Nun sollen auch noch die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge in Flensburg geschlossen werden, zwar noch nicht in diesem Doppelhaushalt, aber aufgeschoben ist ja noch nicht aufgehoben, wobei ich Ihnen garantiere: Es wird nicht dazu kommen.
Die Universität Flensburg hat sich vor allem im Bereich der Wirtschaftswissenschaften als international anerkannter Universitätsstandort herausgebildet. Die grenzübergreifenden Projekte in diesem Bereich sind für den Norden Schleswig-Holsteins von enormer Bedeutung. Diese zu intensivieren, liegt im Interesse des gesamten Landes und wäre aus bildungspolitischer Perspektive ebenso wie im Hinblick auf die regionalen Entwicklungschancen besonders wünschenswert. Jetzt soll alles plattgemacht werden. Dazu sagen wir Nein.
Auch sonst ist eher Kurzsichtigkeit Prinzip bei der Übergangsregierung. Die Privatisierung der Universitätskliniken ist nicht das einzige Projekt, das diese Regierung bewegt. Darüber hinaus ist geplant, die AKN-Anteile des Landes zu veräußern, die Städtebauförderung herunterzufahren, die Förderung der Tourismusagentur Schleswig-Holstein schrittweise bis Ende 2014 einzustellen. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, was dies für Konsequenzen hat?
Der landeseigene Hafen Friedrichskoog hat nun offensichtlich eine Gnadenfrist bekommen. Wir werden nach den Neuwahlen dafür sorgen, dass diese aberwitzige Kürzung nicht realisiert wird.
- Der Ministerpräsident meinte gerade, wir seien nach den Neuwahlen nicht mehr hier. Ich weiß , wer nach den Neuwahlen nicht mehr hier sitzt: Das werden Sie sein. Da bin ich mir ganz sicher.
Die Innovationsstiftung Schleswig-Holstein wird aufgelöst, und ihr Vermögen soweit möglich dem Landeshaushalt zugeführt. Das alles wird massive Folgen für die Einnahmen des Landes haben, denn sie werden massiv sinken. Sie fahren zum Beispiel die Etatansätze für die Städtebauförderung herunter, das Gleiche bei der Wohnraumförderung. So schaffen Sie in Schleswig-Holstein keine Arbeitsplätze, sie produzieren Arbeitslose und dadurch nur weitere Steuerausfälle.
Auch die Kürzungen bei Verbänden und Vereinen in der Wohlfahrtspflege sind ein Rückschritt in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Im Einzelnen sind von den Kürzungsplänen beispielsweise die Familienbildungsstätten betroffen, 2011 und 2012 mit jeweils 15%, und zwar so, dass Veranstaltungsgebühren massiv erhöht werden müssen. Dies wird dazu führen, dass sich viele von den 80.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern dies nicht mehr leisten können. Das kommt als Bumerang zurück. Heute wurden diese ja schon vor dem Landtag verteilt, wenn Sie denn rechtzeitig da waren.
Die fast 1.000 Selbsthilfegruppen in SchleswigHolstein, die über die Finanzierung von Kontaktstellen, Räumen, professionelle Begleitung, Supervisionspersonal und Zuschüssen nach dem Sozialvertrag I unterstützt werden, müssen bluten. Hier zu kürzen, ist mehr als kurzsichtig.
Die Selbsthilfeorganisationen sind für viele Mitglieder Anlaufstelle, sie sind Hilfe beim Stabilhalten, zum Beispiel der Abstinenz, sie sind Problemlöser, in mannigfaltiger Hinsicht sind sie auch Wahlfamilie. Die öffentliche Unterstützung finanziert im Grunde nur die Infrastruktur für diese Organisationen, damit sie existieren können. Die Kos
ten in diesem Bereich werden explodieren, wenn die Leute, anstatt in die Selbsthilfegruppe zu gehen, an stationäre Einrichtungen verwiesen würden oder krank und verwirrt auf der Suche nach Hilfe sich selbst überlassen bleiben. Das gilt übrigens auch für die Aidshilfe und für die Krebshilfe.
Am heftigsten trifft es - ich habe schon darauf hingewiesen - wie immer die Frauen. Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen werden Ihre Unterstützung und Ihre Beratungsangebote reduzieren müssen. Die Einschnitte sind mit 500.000 € substanziell. Die Auslastung der Lübecker Frauenhäuser ist sehr hoch. Hier zu kürzen, hier zu streichen, zeigt nur eins, es zeigt, wessen Geistes Kind Sie sind.
Die Migrationsund Sozialarbeit, aktuell mit 1,5 Millionen € gefördert, ist überaus sinnvoll und ökonomisch so rentierlich wie Steuereinnahmen zu fördern. Sie soll bis 2012 sogar um fast 600.000 € gekürzt werden. Dies hätte Thilo Sarrazin nicht besser machen können.
Extrem fällt die Kürzung im gesamten Kultur-, Bibliotheks-, Musikschul- und Filmförderungsbereich aus. Ungefähr die Hälfte der bisherigen Förderung soll zukünftig wegfallen. Das ist im Einzelnen nicht wirklich viel Geld, aber für die Betroffenen doch eine Existenzbedrohung. Die Kürzung für das Schleswig-Holstein Musik Festival, das Streichen der Jazz Baltica, das Verscherbeln von Salzau sind unverzeihlich, ungerecht und kurzsichtig. Haben Sie schon einmal die Wirkung außerhalb von Schleswig-Holstein thematisiert?
Das SHMF und die Jazz Baltica sind Sympathieträger für Schleswig-Holstein, auch im Ausland. Die Einnahmen, die dort für das Land generiert werden, sind weitaus höher als die Ausgaben.
Diese Politik, bei der Kultur in der Breite zu sparen, passt in ein Konzept der Eliteförderung, wie sie die schwarz-gelbe Minderheitsregierung für ihre eigene Klientel betreibt. Kultur soll nur noch für die da sein, die es sich leisten können. Der Rest soll doch bitteschön RTL schauen.
Im Gesundheitsbereich wird das Landesblindengeld für Erwachsene auf 200 € monatlich gesenkt. 200 €! Die Förderung von 17 Millionen € wird auf 7,7 Millionen € reduziert. Auch hier fallen nachgeordnete Kosten für die Blindenhilfe an. Zusätzlich entstehen Kosten für die Bürokratie. 200 €, das
wirft das Land Schleswig-Holstein auf die letzte Position im Länderranking beim Blindengeld zurück. An erster Stelle steht immerhin noch NRW mit über 600 €. An vorletzter Stelle liegt Thüringen mit 220 €. Soweit zu Ihrem Benchmarking, das Sie immer wieder anführen. Sie „Benchmarken“ nach unten, in den Abgrund.
Im Landwirtschaftsbereich wird die Förderung des ökologischen Landbaus eingestellt. Die Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung wird reduziert. Die Zuschüsse für Maßnahmen der zielgruppenspezifischen Fort- und Weiterbildung im Bereich der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft werden ab 2011 gestrichen. Das Freiwillige Ökologische Jahr - wir haben hierüber schon öfter geredet - wird auf ein Angebot von 139 vom Land finanzierten Plätze reduziert. Für die Ökobauer sind die Kürzungen katastrophal. Biolandbau ist eine Investition in die Zukunft, in die Zukunft unserer Kinder. Es leistet positive Beiträge zum Klima-, Wasser- und Bodenschutz. Es wird so sein, das Schleswig-Holstein das einzige Bundesland ist, das hier nicht mehr fördert. Nehmen Sie nie wieder das Wort Benchmarking in den Mund, Herr Minister!
Allein von Bioland gibt es in Deutschland 520 Betriebe mit circa 5.000 Arbeitsplätzen. Ich prognostiziere Ihnen, dass bis zu 50 % der Bauern diese Kürzungen nicht verkraften werden - und das vor dem Hintergrund wachsender Nachfrage nach den Produkten aus der Region. Na dann herzlichen Glückwunsch!
Zur Schuldenbremse. Das alles wird dann auch noch mit der Schuldenbremse begründet, der leider alle Fraktionen außer die der LINKEN zugestimmt haben. Ich frage mich übrigens - gerade auch nach dem Redebeitrag von Herrn Dr. Habeck -; das frage ich mich auch zusammen mit Herrn Kubicki -, warum die Grünen damals dieser Schuldenbremse zustimmt haben, obwohl sie gleichwohl wussten, dass sie aus eigener Kraft diese Schuldenbremse gar nicht werden erfüllen können?
Sie haben also sozusagen schon im Vorfeld für den Verfassungsbruch gestimmt? Das müssen Sie bitte hier doch noch einmal erklären.
Die ganze Schuldenbremse ist ein Schildbürgerstreich. Das wissen wir inzwischen. Wir hatten eine Grenze für die Schuldenaufnahme. Die Einnahmen aus Krediten durften die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Jetzt haben wir die Schuldenbremse, und es gibt ein paradoxes Resultat. Nach altem Recht wäre der jetzige Haushaltsentwurf verfassungswidrig, und Sie wären gezwungen, nach weiteren Steuereinnahmen Ausschau zu halten, Herr Minister, oder nach weiteren Kürzungen - das hätten Sie wahrscheinlich eher gemacht. Jetzt können Sie munter die Verschuldung über die Investition steigern. Im Übrigen fahren Sie auch die Investitionen massiv zurück. Insgesamt nimmt der Anteil von 2009 bis 2012 um fast 2 % beziehungsweise 300 Millionen € ab. Da haben Sie ja noch einmal Glück gehabt, denn die Schuldenbremse erlaubt in den nächsten Jahren verfassungsrechtlich abgesichert eine höhere Schuldenaufnahme. Das böse Erwachen kommt erst in den nächsten Haushalten, vor allem ab 2015. Aber dann sind Sie ja nicht mehr an der Regierung, und wir müssen die Suppe, beziehungsweise die jetzige Opposition muss die Suppe auslöffeln.
Übrigens: Bisher gibt es offenbar ein paar Unsicherheiten bezüglich der Höhe des strukturellen Defizits unseres Bundeslandes. Da gibt es mindestens drei Zahlen. Die von Herrn Wiegard ist eine andere als die von Herrn Professor Deubel und die vom Stabilitätsrat. Da gibt es locker noch einmal eine Differenz von 10 %. Das macht ja nichts, das sind nur noch einmal 100 Millionen €. Aber darauf kommt es offensichtlich hier nicht an. Es wird immer wieder nach dem Prinzip Pi mal Daumen gerechnet, statt die vier Grundrechenarten zu bemühen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, wie auf wundersame Weise über Nacht die Kosten für das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr von 35 Millionen € auf 26 Millionen € gesunken sind. Sie machen Ihre Finanzpolitik offenbar so, wie Sie Ihre Wahlgesetze machen.
Noch einmal kurz zu den Ursachen der Verschuldung. Es wird von der Übergangsregierung immer wieder angeführt - auch Herr von Boetticher predigt das Tag ein Tag aus -, dass sich auf der Einnahmenseite nichts machen lasse und dass das Problem die Ausgabenseite sei. Hier müsse gekürzt werden.
Ich möchte „zart“ auf folgende wenige Tatsachen hinweisen: Der doch sehr heftige Anstieg der Verschuldung hängt erheblich mit den deutlichen Rückgängen der Steuereinnahmen des Landes im Jahr 2002 um immerhin 4,5 %, im Jahre 2004 um immerhin 5,9 %, im Jahr 2008 um 6,7 % und im Jahr 2010 voraussichtlich um 7,5 % zusammen. So stieg die Nettokreditaufnahme in Schleswig-Holstein 2002 nach dem Platzen der Internetblase um 85 %. 2005 stieg die Nettokreditaufnahme als Folge der Steuersenkungen für Großunternehmen um 88,4 %. 2009 stieg die Nettokreditaufnahme in Schleswig-Holstein als Folge der Finanzkrise um 98,4 %. Die Steuersenkungen der Bundesregierung der letzten drei Jahre führen zu Mindereinnahmen von 400 Millionen € - allein in 2010. Als Besonderheit Schleswig-Holsteins ist dann auch noch die gescheiterte Privatisierung der Landesbank zu nennen. Der Versuch, die öffentlichen Haushalte zu kürzen, wird das Land weiter in die Schuldenfalle treiben und es für die nächsten Crashs anfälliger machen.
Für uns, für die Linke, steht der Mensch im Mittelpunkt. Wir wollen - gerade auch in der Krise einen Schutzschirm für die Menschen in unserem Land.
Als Gegenentwurf zu Ihren Vorstellungen wollen wir die Fähigkeit der öffentlichen Hände zum wirtschaftlichen Handeln stärken. Dies beginnt mit der Ausbildung von Fachleuten in der Gemeinwirtschaft und führt weiter zur Förderung der Fähigkeit der Kommunen, die bedeutenden Grundlagen der Daseinsvorsorge wieder selbst zu bewirtschaften.
Privatisierungen sind zurückzunehmen, Rekommunalisierung einzuleiten. Sprechen Sie einmal mit Herrn Albig darüber, was zurzeit bei den teilprivatisierten Kieler Stadtwerken los ist.
Wir brauchen eine Verstärkung der öffentlichen Investitionen, die der Vermögensbildung des Landes dienen, die Ausbildung stärken und zugleich die Attraktivität Schleswig-Holsteins steigern.