Protocol of the Session on July 8, 2010

Wir und insbesondere Sie, werte Kolleginnen, müssen uns dafür einsetzen, diese Verpflichtung aus dem Grundgesetz zu verwirklichen und endlich alte Strukturen mit gesetzlicher Hilfe aufzubrechen.

Wir unterstützen den Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW.

Ich möchte noch einen Satz sagen: Wünsche gehören für mich zu Weihnachten und Ostern, aber nicht zur Frauenpolitik.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Frau Abgeordneter Silke Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein gleichberechtigter Anteil von Frauen und Männern in den Vorstandsetagen, Professorenzimmern und Ministerbüros - das ist wirklich ein wichtiges Ziel. Dazu muss ein Maßnahmenbündel umgesetzt werden. Ich nehme hier trotzdem nur zu einem Aspekt des Antrags Stellung, da fünf Minuten Redezeit für alle Aspekte nicht ausreichend sind.

„Nichts ist so entscheidend für den Anstieg des Frauenanteils wie dieser selbst“, sagt Professor Dr. Christiane Nüsslein-Volhard. Sie muss es wissen, denn sie erhielt 1995 den Medizin-Nobelpreis für ihre Forschungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung. Professorinnen sind

nicht nur Vorbilder für Studentinnen, sondern unterstützen diese auch als Mentorinnen. Je mehr Frauen in einem Bereich tätig sind, desto mehr folgen ihnen. Dass dann aus einem hohen Frauenanteil eine gleichmäßige Verteilung über alle Hierarchiestufen wird, stellt aber immer noch viele Organisationen vor eine große Herausforderung. Regelmäßig scheitern sie genau daran.

(Unruhe)

Je größer eine Organisation beziehungsweise ein Betrieb ist, desto geringer der Anteil der Frauen in den Führungsetagen. Beispielhaft seien hier die Universitäten genannt, denen die Frauen im Karriereverlauf regelrecht verloren gehen: Kontinuierlich sinkt ihr Anteil bei Promotionen bis zur Habilitation, bis es dann bei den Stellenberufungen für Professorinnen ganz dünn wird. Chefärztin in einem Krankenhaus zu sein, ist leider immer noch so exotisch wie studierende Frauen zu Sauerbruchs Zeiten.

(Vereinzelter Beifall)

Das ist wirklich ein Armutszeugnis für die deutsche Wissenschaftslandschaft. Die Universitäten verfehlen regelmäßig ihre selbst gesteckten Gleichstellungsziele. Auch die Wirtschaft und die Politik verfehlen diese. Ich freue mich, dass neben Ministerin Rumpf auch die restliche Regierung anwesend ist, sodass Sie hierzu später Stellung nehmen oder an Gender Mainstreaming denken können.

(Unruhe)

Vor allem die Männer argumentierten, dass doch alles Mögliche in die Wege geleitet sei, aber die Frauen einfach nicht bereit seien, sich in die Mühlen der Verantwortung zu begeben, sondern lieber das private Glück genießen wollten. Dann kam die Wirtschaftskrise. Jedem wurde klar, dass dafür die Zockerjungs der Banken verantwortlich sind. Die Diskussionsrunden im Fernsehen überschlugen sich: Hätten es die Frauen besser gemacht?

(Anhaltende Unruhe)

Tatsache ist, dass nach einer aktuellen DIW-Untersuchung in keinem der 162 untersuchten Unternehmen des Finanzsektors eine Frau den Vorstandsvorsitz innehat.

Wir befinden uns also mitten in der Heldendämmerung. Auf einen Schlag spielen inhaltliche Gründe für die Förderung von Frauen eine Rolle. Nicht nur der Verband deutscher Unternehmerinnen sagt: Mit mehr Frauen in den Topetagen wäre die Krise niemals so schlimm geworden.

(Ranka Prante)

(Anhaltende Unruhe)

Die Unternehmen ziehen Konsequenzen und tun etwas - meine Kolleginnen haben es schon genannt -, nämlich als Erstes das Dax-Unternehmen Deutsche Telekom.

Doch das ist nicht ausreichend. Der Staat muss klare Vorgaben machen, und das geht. Dies zeigt Norwegen, wo 2006 eine gesetzliche Frauenquote von 40 % für Aufsichtsräte großer Unternehmen eingeführt wurde und seit 2008 verbindlich ist. In den Niederlanden wurde im Jahre 2009 vom Parlament eine Frauenquote von 30 % für Aufsichtsräte sowie für Vorstände beschlossen. Auch in Frankreich und Spanien sind gesetzliche Quotenregelungen beschlossen worden beziehungsweise in Kraft getreten. Jetzt ist endlich Deutschland dran.

Die Justizminister werden sicherlich einen entsprechenden Vorschlag ausarbeiten, da bin ich sehr zuversichtlich. Denn gerade im Justizdienst konnte in den letzten Jahren der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich erhöht werden, was auch den Strukturen gutgetan hat. Aber es wird schon jetzt hinter der Hand zum Teil beklagt, dass Richterinnen langsam die Überhand bekämen. Da wäre es doch gut, wieder einmal an die Gleichstellung zu denken, und dieses Mal wieder an die Männer. Das fängt immer dann an, wenn der Frauenanteil höher wird. Ich finde das wirklich unglaublich.

(Anhaltende Unruhe)

Der SSW unterstützt deshalb ausdrücklich die sanktionsfähige Quotenregelung. Wir hoffen, dass Frauen und Männer innerhalb der nächsten fünf Jahre gleichberechtigt in den Vorständen vertreten sein werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zu Frau Funke. Ich muss ehrlich sagen, bei Ihrem Redebeitrag war ich etwas schockiert. Schön, dass Sie Familienarbeit und Frauen immer wieder zusammenbinden. Schön wäre es gewesen, wenn Sie über Kinder sprechen und gesagt hätten: Auch die Männer in den Vorstandsetagen sollten auf die Familienarbeit eingestellt und bereit sein, sich wirklich um ihre Kinder zu kümmern und nicht zu sagen: Wir haben abends leider eine Sitzung, geht nicht.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

In vielen anderen Ländern ist das so. Ich kann mich noch erinnern, wofür ich vor 30 Jahren auf die Stra

ße gegangen bin. Das Bild, das Sie vermittelt haben, war es eindeutig nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Loedige [FDP])

Ich bin nicht für die Familienarbeit auf die Straße gegangen, ich bin dafür eingetreten, dass ich und alle anderen Frauen gleiche Chancen haben, das bedeutet, auch in den Hierarchiestufen aufsteigen zu können und nicht immer dort unten bleiben zu müssen unter Hinweis darauf: Ich muss ja noch Familienarbeit leisten.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich nun Frau Abgeordneter Serpil Midyatli das Wort.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich persönlich kann das nicht so stehen lassen. Es ist unglaublich! Haben Sie Ihre Rede vorher gelesen, bevor Sie sie hier gehalten haben?

(Beifall der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])

Ich finde Ihren Vergleich mit den afrikanischen Frauen unglaublich, unter welchen Bedingungen die Frauen dort ihre Arbeit leisten und dass sie es dennoch schaffen voranzukommen, trotz der gesundheitlichen Probleme, obwohl sie in Slums wohnen und oftmals keinen Ehemann haben, von dem sie Unterstützung bekommen, hier zu sagen: Die afrikanischen Frauen schaffen das doch auch, dann sollten das die deutschen Frauen doch auch schaffen!

Ich habe auch nicht verstanden: Sind deutsche Frauen ungebildeter, dass sie das nicht von allein schaffen? Sind deutsche Frauen nicht durchsetzungsfähiger, dass sie das von allein schaffen? Was sollte dieser Vergleich? Ich habe ihn - ehrlich gesagt - nicht verstanden.

Ich finde es unglaublich, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Wenn das die südafrikanischen Frauen schaffen, dann müssen das die deutschen Frauen doch auch von allein schaffen.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kirstin Funke?

(Silke Hinrichsen)

Ja, natürlich gern.

Ich habe eine Verständnisfrage. Auf welchen Teil meiner Rede beziehen Sie sich?

- Dass keine Regelungen -

Frau Abgeordnete, Frau Funke hat ihre Frage noch nicht beendet.

In welchem Teil meiner Rede habe ich behauptet, dass südafrikanische Frauen es besser machen als deutsche Frauen, um in Aufsichtsräte zu kommen?

(Zurufe)

Sie haben doch selbst gesagt, dass es in Südafrika keine gesetzlichen Regelungen gibt, dass die auf Platz sechs sind, dass Beschäftigung, Arbeit und Einkommen und, und, und. Für mich ist es so, dass Sie hier Deutschland mit Südafrika vergleichen. Ich saß da oben und habe Ihrer Rede vom Anfang bis zum Ende zugehört. Wir können das hier jetzt nicht weiter diskutieren; meine drei Minuten sind gleich rum; wir können das gern draußen noch einmal machen. Ich finde das trotzdem unverschämt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Frauen werden in diesem Land benachteiligt. Alleinerziehende Frauen werden in diesem Land benachteiligt. Frauen machen bessere Arbeit, arbeiten länger, haben bessere Bildungsabschlüsse und kriegen trotzdem nicht das gleiche Gehalt. Es ist eine Unverschämtheit, dass Sie sich hier hinstellen und behaupten: Man muss nur wollen, dann kann man das auch.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Noch einen Satz dazu: Als Frau wird man in diesem Land benachteiligt, als alleinerziehende Frau auch. Als Frau mit Migrationshintergrund wird man in diesem Land auch benachteiligt. Sie glauben gar nicht, wie oft ich in komischen Sprachen angesprochen werde, weil davon ausgegangen wird - nur weil meine Haare dunkel sind -, dass ich sowieso kein Deutsch kann, oder ich angesprochen werde: Das ist ja unglaublich, dass Ihnen Ihr Mann so etwas erlaubt!