Protocol of the Session on July 8, 2010

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich nun der Frau Abgeordneten Kirstin Funke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf des SSW zur Einführung eines Bibliotheksgesetzes ist ein erster Versuch, eine einheitliche gesetzliche Regelung für die unterschiedlichen Bibliotheken Schleswig-Holsteins zu finden.

Ob es das Lesen oder das Vorlesen ist: Nach der Studie „Vorlesen im Kinderalltag“ ist es fundamentaler Bildungsimpuls für lebenslanges Lernen. Es formt nicht nur neuronale Strukturen für Lernkompetenz, sondern es fördert ebenfalls die Sprach- und Ausdrucksfähigkeit. So ist es begrüßenswert, dass der Minister für Bildung und Kultur in diesem Jahr die Schirmherrschaft für das Projekt „Ferien-LeseClub“ übernommen hat, das in der kommenden Woche, rechtzeitig zu Beginn der Sommerferien, in 46 Kinder- und Jugendbüchereien startet - ein Projekt, das den Lesespaß von Kindern und Jugendlichen fördert, indem es bei geprüfter unterschiedlicher Lektüre am Ende der Ferien einen Preis zu gewinnen gibt. Das Projekt endet mit einem Zertifikat, das sogar bei Vorlage für das kommende Schuljahr dem Schüler einen Vorteil im Zeugnis bringt.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, über die Notwendigkeit eines Bibliotheksgesetzes wurde hier im Hohen Haus schon oft debattiert. Das Büchereiwesen hat in der Landesverfassung in Artikel 9 Abs. 3 seine Grundlage gefunden und seine Zuständigkeitsverteilung von Land, Gemeinden und Gemeindeverbänden erfahren. In Zeiten leerer Haushaltskassen auf Gemeinde- und Landesebene ist es wichtig, dieses Thema wieder aufzugreifen - gerade unter dem Aspekt, dass für alle Parteien ein verbindliches Regelungswerk gefunden wird, um diese kulturellen Bildungsstätten eigener Art für die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes zu erhalten.

So sehr ich diesen Vorstoß des SSW begrüße, so gibt es doch einige Punkte, die meiner Meinung nach diskussionswürdig sind, die ich nicht in dieser Form mittragen kann. Darüber wird natürlich im

laufenden Verfahren zu sprechen sein. Besonders erwähnen möchte ich hier folgende Punkte:

Zum einen folgt aus § 17 in Verbindung mit § 18 des Gesetzentwurfs, dass alle Bibliotheken des Landes Mitglied des Büchereivereins sein müssen. Da bisher nicht alle Bibliotheken Mitglied im Büchereiverein sind und für sich eine eigene Regelung mit der zuständigen Gemeinde beziehungsweise Stadt gefunden haben, wären sie gezwungen, dem Verein beizutreten. Solch eine implizierte Zwangsmitgliedschaft steht nicht im Verhältnis zum Erhalt der Bibliotheken.

Des Weiteren möchte ich den Punkt der kostenfreien Nutzung öffentlicher Bibliotheken in § 5 Abs. 3 ansprechen. Die bisherige Regelung, dass die Bibliotheken in ihren Satzungen eine Nutzungsgebühr erheben und ebenfalls dort eine Ermäßigungsstaffel für Schüler, Studenten, Familien und Arbeitslose einführen können, erlaubt schon heute jedem Bürger und jeder Bürgerin eine Teilhabe an der Nutzung einer Bibliothek. Die Nutzungsgebühr ist in der Regel sehr moderat gestaltet, sodass eine grundsätzliche Kostenfreiheit für die Nutzung einer öffentlichen Bibliothek die öffentlichen Kassen in einem nicht unerheblichen Maß belasten würde.

Ein weiterer Punkt wäre die in den §§ 26 und 27 geforderte Berichts- und Evaluationspflicht. Sie haben es schon angesprochen. Dies bedeutet einen immensen Verwaltungsaufwand durch die Hinzuziehung der unterschiedlichen Ressorts. Aufgrund der Vielfalt der Bibliotheken und der Forderung, die Öffentlichkeit mit einzubeziehen, scheint es fraglich, ob die zu erwartenden Daten den gewünschten Mehrwert enthalten.

Dies wären vonseiten der FDP-Fraktion die ersten Anhaltspunkte für eine folgende Diskussion im Ausschuss, auf die ich mich heute schon freue.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun die Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Bibliotheken fördern die Kompetenz, sich selbstständig den Zugang zu Informationen in allen medialen Formen zu beschaffen. … Die deutschen Bibliotheken und zwar alle, von der hochspezialisierten

(Hans Müller)

Forschungsbibliothek bis zur kleinen Stadtteilbibliothek - sind ein unverzichtbares Fundament in unserer Wissens- und Informationsgesellschaft. Die öffentlichen Bibliotheken sind weder ein Luxus, auf den wir verzichten könnten, noch eine Last, die wir aus der Vergangenheit mitschleppen: sie sind ein Pfund, mit dem wir wuchern müssen.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das kommt nicht von mir. Das ist ein Zitat vom ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dies können wohl die meisten von uns in diesem Haus unterschreiben.

(Zuruf des Abgeordneten Heinz-Werner Je- zewski [DIE LINKE])

- Ich habe es nicht angekündigt. Das war ein Fehler von mir.

Dennoch befinden wir uns in der Situation, dass Mittel für Bibliotheken reduziert werden, teilweise sogar über Schließungen von Büchereien nachgedacht wird. Die finanzielle Situation der Kommunen ist miserabel. Dazu hatten wir gerade gestern eine ausführliche Aussprache. Den Kommunen wie auch Kreisen und Land fehlt das Geld für eine ausreichende Finanzierung. Dabei fällt es den Kommunen nicht leicht, die Zuschüsse zurückzuschrauben, sind sie sich doch der Bedeutung von Büchereien als wichtigem Teil der Kultur- und Bildungsinfrastruktur bewusst. Wir Grüne sehen den Stellenwert übrigens genauso.

Bei der zukünftigen Ausgestaltung des Bibliothekwesens ist es uns wichtig, zu klären, wie wir die Verankerung der Bibliotheken im Bildungsbereich stärken können, zu klären, wie die Verbindung von Schule und Bibliotheken gelingen kann. In Tornesch beispielsweise ist die Stadtbücherei an die Schule angebaut. Die Schülerinnen und Schüler können während der Unterrichtsstunden zum Recherchieren dort hingehen oder Bücher ausleihen und werden so an die selbstverständliche Nutzung der Bibliothek herangeführt. Außerdem übernimmt die Bücherei die Verwaltung der Schulbücher. Ich finde diese Kooperation sehr gelungen. Wir müssen überlegen, ob und wie dies übertragbar ist und wie solche Kooperationen unterstützt und weiterentwickelt werden können.

Eine weitere Frage, die zu klären sein wird, ist die des Pflichtbeitritts aller Kommunen zum Büchereiverein, wie es der Gesetzentwurf ja vorschlägt. Auf den ersten Blick finde ich den Ansatz gelungen. Er

wäre ein Baustein auf dem Weg, die Kommunen geschlossen an die Beteiligung von Infrastrukturkosten der größeren Gemeinden und Städte heranzuführen. Der Unterhalt von Einrichtungen, die von allen genutzt werden können, muss auch auf viele Schultern verteilt werden. Aber ist das umsetzbar? Greift da nicht das Konnexitätsprinzip?

Und wie gehen wir mit den nicht staatlichen Büchereien um? In welcher Form nehmen wir sie mit in ein Bibliotheksgesetz auf? Wie sieht die Zukunft der Fahrbüchereien aus? Sind sie in Zeiten von großer Medienvielfalt und Internet noch zeitgemäß und in diesem Umfang nötig? Müssen auch sie weiterentwickelt werden?

Gut und, soweit ich es erkenne, unstrittig ist der Passus zur Ablieferungspflicht von elektronischen Medien. Dort besteht Handlungsbedarf.

Bibliotheken finanziell besser auszustatten und ihren Bedarf zu sichern, und das mit Blick auf die klammen Haushalte der Träger, das ist ein wichtiger Punkt. Auch über die Möglichkeit verstärkter Kooperationen müssen wir in diesem Zusammenhang natürlich diskutieren.

Unserer Ansicht nach hilft ein Bibliotheksgesetz allein nicht, dies zu tun. Es ist unbedingt notwendig, dass wir die Träger der Büchereien in die finanzielle Lage versetzen, ihre Aufgabe auch wahrnehmen zu können. Sonst entsteht eine Situation wie beim Archivgesetz, wo die Kommunen und Kreise zwar gesetzlich verpflichtet sind, ein Archiv zu haben, aber mehr als 30 % der Kommunen gar keines unterhalten.

Abschließend eine allgemeine Bemerkung zum Gesetzentwurf. Ich finde ihn - ich habe ja noch nicht so viele gesehen - handwerklich sehr gut gemacht. Er hat ausführliche einführende Vorbemerkungen und eine sehr gute ausführliche Begründung zum Schluss. Dort wurden viele meiner Fragen, die ich beim Lesen des Gesetzentwurfs hatte, beantwortet. Sie erleichterte das Verständnis und unsere Recherchearbeit enorm. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE hat nun der Herr Abgeordnete Heinz-Werner Jezewski das Wort.

(Ines Strehlau)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist fast alles gesagt. Ich werde es nicht wiederholen, sondern versuchen, die restlichen Punkte herauszupicken.

Die Geschichte des Bibliothekwesens in SchleswigHolstein ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen, zumindest bis jetzt. Es steht zu befürchten, dass unter dem wahnsinnigen Druck des Sparzwangs diese Erfolgsgeschichte in allzu naher Zukunft beendet werden wird. Wenn hier also, wie schon geschehen, finanzielle Argumente gegen dieses Gesetz angeführt werden, dann sollten sich all diejenigen einmal an die Nase fassen, die vor wenigen Wochen in diesem Hause so begeistert die Hand gehoben haben, als es um die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Landesverfassung ging.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir danken dem SSW ausdrücklich für diesen Gesetzentwurf. Er beinhaltet die grundlegenden und wichtigen Forderungen der betroffenen Fachverbände, er stellt die Zukunft der Bibliotheken im Land unter Berücksichtigung der spezifischen Zustände in Schleswig-Holstein sicher, und er weist den Weg zum Ausbau des Bibliothekswesens mit klaren Regelungen zu dessen Finanzierung.

Dass die kleinste Fraktion in diesem Haus vollbracht hat, was mehrere Landesregierungen nicht auf die Reihe bekommen haben, sagt einiges darüber aus, wie dieses Land seit Jahren regiert wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will elf Punkte aufführen, die nach Ansicht der LINKEN für ein Bibliotheksgesetz unter den speziellen Bedingungen Schleswig-Holsteins unerlässlich sind.

Erstens. Die Regelungen dürfen nicht allein für öffentliche, das heißt in Verantwortung von Land und Kommunen betriebene Bibliotheken gelten. Sie müssen auch die Bibliotheken der Minderheiten umfassen.

Zweitens. Die Bibliotheken dürfen in ihrer fachlichen Arbeit nicht mehr reguliert werden als unbedingt notwendig.

Drittens. Das Bibliothekswesen hat bei der Erhaltung und der Pflege des kulturellen Gedächtnisses unseres Landes mitzuwirken.

Viertens. Die Versorgung mit Internetzugängen und neuen Medien sowie die Anleitung der Nutzer dieser Medien ist originäre Bibliotheksaufgabe.

Fünftens. Wo in der Fläche der regelmäßige Zugang zu Bibliotheken nicht für Jede und für Jeden gewährleistet ist, müssen fahrbare Angebote bereitgehalten werden.

Sechstens. Bibliotheken müssen Angebote für Kinder und Jugendliche vorhalten und an der Leseförderung sowie bei der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz mitwirken.

Siebtens. Bibliotheken müssen für Menschen mit Behinderung frei erreichbar sein und spezielle Angebote für diese vorhalten.

Achtens. Die besondere Problematik wissenschaftlicher sowie Schul- und Hochschulbibliotheken muss berücksichtigt werden.

Neuntens. Bibliotheken müssen finanzielle Planungssicherheit unabhängig von wechselnden Mehrheiten in Entscheidungsgremien ihrer Träger erhalten.

Zehntens. Bibliotheken müssen von gut ausgebildetem und angemessen bezahltem Personal betrieben werden.

Elftens. Bibliotheken müssen in die Lage versetzt werden, ihre Angebote für die Nutzerinnen und Nutzer kostenfrei anzubieten.