Protocol of the Session on July 8, 2010

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft ist gnadenlos gescheitert. Ich wiederhole: gnadenlos gescheitert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wer etwas anderes behauptet, verkennt die Realität. Um den Anteil an Frauen in Führungspositionen zu steigern, streben die Konferenzen der Gleichstellungs- und Justizministerinnen und -minister jetzt eine gesetzliche Regelung an. Die Justizministerinnen- und -ministerkonferenz hat sogar eine Arbeitsgruppe gebildet, um Worten Taten folgen zu lassen. Schade, dass Schleswig-Holstein darin nicht vertreten ist. Das hätten wir Grüne uns anders gewünscht. Wir hatten Justizminister Schmalfuß im Vorwege der Konferenz aufgefordert, sich der Hamburger Initiative für eine gesetzliche Quotenregelung anzuschließen. Die Chance ist vertan, obwohl Sie, lieber Herr Minister Schmalfuß, bei Ihrer Vorstellung im Ausschuss bewiesen haben, dass Sie als junger Familienvater Akzente für eine moderne Gesellschaftspolitik gesetzt haben.

Wir reden vom demografischen Wandel, aber wo sind die Konsequenzen? Wir Grüne wollen nicht

nur reden, wir wollen Konzepte sehen, und wir wollen handeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Fachkräftemangel steht nicht mehr vor der Tür, wie manche immer noch glauben, er ist schon längst eingetreten. Einige wenige Firmen haben das begriffen und legen großen Wert auf transparente Vergütungsstrukturen und eine konsequente Förderung von Frauen. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Telekom macht es vor und hat eine verbindliche Frauenquote eingerichtet. Das zeigt, dass Frauen in Führungspositionen im ureigensten Interesse der Firmen sind. Die Telekom begründet diese Quote übrigens nicht mit sozialem Engagement, sondern mit dem Fachkräftemangel. Gleichstellungspolitik, moderne Gesellschaftspolitik und Wirtschaftspolitik unter einen Hut zu bringen, das ist die Herausforderung in einer älter werdenden Gesellschaft.

Wir müssen das Potenzial von hoch qualifizierten Frauen besser nutzen. Das Beispiel Norwegen zeigt, dass es funktionieren kann. Im weltweiten Vergleich zur Gleichstellung belegt Norwegen Spitzenplätze. Erreicht wurde dies in den vergangenen 30 Jahren mit einem umfassenden System aus Quoten und aktiver Förderung. Die Firmen müssen eine Frauenquote bei Führungspositionen erreichen, und sie haben es alle geschafft. Wir in Schleswig-Holstein können viel von Norwegen und Skandinavien lernen. Daher freue ich mich, dass wir unseren Antrag gemeinsam mit dem SSW stellen. Die FDP wird sicherlich sagen: Wir brauchen keine Quote! Aber wo ist denn Ihr alternativer Vorschlag? In deutschen Großunternehmen lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten 2007 bei mageren 7,8 %. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt. Die FDP will sich hiermit zufriedengeben. Wir Grüne tun das nicht - und die LINKEN auch nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Die Vorschläge von CDU-Familienministerin Schröder zur Förderung von Frauen in der Führungsebene von Unternehmen sind viel zu kurz gedacht. Frauen stellen mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Warum soll da eine Quote von 20 % angesetzt werden?

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

Es geht auch anders. Die Gruppe der Frauen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert ebenfalls eine verbindliche Frauenquote. Wir Grüne begrüßen sie herzlich in der parteiübergreifenden Fraktion derjenigen, die sich für Gleichstellung im Sinne einer modernen Gesellschaftspolitik einsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Ihnen unser Antrag zu ehrgeizig ist, dann stellen Sie uns doch Ihr Konzept zur Gleichstellungspolitik vor.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Freiwillige Vereinbarungen und schöne Versprechen reichen nicht aus. Das Ziel der Gleichstellung ist noch nicht erreicht. Wir sollten uns in Schleswig-Holstein auf den Weg machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag ist wirklich sehr interessant. Zum einen befasst er sich mit dem Bundesrecht, insbesondere mit dem deutschen Aktienrecht und der Zusammensetzung von Aufsichtsräten. Zum anderen befasst er sich mit dem Landesrecht, dem Landesgleichstellungsgesetz, dem Landeshochschulgesetz und der Kommunalverfassung. Beginnen wir mit der Bundesebene.

Die jüngsten Ergebnisse der 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder, die Ende Juni stattgefunden hat, lassen aufhorchen. Natürlich begrüßen wir die Aussage, dass die Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen der Wirtschaft wünschenswert ist. Passend dazu haben sich jüngst die Unionsfrauen im Bundestag positioniert. Ich habe sehr viel Sympathie für ihre Forderung nach einer 30-prozentigen Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen verbunden mit dem langfristigen Ziel, dass sich der jeweilige Anteil von Frauen und Männern in der Bevölkerung auch in Führungspositionen widerspiegelt.

Ich glaube, dass ohne Frauen kein Unternehmen langfristig geführt werden kann. Frauen sind mindestens genauso gute Chefinnen, wie Männer Chefs sind.

(Beifall bei der CDU)

Über den erfolgreichen Weg zu diesem Ziel lässt sich diskutieren. Wir sollten jedoch nicht den letzten Schritt der Sanktionierung vor dem ersten Schritt machen. Zunächst sollte es eine schärfere Transparenz- und Berichtspflicht geben, die die Unternehmen verpflichtet, dieses wichtige Thema nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Jährliche Berichte sollen den Fortschritt der angemessenen Beteiligung von Frauen in Führung dokumentieren.

Falls es trotz dieser Bemühungen mittelfristig nicht gelingt, das Potenzial der Frauen zu nutzen, hieße das, vorhandene Ressourcen zu vergeuden.

Wir halten es für besser, wenn sich die Wirtschaft selbst dazu verpflichtet, Ziele für die Zusammensetzung der Aufsichtsräte konkret zu definieren und zu veröffentlichen. Wir müssen den Unternehmen eine angemessene Zeit lassen, um die eigenen Pläne umsetzen zu können.

Jedoch sollten wir nicht zu lange mit dieser Freiwilligkeit warten. Die Vergangenheit hat dies gezeigt. Sollte sich bis 2015 keine deutliche Verbesserung der Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen ergeben haben, müssen wir über eine gesetzliche Regelung nachdenken. Das von den Unionsfrauen vorgeschlagene dreistufige Vorgehen wäre jetzt schon eine denkbare Möglichkeit der Umsetzung.

Das bedeutet konkret, dass in einer ersten Stufe bis zum Jahresende eine transparente und selbstverpflichtende Berichtspflicht gesetzlich auf den Weg gebracht wird, die - in einer zweiten Stufe - einen mindestens 30-prozentigen Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten bis zum Jahr 2014 vorsieht. In einer dritten Stufe hieße das für die Unternehmen, dass bei einem Nichterreichen der 30-prozentigen Quote eine gesetzliche Verpflichtung zum Erreichen dieses Anteils bis 2018 besteht.

Die Forderung der Grünen - und jetzt auch des SSW - nach einer sofortigen sanktionsfähigen 50-prozentigen Quotierungsregelung im deutschen Aktiengesetz halten wir für überzogen. Diese Forderung übertrifft selbst die norwegische Regelung, die nur eine 40-prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten vorschreibt.

Nun zu den weiteren im vorliegenden Antrag enthaltenen Forderungen. Im vorherigen Gleichstellungsbericht der Landesregierung wurde sehr deutlich, dass der Anteil von Frauen im mittleren und gehobenen Dienst auf mehr als die Hälfte angestiegen ist. Die Erfolge der aufgestellten und praktizierten Frauenförderpläne sind offenkundig. Selbst im höheren Dienst, in den B-Besoldungsstu

(Dr. Marret Bohn)

fen steigt der Frauenanteil wenn auch langsam, aber stetig an. Bei konsequenter Anwendung des Landesgleichstellungsgesetzes sehen wir keinen weiteren Handlungsbedarf.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Frau Kollegin, Sie haben gerade das Modell der Unionsfrauen dargestellt. Können wir darauf hoffen, dass Sie das auch als Änderungsantrag in den Landtag einbringen? Das wäre doch ein erster guter Schritt.

Das ist keine schlechte Idee. Wir sollten aber erst einmal im Ausschuss darüber diskutieren. Dann werden wir sehen, ob wir noch einen eigenen Antrag auf den Weg bringen. Wir befinden uns aber in einer Koalition und müssen das deshalb mit unserem Partner besprechen. Dann werden Sie Weiteres sehen.

(Beifall bei der CDU)

Chancengleichheit und Gleichstellung sind die definierten Ziele der Beschäftigten des Landes und der Landesbehörden.

Keinen akuten Handlungsbedarf sehen wir für eine Initiative zu gesetzlichen und verpflichtenden Gleichstellungsmaßnahmen in der Privatwirtschaft. Es liegt an den Unternehmen selbst, die angebotenen und empfohlenen Initiativen beherzt aufzugreifen und die Bereitschaft zur Änderung im Unternehmensinteresse und gleichzeitig im Interesse der Frauen anzugehen. Wer die deutsche Wirtschaft stärken und im internationalen Wettbewerb bestehen will, fördert von sich aus Frauen und ermöglicht ihnen den Zugang zu Führungspositionen.

Lassen Sie uns im zuständigen Ausschuss weiter darüber diskutieren. Ich bin gespannt.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gleichstellung der Geschlechter kann - und dies belegen auch internationale Erfahrungen - nur erreicht werden, wenn die politisch Verantwortlichen nicht nur reden, Resolutionen verfassen oder bitten, sondern auch gesetzliche Grundlagen schaffen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Entsprechende positive Erfahrungen haben wir in Schleswig-Holstein mit dem Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst gemacht. Es bleibt aber festzuhalten: Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor gravierend benachteiligt. Frauen besetzen weitaus häufiger als Männer Arbeitsplätze, die unsicher sind. Die sogenannten Minijobs sind das eklatanteste Beispiel.

Das erzielte Einkommen ist nicht existenzsichernd. Auch in normalen Arbeitsverhältnissen erzielen Frauen im Durchschnitt ein um ein Viertel geringeres Einkommen als Männer. Außerdem ist ihr Anteil bei Führungspositionen viel zu gering.

Die Gleichstellungsministerkonferenz hat kürzlich darüber diskutiert, dringenden Handlungsbedarf gesehen und war sich einig, dass eine gesetzliche Mindestregelung zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten deutscher Unternehmen erforderlich ist. Gut so. Warten wir ab, was konkret folgt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, sich auf Bundesebene aktiv für Quotierungsregelungen einzusetzen. Das Warten auf die Erfüllung von Selbstverpflichtungen in privaten Unternehmen muss ein Ende haben.

Nach einer neuen Befragung des Heidelberger Forschungsinstituts Sinus Sociovision bezweifeln mehr als zwei Drittel der weiblichen und männlichen Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft, dass das Ziel, mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen, von alleine erreicht wird. Die befragten Managerinnen und Manager wünschen sich unterstützende Maßnahmen von Politik und Unternehmen sowie einen gesellschaftlichen Bewusstseinsund Rollenwandel.