Protocol of the Session on June 18, 2010

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz aller rechtlicher Problematik, trotz aller Gefahren, vor allem auf der Ebene der Europäischen

(Monika Heinold)

Union, ziehen die beiden Regierungsparteien nun durch. Lesen Sie bitte die Stellungnahme des Sparkassen- und Giroverbandes von vorgestern. Sie wischen alle Warnungen einfach beiseite und riskieren mit Ihrer unausgegorenen Gesetzesänderung, dass die Europäische Union die Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen betreiben kann, eine Europäische Union, der sowieso das bewährte System der öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland ein Dorn im Auge ist, eine Europäische Union, die dieses System am liebsten gleich beerdigen möchte.

Der FDP wird dies gefallen. Ihr Ziel, das hier und heute nicht ausgesprochen ist, geht noch weiter, als es der uns vorliegende Gesetzestext vermuten lässt. Im Dezember 2007 formulierte Wolfgang Kubicki hier im Landtag: „Wir wollen momentan nicht an die öffentlich-rechtliche Struktur heran, aber wir müssen die Möglichkeit schaffen“. Das ist eine Drohung. Momentan soll die Struktur nicht angetastet werden, es soll aber die Möglichkeit geschaffen werden. Jetzt sind wir offensichtlich einen Schritt weiter.

Es geht der FDP unter anderem um die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und um die Beteiligung von Privaten mit bis zu 49,9 % des Stammkapitals. Das ist zum Beispiel im Wahlprogramm beschrieben. Letztlich geht es dieser Klientelpartei um die Durchsetzung ihres falschen Dogmas, dass privat per se gut und öffentlich oder staatlich automatisch schlecht ist. So einfach ist für manche die Welt, und auch die jetzige Finanzkrise bringt dieses Weltbild offensichtlich keineswegs durcheinander. Meine Damen und Herren von der FDP, wo ist denn die unsichtbare Hand von Adam Smith, in der Finanzkrise gewesen?

Weit und breit nichts davon zu spüren. Es sind doch die sichtbaren öffentlichen Hände, die das Finanzsystem vor dem endgültigen Kollaps bewahrt und auch bezahlt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht ist die unsichtbare Hand ja unsichtbar, weil es sie gar nicht gibt.

(Zuruf des Abeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Meine Damen und Herren, die Privatisierung der Sparkassen, das ist das Ziel der FDP. So weit sind wir zum Glück noch nicht ganz, aber leider wird dieses Horrorszenario mit diesem Gesetzentwurf doch sehr viel realistischer.

Und Sie von der CDU? Sie machen bei dieser Scharade mit? Alles zum Wohl der Sparkassen? - Dann nehmen Sie doch bitte einmal die Bedenken ernst! Warum besteht denn nach Ihrem Gesetzesentwurf jetzt die Möglichkeit, dass sich die Träger von einem Teil ihres Stammkapitals trennen können? Dient das etwa der Stärkung der Eigenkapitaldecke? Pustekuchen!

Klamme Kommunen werden ihr letztes Tafelsilber verkaufen. Klamm sind die Kommunen deshalb, weil Sie von den Regierungsparteien - vor zwei Jahren war auch die Sozialdemokratie dabei, Stichwort „Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs um 120 Millionen € im Jahr“ - den Kommunen die Luft zum Atmen genommen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die letzten Gesetzesänderungen auf Bundesebene bedeuteten 70 Millionen € im Jahr, 70 Millionen € im Jahr weniger in den Kassen der Kommunen von Schleswig-Holstein. 70 Millionen, die auch für die soziale Infrastruktur fehlen.

Meine Damen und Herren von der FDP, wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie sich sehr schnell außerhalb des Parlaments wiederfindenj.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie machen eine Politik für die oberen 10.000, und das sind nach Adam Riese keine 5 %.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Umfragen gehen ja zum Glück in die richtige Richtung. Das rasante Tempo, mit dem sich die FDP in der Regierungsverantwortung, sowohl in Berlin als auch in Kiel, selbst entzaubert, ist schon erstaunlich, aber aus unserer Sicht begrüßenswert.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie von der CDU werden auch nicht ungeschoren davonkommen, wenn Sie sich zum Steigbügelhalter von Herrn Kubicki machen. Er hat es ja offensichtlich nicht einmal nötig, der Debatte zu folgen. Ich hoffe, er wird auch bei der Abstimmung nicht dabei sein, aber ich fürchte, dann ist er wieder da.

Meine Damen und Herren, Sparkassen sind nicht vom Himmel gefallen. Zum Beispiel in Kiel, in der Stadt, in der wir tagen, wurde die Sparkasse 1896 gegründet. Die Erweiterung zu einer Leihkasse erfolgte drei Jahre später. Gegründet wurde die Sparkasse von der Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde. Die Kieler Spar- und Leihkasse war zunächst gedacht als ein wohltätiges Institut, bei dem die „dienende oder im Tagelohn arbeitende Klasse“

(Ulrich Schippels)

so Ulrich Lange in dem Standardwerk zur Geschichte der Stadt Kiel -, also Dienstboten, Tagelöhner, Handarbeiter und Seeleute, Erspartes gegen Zins verwahren lassen konnten, um für alle Fälle einen Notgroschen zu haben.

Die Spar- und Leihkasse war ursprünglich - soziale Marktwirtschaft war damals noch kein Thema - als reines Verlustunternehmen konzipiert, das bei gleichem Zinsfuß für Einlagen und Darlehen zwangsläufig Einbußen erlitt. Sparkassen waren nicht dafür da, sich zu rechnen, sie waren dafür da zu helfen, Armut zu verhindern. Und in der öffentlich-rechtlichen Struktur der Sparkassen hallt auch heute noch diese Ausrichtung nach. Dies ist auch heute noch Teil der Geschäftsgrundlage. Es geht nicht darum, Gewinn zu generieren. Es geht darum zu helfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren von der FDP - auch Herr Kalinka ist gemeint -, das ist Ihnen augenscheinlich ein Dorn im Auge. Das übersteigt zumindest bei der FDP offensichtlich den Horizont. Bei der HSH Nordbank haben wir gesehen, wie schnell man ein renditeorientiertes Geschäftsmodell gegen die Wand fahren kann.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Bei der HSH Nordbank haben wir gesehen, was passieren kann, wenn Anteile an renditeorientierte Investoren verkauft werden.

(Zuruf des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

Dann gilt nicht mehr die gesellschaftliche Verantwortung, dann hat das Jedermannkonto auch für Arme keinen Wert mehr, dann wird die Unterstützung von sozialen Initiativen zum Kostenfaktor und nicht mehr zum Wert an sich.

Genau das Gleiche wird bei den öffentlich-rechtlichen Sparkassen passieren, unabhängig von der juristischen Frage in Bezug auf den Status der Haspa. Warum will sich denn die Haspa an den Sparkassen in Schleswig-Holstein beteiligen? Warum will sie sich denn einkaufen? Aus Nächstenliebe? Weil sie die Sparkassen in Schleswig-Holstein so gern hat? Nein, sondern weil sie sie zum Fressen gern hat.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Bei der HSH Nordbank änderte sich das Geschäftsklima, als die WestLB Anteile erworben hatte, also noch vor Flowers. Es bedurfte gar keines privaten Investors. Den Sparkassen in Schleswig-Holstein

steht nun das Gleiche bevor. Ein Investor will Rendite sehen und keine sozialen Wohltaten.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Ich möchte noch kurz einiges zur Geschäftspolitik der Haspa sagen. Noch 2006 hatte die Haspa extra Kontonummern für sogenannte zahlungsschwache Kunden. Diese begannen mit 1199. 1199-Konten, das heißt kein Dispo, keine EC-Karte, Konten nur auf Guthabenbasis. Das wissen natürlich alle Kreditinstitute, sodass 1199-Kunden praktisch niemals einen Kredit bekamen - Stigmatisierung per Kontonummer. Diese Brandmarkung mittelloser Kundinnen und Kunden - diese Bezeichnung stammt nicht von mir - wurde erst nach Intervention des Hamburger Datenschutzbeauftragten eingestellt. Trotz öffentlicher Debatte gab es damals bei der Haspa keine Einsicht, nur der Druck führte zu Korrekturen.

Diese kleine Episode verdeutlicht vielleicht ein wenig die Geschäftspolitik der Haspa. Mit der ursprünglichen Intention von Spar- und Leihkassen hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. In die Öffentlichkeit ist die Haspa auch geraten, weil sie zum Beispiel Lehman-Zertifikate vertickt hat, ohne ausreichend über die Risiken zu informieren. Sie ist dafür ja auch schon verklagt worden.

Die Hamburger Verbraucherzentrale hat auch kritisiert, dass die Haspa Derivate, Schuldverschreibungen, übrigens emittiert von Credit Suisse, J. P. Morgan und der HSH Nordbank, überwiegend an Rentnerinnen und Rentner vermittelt. Ein überaus kompliziertes Produkt, bei dem der Zinssatz von Konstellationen abhängig gemacht wird wie dem Abstand zwischen dem Zehn- und dem ZweiJahres-Swap-Satz in Euro multipliziert mit 2,5. Erklären Sie das einmal den Rentnerinnen und Rentnern!

Eine solche Geschäftspolitik möchte ich nicht in Schleswig-Holstein etabliert wissen, zumindest nicht bei unseren Sparkassen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn Ihnen das alles unwichtig ist, nehmen Sie wenigstens die Kritik der Vereinigung der Fachverbände und der Kreishandwerkerschaften zur Kenntnis! Falls Sie es vergessen haben sollten: Es ist der Umdruck 17/846. Selbst im Krisenjahr haben die Sparkassen so viele Kredite an das Handwerk ausgelegt wie kaum zuvor.

(Ulrich Schippels)

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Wenn wir schon dabei sind: Die HSH Nordbank hat sich vor Kurzem noch geweigert, eine abgesicherte Zwischenfinanzierung für die in Kiel ansässige Lindenau Werft durchzuführen, von den privaten Banken einmal ganz zu schweigen, die ducken sich ganz schnell weg. Wer ist eingesprungen? Die Sparkassen.

Die Sparkassen haben sich in der Krise als verlässliche Partnerinnen des Handwerks erwiesen, die Sparkassen sind der letzte Anker vor den Irrungen und Wirrungen des außer Rand und Band geratenen internationalen Finanzsystems.

Die Vereinigung der Fachverbände und der Kreishandwerkerschaften fordert - ich zitiere aus Umdruck 17/846 -:

„Damit sich das Handwerk in SchleswigHolstein weiter so positiv entwickeln kann und weiter das Rückgrat der schleswig-holsteinischen Wirtschaft bilden kann, sind starke öffentlich-rechtliche Sparkassen unumgänglich.“

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, halten Sie inne. Machen Sie eine solide Politik für die Menschen in unserem Land. Bitte: keine juristischen Abenteuer. Hören Sie auf die Experten aus den Reihen der Sparkassen und der heimischen Wirtschaft. Hände weg von unseren Sparkassen!

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)