Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Ich möchte Sie bitten, Platz zu nehmen. Ich eröffne die heutige Sitzung und melde zunächst Herrn Kollegen Jezewski von der Fraktion DIE LINKE als erkrankt. Wir wünschen ihm erneut gute Besserung.
Die Abgeordneten Wolfgang Kubicki und Günther Hildebrand sind ebenso beurlaubt wie Frau Ministerin Dr. Juliane Rumpf.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie bitten, mit mir gemeinsam Schülerinnen und Schüler der Klaus-Groth-Regionalschule aus Heide auf der Tribüne zu begrüßen. - Seid uns herzlich willkommen hier im Landeshaus in Kiel!
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Deshalb erteile ich für die Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.
ße, dass wir heute bei diesem Tagesordnungspunkt die Gelegenheit haben, miteinander zu diskutieren, wie sich die Verfassungswirklichkeit - auch gerade nach der Föderalismuskommission I - tatsächlich auf ein Land wie Schleswig-Holstein im Bildungsund, ich darf es einmal für mein Haus auch sagen, im Wissenschaftsbereich auswirkt. Ich glaube, wir haben dadurch Gelegenheit, miteinander zu beraten, wie man sich politisch verhalten muss, um auf diese Situation zu reagieren. Schleswig-Holstein leidet im bundesweiten Vergleich an einer erheblichen Strukturschwäche im Wissenschaftsbereich. Das gilt gleichermaßen für die Lehre und die Forschung. Ein ganz wesentlicher Grund dafür ist das im bundesweiten Vergleich geringe Steueraufkommen pro Kopf. Das Kooperationsverbot im Rahmen der Föderalismusreform hat diese Strukturschwäche zumindest nicht ausgeglichen, vielleicht sogar verstärkt.
Hinzu kommt, dass wir eine neue Haushaltsrealität durch das Neuverschuldungsverbot haben, die dazu führt, dass wir zunehmend in Schwierigkeiten geraten, uns an den Kooperationsprogrammen, die es gibt, tatsächlich zu beteiligen. Diese Programme, die ich genannt habe, sind zum Beispiel die Hochschulpakte I, II und III, die Exzellenzinitiativen I und II, die Umsetzung des 10-%-Ziels und das nationale Stipendienprogramm.
Ich darf vielleicht am Beispiel des Stipendienprogramms festmachen, wo die Schwierigkeiten tatsächlich liegen. Die gegenwärtige Verfassungslage führt dazu, dass der Bund im Wissenschaftsbereich nur Projekte auflegen kann, an denen sich die Länder beteiligen - zwingend beteiligen wie etwa beim Hochschulpakt oder der Exzellenzinitiative oder optional beteiligen wie beim Stipendienprogramm. Das Stipendienprogramm sieht vor, dass der Betrag des Bundes entweder durch Beiträge der Hochschulen selbst oder der Länder beziehungsweise der Unternehmen kofinanziert wird. Meine Prognose ist: Wir werden in Schleswig-Holstein wegen des Zustands der öffentlichen Finanzen, aber auch wegen des Fehlens ausreichend großer Unternehmen nicht in der Lage sein, uns an diesem Stipendienprogramm zu beteiligen. Insofern ist dieses Stipendienprogramm ein Beispiel dafür, dass die gegenwärtige Verfassungslage dazu angetan ist, das Nord-Süd-Gefälle in Deutschland im Bereich der Wissenschaft zu verschärfen.
Lassen Sie mich das an einigen Zahlen illustrieren. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gemessen am Bruttoinlandsprodukt - betragen im Bundesdurchschnitt 2,53 %. Davon entfallen bun
In Schleswig-Holstein lauten die entsprechenden Zahlen wie folgt: Die Gesamtausgaben für Forschung und Lehre liegen bei 1,19 %. Davon hat die Wirtschaft einen Anteil von 0,53 % und der Staat und die Hochschulen von 0,66 %. Das ist eine enorme Diskrepanz zu den Durchschnittswerten. Es fällt vor allem auf, dass der Anteil der Wirtschaft im bundesweiten Durchschnitt mehr als doppelt so hoch ist wie der öffentliche Anteil, während in Schleswig-Holstein die Wirtschaft hinter den öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung sogar zurückbleibt.
Schleswig-Holstein muss trotz der Rahmenbedingungen im Haushalt in die Lage versetzt werden, sich an den außerordentlich wichtigen Programmen des Bundes zu beteiligen, insbesondere aber auch, um seine Rolle im Konzert der Länder zu behaupten.
Zu einen kommen dafür die Ausgleichsmechanismen und differenzierten Parameter innerhalb der gemeinschaftlich finanzierten Bund-Länder-Förderprogramme und -projekte infrage. Finanzschwache Länder wie Schleswig-Holstein müssen in die Lage versetzt werden, sich daran zu beteiligen und dann vielleicht auch von Kofinanzierungen ausgenommen werden. Das gibt es schon. Beim Hochschulpakt I und II ist es so, dass die ostdeutschen Länder die Mittel des Bundes bekommen, ohne sich selbst beteiligen zu müssen. Im Hochschulpakt haben die Stadtstaaten eine andere Stellung als die Flächenländer. Der Artikel 72 Abs. 2 des Grundgesetzes verlangt die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, und nichts anderes müssen wir tatsächlich erreichen.
Denn das Grundproblem wird für Schleswig-Holstein nicht dadurch beseitigt, dass wir zur erleichterten Kofinanzierung kommen, sondern das Grundproblem besteht darin, dass es dem Bund im Zuge der Föderalismuskommission grundsätzlich erschwert wurde, mit den Ländern im Bildungsund Wissenschaftsbereich zu kooperieren, oder wie es in der Begründung eines Antrags heißt - der Bund kann seinen Teil der gesamtstaatlichen Verantwortung für Bildung zurzeit überhaupt nicht wahrnehmen.
Auch die Ausgangsbeschreibung ist richtig, dass man derzeit komplizierte Umwege gehen muss, wie der Bund die Länder innerhalb der in Artikel 91 b GG gezogenen Grenzen unterstützen kann. Mögen die ursprünglichen Ziele der Födera
lismusreform - insbesondere die Entflechtung von Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, die klare Trennung im Personalbereich und die Beseitigung von unklaren Mischfinanzierungen - in der Rechtstheorie begrüßenswert gewesen sein, in der Praxis haben sie der Wissenschaftspolitik in Schleswig-Holstein geschadet.
(Beifall des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] - Jürgen Weber [SPD]: Der Satz steht wie gemeißelt im Raum!)
- So ist es, und dann noch von der falschen Seite. Wenn man aber die Verfassungssituation beschreibt, darf man nicht allein davon ausgehen, dass sie sich durch eine Verfassungsänderung auch wiederherstellen lässt. Denkbar wäre es nämlich, dass man auf bereits vorhandene Möglichkeiten einer anderen Finanzierung von Bund-Länder-Programmen auch tatsächlich ausweiten kann. Dieses ist aus meiner Sicht etwas, was zwischen der Bundeskanzlerin und den Regierungschefs der Länder am 10. Juni auch tatsächlich verhandelt werden muss.
Damit komme ich zu dem zweiten Teil meines Beitrages, nämlich der Frage des 10-%-Ziels. Ich glaube, um qualifizierte Aussagen zu machen, wie, ob und wann Schleswig-Holstein sich an diesem Ziel beteiligen kann, bedarf es erst einmal einer Klärung einer Reihe von Voraussetzungen, die ich eben beschrieben habe.
Wir haben in Deutschland vereinbart, die Bildungsausgaben auf 10 % des BIPs zu steigern. Dieses Ziel ist nach wie vor richtig. Es geht nur um die Frage, wie die Länder in die Lage versetzt werden, dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Das heißt, auch hier geht es darum, ob, wann und wie dieses Ziel tatsächlich erreicht werden kann.
Aus diesem Grund ist der Bericht der Landesregierung zu dem 10-%-Ziel zugegebenermaßen ein wenig schmal ausgefallen.
Darin steht eben alles, was wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu sagen können. Deshalb möchte ich, auch wenn mein neuer Applausfreund, Herr Weber, protestiert, kurz auf den Fahrplan verweisen, der so
und am Freitag wahrscheinlich eine außerplanmäßige GWK-Sitzung, die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern, wo es darum geht, dass die Kultusminister den Auftrag der Ministerpräsidenten abarbeiten und für den Bildungsgipfel am 10. Juni ein Papier erarbeiten.
Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Ich bin mir nicht sicher, ob es den Ländern und den Kultusministern gelingen wird, dort ein einstimmiges Papier vorzulegen. Wir haben - das hat noch einmal die norddeutsche Wissenschaftsministerkonferenz gezeigt - außerordentlich unterschiedliche Ausgangspositionen in den Ländern, allein schon im norddeutschen Raum, Mecklenburg-Vorpommern als Ostland unter anderen Bedingungen als Bremen und Schleswig-Holstein als Konsolidierungsländer. Insofern wird es schwierig sein, aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangslage eine gemeinsame Positionierung hinzubekommen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass es Bewegung und auch Veränderungsbereitschaft sowohl beim Bund als auch bei den Ländern gibt. Bevor man mehr über das 10%-Ziel berichten kann, muss man zunächst einmal die kommende Woche abwarten.
Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir in die Aussprache eintreten, möchte ich gemeinsam mit Ihnen auf der Tribüne Herrn Professor Reuter, den Präsidenten der Universität Flensburg, begrüßen. - Guten Morgen.
Ich weise Sie darauf hin, dass sich aufgrund der Redezeit des Ministers die Redezeiten der Fraktionen um 3 Minuten und 20 Sekunden verlängern.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Dr. Robert Habeck für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister de Jager, das, was Sie hier vorgetragen haben, nennt man wohl im Volksmund eine Beerdigung erster Klasse. Sie haben ge
sagt, wir müssen abwarten, wir müssen auf die lange Bank schieben. Kein Wort davon, dass es bereits eine Selbstverpflichtung der Ministerpräsidenten gibt, kein Wort auf die Frage des Berichts, wie Sie diese Verpflichtung umsetzen wollen, sondern nur abwarten, zaudern und zögern. Ich werde darauf eingehen.
Noch ein Blick zurück zum Mittwoch: Die Debatte am Mittwochvormittag war ungewöhnlich und, wie ich finde, über weite Strecken ungewöhnlich gut, weil das Parlament fast in seiner Gesamtheit die Wichtigkeit eines Themas erkannte und zu seiner Lösung zusammenfand. Die Beschlüsse zum Bildungsgipfel haben entsprechenden Charakter. Bund und Länder, die alten Streithansel - das geht jetzt schon wieder los -, fanden in einer Gemeinsamkeit zusammen. Sie erkannten, dass Bildung die Schlüsselaufgabe für eine zukunftsfähige und gerechte Gesellschaft ist.
Deshalb korrespondieren die Beschlüsse zum Bildungsgipfel mit der Schuldenbremse. Beide verfolgen das gleiche Ziel: Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit für die Zukunft.