Protocol of the Session on January 29, 2010

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Herdan.

(Beifall bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der hier vorliegende Gesetzentwurf sieht zum einen eine Erweiterung der Betreuungszeiten im beitragsfreien dritten Kindergartenjahr von fünf auf acht Stunden vor. Zum anderen sollen - wir haben es gehört - Teilnahmegebühren und Beiträge für Kindertagesstätten komplett abgeschafft werden. Weiterhin soll eine kostenfreie Mittagsversorgung für Kinder in Kindertagesstätten sowie für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Schulen gewährt werden. Aber bereits bei der Formulierung der zu ändernden Gesetzespassagen sind Ihnen, Frau Jansen, gravierende handwerkliche Schnitzer unterlaufen. Im Gesetzentwurf sind Widersprüche vorhanden.

So wird zum einen die Spezialregelung, nämlich die Erweiterung der kostenfreien Betreuungszeiten von fünf auf acht Stunden, bereits durch die weitergehende Regelung, sämtliche Gebühren und Beiträge abzuschaffen, aufgehoben. Denn wenn der Grundsatz Nulltarif insgesamt lautet, ist die Frage

(Antje Jansen)

der Kostenfreiheit von fünf oder acht Stunden unerheblich. Dieser offensichtliche Widerspruch lässt erkennen, dass Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, vermutlich selbst schon von vornherein nicht von der Durchsetzbarkeit ihres Gesetzentwurfs insgesamt überzeugt gewesen sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Und dies aus gutem Grund.

Wer eine derart umfassende Gesetzesänderung anstrebt, der sollte auch den Mut haben, hier konkrete Zahlen zu nennen und ein realistisches Finanzierungskonzept vorzulegen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Beides ist nicht erfolgt. Deshalb nun von mir einige Zahlen zur Verdeutlichung, meine Damen und Herren.

Zurzeit besuchen rund 310.000 Schülerinnen und Schüler öffentliche allgemein bildende Schulen in Schleswig-Holstein. Rund 100.000 Schülerinnen und Schüler an Beruflichen Schulen sind hier nicht mit eingerechnet. Hinzu kommen circa 90.000 Kinder in Kindertagesstätten. Nach Ihrem angenommenen Satz von 60 € pro Monat und Kind würde die Mittagsversorgung monatlich mit 24 Millionen € im Landeshaushalt zu Buche schlagen, im Jahr mit sage und schreibe 288 Millionen €.

Dagegen muten die Kosten für zwei weitere beitragsfreie Kita-Jahre in Höhe von 60 Millionen € fast bescheiden an.

(Zuruf von der LINKEN: Lassen Sie uns doch damit anfangen!)

Von dem enormen Verwaltungsaufwand, den diese Gesetzesänderung nach sich ziehen würde, einmal ganz zu schweigen. Den haben Sie übrigens auch unberücksichtigt gelassen.

Alles in allem kostet Ihr Vorschlag satte 350 Millionen €, eine schier unglaubliche Summe, welche Sie vom Land zusätzlich Jahr für Jahr einfordern.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren von den LINKEN, es ist für mich schlicht nicht nachvollziehbar, wie Sie angesichts unserer in den letzten Tagen geführten Debatten um das beitragsfreie dritte Kita-Jahr, um die Einführung einer Schuldenbremse und um die Finanzsituation des Landes Schleswig-Holstein hier einen derartigen Gesetzentwurf einbringen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir alle hier im Hause müssen uns der Realität stellen und ringen hier um schwierige Entscheidungen. Es drängt sich nicht zum ersten Mal der Eindruck auf, dass Sie, meine Damen und Herren von den LINKEN, offenbar in einer anderen Realität leben. Haben Sie denn immer noch nicht verstanden, dass die Zeiten, in denen Sie mit dem Füllhorn durchs Land ziehen können, endgültig vorbei sind?

Fakt ist, meine Damen und Herren, dass in Schleswig-Holstein bereits 35 % der drei- und vierjährigen Kinder eine Mittagsverpflegung erhalten. Fakt ist auch, dass die CDU die Entwicklung von Ganztagsschulen unterstützt. Als eine der ersten Maßnahmen erhalten Schülerinnen und Schüler in G8-Jahrgängen eine Mittagsbetreuung. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten. Allerdings sagen wir auch deutlich, dass wir weitere beitragsfreie Kita-Jahre nur unter der Voraussetzung verfassungsgemäßer Haushalte werden einrichten können.

(Beifall bei der CDU)

Eine ausführliche inhaltliche Diskussion wird im zuständigen Ausschuss zu führen sein. Für die CDU-Fraktion beantrage ich daher entsprechend die Überweisung.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ist im Moment zumindest gleich in dreierlei Hinsicht falsch: Er ist politisch falsch, er ist wirtschaftlich falsch, und darüber hinaus ist er wahrscheinlich demokratisch fragwürdig.

(Zuruf von der LINKEN)

- Ich komme gleich darauf.

Warum ist er politisch falsch? Der Gesetzentwurf ist die Karikatur eines Oppositionsantrages, der nur der Profilierung der antragstellenden Fraktion dient, wobei das eigentliche Anliegen zum Kollateralschaden wird. Die Auseinandersetzung mit der bestimmenden Koalition, den Koalitionsparteien, will ich hier und jetzt nicht suchen, unter anderem deshalb, weil es ohnehin sinnlos ist und weil von der Regierung sowieso keinerlei Initiativen ausgehen. Die brauchen wir hier also auch nicht zu diskutieren.

(Marion Herdan)

Sie wissen auch, dass wir Sozialdemokraten der Auffassung sind, dass alle drei Jahre in den Kindertagesstätten für die Eltern kostenfrei sein sollten. Und Sie wissen auch, dass wir uns damit in der Großen Koalition nicht durchsetzen konnten. Es gab damals den Minimalkonsens für das letzte Jahr vor der Einschulung. Wie wir bereits in der Aktuellen Stunde erörtert haben, ist die neue Mehrheit im Landtag, die keine Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich weiß, nicht einmal mehr gewillt, diesen Minimalkonsens aufrechtzuerhalten. Hoteliers sind offensichtlich der neuen Koalition wichtiger als Kinder!

(Beifall bei der SPD)

Umso wichtiger wäre es gewesen, wenn die Linken einen solchen Gesetzentwurf mit mehr Sorgfalt vorbereitet und sich in einer so entscheidenden Frage auch mit den anderen Oppositionsparteien abgestimmt hätten.

Warum ist der Gesetzentwurf wirtschaftlich falsch? Die Antragsteller haben sich ja nicht der Mühe unterzogen, die Kosten ihres Gesetzentwurfs zu beziffern, geschweige denn, dass sie Vorschläge für eine Gegenfinanzierung gemacht hätten. Nach Berechnungen von 2009 würde die vollständige Beitragsfreiheit aller drei Jahre rund 120 Millionen € kosten, und diese Summe würde natürlich wegen der jährlich steigenden Personal- und Betriebskosten ständig nach oben gehen. Dessen waren wir uns seinerzeit deutlich bewusst.

Damit hätte es aber auch nicht sein Bewenden, weil die bisherigen Überlegungen von einer Mindestbetreuungszeit von fünf Stunden ausgegangen sind, während die Antragsteller für jeden Öffnungstag, also auch den Freitag, acht Stunden fordern. Wir wären dann sehr schnell bei rund 150 Millionen € angekommen.

Daran ändert auch die Korrektur Ihres Gesetzentwurfs nichts. Wir brauchen einen seriösen Stufenplan, über den wir in der Großen Koalition noch kein Einvernehmen erzielen konnten. Die dann frei werdenden Mittel für die Sozialstaffel sind eines seiner Elemente, und über den weiteren Weg zur Gebührenfreiheit muss dann diskutiert werden.

Damit ist Ihr Füllhorn aber bei Weitem noch nicht leer, denn dazu kommt eine generelle Kostenfreiheit des Mittagessens in Kindertagesstätten und Schulen, und zwar als Gießkannenfinanzierung unabhängig davon, ob sich die Eltern ein bezahltes Mittagessen für ihre Kinder leisten können oder nicht.

Ich kann Ihnen nur sagen: So geht das nicht. So können wir nicht argumentieren. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass die ehemalige Sozialministerin, Frau Trauernicht, hier entscheidende Maßnahmen vorgenommen hat, um gerade für diejenigen Kinder, die es sich nicht leisten können, gebührenfreie Mittagessen anzubieten.

Angesichts dieser Segnungen, die Sie hier von allen Seiten vortragen, möchte man am liebsten Hotelier mit Kindern sein; die FDP senkt einem die Mehrwertsteuer, und DIE LINKE bezahlt einem die Kindergärten und das Schulessen. Das ist doch eine Perspektive, die wir für die Zukunft aufmachen können.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ja. Wenn ich die Kostenwirksamkeit des vorgelegten Gesetzentwurfs bilanziere, dann bin ich bei einem höheren dreistelligen Millionenbetrag angekommen. Das sind ungefähr 340 Millionen bis 370 Millionen €. Das ist nun wirklich keine Summe, die eben mal schnell finanzierbar ist. Da hilft uns der Verweis auf das Einkommen von Herrn Nonnenmacher wirklich nicht weiter.

Warum ist Ihr Gesetzentwurf auch demokratisch fragwürdig? - Es sind schon mehr als handwerkliche Fehler, die man Abgeordneten, die am Anfang ihrer Tätigkeit stehen, gern zubilligt, dass sie ihr Gesetz heute verabschieden und bereits in der nächsten Woche in Kraft treten lassen wollen. Das heißt nämlich, die in der Geschäftsordnung vorgesehene zweite Lesung eines Gesetzes soll entweder völlig entfallen oder zur Formalie werden. Das kann man gelegentlich bei politisch nicht strittigen Gesetzgebungsvorhaben machen.

Herr Kollege Buder, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit!

Frau Präsidentin, ich komme zum vorletzten Satz. Man kann das machen: Am Mittwoch erste Lesung, am Donnerstag Zustimmung des Ausschusses, am Freitag zweite Lesung. Man kann das aber nicht bei einem Gesetz machen, das in dieser Form sehr kompliziert zu bearbeiten ist und das auch noch beinhaltet, dass man diejenigen, die betroffen sind, nämlich die Eltern der betroffenen Kinder, die Schulträger, die Kindergartenträger und die Kinder

(Detlef Buder)

gartenbetreiber, überhaupt nicht in das Gesetzgebungsverfahren einbezieht.

Herr Abgeordneter, bitte beenden Sie Ihre Rede!

Wir beantragen natürlich auch die Überweisung an den Ausschuss. Dort werden wir Ihr Vorhaben entsprechend gründlich diskutieren und einem ordentlichen Geseztgebungsverfahren unterziehen.

(Beifall bei der SPD)

Ja, im Ausschuss. Jetzt ist Ihre Redezeit aber vorbei. Ich rufe die Frau Kollegin Cornelia Conrad von der FDP-Fraktion auf.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE hat uns diesen Gesetzentwurf beschert, der im Grunde genommen etwas Positives bezwecken will.