Protocol of the Session on October 27, 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf die Medienvertreter bitten, sich auf die vorgesehenen Plätze zu begeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der konstitiuierenden Sitzung des Landtags führt der Alterspräsident den Vorsitz, bis durch Wahl über die Besetzung des Präsidentenamtes entschieden worden ist. Ich gehöre dem Landtag seit der 13. Wahlperiode, die am 5. Mai 1992 begonnen hat, ununterbrochen an. Ich frage zunächst, ob ein Mitglied des Hohen Hauses dem Landtag länger angehört. - Ich sehe keine Wortmeldungen. Wie mir bekannt ist, gehören die Abgeordneten Torsten Geerdts, Dr. Ekkehard Klug, Wolfgang Kubicki und Peter Lehnert dem Landtag ebenfalls seit der 13. Wahlperiode an. Von diesen Abgeordneten bin ich derjenige mit dem höchsten Lebensalter von 59 Jahren.

(Beifall)

Ich übernehme daher mit Ihrer Zustimmung die Aufgaben des Alterspräsidenten. - Vielen Dank.

Ich begrüße Sie alle herzlich und rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Eröffnung der Sitzung durch den Alterspräsidenten

Ich stelle die ordnungsgemäße Einberufung nach Artikel 13 Abs. 4 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein fest.

Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Im Alter von 85 Jahren ist am 2. Oktober 2009 die frühere Landtagsabgeordnete Brunhild Wendel verstorben. Die gebürtige Dresdnerin gehörte dem Schleswig-Holsteinischen Landtag von 1971 bis 1983 als Mitglied der SPD-Fraktion an. In diesem Haus brachte sie sich vor allem über die Arbeit des Agrar-, später des Agrar- und Umweltausschusses ein, und sie gehörte von der siebten bis zu neunten Wahlperiode dem Ausschuss Kommunaler Investitionsfonds an. Brunhild Wendel war eine zupackende, durchaus streitbare Sozialdemokratin, die sich voller Leidenschaft und aus tiefer Überzeugung für ihre Mitmenschen einsetzte. Sie vertrat starke Wer

te und ist ihren Weg gradlinig - auch gegen zum Teil erhebliche Widerstände - gegangen.

Menschen wie Brunhild Wendel sind es, die mit ihrem ganz besonderen Stil der Politik Authentizität verleihen - und das über den Tag hinaus, wie wir den Traueranzeigen entnehmen konnten. Brunhild Wendel hinterlässt eine spürbare Lücke, wenngleich sie schon seit Längerem nicht mehr in das aktive politische Geschehen eingegriffen hat. Ganz besonders gilt das für ihre Heimatgemeinde Schacht-Audorf, in der sie sich seit 1958 kommunalpolitisch engagierte und wo sie 1966 als erste Frau zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Aus diesem Amt schied sie erst 1993 aus - nach 27 Jahren, und damit als damals dienstälteste Bürgermeisterin Deutschlands.

Auch danach war die resolute, wortgewaltige und bodenständige Politikerin, die sich unermüdlich und mit großer Hingabe für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt hat, eine gefragte Ratgeberin, die bis zuletzt am öffentlichen Leben ihrer Gemeinde teilgenommen hat. Sie gehörte tatsächlich zum politischen Urgestein der Region, und es besagt alles über die Anerkennung, die sie genoss, dass sie, die Ehrenbürgerin ihrer Gemeinde, noch im November vergangenen Jahres, 15 Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Amt, mit einem Fackelzug und einem Feuerwehrmusikkorps so geehrt wurde.

Für ihre Verdienste um unser Land wurde Brunhild Wendel mit dem Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrebublik Deutschland sowie mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille ausgezeichnet. Sie erhielt auch viele hohe Auszeichnungen aus dem ehrenamtlichen Bereich und insbesondere von den freiwilligen Feuerwehren.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt seiner ehemaligen Abgeordneten Brunhild Wendel in Dankbarkeit. Unsere Anteilnahme gilt den Angehörigen. Ich bitte Sie, nun einen Augenblick innezuhalten und unserer früheren Kollegin im Stillen zu gedenken oder sie in ein stilles Gebet einzuschließen. - Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, da wir nicht ohne Schriftführer auskommen, ernenne ich die Abgeordneten Markus Matthießen und Hans Müller zu vorläufigen Schriftführern. Ich bitte Sie, neben mir Ihre Plätze einzunehmen. - Damit ist das vorläufige Sitzungspräsidium gebildet.

Meine Damen und Herren, die Landeswahlleiterin hat die Wahl von 95 Abgeordneten festgestellt.

Nach dem Wahlergebnis verteilen sich die Mandate wie folgt: CDU 34 Sitze, SPD 25 Sitze, FDP 15 Sitze, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12 Sitze, DIE LINKEN 5 Sitze und der SSW 4 Sitze. Die Wahlprüfung durch den Landtag wird noch erfolgen. Die von der Landeswahlleiterin als gewählt festgestellten Abgeordneten sind zu dieser Sitzung geladen worden. Ich kann insofern die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses feststellen.

Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, die Tagesordnung mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Nach Behandlung von Tagesordnungspunkt 8 sind die Tagesordnungspunkte 9 und 11 zur gemeinsamen Beratung vorgesehen, Anträge der Fraktion der SPD sowie der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW zur Einsetzung des Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode. Einvernehmlich von der Tagesordnung abgesetzt werden soll Tagesordnungspunkt 10. Wir werden voraussichtlich bis 13 Uhr tagen und die Sitzung am Nachmittag um 15 Uhr fortsetzen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist guter Brauch in diesem Haus, dass der Alterspräsident vor dem Aufruf des nächsten Tagesordnungspunktes einige grundsätzliche Bemerkungen an das neu zusammengetretene Parlament richtet. Gestatten Sie mir wenige, eher persönliche Worte.

Ich bin seit 1992 Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags. Als Landespolitiker habe ich in den 17 Jahren viel Erfreuliches miterleben dürfen, ich habe zu Beginn meiner parlamentarischen Arbeit aber auch Unangenehmes als Mitglied eines Untersuchungsausschusses begleiten und gerade in den zurückliegenden Jahren Turbulenzen und weniger Erfreuliches mit erfahren müssen. Sie wissen alle, vom Fraktionsvorsitzenden zum Innenminister bis hin zum Alterspräsidenten im Landtag kann es in Schleswig-Holstein ein kurzer Weg sein. Dabei habe ich die Menschen nie nach ihrer Gesinnung beurteilt, sondern nur nach ihrem Charakter.

Der heutige Tag darf jedoch kein Moment des Verharrens in der Vergangenheit sein. Es gilt, den Blick nach vorn zu richten. Der neu gewählte Landtag hat den Auftrag, und er besitzt die Chance, die gewaltigen Herausforderungen, vor denen unser Land steht, durch eine konstruktive parlamentarische Arbeit in den Fraktionen anzupacken. Ich wünsche mir, dass bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe die parteipolitische Rivalität auf die Diskussion und den Kampf um das Durchsetzen der besten Ideen beschränkt bleibt. Lassen Sie mich es

(Alterspräsident Lothar Hay)

noch deutlicher sagen: Aus einer politischen Gegnerschaft und Konkurrenz im Kampf um die Sache darf keine Feindschaft, auch keine persönliche Feindschaft erwachsen. Dies ist unserer parlamentarischen Demokratie unwürdig und schadet ihr immens.

(Beifall im ganzen Haus)

Aber ich will meine Gedanken noch etwas weiter ausführen. Natürlich bestimmen die neue Landesregierung und die sie stützenden Regierungsfraktionen im Landtag maßgeblich die politischen Geschicke für unser Land. Sie tragen mit der Verantwortung aber auch eine Bürde. Diese wird in den nächsten Jahren gewiss nicht leichter. Die landespolitische Arbeit, wenn sie erfolgreich gestaltet werden soll, ist deshalb auf den ungehinderten Zustrom guter Ideen angewiesen. Sie ist daher auch angewiesen auf Vorschläge und Anregungen, die von den in der Opposition befindlichen Fraktionen stammen. Die endgültigen Ergebnisse in der Politik beweisen immer wieder: Niemand hat die Weisheit ganz allein für sich gepachtet.

Ich habe jedenfalls in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender und Minister in den vergangenen Wahlperioden wiederholt die Erfahrung gemacht, dass gute und unkonventionelle Vorschläge auch von anderer Seite kommen können. Gerade in unserem jetzt zusammengetretenen Sechs-Fraktionen-Parlament, das sich in seiner parlamentarischen Arbeit neu finden muss, tun alle politisch Beteiligten, tut auch die Regierungsseite gut daran, sich der gedanklichen Arbeit anderer Fraktionen nicht aus grundsätzlichen Erwägungen zu verschließen, sondern durchaus gute Ideen zu vernehmen oder gar zu anzunehmen. Harte und kritische Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Argumenten, ja, aber in der Tonlage angemessen und in der Sache fair und konstruktiv. Das ist meine Bitte im Umgang miteinander, die ich an Sie richte. Dem Erscheinungsbild des Schleswig-Holsteinischen Landtags wäre das sicherlich dienlich.

Denn das Ergebnis der Landtagswahlen, die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler, hat es mit sich gebracht, dass die von allen zu tragende Gesamtverantwortung in einem Parlament mit nun sechs Fraktionen neu austariert werden muss, wollen wir nicht allein Partikular- und Klientelinteressen Vorschub leisten. Die Bürgerinnen und Bürger jedenfalls haben kein Verständnis für undurchsichtiges Taktieren um des minimalen Vorteils weniger.

Lassen Sie mich meine Gedanken aber noch ein wenig darüber hinausgehend weiterentwickeln. Wir

erinnern in wenigen Tagen an die zwanzigjährige Wiederkehr des Falls der Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland. In ihrem tiefen Kern ist die darauf folgende Vereinigung der beiden Teile Deutschlands eine Erfolgsgeschichte geworden. Auch Schleswig-Holstein und der Landtag haben einen Beitrag zum guten Gelingen geleistet. Darauf können wir zu Recht alle stolz sein.

Dennoch ist noch nicht alles Trennende in den Köpfen mancher - pessimistischere Stimmen sagen: in den Köpfen vieler - überwunden. Sicherlich muss da und dort nachjustiert werden. Aber die viel zitierte „Mauer in den Köpfen“ ist mir ein zu starkes Bild. Denn die Frage ist: Dokumentiert diese Mauer auch ein starres und einheitliches Bild? Ich habe da einige Zweifel. Die Gegensätze scheinen mir in vielen Fällen eher stimmungsmäßige, gefühlsmäßige Vorbehalte zu sein, die auf graduellen Unterschieden landsmannschaftlicher Mentalitäten beruhen.

Warum erwähne ich das? - Ich glaube, dies vermeintlich Trennende, diese Pflege von Gegensätzen erleben wir gerade in der Landespolitik immer dann, wenn regionale Landesteile unter subtil emotionaler Betonung eines landsmannschaftlichen Aspekts ihre Interessen positionieren. Interessant ist für mich dabei stets zu beobachten, wie innerfraktionell und zugleich interfraktionell Schulterschlüsse entstehen. Ich werde hier ausdrücklich keine Beispiele nennen. Es geht hier und heute auch nicht um das Zuweisen von Verantwortung oder NichtVerantwortlich-Sein für das Erschweren oder Finden guter, übergreifender Lösungen. Ich will aber darauf hinweisen, dass mit der rituellen Pflege von Gegensätzen, von Besonderheiten, von regionalen oder gar lokalen Eigenheiten, die in Ansprüche und Besitzstandswahrung umgemünzt werden, die Politik unser Land nicht zukunftsfähig gestalten kann.

Schleswig-Holstein ist das einzige über Jahrhunderte historisch gewachsene Bindestrich-Land innerhalb unseres föderalen Bundesstaats. Ein Land, in dem die zwei Landesteile Schleswig und Holstein gemäß ihrem historischen Leitsatz „up ewig ungedeelt“ - ihre unverbrüchliche Einheit stets aufs Neue bekräftigt haben. Wir sollten diese staatliche Einheit der Landesteile Schleswig und Holstein nicht durch Kleinteiligkeit im Denken und Handeln schwächen.

Heimat und die Verbundenheit mit dieser ist für uns alle ein wichtiges Gut. Aber auch Lübecker, Dithmarscher, Eiderstedter, Kieler, Flensburger, Angeliter, Südschleswiger, Fehmaraner, Lauenburger, Steinburger oder Nordfriesen - den gibt es in der

(Alterspräsident Lothar Hay)

verwaltungspolitischen Begrifflichkeit ja erst seit der Gründung des Kreises Nordfriesland 1970; da war ich schon lange nicht mehr in diesem Kreis sind zuallererst Schleswig-Holsteiner, und als solche haben wir Entscheidungen im Landtag im Sinne des Gesamten, des ganzen Landes zu fällen. Daran zu denken, bitte ich Sie alle herzlich.

Nun bin ich aber nach 17 Jahren im Landtag kein Illusionär: Natürlich sind alle Abgeordnete in gewisser Hinsicht kleine Ich-AGs und als solche ihren Regionen und ihren Wählerinnen und Wählern verpflichtet. Sie möchten, wollen und müssen ihren Wahlkreisen Gutes tun. Wer das verkennt, versteht nicht, wie die Mechanismen von Realpolitik wirklich funktionieren. Doch viele künftig zu treffende Entscheidungen werden allein schon aufgrund der finanzpolitisch katastrophalen Lage Einschnitte nach sich ziehen und schmerzhaft sein. Der daraus resultierende öffentliche Druck wird uns allen begegnen. Daher sollten wir versuchen, Interessenabwägungen mit Augenmaß vorzunehmen und zu vertreten, um das Gesamte im Blick zu behalten.

Die gesamte finanzpolitische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Land erfordert, dass Schleswig-Holstein ein kleinteiliges Denken und Handeln nach alt vertrauter Manier und überkommenen Handlungsmustern nicht mehr verkraften kann. Politik nach diesem Muster würde nur zu einem weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit führen. Wir müssen aufhören, in Kirchtürmen zu denken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Begriff „Fraktion“ entstammt dem lateinischen Wort „fractio“ und heißt übersetzt so viel wie „Teil“ oder „Bruchteil“. Die politischen Fraktionen in diesem Haus sollten sich als Teil des Ganzen verstehen, die einem gemeinsamen Ziel verpflichtet sind, auch wenn sie dorthin verschiedene Wege beschreiten wollen.

Die Politik muss für Schleswig-Holstein zukunftsfähige Antworten finden. Das ist mit die vornehmste Kernaufgabe des Parlaments, des neuen Landtags. Und in diesem Zusammenhang beziehe ich mich gern auf ein Zitat von Hermann Hesse: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“

Wir sollten das Unmögliche trotz und gerade wegen unserer unterschiedlichen Positionen gemeinsam versuchen.

Lassen wir uns nicht beirren: Es geht nicht um die Macht um der Macht willen. Es geht um die Zukunft unseres Landes. Für diese wünsche ich uns al

len ein erfolgreiches Arbeiten in der 17. Wahlperiode.

(Anhaltender Beifall im ganzen Haus)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 2 auf:

Wahl und Vereidigung der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten

Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1

Der Landtagspräsident ist in geheimer Wahl für die Dauer der Wahlperiode zu wählen. Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält.

Wir treten damit in die Wahlhandlung ein. Mir liegt hierzu die Drucksache 17/1, Wahlvorschlag der Fraktionen von CDU und FDP, vor. Es wird vorgeschlagen, den Abgeordneten Torsten Geerdts zum Landtagspräsidenten zu wählen. Ich frage: Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Es gibt keine weiteren Vorschläge.

Ich gebe noch einige kurze Hinweise für den Ablauf des Wahlvorgangs. Die Stimmzettel erhalten Sie am Ende des Aufgangs zu meiner Linken. Ich bitte Sie, die Rampe dort zu benutzen und rückwärts in die Wahlkabinen zu gehen.

(Heiterkeit)