Protocol of the Session on July 8, 2010

Nach der Landtagswahl verharrte die Landesregierung in Regungslosigkeit, aber eine Gruppe wurde gebildet. Auf diese wurde auch immer verwiesen. Über die bestimmten Qualifikationen möchte ich an dieser Stelle dann doch nichts sagen. Offenkundig wurde aber ein Auftrag erteilt. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag von CDU und FDP.

An dieser Stelle wird es dann schon etwas undurchsichtig. Erteilte die Landesregierung den Auftrag an einzelne Kabinettsmitglieder oder erteilten die Fraktionen Aufträge an einzelne Abgeordnete? Legislative, Exekutive - man weiß es nicht genau. Dieses Durcheinander war schon heute Morgen Gegenstand der Erörterung. Diskussionen fanden in einem kleinen Kreis unter Ausschluss weiter Teile des Parlaments statt.

Bei Wikipedia ist nachzulesen, der Begriff der Kommission sei weitgehend synonym zum Begriff

des Ausschusses zu verwenden. Als reguläre Organe des Parlaments haben wir eine Reihe von Ausschüssen. In diesen Ausschüssen fand aber keinerlei Beratung statt. Der Wikipedia-Eintrag ist insoweit zu korrigieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Stattdessen trugen Ministerien Zahlen zusammen. Hintergrundpapiere wurden erstellt und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen angestellt. Ich merke gerade, dass ich vom Idealfall rede. Genau genommen kann ich gar nicht wissen, welche Daten zusammengestellt wurden. Die Haushaltsstrukturkommissare machten sich darüber her und erarbeiteten einen Kürzungskatalog.

Diesen wiederum machte sich die Regierung zu eigen. Die eigenen Fraktionen hatten umfangreiche 90 Minuten Zeit, diese Vorschläge ausführlich zu diskutieren und die dahinterstehenden Analysen zu bewerten.

(Olaf Schulze [SPD]: Jetzt wissen wir, warum keine Gegenstimmen kamen!)

Wir hatten in der vergangenen Tagung die zweifelhafte Freude, im Rahmen der Regierungserklärung die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen. Seitdem ziehen Mitglieder der CDU-Fraktion durch das Land und preisen den sogenannten Baukasten an, aus dem man beliebig mal das eine und mal das andere Klötzchen herausnehmen könne - man gibt sich offen -, wenn nur ein anderes Klötzchen eingetauscht würde. Das Problem ist nur, dass niemand weiß, wie groß die einzelnen Teile dieses Baukastens sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zahlen werden nicht vorgelegt. Negative Effekte einzelner Maßnahmen werden nicht beziffert. Soweit die Haushaltsstrukturkommission.

Apropos Struktur. Unter Struktur versteht man die Art und Weise, wie die Elemente eines Systems aufeinander bezogen sind, sodass das System entstehen und sich erhalten kann. Davon ist diese technokratische Aneinanderreihung von Maßnahmen weit entfernt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ganz im Gegenteil, Strukturen werden ignoriert auch in ihren finanziellen Wirkungen - und damit zerstört. Wenn CDU und FDP eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Vorschlägen erwarten, dann müssen endlich auch die Zahlen auf den

(Tobias Koch)

Tisch. Die Regierung verhandelt zurzeit mit dem Bund über die Ausgestaltung des Konsolidierungspfades bis zum Jahr 2020. Das Parlament ist bisher nicht informiert. Da helfen auch nicht Verweise auf den Haushaltsentwurf 2011/2012. Deshalb geht der Antrag von CDU und FDP in die falsche Richtung. Wir wollen die Zahlen jetzt und natürlich auch nicht nur die Zahlen, die dem Haushaltsentwurf zugrunde liegen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Regierung hat Papiere erarbeitet und diese einigen wenigen Abgeordneten zur Verfügung gestellt. Dieses Parlament hat aber nicht Mitglieder erster und zweiter Klasse.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der CDU, ich bin schon sehr verwundert, dass Sie so etwas mit sich machen lassen - durch Ihre Kommissare.

An dieser Stelle noch ein Hinweis zum Schluss. „Der Kommissar“ war eine den meisten sicherlich bekannte Fernsehserie, die auch nach Einführung des Farbfernsehens weiterhin in schwarz-weiß produziert wurde.

(Heiterkeit bei der SPD)

Die zweite Folge hatte den Titel: „Das Messer im Geldschrank“. Die siebte Folge hieß: „Keiner hört den Schuss“.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Katharina Loedige das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Antrag der Grünen möchte ich zunächst folgenden Punkt klarstellen: Fraktionshandlungen sind von Regierungshandlungen deutlich zu trennen.

(Beifall bei der FDP und demonstrativer Bei- fall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schließlich kann auch ich nicht Einsicht in interne Vermerke der Opposition beanspruchen, obwohl

es mich brennend interessiert, wie Sie tatsächlich zu unseren Konsolidierungsbemühungen stehen. Nach außen stelle ich nur Polemik und Populismus fest. Vielleicht ist vielen von Ihnen erst jetzt die Konsequenz der Schuldenbremse deutlich geworden, die Sie mit beschossen haben.

(Zuruf von der SPD: Haben wir nicht!)

Nun zu dem Antrag. Der von Ihnen erwähnte Artikel 23 der Landesverfassung erlaubt auch die Ablehnung eines Aktenvorlagebegehrens. Die Regierungstätigkeit kann vor einer übermäßigen funktionsgefährdenden Kontrolle durch das Parlament geschützt werden.

(Zurufe von der SPD)

Danach hat das parlamentarische Informationsinteresse zurückzustehen, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigt werden.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold zu?

Nein, jetzt rede ich. Frau Heinold kann nachher noch reden. - Es wäre im Übrigen gut, wenn Sie mir auch zuhören würden.

Dieser auch so bezeichnete Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung schließt ausdrücklich den Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein, zu dem die Willensbildung der Regierung selbst sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinettsund Ressortentscheidungen gehört.

(Beifall bei der FDP)

Dass die Regierungsfraktionen indes auf höhere Unterstützung durch die Ministerialbürokratie zugreifen können, ist dem parlamentarischen System nicht fremd. Das wissen auch SPD und Grüne, und zwar am besten aus eigenen Regierungszeiten. Nicht zuletzt deswegen werden die Oppositionsfraktionen finanziell und strukturell besser ausgestattet als Regierungsfraktionen, und zwar durch den sogenannten Oppositionszuschlag.

Hierzu zitiere ich den Kommentar zu Artikel 12 der Verfassung des Landes Schleswig-Holsteins vom Lorenz-von-Stein-Institut:

„So rechtfertigt das Recht auf Chancengleichheit bei der finanziellen Ausstattung

(Birgit Herdejürgen)

der Fraktionen aus Steuermitteln eine materielle Besserstellung der Oppositionsfraktionen. Demgemäß gewährt § 6 Absatz 2 FraktionsG für Fraktionen, die nicht die Landesregierung tragen, einen besonderen Oppositionszuschlag als Kompensation der für die Oppositionsfraktionen bestehenden Nachteile in der Öffentlichkeitsarbeit und der Informationsbeschaffung.“

Würde es immer eine strikte Trennung zwischen Parlament und Regierung geben und alle Fraktionen den grundsätzlichen Anspruch auf eine grundsätzliche Gleichbehandlung haben, so gäbe es für diese finanzielle Extraausstattung keine Grundlage mehr. Auch darüber müssen Sie nachdenken, wenn Sie entsprechende Anträge stellen. Das wäre dann auch eine mögliche Konsequenz.

Die Haushaltsstrukturkommission war notwendig, um in Ruhe und intensiv nach Möglichkeiten für Strukturveränderungen im Landeshaushalt zu suchen. Wir haben uns dabei jedes einzelne Ministerium genau angesehen. Dabei haben wir uns alle Vorschläge und Ideen angehört, und zwar ohne Tabus und Denkverbote. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber wir haben viele Ideen auch verworfen. Sie haben keinen Eingang in die vorgelegten Ergebnisse dieser Haushaltsstrukturkommission gefunden. Hätten Beratungen im Zuge der parlamentarischen Arbeit stattgefunden, wäre die Einigung auf ein solches Papier unmöglich gewesen. Das wissen Sie selbst.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Vorschläge und Ideen wären innerhalb des Landtags und in der Öffentlichkeit zerredet worden. Die einzig verbleibende Alternative wäre eine Kürzung nach der Rasenmähermethode gewesen. Diese hätte jedoch gravierende Folgen und Konsequenzen gehabt. Um dem zuvorzukommen, haben sich die Regierungsfraktionen auf die Einrichtung einer Haushaltsstrukturkommission geeinigt.

Übrigens kann die Einrichtung einer solchen Kommission gar nicht so negativ sein, wenn man bedenkt, dass andere Bundesländer unserer Idee jetzt nacheifern werden.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das tun sie schon! Im Saarland!)

Mir ist Ihr Interesse an den Dokumenten verständlich und nachvollziehbar. Deshalb haben wir Ihren Antrag nicht nur zur Kenntnis genommen, nein, sondern aufgenommen, dass dem Finanzausschuss

mit der Zuleitung des Haushaltsentwurfs 2011/ 2012 sowie der mittelfristigen Finanzplanung die für die Entscheidung der Landesregierung maßgeblichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP] - Werner Kalinka [CDU]: Dem Landtag, Frau Kollegin!)