Protocol of the Session on July 8, 2010

(Zuruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Außerdem ist das auch eine Wettbewerbsverzerrung. Wenn ich mir vorstelle, dass gerade Schleswig-Holstein mit seinen landwirtschaftlichen Produkten in Deutschland eine Randlage hat und seine Hauptabsatzmärkte in Westdeutschland liegen, dann ist das natürlich eine zusätzliche finanzielle

(Günther Hildebrand)

Belastung, die möglicherweise unsere Betriebe hier in Schleswig-Holstein nicht ohne Weiteres tragen können.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher, den vorliegenden Änderungsantrag mit der Aufforderung zu einem mündlichen Bericht im zuständigen Umwelt- und Agrarausschuss anzunehmen, damit wir im Ausschuss nach der entsprechenden Information über mögliche erforderliche Änderungen beraten können. Ich bitte darum, dass der Antrag des SSW in den Ausschuss überwiesen wird und wir das dann gemeinsam dort behandeln können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der letzte Beitrag hat deutlich gemacht, auch dieses Thema ist ein wichtiges Thema im Bereich der Verwaltungsstrukturreform. Wir müssten uns über einige Kosten hier nicht unterhalten, wenn die letzte und auch die jetzige Regierung bei diesem Punkt bis heute nicht dermaßen geschnarcht und versagt hätten.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Widerspruch bei CDU und FDP)

In der vergangenen Woche hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen den sogenannten Verbraucherschutzindex veröffentlicht. Dabei wird die Verbraucherschutzpolitik der Bundesländer vergleichend bewertet. Wie bereits im letzten Bericht aus dem Jahr 2008 hat Schleswig-Holstein - heute oder besser morgen ist der Tag der Noten - sehr schlechte Noten bekommen und schneidet im Vergleich der 16 Bundesländern am schlechtesten ab. Das sollte Anlass dazu geben, den Verbraucherschutz auch bei der Bewertung hier bei uns im Land genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich muss anerkennen, dass das jetzt in einem Haus konzentriert bearbeitet wird. Von daher ist das eine Perspektive für Verbesserungen. Gerechterweise muss man auch hinzufügen, nicht alles ist schlecht. In dem Bericht werden auch einige Punkte für SchleswigHolstein als besonders positiv hervorgehoben.

Die Lebensmittelüberwachung ist ein zentraler Bestandteil des Verbraucherschutzes. Sie gehört zu den Bereichen, bei denen bei uns anscheinend Nachbesserungsbedarf besteht, denn in dem Index landet Schleswig-Holstei auf dem 13. Platz.

Der Landesrechnungshof hat im Mai 2010 seinen Bericht vorgestellt und darin der Lebensmittelüberwachung - das haben Sie heute schon gehört - im Grunde nicht klar bescheinigt, dass sie nach den gesetzlichen Vorgaben vorgeht und das EU-Recht entsprechend umsetzt. So können wir das dort lesen.

Der Vorschlag des SSW weist deshalb grundsätzlich in die richtige Richtung: Er zeigt Möglichkeiten auf, wie effektivere Kontrollen sichergestellt werden können, ohne öffentliche Haushalte zusätzlich zu belasten. Dies hat der Landesrechnungshof so ebenfalls vorgeschlagen.

Wir sind jedoch der Meinung, wir sollten den Vorschlag erst einmal im Rahmen der Beratungen im Ausschuss prüfen, um mögliche Folgewirkungen zu analysieren. Ich denke, es ist wichtig, dort auch eine breite Anhörung durchzuführen, um die Akteure mitzunehmen und darzustellen, wie es laufen könnte. Wir sollten bei den Vorschlägen nicht nur bei einem Modell stehen bleiben, sondern auch für verbesserte Wirksamkeit und Kontrollen andere Modelle mit ins Auge fassen, auch bei den Themen Kosteneffizienz oder faire Kostenverteilung.

Es muss geklärt werden, wie verhindert werden kann, dass kleinere Unternehmen der Lebensmittelbranche, wie handwerkliche Verarbeitungsbetriebe oder kleine Läden mit Frischsortiment, von einer Änderung der Gebührenordnung stärker wirtschaftlich getroffen werden.

Das Überwachungs- und Kontrollsystem darf in der Umsetzung der Vielfalt der örtlichen Lebensmittelerzeugung, -verarbeitung und dem Lebensmittelhandel nicht entgegenstehen. Dies ist - ich denke, das ist wichtig im Auge zu behalten - auch Ziel des EU-Hygienepakets der verschiedenen Maßnahmen, die dort in den letzten Jahren gekommen sind. Es ist schwierig für die örtlichen Dienststellen in den Kreisen und im Land, dieses Recht umzusetzen.

Auf keinen Fall darf eine Änderung der Gebührenordnung die weitere Konzentration im Lebensmittelbereich befördern. Große Betriebe mit mehr Umsatz müssten daher entsprechend stärker in einem System belastet werden.

(Günther Hildebrand)

Eine weitere Frage wäre, wie die Gebühren so ausgestaltet werden können, dass sie eine steuernde Wirkung entfalten. Sie haben bereits gesagt, die jetzige Gebührenordnung gibt es schon her. So könnte man zusätzlich bei beanstandeten Proben die Nachkontrollen entsprechend höher finanziell belasten, um nur einige Punkte zu nennen.

Wir müssen aber auch berücksichtigen, dass vereinzelt sehr kritische Strukturen in den zu kontrollierenden Unternehmen herrschen - wenn ich das einmal vorsichtig formulieren darf. Hier hilft im Grunde nur das Vier-Augen-Prinzip, klare Linie, und letztlich ist die Gebührenordnung da nur ein Teil der Rechtsumsetzung.

Eine weitere sehr effektive und kostengünstige Möglichkeit, den Verbraucherschutz in der Lebensmittelwirtschaft zu verbessern, ist die Veröffentlichung von Kontrollergebnissen. Der Bericht des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sagt dazu:

„Neben der Information und Beratung der Verbraucher kommt es zunehmend darauf an, eine öffentliche Steuerung über die Veröffentlichung von Erkenntnissen behördlicher Überwachungsmaßnahmen zu erzielen.“

Um auf das Argument von Frau Sassen einzugehen - sie ist nicht hier -: Das geht auch, ohne Unternehmen bei einmaligen ersten Auffälligkeiten gleich an den Pranger zu stellen.

Um weiteren einen positiven Ansatz zu bringen: Im Berliner Bezirk Pankow wird das sogenannte Smiley-Projekt hervorgehoben. Dort werden Betriebe im gastronomischen Bereich, die sich durch hohe Standards besonders hervortun, ausgezeichnet. Ein ähnliches System gibt es in Dänemark, um noch ein positives Beispiel nachzufügen.

Wir sollten offensiv in die Ausschussberatung hineingehen, um Effizienz zu erzielen, um Kosten zu sparen. Das ist letztlich gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie wollen eine schnelle, sichere Information beim Einkauf und nicht erst auf die Ergebnisse von irgendwelchen Recherchen warten müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Frau Abgeordneter Ellen Streitbörger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ratten, Schimmel, tote Insekten, mit Rost bedeckte Laderäume, tonnenweise ungenießbares Fleisch, das sich auf dem Weg zum Verbraucher befindet. Immer wieder gibt es Medienberichte über Gammelfleischskandale, die harte Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz publik machen.

Wir können nicht akzeptieren, dass aus Profitgier einige schwarze Schafe in der Lebensmittelbranche die Gesundheit der Verbraucher leichtfertig aufs Spiel setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass es diese Fälle gibt und dass die moralische Verantwortung, dem Kunden einwandfreie Ware zu verkaufen, dem umsatzorientierten Denken gewichen ist, ist skandalös. Deshalb müssen wir für die Endverbraucher einen ausreichenden Schutz gewährleisten, einen Schutz, der den Verkauf von ungenießbaren und gesundheitsschädigenden Lebensmitteln nicht zulässt.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Eine kostendeckende Gebühr für die Lebensmittelüberwachung, wie sie im Antrag des SSW vorgeschlagen wird, bedeutet, dass alle Betriebe von zusätzlichen Kosten betroffen wären. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Betriebe großen Wert auf den Verkauf einwandfreier Waren legen oder nicht. Wieso sollten aber Betriebe, die ihre Aufgabe ernst nehmen und die einwandfreie Waren anbieten, durch die Kosten für die Lebensmittelüberwachung belastet werden?

(Günther Hildebrand [FDP]: Das wissen wir auch nicht!)

Wenn diese Betriebe durch zusätzliche Kosten bestraft werden, ist klar, was passiert: Die Betriebe werden die Kosten durch die Kontrolle kompensieren, indem sie sie an den Endverbraucher weitergeben. Es würde sich eine Umwälzung der Kosten ergeben, die sich letztlich in höheren Lebensmittelpreisen wiederfinden wird.

Was die Forderung betrifft, die Häufigkeit der amtlichen Kontrollen auf Risikobasis zu erhöhen, können wir dem Antrag des SSW nur zustimmen. Nur durch amtliche Kontrollen kann langfristig ein angemessener Schutz des Verbrauchers gewährleistet werden.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

(Bernd Voß)

Wir werden nicht akzeptieren, dass aufgrund des Sparkurses der Landesregierung Lebensmittelkontrollen eingeschränkt werden. Wir wollen keine Gefährdung der Verbraucher.

Aber wie kann eine höhere Frequenz der Kontrollen erreicht werden, ohne die Betriebe zu belasten, die bemüht sind, die Qualitätsstandards ihrer Waren einzuhalten? Wir befürchten, dass es rechtlich nicht möglich ist, aber es wäre konsequent und gerecht, wenn den beanstandeten Unternehmen nicht nur die einfachen Kosten für die Lebensmittelkontrolle auferlegt würden, sondern ein Vielfaches der entstandenen Kosten zusätzlich zu den ohnehin zu entrichtenden Strafzahlungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gleiche gilt für Nachfolgekontrollen aufgrund von festgestellten Verstößen. So könnte ein großer Anteil der Kosten für Kontrollen makelloser Betriebe gedeckt werden. Zusätzlich hätte jeder Betrieb das Interesse, ohne Beanstandungen und die daraus resultierenden gravierenden Kosten zu produzieren. Eine quantitativ und qualitativ hochwertige Kontrolle muss im Interesse der Verbraucher garantiert sein. Hierfür dürfen aber nicht pauschal alle Betriebe zur Kasse gebeten werden.

Im Bericht des Landesrechnungshofs wird immer wieder auf die unzureichende Ahndung beanstandeter Betriebe hingewiesen. So heißt es:

„Einige Veterinärämter sahen davon ab, Ordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld zu ahnden.“

Weiter wird in dem Bericht auf die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Veterinärämtern und dem Landeslabor hingewiesen.

„Das führe dazu, dass Befunde beanstandeter Proben verspätet den Veterinärämtern zugingen. Die Beanstandungen würden dann nicht zu Konsequenzen für die Betriebe führen.“

Ganz offensichtlich gibt es da noch große Defizite in den strukturellen Voraussetzungen für die umfassenden Kontrollen. Bevor es dafür aber keine Lösungsvorschläge gibt, darf die finanzielle Last nicht pauschal allen Betrieben aufgeladen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern eine gerechte Lösung, die anstandslos geführte Betriebe entlastet und mangelhafte Unternehmertätigkeiten in der Lebensmittelbranche finanziell deutlich stärker zur Rechenschaft zieht. Denn letztlich ist es deren verantwortungsloses Handeln, das die Kontrollen notwendig macht.

Auf der Tribüne begrüße ich jetzt Schülerinnen und Schüler des Kaiser-Karl-Gymnasiums aus Itzehoe mit ihren Lehrerinnen und Lehrern und Soldaten des 7. Spezialpionierbataillons 164 aus Husum. Seien Sie uns herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag, und haben Sie lebhafte Eindrücke!