Protocol of the Session on December 10, 2008

Deshalb höre ich mit einiger Verwunderung, dass auch Sie fordern, Personal abzubauen und Aufgaben abzugeben. Jedesmal, wenn wir das konkret vorgeschlagen haben - wir haben dazu hier schon häufig große Debatten gehabt, zum Beispiel die berühmte Debatte über bauliche Standards sowie weitere Standards in Kindergärten -

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nennen Sie ein Beispiel!)

- In dieser Frage hat es in der vergangenen Legislaturperiode heftige Debatten gegeben. Dort hätten die Kommunen Geld sparen können, und Sie haben eine 100-prozentige Verweigerungshaltung eingenommen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe der Abgeord- neten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bitte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um ein bisschen mehr Ruhe. Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Wadephul, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Karl-Martin Hentschel?

Herr Dr. Wadephul, ist es richtig, dass nach dem Eintritt der Grünen in die Regierung 1996 eine der ersten Maßnahmen war, dass die Standards für Kindergärten abgeschafft worden sind, um Waldkindergärten zu ermöglichen?

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die baulichen Standards!)

- Ja, die baulichen Standards.

Vielleicht sollten Sie sich innerhalb Ihrer Fraktion noch einmal darüber einigen, welche Frage Sie mir wirklich in der Sache stellen wollen. Dann könnte ich darauf dezidiert eingehen. Richtig ist, dass es während Ihrer Regierungszeit nicht gelungen ist, den Personalkörper des Landes strukturell abzubauen, und dass wir weiterhin vor dieser Aufgabe stehen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist falsch!)

Das, was in Ihrer Zeit geschehen ist, ist nur eine Auslagerung in andere Bereiche, die nicht mehr im Personaletat auftauchen, die das Land aber weiterhin bezahlen muss. Das ist längst analysiert und wird auch von anderen nicht bestritten.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen schon einen strukturellen Blick auf unseren Haushalt werfen. Der Herr Finanzminister hat darauf aufmerksam gemacht: Eines unserer größten Probleme ist, dass die Steuerquote pro Einwohner in Schleswig-Holstein deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Woran das wohl liegt!)

- Herr Kollege Garg, wir müssen das zur Kenntnis nehmen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Das gilt insbesondere für die Beratungen, die wir jetzt innerhalb der Föderalismuskommission II miteinander in Berlin führen. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich zu denjenigen gehöre, die die Hoffnung darauf nicht aufgegeben haben,

(Dr. Johann Wadephul)

dass wir hier zu einer Lösung kommen. Ich möchte das, was der Herr Ministerpräsident gemeinsam mit dem Herrn Justizminister hier zum Altschuldenfonds ausgearbeitet hat, ausdrücklich unterstützen. Dieses Modell geben wir - ebenso wie vergleichbare Modelle - nicht auf.

Die reichen Bundesländer und der Bund müssen erkennen, dass Schleswig-Holstein zu einer Schuldensperre nicht in der Lage sein wird, wenn es nicht wie andere stark belastete Länder entlastet wird. Deshalb muss von diesem Landtag auch ein Appell an die Fairness der reicheren Länder ausgehen, dass uns an dieser Stelle geholfen wird.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich lese mit einiger Sorge, dass der eine oder andere in der aktuellen finanzpolitischen Lage schon meint, wir müssten jetzt auf das Schuldenverbot verzichten. Ich glaube, dass Große Koalitionen eine große Verantwortung haben, wenn sie zusammenarbeiten. Das Ziel beider großen Volksparteien ist natürlich, wieder eigene Mehrheiten zu bilden. Aber wenn sie in der Verantwortung stehen - wie das in Berlin und in Kiel derzeit ist -, haben sie eine historische Chance, das Schuldenmachen zu beenden. Deswegen bin ich nach wie vor dafür, dass wir zu einem Verbot der Neuverschuldung und zu konkreten Ergebnissen in der Föderalismusreform II kommen. Wir müssen diese Chance miteinander nutzen. Erneut bekommen wir sie nicht.

Ein zweiter Schwerpunkt. Ein leistungsfähiger und motivierter öffentlicher Dienst ist die Grundlage unseres Staatswesens. Wir wissen, dass wir den öffentlich Bediensteten einen enormen Beitrag zur Konsolidierung unserer Landesfinanzen abverlangt haben und wir ihnen insofern Dank schulden. Mir ist es ein wichtiges Anliegen, den Angehörigen des öffentlichen Dienstes für ihre ausgezeichnete Arbeit, ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung herzlichen zu danken und zu sagen: Wir brauchen einen gut funktionierenden öffentlichen Dienst. Wir brauchen gut motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Schulen, Universitäten, in unseren Behörden, in Justiz und Polizei. Deswegen sage ich ausdrücklich: Wir stehen an ihrer Seite.

(Beifall bei CDU und SPD)

Es ist ein Gebot der sozialen Fairness gewesen, das, was wir an sogenannten Sonderweihnachtsgeldzahlungen für die Besoldungsgruppen A 1 bis A 9 bisher vorgenommen haben, auch den Anwärterinnen und Anwärtern zukommen zu lassen. Das sind diejenigen, die sich auf eine dauerhafte Berufstätigkeit vorbereiten, die die geringsten Bezüge haben. Es ist

auch sozial geboten, an dieser Stelle tätig zu werden und den Anwärterinnen und Anwärtern in der Polizei-, Justiz-, aber auch der allgemeinen Verwaltung ein Weihnachtsgeld von 330 € zu zahlen.

Ich zähle dazu ausdrücklich auch die Ausgleichszahlungen zum Ruhegehalt für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die nach der jetzigen Rechtslage früher ausscheiden und wo es einen Vertrauensschutz geben muss. Ich bin dankbar, dass sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigen konnten, hier ein Signal gerade an die Polizeibeamten zu senden, die einen schwierigen Dienst für uns in Schleswig-Holstein, aber häufig genug auch als Bereitschaftspolizisten an anderen Brennpunkten erledigen. Wir stehen an der Seite der Polizeibeamten und bringen das durch diese finanzpolitische Maßnahme zum Ausdruck.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das grundsätzliche Problem des öffentlichen Dienstes ist eben nicht, dass der einzelne Beamte zu viel verdient, sondern dass wir insgesamt für die Steuermöglichkeiten unseres Landes zu viele Bedienstete haben.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum tun Sie nichts?)

Deswegen hält die CDU-Landtagsfraktion an der notwendigen Verschlankung des Personalkörpers des Landes fest. Wir haben dazu eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Beispielsweise nenne ich die Kommunalisierung beim Denkmalschutz, die Privatisierung der Landesforstverwaltung sowie die Deregulierung des Formalaufwandes beim Mitbestimmungsgesetz. Richtig ist - das räume ich ein, Herr Kollege Hentschel -, dass wir hier noch keine Erfolge erzielt haben. Unzutreffend ist aber, dass diese Maßnahmen an der CDU gescheitert wären. Deswegen danke ich an dieser Stelle ausdrücklich denjenigen Ressortchefs, die selber vorangehen und Maßnahmen ergreifen. Wir beobachten mit Aufmerksamkeit die Anstrengungen, die Justizminister Döring unternehmen will, und hoffen, dass dies Maßnahmen sein werden, die zu einer Verschlankung des Personalkörpers beitragen. Wir danken ausdrücklich Herrn Minister Dr. Christian von Boetticher, der gehandelt hat, der abgebaut hat und der mit Verwaltungsverschlankung vorangegangen ist. Das sollte ein Beispiel für andere sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich, dass sich die Koalitionsfraktionen der Kollege Stegner und ich - darauf geeinigt haben, dass wir eine Arbeitsgruppe einsetzen, um zu

(Dr. Johann Wadephul)

einem wirksamen Personalmanagementkonzept zu kommen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch eine Arbeitsgruppe?)

Es ist der klare Wille der beiden Koalitionsfraktionen, in dieser Wahlperiode zu konkreten Ergebnisse zu kommen. Bevor Sie uns weiter etwas prophezeien: Warten Sie auf Ergebnisse! Bisher haben wir das, was wir zugesagt haben, auch eingehalten.

(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Schwerpunkt. Wir machen den Standort Schleswig-Holstein stärker. Verkehrswege und Spitzenforschung bringen uns nach vorn. Schleswig-Holstein ist als Brücke nach Skandinavien und zu den baltischen Staaten wegen seiner Marktferne ganz besonders auf gute Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Darüber hinaus sind wir Handelsdrehscheibe für ganz Deutschland. Ich begrüße deshalb, dass wir rund 14 Millionen € zusätzlich bereitstellen wollen, um die Bauarbeiten an der A 7 und der A 20 sicherzustellen. Wichtige Projekte, die wir angestoßen haben und hinter denen die Koalitionsfraktionen stehen, sind der Bau der FehmarnbeltQuerung, der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals, der Weiterbau der A 21 und der Ausbau der B 207 zur A 1 bei Heiligenhafen. Wir brauchen in einer zusammenwachsenden europäischen Wirtschaft gute Verkehrsbedingungen. Sie sind die erste Voraussetzung dafür, Wachstum und Beschäftigung in Schleswig-Holstein sicherzustellen. Dieses Geld ist gut angelegt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Auch im Bereich der Spitzenforschung bringen wir Schleswig-Holstein weiter voran. Kluge Köpfe und kreative Ideen sind der wichtigste Rohstoff Deutschlands im globalen Wettbewerb. Ich finde es erschreckend, wenn ich lese, dass fast jeder siebte Student, der in Deutschland promoviert, in die USA auswandert. Mittlerweile sollen über 20.000 Nachwuchsforscher in Amerika arbeiten. Das können wir auf Dauer nicht verkraften. Zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes wollen wir daher in den nächsten Jahren zusätzlich 4.000 Studierende an unseren Hochschulen und Universitäten in Schleswig-Holstein aufnehmen. Ich halte es für einen selbstverständlichen Anspruch an ein Bundesland, dass alle Landeskinder, die die Hochschulreife erreichen, hier auch studieren können. Ob sie das nachher machen oder woanders Universitäten besuchen, ist eine andere Frage. Schleswig-Holstein bietet aber nach wie vor nicht genug Studienplätze. Es ist gut, dass wir hier endlich nachholen.

Vierter Schwerpunkt. Kinder und Familien sind bei uns herzlich willkommen. Bildungsinvestitionen in Schulen und Kindergärten sind das Gebot der Stunde. Diese Investitionen sind für die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft und zum Ausbau Schleswig-Holsteins zum Familien- und Kinderland Nummer 1 unverzichtbar. Für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bauen wir die Kinderbetreuung für unter Dreijährige bis 2013 konsequent aus und schaffen 17.000 neue Betreuungsplätze. Darüber hinaus werden wir für den Einstieg das letzte Kindergartenjahr elternbeitragsfrei anbieten. Hierfür haben wir bis 2010 einen Betrag von 50 Millionen € eingeplant.

Bildung fängt nämlich nicht in der ersten Grundschulklasse, Bildung fängt im Kindergarten und wahrscheinlich schon in der Krippe an. Auch hier ist jeder Euro, den wir investieren, gut angelegt. Der Bildungsauftrag, den wir frühzeitig für unsere Kindertagesstätten formuliert haben, ist die richtige Antwort auf die Erkenntnis aller Wissenschaftler, dass frühkindliche Bildung der Schlüssel zu einer sozial ausgewogenen Gesellschaft ist, in der alle gleiche Chancen haben.

(Beifall bei der CDU - Zurufe der Abgeord- neten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben in dieser Situation auf die Hilferufe und die Proteste gerade an den Gymnasien in unserem Land gehört. Unterschriftenlisten, Demonstrationen für mehr Lehrkräfte, weniger Unterrichtsausfall und bessere Unterrichtsmaterialien sind die Stichworte, die uns haben aufmerksam werden lassen. Wir alle sind überrascht, welch großem Andrang sich unsere Gymnasien, die übrigens im PISA-Vergleich hervorragend abschneiden, erfreuen. Diese Hilferufe von Eltern und Schülerinnen und Schüler dürfen wir nicht ignorieren. Es wäre ein Raubbau an nachfolgenden Generationen. Daher haben wir beschlossen, schnell und umfassend zu handeln, indem wir zu dem Regierungsentwurf, der schon 150 neue Stellen vorsah, für 2009 und 2010 nochmals 100 Lehrerstellen zusätzlich an den Gymnasien schaffen.

Die Großen Koalition wird deshalb insgesamt im Bildungsbereich eine noch nie dagewesene Kraftanstrengung unternehmen und über 1.000 neue Stellen für Lehrerinnen und Lehrer in SchleswigHolstein schaffen. Diese Kraftanstrengung ist richtig, ist notwendig, ist eine Investition in die Zukunft unserer Kinder, und deswegen freue ich mich ganz besonders, dass dies gemeinsam mit den Sozialde

(Dr. Johann Wadephul)

mokraten seitens meiner Fraktion verabredet werden konnte.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich gestatte mir abschließend einen kurzen Blick auf die hier in diesem Hohen Haus auch schon diskutierte weltweite Finanzkrise, eine Situation, die mitten in unsere Haushaltsberatungen, zwischen Einbringung des Haushaltes und Verabschiedung, hineingebrochen ist und die natürlich die politischen Maßstäbe verschoben hat. Die Krise erfasst mittlerweile alles und jeden, eben nicht nur Amerikaner, Briten, Banken, Versicherer, Autobauer und Zulieferer. Zu eng sind Branchen und Volkswirtschaften inzwischen verwoben, als dass irgendjemand völlig ungeschoren davon käme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dennoch sind die Wirtschaft und die Lage am Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein bisher stabil; robust ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Im November lag die Zahl der Arbeitslosen bei 100.900. Das sind 7.500 Arbeitslose weniger als im Vorjahr.

Deshalb darf ich an dieser Stelle an Ludwig Erhardt, den Vater des Wirtschaftswunders, erinnern. Er hat gesagt: „Die Hälfte der Wirtschaft ist Psychologie.“ Möglicherweise ist es heute schon mehr als die Hälfte der Wirtschaft. Deswegen gibt es überhaupt keinen Anlass zur Schwarzmalerei. Natürlich gibt es auch keine Veranlassung, die Lage schönzureden, aber Dramatisierungen helfen uns nicht weiter.