Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung. Herr Abgeordneter Carsten-Peter Brodersen von der FDP ist weiter erkrankt und damit entschuldigt. Ich wünsche ihm von dieser Stelle aus gute Besserung.
Entschuldigt nach § 47 Abs. 2 der Geschäftsordnung ist Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen. Am Nachmittag sind von der Landesregierung beurlaubt Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, Minister Dr. Heiner Garg und Minister Emil Schmalfuß.
Begrüßen Sie bitte mit mir Schülerinnen und Schüler des Marion-Dönhoff-Gymnasiums aus Mölln. Herzlich willkommen!
Den für gestern vorgesehenen Tagesordnungspunkt 33, Frauen in Führung, haben wir in die heutige Tagesordnung eingeordnet. Ich verlese zur Sicherheit noch einmal die Reihenfolge der heutigen Beratungen: Wir beraten als Erstes den Tagesordnungspunkt 31, Mittelstandsoffensive, dann die Tagesordnungspunkte 5, 11, 22 und 40 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes, 33, Frauen in Führung, 28, Kostendeckende Gebühren zur Lebensmittelüberwachung einführen, 34, Sicherungsverwahrung, und 35, Europäische Richtlinie zum Gebrauch der Muttersprache im Strafverfahren rasch umsetzen.
Daraus ergibt sich, dass wir zeitlich in Bedrängnis geraten. Ich würde mich freuen, wenn sich die Parlamentarischen Geschäftsführer im Laufe des Vormittags verständigen könnten, ob wir an der Tagesordnung noch etwas verändern.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob dieser Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! CDU und FDP waren sich in den Koalitionsverhandlungen im Herbst vergangenen Jahres sehr schnell einig: Angesichts der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise und der angespannten Haushaltslage ist wirtschaftliches Wachstum wichtig, um Arbeitsplätze zu schaffen und Beschäftigung zu sichern. Wir haben vereinbart, die Attraktivität des Standorts Schleswig-Holstein mit einer „Offensive für Wachstum und Beschäftigung in Mittelstand und Handwerk“ zu stärken. Wir nennen es „Mittelstandsoffensive“, kurz und bündig, weil wir etwas für die Unternehmerinnen und Unternehmer tun wollen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft sind und die mit hohem persönlichen Einsatz für Wachstum und Beschäftigung sorgen. Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein ist auch immer Mittelstandspolitik.
Im Dialog mit den anderen Ministerien, mit Kammern, mit Verbänden und Gewerkschaften haben wir einen Masterplan mit 66 Einzelpositionen erstellt. Dieser Zukunftsplan bündelt und fokussiert bewährte Elemente, zeigt aber auch neue Wege und Möglichkeiten auf.
Lassen Sie mich etwas zum Begriff „Masterplan“ sagen. Das ist ja einer dieser neudeutschen Begriffe, die immer wieder verwendet werden. Er besagt aber, dass das nicht ein Gutachten ist, ein statisches Paket, das einmal auf den Tisch gelegt wird und zu dem gesagt wird: Das ist jetzt der Mittelstand. Das bedeutet vielmehr Arbeitsaufträge, das bedeutet klare Zeitpläne, in denen bestimmte Themen abgearbeitet werden sollen. Dieser Masterplan atmet, er atmet für den Mittelstand und ist deshalb etwas, was fortgeschrieben werden muss.
Dies ist eine Mittelstandsoffensive, die keine neuen und zusätzlichen Mittel und Fördermittel braucht. Vor einigen Jahren hätten wir vielleicht noch eine Mittelstandsoffensive auf den Weg gebracht, wo wir erst einmal ein neues Förderprogramm aufgelegt hätten, und dann hätten wir gesagt: Das ist die neue Mittelstandspolitik. Darum geht es heute nicht mehr, sondern es geht darum, die Rahmenbedingungen so zu definieren, dass der Mittelstand optimale Bedingungen in Schleswig-Holstein findet. Das ist nicht immer gleichbedeutend damit, dass man Probleme mit Geld bewirft, sondern das ist
Dieser Zukunftsplan, dieser Masterplan ist in fünf Schwerpunkte gegliedert, welche die Hauptfelder des wirtschaftspolitischen Aktionsradius abdecken. Das sind Förderung, Finanzierung und Beratung, der Bereich Innovation und Technologie, das Thema Fachkräfte für morgen, das Thema Infrastruktur und rechtlicher Rahmen und das Thema wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Hamburg.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kursorisch einige der neuen Maßnahen auflisten, die im Masterplan enthalten sind, und lassen Sie mich mit dem Punkt anfangen, von dem ich glaube, dass es dort den größten Handlungsbedarf gibt, weil es gegenwärtig - nicht auf lange Sicht, aber gegenwärtig - das Wichtigste für die kleinen und mittleren Betriebe in Schleswig-Holstein ist, das ist das Thema Finanzierung.
Die Finanzierungskrise hat aus Auswirkungen auf die Kreditvergabe für den Mittelstand gehabt. Einige nennen es „Kreditklemme“; so weit würde ich nicht gehen. Ich glaube nicht, dass wir eine allgemeine Kreditklemme haben. Ich glaube, dass wir von Branche zu Branche und von Region zu Region unterschiedlich für einige und nicht sehr wenige Unternehmen die Situation haben, dass diese Unternehmen heute kein Geld von den Banken bekommen, was sie vor zwei Jahren bekommen hätten. Ich glaube, dass wir gerade für diese kleinen Betriebe ein passgenaues Angebot schneidern müssen.
Wir wissen, dass es das Angebot der KfW gibt, wir wissen aber auch, dass das Angebot der KfW aufwendig ist und mit Fördersummen arbeitet, die für viele kleine Betriebe nicht interessant sind. Deshalb haben wir maßgeschneiderte Produkte auf den Weg gebracht zusammen mit den Förderinstituten, die wir in Schleswig-Holstein haben, nämlich der Investitionsbank, Bürgschaftsbank und Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft.
Das sind zwei Programme, die wir auf den Weg bringen. Auf der einen Seite ist das das bereits gut gelaufene Programm „Eigenkapital für das Handwerk“, das auf kleine und mittlere Unternehmen im Bereich Handel und Gewerbe ausgeweitet wird. Das sind kleine Summen. Es geht dort zum Teil um 25.000 €, die als stille Beteiligung für das Eigenkapital eingebracht werden. Auch wenn es kleine Summen sind, sind es für viele Unternehmen die entscheidenden Euros, die manchmal fehlen, um zu einer Finanzierung zu guten Bedingungen zu
kommen. Deswegen ist es ein sehr erfolgreiches Programm, das die kleinen Betriebe passgenau unterstützen soll.
Auf der anderen Seite haben wir eine Finanzierungsoffensive auf den Weg gebracht, die dazu führt, dass es Einheitliche Ansprechpartner gibt, die uns zugesagt haben, dass sie innerhalb von 20 Tagen Auskunft darüber geben können, ob ein Unternehmen gefördert wird oder die Möglichkeit einer Eigenkapitalmaßnahme tatsächlich kommt. Das ist praktische Hilfeleistung für die kleinsten Unternehmen. Diese kleinsten Unternehmen sind unser Rückgrat, und deshalb müssen wir sie fördern.
Das Gleiche gilt für den Bereich Innovation und Technologie. Der Mittelstand und auch unsere kleinen Betriebe sind innovativer, als viele glauben. Viele arbeiten mit neuen Produkten. Viele arbeiten mittlerweile in Arbeitsfeldern, von denen sie vor zehn und 15 Jahren noch gar keine Vorstellung hatten. Das heißt, der Mittelstand ist beweglich, und dabei müssen wir ihn unterstützen.
Ein wichtiger Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist, dass wir im Rahmen der Evaluierung des Zukunftsprogramms Wirtschaft den Einstieg in die Förderung von Markteinführungskosten machen wollen. Das mag technisch klingen, ist aber tatsächlich der Missing Link in der Förderpolitik, die wir haben. Wir können die Entwicklung innovativer Produkte fördern, aber wir können im Moment nicht fördern, diese neuen Produkte auch tatsächlich auf den Markt zu bringen. Das ist das, was kleine Unternehmen brauchen, und das ist ein Beispiel für den Baustein Innovation.
Weitere wichtige Punkte sind die Ansiedlung eines neuen Fraunhofer-Instituts in Lübeck und die Ausweitung des Fraunhofer-Instituts in Itzehoe. Fraunhofer-Institute haben aus Sicht der Wirtschaft den großen Vorteil, dass sie 70 % ihres Budgets tatsächlich durch private Drittmittel aus der Industrie und aus der Wirtschaft erwirtschaften müssen. Insofern ist die Ansiedlung von Fraunhofer-Instituten Wirtschaftsförderung per se.
Lassen Sie mich noch kurz auf drei Dinge eingehen. Das eine ist das Thema „Fachkräfte für morgen“. Ich glaube, das ist das am meisten unterschätzte Thema für die Wirtschaft und für den Mittelstand in Schleswig-Holstein. Wir werden im Jahr 2020 in eine Situation hineinlaufen, dass der Fachkräftebedarf eine tatsächliche wirtschaftspolitische
Realität wird. Insofern müssen wir bis dahin alles tun, um keine Hand und keinen Kopf zu verlieren, die wir für die Wirtschaft brauchen.
Wir brauchen Schulen, die Absolventen hervorbringen, die in der Wirtschaft arbeiten können. Wir brauchen eine bessere Integration von vielen Menschen mit Migrationshintergrund, die auch stärker ihren Weg in die Wirtschaft und in die Betriebe finden müssen. Wir brauchen - auch da werden Sie vielleicht wieder klatschen - mehr Familienfreundlichkeit, übrigens auch schon in der Ausbildung. Insofern ist das Thema Teilzeitausbildung von großer Bedeutung.
Wir brauchen auch neue rechtliche Rahmenbedingungen. Aus diesem Grund werden wir das Mittelstandsgesetz novellieren. Der Referentenentwurf liegt vor. Es wird darin eine Reihe von Änderungen geben, die mittelstandsfreundlich sind. Dazu gehört, dass Vergabeverfahren angepasst werden sollen, damit sie für kleine und mittelständische Betriebe besser leistbar sind. Das ist eine der Rahmenbedingungen, die wir setzen wollen.
Der allerletzte Punkt, den ich in der gebotenen Kürze der Zeit nennen möchte, ist die Zusammenarbeit mit Hamburg. Ich glaube, Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein wird dauerhaft nur dann gelingen, wenn wir uns als einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Hamburg verstehen. Es geht nicht darum, dass wir uns gegenseitig abgrenzen. Es geht nicht darum, dass wir in eine gegenseitige Standortkonkurrenz verfallen, sondern es geht darum, dass wir uns als einen komplementären Wirtschaftsraum sehen. Ich werde in Kürze, im August, zusammen mit meinem Kollegen in Hamburg und den Kammern aus Hamburg und Schleswig-Holstein dazu ein Paket vorstellen, wonach wir eine weitgehende Zusammenarbeit der Kammern im Bereich der Wirtschaftsförderung und vielen anderen Punkten haben werden. Es ist wichtig, dass wir die Zusammenarbeit mit Hamburg im Bereich der Wirtschaft vor allem auf die Felder konzentrieren, die relevant sind, und nicht mit den kleinen Themen, sondern mit den großen Themen anfangen. Das wollen wir in der Wirtschaftspolitik machen, und dann werden wir mit einer guten Kooperation mit Hamburg die Wachstumskräfte in SchleswigHolstein fördern.
Die geplante Redezeit des Ministers wurde um 3 Minuten 4 Sekunden überschritten. Diese Zeit steht somit jetzt allen Fraktionen zur Verfügung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich unserem Wirtschaftsminister für seinen Bericht und für die vor zwei Tagen gestartete Mittelstandsoffensive sehr herzlich danken.
Er hat damit unterstrichen: Die CDU und die Koalition von CDU und FDP stehen für wirtschaftspolitische Kompetenz, für soziale Marktwirtschaft und für den Mittelstand.
Wir haben die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufgenommen. Wir haben den LEP auf Vordermann gebracht.
Wir haben das Sparkassengesetz modernisiert. Und wir haben mit unseren Konsolidierungsvorschlägen die Weichen für eine Zukunft in Schleswig-Holstein gestellt. Die Mittelstandsoffensive reiht sich hier nahtlos ein. Sie ist ein zentrales Vorhaben dieser Landesregierung, und jeder kann sehen: Wir bringen dieses Land voran.
Bei diesem Tempo kann man schon verstehen, wenn dem einen oder anderen aus der Opposition schwindlig wird.