHolsteinischen Landtags. Herr Thoroe, das ist unerhört.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die deutschen Marinesoldaten am Horn von Afrika, die zum Schutz humanitärer Hilfslieferungen vor Ort eingesetzt sind, haben diese Diskreditierung wahrlich nicht verdient.

Ich denke, wir sind uns hier im Hohen Haus ganz überwiegend einig, dass unsere Soldaten grundgesetzkonform in anderen Ländern eingesetzt sind, um den Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu führen und dafür zu sorgen, dass die Menschen in diesen Ländern in Sicherheit und Würde leben können.

Die Soldaten der Bundeswehr kämpfen also nicht, wie DIE LINKE in ihrem Antrag unterstellt, für egoistische oder gar nationale Interessen.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Es hat einen merkwürdigen Beigeschmack, wenn der ehemalige Bundespräsident mit einem Zitat, das er selbst als missverständlich ausgelegt sah, hier zur Antragsbegründung herhalten muss.

(Beifall bei FDP, CDU und des Abgeordne- ten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Auswirkungen des Bundeswehreinsatzes auf die Sicherheitslage und Lebensbedingungen der Einheimischen werden in Deutschland mehrheitlich positiv bewertet. Ich füge hinzu: Wir müssen den zivilen Aufbau in vielen Ländern weiter intensiv unterstützen und bestärken. Dafür brauchen wir die Bundeswehr; sie macht die zivile Entwicklung erst möglich.

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, allerdings auch, dass die Unterstützung der Bevölkerung für Auslandseinsätze der Bundeswehr zurückgegangen ist. Daraus nun aber zu folgern oder aus anderen vorgeschobenen Gründen zu fordern, wie es DIE LINKE tut, die Bundeswehr überstürzt abzu

ziehen und die Afghaninnen und Afghanen ihrem Schicksal zu überlassen, das wäre falsch, und das lehnt meine Fraktion nachdrücklich ab. Lieber Kollege Thoroe, ich frage Sie ernsthaft, ob Sie mit Ihrer unredlich begründeten Abzugsforderung vergessen haben, dass in der Folge Frauen vergewaltigt und gesteinigt werden, Kinder, die zur Schule gehen wollen, getötet werden und wir Aktionen der Taliban sehen werden, die ihre politischen Gegner auf den Straßen aufhängen.

Die Zahl der zivilen Opfer würde unendlich viel größer werden, wenn wir unverantwortlicherweise sofort abziehen würden und das Land den Gegnern von Menschenwürde, Menschenrechten und der Zivilisation überlassen würden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir müssen uns eher für ein verantwortbares und realistisches Abzugsszenario einsetzen, das heißt einen sinnvollen, geordneten Weg finden, unser militärisches Engagement zu reduzieren. Die FDPFraktion im Deutschen Bundestag hat den Ansatz der Übergabe der Verantwortung unterstützt.

Bis es soweit ist, haben unsere Soldaten die volle Rückendeckung verdient, auch die Rückendeckung des Schleswig-Holsteinischen Landtags.

(Beifall bei FDP und CDU)

Joachim Gauck, den ich durchaus sehr schätze, hat im Zusammenhang mit seiner BundespräsidentenKandidatur in Berlin Folgendes gesagt - Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -:

„Ich wünsche mir mehr Rückhalt für den Afghanistan-Einsatz, denn er ist aus meiner Sicht richtig und notwendig. … Wir sind dort, weil die Vereinten Nationen in Afghanistan den Kampf gegen den internationalen Terrorismus führen. Verbunden mit dem militärischen Einsatz sorgen die deutschen Soldaten dafür, dass auch die Menschen in Afghanistan in Sicherheit und Würde leben können.“

Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen. Ich möchte das aber noch erweitern.

Herr Abgeordneter, haben Sie Ihre Redezeit im Blick?

(Jens-Uwe Dankert)

(Heiterkeit)

Dann müssen Sie zum Ende kommen.

Dieser Rückhalt gilt nicht nur für Afghanistan, sondern für alle Missionen, wo unsere Soldaten im Einsatz sind. Und diese Rückendeckung - das sage ich deutlich an die Fraktion DIE LINKE gerichtet ist von Ihnen nicht zu erwarten. Vor wenigen Wochen haben Sie, Herr Thoroe, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen mit einer geradezu peinlichen Aktion hier im Landeshaus gezeigt, wie Sie zur Bundeswehr stehen. Meine Kollegin Heike Franzen von der CDU hat dies zu Recht in einer ihrer Reden heftig kritisiert.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ihr Antrag ist auch vor diesem Hintergrund keiner weiteren Betrachtung wert, und deshalb lehnt meine Fraktion ihn ab.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Luise Amtsberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Links-Fraktion, meine Rede sieht ein bisschen anders aus als die vorangegangenen.

Ja, wir müssen darüber diskutieren, ob der Einsatz am Horn von Afrika überhaupt in der Lage ist, die Piraterie nachhaltig zu bekämpfen. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn man sich nicht mit den gesellschaftlichen Ursachen von Piraterie befasst. Wir müssen bei Auslandseinsätzen auch ständig kritisch prüfen, wie sich die Bundeswehr vor Ort verhält. Verstöße gegen das Mandat, gegen das Völkerrecht oder die Charta der Vereinten Nationen sind schlichtweg nicht akzeptabel.

Und, ja, wir müssen auch kritisch sein, selbstverständlich dürfen wir auch kritisieren und hinterfra

gen, welche militärischen Interessen die Europäische Union im Rahmen der europäischen Trainingsmission in Somalia hat. Wir müssen kritisieren, wenn deutsche Soldatinnen und Soldaten in Somalia Menschen ausbilden, von denen wir nicht wissen, ob sie in einer Zeit nach der Übergangsregierung irgendwann zu den Warlords überlaufen werden. Das alles sind Sachen, über die wir nachdenken müssen und mit denen wir uns auch auseinandersetzen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der LINKEN)

Letztlich sind das alles auch Dinge, die wir zu verantworten haben, wenn wir mit der Bundeswehr im Ausland präsent sind. Ob wir das hier im Haus tun müssen, das wurde jetzt ausreichend diskutiert und ist in meinen Augen auch eine andere Frage.

Aber wo, bitte, finden sich all diese Überlegungen, die ich angesprochen habe, eigentlich in Ihrem Antrag wieder? Sie sprechen von durch internationale Organisationen nicht mandatierten Einsätzen. Aber wenn Sie kritisch sind, wo bleibt denn dann zum Beispiel der skeptische Ansatz, der die Frage aufwirft, welche Rolle überhaupt die Vereinten Nationen im internationalen Gefüge und in dieser Frage haben? Wo wird die Frage aufgeworfen, was die unmittelbaren Folgen sind oder nicht sind, wenn wir Afghanistan jetzt verlassen und uns nicht mehr um Hilfslieferungen am Horn von Afrika kümmern?

Es mag sein, dass Ihre Fraktion dazu nichts sagen möchte, weil sie das einfach kategorisch ablehnt. Das darf sie auch, das ist keine Frage. Aber Sie täten gut daran, wenn Sie sich diesen Überlegungen langsam einmal öffnen würden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der FDP)

Ihre Wahlkampfformel „Raus aus Afghanistan“, die ist mir noch sehr präsent. Sie ist Stellvertreterin für eine Pauschalpolitik, die meine Fraktion nicht mittragen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber um doch etwas zum Thema beizusteuern, vielleicht noch ein, zwei Worte zu den Vorstellungen, die die Grünen von einer Außen- und Sicherheitspolitik haben. Ich versuche einfach einmal, unseren Ansatz zu erklären. Für uns ist Sicherheit eine gemeinsame Aufgabe. Wir setzen uns für die Stärkung internationaler Organisationen ein, selbstverständlich dort vornehmlich der der Vereinten

(Jens-Uwe Dankert)

Nationen. Wir arbeiten an einer gemeinsamen Friedens- und Sicherheitspolitik für Europa und begreifen Bedrohungen wie den internationalen Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder die Ressourcenknappheit als eine Aufgabe, die von mehreren Staaten kooperativ, gleichberechtigt und verantwortlich wahrgenommen werden muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Kai Dolgner [SPD])

Das Konzept einer erweiterten Außen- und Sicherheitspolitik, in der es um zivile Konfliktprävention und auch menschliche Sicherheit und den kulturellen und religiösen Dialog geht, ist für uns genauso zentral wie eine vorwärts gedachte Abrüstungspolitik oder eine nachhaltige Entwicklung.

Ja, Sie haben recht, es werden am Horn von Afrika Handelsrouten gesichert, Routen, die überwiegend von Schiffen des World-Food-Programm genutzt werden. Sind das in Ihren Augen tatsächlich wirtschaftliche Interessen? In meinen Augen ist das in erster Linie die Sicherung der Routen für notwendige Hilfslieferungen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW sowie vereinzelt bei SPD und FDP)

Liebe Links-Fraktion, ich bin irgendwie die ganze Zeit den Verdacht nicht losgeworden, dass sich dieser Antrag an uns richtet und an uns adressiert ist. Vielleicht zwei Worte dazu: Ich war noch ein bisschen kleiner als jetzt, als ich sozusagen verstanden habe, dass die Linke - und damit meine ich nicht Sie als Partei - international ist. Ich habe auch erfahren, was linke Solidarität ist und bedeutet. Mit diesen Ideen kann ich mich sehr gut identifizieren. Das, was Sie mit Ihrem Antrag hier jedoch verdeutlichen, ist nichts anderes als kalter Unilateralismus, und deshalb hat er mit linker Solidarität im Prinzip nichts mehr zu tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Wir Grünen haben uns entschlossen, international Verantwortung zu übernehmen. Sie alle wissen, wir hatten immer unsere Bauchschmerzen mit Fragen, die sich damit befassen, insbesondere mit Afghanistan und anderen Themen. Das muss man hier nicht noch einmal erklären. Wir haben uns dazu entschlossen, international Verantwortung zu übernehmen, überall dort, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden, denn in Fragen der Menschenrechte gibt es einfach keine Flügel, es gibt keine

zwei Deutungen, und es gibt auch keinen Rabatt auf Menschenrechte.