Protocol of the Session on September 8, 2010

Denn es sind nicht 1,2 Milliarden € Steuererhöhungen. Wenn man auch hier genau nachliest und sich nicht nur die Tabelle anschaut, sondern auch den ergänzenden Text, finden Sie auf Seite 31 den Hinweis, dass die Regierung davon ausgeht, dass ab dem Jahr 2013 - letzter Absatz, Modell B - die vorgenommene Absenkung der Steuerbasis aus den Jahren 2008 und 2009 wieder aufgeholt wird. Wie aus der Tabelle auf Seite 27 hervorgeht, handelt es sich hierbei für Schleswig-Holstein um rund 400 Millionen €. Das sind die 400 Millionen €, die - wir waren bei 8,5 Milliarden € angelangt - noch zu den 8,9 Milliarden € fehlen, die im Jahr 2020 hier stehen.

Wir brauchen strukturelle Veränderungen von rund 400 Millionen €, mit denen die Entlastungen aus den Jahren 2008/2009 wieder aufgeholt werden. Wenn es in den beiden letzten Jahren möglich war, Steuererleichterungen in dieser Größenordnung zu gewähren, um damit der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken und Wachstumsimpulse zu setzen, ist es sicherlich angemessen und plausibel, nach dem erwarteten Ende der Krise in gleichem Umfang Steuerleichterungen wieder abzubauen. Dann können Sie sich daran ergötzen und daran erfreuen, dass es aus heutiger Sicht Steuererhöhungen sind.

Ich sage Ihnen aber: Wenn der Bürger im Jahr 2017 in dem gleichen Maß steuerlich belastet ist, wie er

es zehn Jahre vorher, im Jahr 2007, nämlich vor der Krise, war, also die steuerliche Belastung im Jahr 2017 genauso hoch ist wie im Jahr 2007, würde ich nicht von Steuererhöhungen spreche. Aber wenn das für Ihre Ideologie notwendig ist, dann tun Sie das. Ich will Sie dann gar nicht davon abhalten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie sehen, Herr Kollege Habeck, Sie haben heute Morgen auf Basis Ihrer eigenen fehlerhaften Berechnungen die moralische Keule geschwungen und uns Unehrlichkeit und Haushaltslüge vorgeworfen. Ich bin jederzeit bereit, inhaltlich über jede einzelne Kürzungsmaßnahme, über Einnahmeverbesserungen zu diskutieren. Aber dass Sie uns hier Unehrlichkeit vorwerfen, dass Sie uns die Ehrlichkeit unserer Absicht absprechen, finde ich unanständig und auch ehrverletzend.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir müssen politisch nicht in jeder einzelnen Detailfrage einer Meinung sein, aber akzeptieren Sie bitte, dass wir das ehrliche, feste Bestreben haben, dieses Land zu konsolidieren, die Neuverschuldung auf null zurückzuführen, und dass wir das nach bestem Wissen und Gewissen ganz seriös tun.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich hoffe, auch dem Kollegen Stegner ist jetzt die Logik der Zahlen verständlich geworden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Legt man diese Steuereinnahmeentwicklung für die nächsten zehn Jahre zugrunde, ergibt sich ganz automatisch der kommunale Finanzausgleich, der prozentual an die Steuereinnahmen des Landes gekoppelt ist. Da ferner durch die Schuldenbremse das verbleibende maximale Schuldenbudget vorgegeben ist, ergibt sich zwangsläufig das bleibende Budget für Zuweisungen und Zuschüsse. Die Finanzplanung zeigt uns wiederum, dass das Budget bis zum Jahr 2020 gegenüber dem heutigen Stand um 720 Millionen € gesenkt werden muss, aber nicht, weil das unser innigster politischer Wunsch oder Wille ist, sondern ganz einfach, weil die Rechnung ansonsten nicht aufgeht und die Vorgaben der Verfassung verfehlt würden.

An dieser Stelle will ich an die Fraktion DIE LINKE nach ihrer heutigen Rede fragen, ob sie sich überhaupt zu diesen Verfassungsvorschriften bekennen, ob sie auf dem Boden unserer Landesverfassung stehen und die Schuldenbremse nach ihren politischen Vorstellungen eingehalten wird.

(Tobias Koch)

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Wir haben nicht zugestimmt! - Weitere Zurufe von der LIN- KEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Grundgesetz gilt für Sie jetzt nicht, weil Sie nicht mitgestimmt haben! Das ist stark!)

- Das interpretiere ich als Nein, Frau Jansen, auf meine Frage, ob Sie die Verfassungsvorschriften nicht anerkennen.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Das ist ein Missverständnis!)

- Ihre heutigen Aussagen lassen anderes vermuten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dem Grundge- setz haben Sie auch nicht zugestimmt!)

Die finanzpolitische Leistung des vorliegenden Entwurfs besteht darin, dass die ersten 270 Millionen € von diesen 720 Millionen € in den ersten beiden Jahren, 2011 und 2012, umgesetzt und exakt benannt werden. Das ist die eigentliche finanzpolitische Leistung. Für die Folgejahre hat die Haushaltsstrukturkommission ebenfalls Vorschläge unterbreitet, und zwar an den Stellen, an denen aufgrund langjähriger Vorlaufzeiten bereits heute politische Entscheidungen zu treffen sind.

Vollkommen abwegig ist es hingegen zu erwarten, dass es bereits heute möglich wäre, jede einzelne Kürzung innerhalb der nächsten zehn Jahre genau zu beziffern. Vielmehr wird des darum gehen, mit jedem weiteren Haushaltsplan die Kürzungsmaßnahmen fortzuschreiben und in dem erforderlichen Umfang umzusetzen.

Wiederum keinerlei Perspektive bietet dagegen die Konklusio der Grünen, die am Ende von Herrn Habeck gezogen wurde und die da lautete, SchleswigHolstein könne die Schuldenbremse nicht aus eigener Kraft umsetzen. Ja, was dann, Herr Habeck? Wenn die Grünen Aufgabenkürzungen in dem erforderlichen Umfang ablehnen und gleichzeitig argumentieren, dass Einnahmeverbesserungen, die über das hinausgehen, was die Landesregierung jetzt einstellen wird, unrealistisch sind - Sie haben mit 70 Milliarden € argumentiert -, wie soll es uns dann gelingen, diese Schuldenbremse einzuhalten? Dann bleibt am Ende nur das, was uns Professor Seitz schon vor mehreren Jahren empfohlen hat, nämlich noch ein bisschen an der Förde spazieren zu gehen und die letzten schönen Jahre zu genießen. Das wäre aber die politische Bankrotterklärung. Mir scheint, die Grünen geben das Ziel einer nachhaltigen Finanzpolitik damit auf, bevor wir diesen Weg auch nur ansatzweise beschritten haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu guter Letzt kommt die Kollegin Heinold zu der Aussage, die Schuldenbremse führe, wie sie jetzt angelegt sei, in den nächsten Jahren zu einer dramatisch hohen Neuverschuldung. Diesen Satz muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Die Schuldenbremse führe zu einer dramatisch hohen Neuverschuldung. Zur Begründung verweist sie dann darauf, dass nach der alten Verschuldungsgrenze, die sich am Investitionsbegriff orientierte, die mittelfristige Finanzplanung bis mindestens 2014 verfassungswidrig sei. Das ist nun aber an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten, Frau Kollegin.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist eine Tatsache!)

- Es ist trotzdem an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten, denn Sie wissen zum einen ganz genau: Es waren die Grünen, die bei der Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung darauf bestanden haben, dass der Investitionsbegriff

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Rauskommt!)

aus der Verfassung gestrichen wird.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Sie haben den Investitionsbegriff gestrichen und argumentieren heute damit. Das nenne ich scheinheilig.

Und zum anderen: Die Schuldenbremse gibt uns lediglich das maximal zulässige Defizit vor. Niemand zwingt uns, dieses maximale Defizit auszuschöpfen. Nicht die Schuldenbremse führt zu einer hohen Neuverschuldung, sondern das, was wir daraus machen. Wenn die Grünen eine geringere Neuverschuldung in den nächsten Jahren erzielen möchten, dann müssen sie einfach weitere Ausgabenkürzungen und Einnahmeverbesserungen im Volumen von einer Milliarde € vorschlagen. Darüber können wir dann diskutieren. Dann erhalten Sie auch die Verschuldungen, wie sie bei Zugrundelegung des Investitionsbegriffes erreicht worden wären.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Nachdem ich mir das alles angesehen habe, bin ich jetzt schon zu dem Ergebnis gelangt, dass es den Grünen an einem schlüssigen Gesamtkonzept mangelt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wer regiert eigentlich?)

(Tobias Koch)

Den Weg, den Sie bisher einzuschlagen versucht haben als seriöse, als konstruktive Opposition, die sich mit in die Verantwortung stellt, haben Sie diese Woche verlassen. Sie agieren hier als reine Oppositionspartei, die nichts anderes macht als Kritikpunkte aneinanderzureihen, um die Landesregierung in ein möglichst schlechtes Licht zu setzen. Eine Lösung präsentieren sie auch nicht.

Mir scheint deshalb, die bevorstehenden Neuwahlen werfen hier bereits ihre Schatten voraus. Ich muss mit Bedauern feststellen, dass sich die Grünen mit ihren Diskussionsbeiträgen in dieser Woche deutlich an die Position von Linken und SPD in der Vergangenheit annähern.

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Dennoch will ich gerne versuchen, hier einen versöhnlichen Abschluss meiner Rede zu finden. Frau Heinold, sehen Sie es als Wertschätzung für Ihre bisherige Arbeit an, dass ich mir so viel Zeit und Mühe gemacht habe, mich mit Ihrer Pressemitteilung auseinanderzusetzen, und meine Redezeit darauf verwendet habe, mich ausschließlich grünen Haushaltsbeiträgen zuzuwenden. Bei den Positionen von SPD und Linken, so wie sie heute hier vorgetragen wurden, erübrigt sich eine weitere Diskussion. Vielleicht können wir Herrn Stegner bei seinem parteiinternen Wettkampf ein wenig helfen, indem wir ihn hier weiter schonen. Denn auch wir drücken die Daumen, dass Sie, Herr Stegner, nächster Spitzenkandidat werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Mitglieder der coop-Genossenschaft! - Seien Sie herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen einen informativen Aufenthalt hier bei uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall)

Jetzt erteile ich das Wort für die FDP-Fraktion der Frau Abgeordneten Katharina Loedige.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Dieses Land hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einem Suchtkranken entwickelt, süchtig nach immer höheren Ausgaben und damit immer mehr Schulden. Mahnende Worte wurden überhört, man gefiel sich in der Rolle des

Wohltatenverteilers. Der Schuldenberg wuchs von 9 Milliarden € im Jahr 1991 auf über 25 Milliarden € im Jahr 2009. Das Land hat auf unverantwortliche Weise Wechsel in Milliardenhöhe zulasten der Zukunft unserer Kinder ausgestellt.

Das süße Gift der Staatsverschuldung wirkt bei der Einnahme berauschend. Es suggeriert uns einen Haushalt fernab der Realität. Doch die Droge „Nettokreditaufnahme“ hat eine langfristig böse Wirkung. Diese können wir an den jährlichen Zinsausgaben ablesen, die derzeit bei einer Milliarde € liegen. Die von allen Parteien in diesem Hause - mit Ausnahme der LINKEN - vereinbarte Schuldenbremse in unserer Landesverfassung zwingt uns zur Umkehr, zwingt dieses süchtige Land zum Entzug, quasi zur Enthaltsamkeit.

Diese Koalition hat sich für den Weg der Umkehr entschlossen. Es wird ein steiniger, unangenehmer Weg sein, doch am Ende können wir unseren Kindern ein modernes, wirtschafts- und wissenschaftsfreundliches Land der Horizonte übergeben.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden uns auf die Kern- und Zukunftsaufgaben im Rahmen unserer finanziellen Handlungsfähigkeit konzentrieren müssen. Alle öffentlichen Leistungen müssen ohne Tabus auf den Prüfstand gestellt werden. Neue Aufgaben sind nur durch strukturelle Mehreinnahmen oder durch Verzicht auf bisherige öffentliche Leistungen finanzierbar.

Die Koalitionsfraktionen haben sich die in der Haushaltsstrukturkommission - die Sie, Herr Habeck, zwar einerseits verteufeln, aber gleichzeitig bedauern Sie, dass wir Sie nicht zur Teilnahme eingeladen haben - erarbeiteten Vorschläge zu eigen gemacht und der Regierung einen gangbaren Weg zur Haushaltskonsolidierung aufgezeigt.

Der vorgelegte Doppelhaushalt und der Finanzplan zeigen uns, dass es möglich ist, unser strukturelles Defizit abzubauen und gleichzeitig die Schwerpunkte dieser Koalition, nämlich Bildung und Wirtschaft, zu fördern und weiterzuentwickeln.