Protocol of the Session on September 10, 2008

Der Schutz des Wattenmeeres darf für uns aber nicht zu einem Deckmantel werden, um eine verantwortungsvolle Nutzung heimischer Rohstoffe von vornherein unmöglich zu machen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Einen Ausstieg aus der Förderung heimischer Rohstoffe lehnen wir ab. Gerade vor dem internationalen Szenario erheblicher Rohstoffknappheit und der Abhängigkeit von anderen Förderländern halten wir dies für unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Bernstein. - Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der Debatte hier im Landtag im April sind zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vorgelegt worden, die rechtlich neue Erkenntnisse liefern. Dem von der SPD-Fraktion erbetenen Gutachten zu Probebohrungen nach Erdöl im Wattenmeer ist klar zu entnehmen, dass senkrechte Explorationsbohrungen im Nationalpark allenfalls und nur unter strengen Vorgaben von der Mittelplate aus erfolgen dürften. Die SPD hat schon seit Jahren die Position vertreten, dass Bohrungen jeglicher Art im hochsensiblen Gebiet des Nationalparks Wattenmeer nur von der Plattform Mittelplate oder als Schrägbohrungen nur von außerhalb des Nationalparks durchgeführt werden dürfen. Als Bewohner eines Randgebietes des Nationalparks kann ich sagen, dass wir mit dieser Regelung bisher auch gut gelebt haben. Wir haben diese Position 1999 dann

(Axel Bernstein)

im Nationalparkgesetz verankert. Sie lässt sich jetzt juristisch auch nicht wegdiskutieren.

Auch das von der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN erbetene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes liegt vor und kann dankenswerterweise - ebenso wie das von uns in Auftrag gegebenes Gutachten - als Umdruck eingesehen werden. Im Ergebnis stellt das Gutachten fest: Hinsichtlich des bergrechtlichen Konzessionsverfahrens besteht legislativer Handlungsbedarf. Der Bundesgesetzgeber hat zur Erfüllung seiner mitgliedstaatlichen Umsetzungsverpflichtung die Verträglichkeitsprüfung nach der FFH-Richtlinie in das Bergrecht zu integrieren und sicherzustellen, dass bereits vor Erteilung einer Bergbauberechtigung eine Verträglichkeitsprüfung durch die nach Bergbaurecht zuständige Behörde durchgeführt wird. Ob und inwieweit aufgrund dieses Handlungsdefizits das Genehmigungsverfahren der RWE Dea für die Ölförderung im nordfriesischen Teil des Nationalparks Wattenmeer beeinflusst wird oder ob der im Antrag vorgeschlagene Weg der richtige ist, muss juristisch geprüft und bewertet werden. Das Ziel des Antrags ist jedoch richtig. Daher sollten wir uns im Umwelt- und im Wirtschaftsausschuss schnell einig werden.

Fernab aller juristischen Details, über die wir noch diskutieren sollten, sollten wir nicht aus den Augen verlieren: Bei der aus der Sicht der Ölkonzerne angesichts endlicher Vorräte und stetig steigender Preise verständlichen Suche nach neuen Erdölvorkommen auch in Deutschland sollte der Nationalpark Wattenmeer von vornherein ausgeschlossen sein. Dies gebietet schon das laufende Anerkennungsverfahren betreffend das Wattenmeer als Weltnaturerbe. Natürlich hat die Mittelplate Bestandsrecht; das gehört mit dazu. Auch wenn die bestehende Ölförderung Bestandsschutz genießt und dies der UNESCO auch bekannt ist, macht es sich nicht gut, wenn während des aktuellen Besuchs von Experten der Weltnaturschutzunion im Auftrag der UNESCO öffentlich immer noch über eine ausgeweitete Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer diskutiert wird.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Diskussion müssen wir schnell beenden und unsere Kräfte darauf konzentrieren, wie die weltweit einzigartige Naturlandschaft des Wattenmeeres möglichst bald in die Weltnaturerbeliste aufgenommen werden kann, um dann überall auf der Welt noch bekannter und attraktiver zu werden. Dies dient der Natur, der Umwelt und über ein hö

heres Touristenaufkommen auch den Menschen und der Wirtschaft an der Westküste. Ich bitte daher, den Antrag an die beiden Ausschüsse zu überweisen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Detlef Buder. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der April-Tagung führen wir heute bereits die zweite Debatte über die Frage, ob Explorationsbohrungen im Nationalpark Wattenmeer rechtlich zulässig sind und welche Folgen sich gegebenenfalls daraus ergeben. Es geht im sachlichen Kern im Wesentlichen um eine juristische Debatte, die eigentlich die Gerichte zu führen haben, die naturschutzfachlich aber doch erhebliche Auswirkungen haben kann.

In der rechtlichen Beurteilung sind wir seit April ein gutes Stück weitergekommen. Das ist eben auch schon gesagt worden. Es liegen mittlerweile zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages vor. Insbesondere das zweite Gutachten kommt zu einer klaren Auffassung, die ich hier kurz zitieren möchte.

„… mangels nationaler Umsetzungsvorschriften hätte das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie vorliegend unmittelbar anwenden müssen. Von Amts wegen wäre daher vor Erteilung der Aufsuchungserlaubnis eine Überprüfung erforderlich gewesen, ob die künftige Nutzung als Aufsuchungsgebiet für Kohlenwasserstoffe mit den festgelegten ökologischen Erhaltungszielen des zu einem großen Teil im Nationalpark Wattenmeer liegenden Gebiets vereinbar ist.“

Kurz und auf Hochdeutsch gesagt ergibt sich daraus, dass die Genehmigung des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld aufgrund dieses schwerwiegenden Abwägungsmangels nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes rechtswidrig ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Detlef Buder)

Dieses Gutachten datiert vom 7. Juli 2008 und ist seit einigen Wochen im Umlauf. Es gab also für die Landesregierung genügend Zeit, sich hiermit zu beschäftigen und entweder den Inhalt zu bestätigen oder aber eine eigene Rechtsauffassung zu entwickeln, in der begründet darzulegen gewesen wäre, warum die Aussagen des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes nicht zutreffen.

Vor diesem Hintergrund ist es schon erstaunlich, welche Erfahrungen wir dieser Tage mit der Landesregierung gemacht haben. Ich habe nämlich zwei Tage vor der heutigen Debatte, also am Montag, bei der Landesregierung nachfragen lassen, ob die Landesregierung die Rechtsauffassung des Wissenschaftlichen Dienstes teilt oder nicht. Die Aussage aus dem befragten Ministerium lautete: Wir sind hierzu nicht sprechfähig. - Ich hoffe, dass die Landesregierung heute wieder sprechfähig ist.

Eine rechtliche Würdigung ist doch keine politische Entscheidung. Die Landesregierung muss doch in der Lage sein, in knapp zwei Monaten zu einem bestimmten Sachverhalt hier eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Daher bin ich heute auf die Ausführungen der Landesregierung sehr gespannt. In der Tendenz - das sage ich sehr deutlich - sind wir dem Antrag der Grünen bisher nicht abgeneigt und werden ihm daher zustimmen, wobei ich betonen möchte, dass es noch nicht um das Ergebnis möglicher Untersuchungen, sondern nur darum geht, ob die Genehmigung den rechtlichen Standards entspricht. Wenn eine Genehmigung rechtswidrig erteilt wurde und dies hinterher festgestellt wird, dann ist sie zu korrigieren und die Landesregierung hat sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten hierfür einzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wenn das Bergbaurecht nicht EU-konform ist, weil es hier ein Defizit bei der Umsetzung europarechtlicher Bestimmungen gibt, dann besteht legislativer Handlungsbedarf, der gern auch im Wege einer Bundesratsinitiative von Schleswig-Holstein aus in Gang gesetzt werden kann.

Wenn es Voraussetzung für die Genehmigung von Schrägbohrungen vom Festland aus in das Gebiet des Nationalparks ist, dass ein Gutachten über die Unbedenklichkeit dieser Bohrung vorliegen muss, dann darf vorher eine solche Genehmigung nicht erteilt werden. So einfach ist das.

Allerdings sollten wir heute nicht zu einer Abstimmung über den Antrag der Grünen kommen, weil wir die Diskussion im Ausschuss noch vertiefen sollten. Es gibt aus unserer Sicht noch weiteren Erörterungsbedarf.

Da ist zum einen die Frage, ob bereits seitens der EU ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der mangelnden Umsetzung der FFH-Richtlinie hinsichtlich der bergbaurechtlichen Vorschriften angedroht wurde, und wenn nein, warum dies zumindest bisher nicht erfolgt ist beziehungsweise wann damit zu rechnen ist. Es mag ja sein, dass die EU keinen Bedarf an der Erweiterung dieser Vorschrift sieht.

Zum anderen muss auch die Frage besprochen werden, welche Haftungsfragen mit einer etwaigen Rücknahme bereits ausgesprochener Genehmigungen verbunden sind. Man darf ja nicht diejenigen vergessen, die auf die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Aufsuchungserlaubnis vertraut haben und gegebenenfalls bereits finanzielle Aufwendungen gehabt haben. Das heißt, es stehen hier möglicherweise auch Regressfragen im Vordergrund, die zu klären sind. Dies gilt es auch im Ausschuss zu klären.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in der April-Tagung des Landtags haben wir uns als SSW deutlich gegen die Ausweitung von Ölbohrungen im Nationalpark Wattenmeer ausgesprochen. Jegliche Art von Ölbohrtätigkeiten haben nach Auffassung des SSW nichts in einem Nationalpark zu suchen.

Es gibt zwar einen Bestandschutz für die Mittelplate - diesen Kompromiss haben wir seinerzeit auch mitgetragen -, aber generell sehen wir diese Art der Nutzung im Wattenmeer nicht im Einklang mit einem Nationalpark, und schon gar nicht, wenn es sich, wie bei uns, um ein so empfindliches Ökosystem wie das Wattenmeer handelt. Es ist gut und beruhigend, dass das Nationalparkgesetz des Landes hier klar formuliert ist. Demnach werden weitere Ölbohrtätigkeiten - bis auf die bestandsge

(Günther Hildebrand)

schützten Aktivitäten - ausgeschlossen und sind daher auch nicht genehmigungsfähig.

Auch wenn es die Mittelplate schon länger gibt als das Nationalparkgesetz, hat dies nichts mit der traditionellen Nutzung des Wattenmeeres zu tun. Nun lässt sich die Mittelplate aufgrund des Bestandschutzes nicht mehr wegdiskutieren. Laut Nationalparkgesetz ist die Erdölbohrung und -förderung ausschließlich von der Mittelplate zulässig, und das akzeptieren wir, weil es ein Kompromiss ist. Aber darum geht es hierbei auch nicht. Es geht darum, dass keine weiteren Bohrtätigkeiten im nordfriesischen Teil des Wattenmeeres sowie von Land aus in den Nationalpark hinein getätigt werden sollen. Daher unterstützen wir das Ansinnen der Grünen, eine Aufsuchungserlaubnis für Kohlenwasserstoffe nur dann zu genehmigen, wenn eine Verträglichkeitsprüfung nach europäischem Naturschutzrecht dies zulässt.

Das muss man sich erst einmal vorstellen: Wir haben NATURA-2000-Gebiete mit einem europäischen Schutzstatus, und wir haben ein Bundesbergbaugesetz, das einen solchen Schutzstatus nicht kennt, weil der Bundesgesetzgeber es bisher nicht vermocht hat, europäisches Recht in nationales Recht - sprich das Bergrecht - umzusetzen. Aus Sicht des SSW steht die Ölförderung im Wattenmeer im Widerspruch zum bestehenden geltenden europäischen Naturschutzrecht, und es ist aus unserer Sicht nicht verständlich, warum es nicht entsprechend berücksichtigt wird. Für uns ist klar, dass hier der Bundesgesetzgeber seiner Umsetzungsverpflichtung unverzüglich nachkommen muss.

Bei Vorhaben eines bestimmten Ausmaßes, die unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf die Umwelt haben, ist im Vorfeld eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, auf deren Grundlage über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden wird. Dann ist es fragwürdig, warum eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine umfassende Verbandsbeteiligung, wie man sie aus anderen Genehmigungsverfahren kennt, hier nicht vorgesehen ist.

Der SSW unterstützt die Punkte des Antrags der Grünen, denn aus unserer Sicht muss endlich rechtliche Klarheit mit allen dazugehörigen Konsequenzen geschaffen werden. Damit auch künftig im Sinne des Nationalparks Wattenmeer Entscheidungen getroffen werden, die so auch von den Menschen vor Ort und der regionalen Politik gewollt sind, muss hier gehandelt werden. Der Landtag sollte den interfraktionellen Beschluss des Kreistages Nordfriesland berücksichtigen und entsprechend handeln. Es gilt, ein Signal zu setzen, das deutlich

macht, dass sich der Landtag gegen eine Ausweitung der Erdölbohrungen ausspricht und dies mit politischen Initiativen umsetzt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung muss über den Bundesrat dafür Sorge tragen, dass dasBundesbergbaugesetz geändert wird. Die Ausweitung der Ölbohrung und förderung darf nicht gegen entsprechende naturschutzrechtliche Bestimmungen über die Bühne gehen. Das ist nicht nur die Meinung des SSW, sondern der gesamten Region an der Westküste.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Das Wort für die Landesregierung hat nun der Minister für Umwelt und Natur, Herr Dr. Christian von Boetticher. - Ich weise zur Rechten dieses Saales darauf hin, dass nur Herr Dr. von Boetticher das Wort hat.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Hentschel: Ich wundere mich ein bisschen. Wir haben genau diese Debatte mit genau diesen Debattenbeiträgen am 24. April in diesem Haus geführt. Es ist eigentlich überhaupt keine neue Erkenntnis hinzugekommen. Ich sage Ihnen etwas dazu.

Zunächst einmal habe ich damals gesagt, eine neue Fördereinrichtung im Nationalpark ist aufgrund des Nationalparkgesetzes ausgeschlossen. Eine Ausweitung der Ölförderung im Nationalpark ist weder beabsichtigt noch ist sie gesetzlich möglich. Darum, bei aller Freundschaft, Herr Abgeordneter Hentschel und Herr Abgeordneter Harms, nun erzählen Sie nicht immer wieder, dass im Nationalpark zusätzlich Öl gefördert werden soll. Das entspricht nicht der Wahrheit. Ich habe deutlich gesagt, das wäre gesetzlich auch gar nicht möglich.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Hören Sie einmal zu!