Die Befürchtung der Sozialministerin Trauernicht, Privatpatientinnen und Privatpatienten würden bei Organspenden bevorzugt, bestätigt die wissenschaftliche Überprüfung, die wir gefordert hatten, glücklicherweise nicht. Trotzdem sind die Ergebnisse nicht beruhigend. Sie sind auf eine Problematik eingegangen; ich sehe aber noch einige weitere Probleme. Für diejenigen, die mit diesem Thema nicht so vertraut sind, Folgendes zur Klarstellung: Die Deutsche Stiftung Organtransplantation ist zuständig für die Organspenden. Ihre Datenerhebung ist schlampig und folgt keinen einheitlichen Vorgaben. Eurotransplant ist zuständig für die internationale Transplantationsvermittlung sowie für die Überprüfung, ob die örtlichen Transplantationszentren die internationalen Vorgaben, die sicherstellen sollen, dass niemand bevorzugt wird, einhalten.
Eine direkte und prompte Übermittlung der Daten zwischen beiden angesprochenen Institutionen findet schlicht nicht statt, obwohl dies vertraglich festgelegt ist. Das ist eine Schlamperei, die offenbar seit Jahren niemandem aufgefallen ist. Zu Recht werden deshalb vom Gutachter bessere, verbindliche und einheitliche Erhebungsparameter eingefordert, von denen auch Sie eben gesprochen haben, Frau Ministerin. Außerdem müssen routinemäßige Abstimmungsverfahren zwischen allen Beteiligten etabliert werden. Es genügt nicht, nur die beiden kurzen Seiten eines Informationsdreiecks zu bedienen. Der Informationsfluss muss zwischen der Deutschen Stiftung Organtransplantation und Eurotransplant ebenso sichergestellt werden wie zwischen Transplantationszentren und DSO auf der einen und zwischen Transplantationszentren und Eurotransplant auf der anderen Seite. Aber wer kontrolliert die Kontrollinstanzen? - Transparenz ist das Stichwort. Statistiken und Berichte nützen wenig, wenn sie nicht aktuell sind. Bisher gibt es jährliche Berichte, die sich an die Öffentlichkeit richten. Das ist völlig unbefriedigend. Die Statistiken von Eurotransplant und die Tätigkeitsberichte der Deutschen Stiftung Organtransplantation sollten zumindest quartalsweise für Patientenorganisatio
nen, Ombudsstellen und Verbraucherzentralen öffentlich gemacht werden, da diese ein berechtigtes Interesse daran haben. Diese Daten können für Vertrauen und Transparenz sorgen. Nur so können wir ein Vorbild für die Kontinente sein, auf denen es Organhandel gibt. Transparenz und demokratische Legitimation sind diesbezüglich wichtige Kriterien.
Es gibt in den Tabellen des von der Landesregierung vorgelegten Berichts eine weitere Abweichung. Aus den Tabellen ist für mich nicht nachvollziehbar, ob die jeweiligen Organspenden von Lebenden, also zum Beispiel Angehörigen, die sich für eine Organspende entschieden haben, oder Verstorbenen kamen. Dieser Sachverhalt wird nicht kommentiert. Es kann daran liegen, dass nur die Aufbereitung der Daten nicht nachvollziehbar ist. Es kann aber auch sein, dass ein ernstes Dokumentationsproblem dahintersteckt. Dem müssen wir im Ausschuss auf den Grund gehen.
Wir hatten gefordert, dass auch die Wartelisten zu Organspenden nach dem Sozialstatus der Patienten untersucht werden. Diesbezüglich wurden allerdings nur Plausibilitätsüberlegungen angestellt, was wir aber für unzureichend halten. Angesichts der vielen Unstimmigkeiten, die wir schon festgestellt haben, ist auch in Bezug auf diesen Punkt eine Untersuchung notwendig. Denn der Patientenombudsverein hat ebenso wie die Organisationen der Ärzteschaft festgestellt, dass es auch diesbezüglich eine Zweiklassenmedizin gibt. Es ist davon auszugehen, dass sich das, was sich bei der Arztterminfindung abspielt, vielleicht auch anderswo Folgen hat. Um das auszuschließen, müssen die Wartelisten untersucht werden. Dies gilt umso mehr, da es in Bezug auf das Thema UK S-H aufgrund der gehäuften Zahl internationaler Patienten Nachfragen von Eurotransplant gegeben hat. Die schlimmsten Befürchtungen haben sich zwar nicht bestätigt; das haben wir im Ausschuss diskutiert. Trotzdem ist es problematisch, dass wir große Krankenhäuser haben, die große Bettenstationen für internationale Patienten aufbauen und es dazu kritische Nachfragen von Eurotransplant im Bezug auf die Priorität innereuropäischer und außereuropäischer Patienten gibt.
Wir halten eine demokratisch kontrollierte Infrastruktur für Organspenden für notwendig. Wir begrüßen die Initiative der Ministerin, für Organspenden zu werben. Aber diese Initiative hat nur Sinn, wenn wir bundesweit Transparenz durch vertrauensbildende Maßnahmen gewährleisten können. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss, da wir uns im ganzen Hause darüber einig waren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Bericht mit dem Titel „Transparenter und gerechter Zugang zu Organspenden“ ist auf einen Parlamentsbeschluss vom 21. November 2007 zurückzuführen. Wir haben uns mit diesem Thema auch schon im Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz beschäftigt. Damit bringen wir zum Ausdruck, wie sehr uns die Bereitschaft zu Organspenden am Herzen liegt.
Im vergangenen Jahr wurde vom SPD-Gesundheitsexperten Prof. Dr. Karl Lauterbach und vom SPDBundestagsabgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg der Vorwurf erhoben, dass Privatpatienten bei der Vergabe von Organspenden bevorzugt werden. Da auch das UK S-H diesbezüglich in die Schlagzeilen geraten war, hatte das Gesundheitsministerium reagiert und eine eigene Studie in Auftrag gegeben, um die Vorwürfe zu hinterfragen. Das von Prof. Raspe erstellte Gutachten wurde bereits vor einigen Wochen in einer Pressekonferenz vorgestellt, weshalb das öffentliche Interesse an dem jetzigen Tagesordnungspunkt eher gering sein wird, was ich sehr bedaure. Aber vielleicht erreichen wir mit der heutigen Plenardebatte ja neue Interessenten. Unser Anliegen muss es sein, die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen.
Eurotransplant im niederländischen Leiden vermittelt alle Organe, die Verstorbenen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Kroatien und Slowenien zur Transplantation entnommen werden. Die Spenderorgane werden nach festgelegten Kriterien und Dringlichkeit vergeben. Dies ist im Transplantationsgesetz geregelt.
Die Raspe-Studie widerlegt eindeutig die öffentlichen Vorwürfe zur Überrepräsentation von Privatpatienten, bestätigt jedoch einen nachlässigen Umgang mit dem Versicherungsstatus der Patienten. Kassenpatienten mit Zusatzversicherung und solche mit einem unbekannten Versicherungsstatus sowie Rentner wurden als Privatpatienten registriert. Der
Prozess der Datenerfassung, -weiterleitung und -bearbeitung ist zu optimieren. Der Versicherungsstatus bei Aufnahme in die Eurotransplant-Datenbank ist vor dem Hintergrund der erhobenen Vorwürfe und der Wirkung auf die Öffentlichkeit sorgfältig zu recherchieren. Es darf nicht sein, dass Personen ohne Angabe der Krankenversicherung in der Eurotransplant-Datenbank bei der Übernahme in den DSO-Bericht übersehen und letztendlich nicht berücksichtigt werden. Auch das hat das Bild verfälscht. Im Bericht der Landesregierung wird diese Problematik ausdrücklich dargestellt.
Für meine Fraktion ist entscheidend, dass der Vorwurf der Bevorzugung von Privatpatienten bei Organtransplantationen vom Tisch ist und in den kritischen Punkten hinsichtlich der Dokumentation nachgearbeitet wird. Miteinander kompatible Datenerfassungs- und Verarbeitungssysteme der Deutschen Stiftung Organspende, von Eurotransplant und der Transplantationszentren sind für einen Datenabgleich daher unabdingbar.
Angesichts dieses sensiblen Themas begrüßen wir die im Bericht dargelegten Maßnahmen und Konsequenzen, die sich aus der nach meiner Sicht sorgfältig erstellten Expertise des Gutachters ergeben.
Die Landesregierung war gut beraten, der Sache auf den Grund und damit einen großen Schritt in Richtung Transparenz zu gehen. Die populistischen Äußerungen der Politiker haben ihre Wirkung aber leider nicht verfehlt. Schleswig-Holstein ist derzeit das Schlusslicht bei der Organspendebereitschaft. Wir begrüßen daher das Vorhaben der Landesregierung, mit entsprechenden Aktionen und Aufklärung für Organspenden zu werben. Ich appelliere an die Presse, das Thema Organspende sowie den Organspendesommer konstruktiv zu begleiten.
Organspende ist eine sehr persönliche Entscheidung. Organspende kann Leben schenken. Machen Sie mit!
die Ministerin und an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht und insbesondere auch für die inzwischen eingeleiteten Initiativen wie zum Beispiel den Organspendesommer.
Organspende und Transplantation sind außerordentlich sensible gesundheitspolitische Themen, insbesondere auch unter ethischen Gesichtspunkten. Wir haben in den letzten Monaten mehrfach darüber diskutiert und festgestellt, dass wir in SchleswigHolstein eine höhere Spendenbereitschaft benötigen; schließlich liegen wir im Bundesvergleich nach wie vor am unteren Ende der Skala. Wir haben mit unserem Transplantationsausführungsgesetz auf Landesebene, das wir in einer der letzten Sitzungen verabschiedet haben, verbindliche Standards geschaffen im Verfahren und unter anderem die Position der Transplantationsbeauftragten gestärkt, nicht zuletzt, um die Spendenbereitschaft auch in unserem Land zu erhöhen.
Mit einer Organspende kann Leben gerettet werden, das steht fest. Der Bedarf an Transplantaten aus Organspenden ist sehr hoch. Ein paar Zahlen: In Deutschland warten aktuell 12.000 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan, und dabei ist der Bedarf zum Beispiel nur für Nierentransplantationen mit fast 9.000 Personen auf der Warteliste am höchsten. Nur einem Viertel der Patienten mit Transplantationsbedarf kann derzeit geholfen werden.
Diese Zahlen machen deutlich, wie schwierig diese Debatte ist und wie sensibel dieses Thema auch öffentlich diskutiert werden muss. Deshalb muss das Verfahren transparent organisiert werden, und die Berichterstattung über Transplantation, über Spender und über Menschen, die eine Spende erhalten, darf keine Zweifel an dem Verfahren auslösen.
Es ist gut und wichtig, dass die Untersuchungsergebnisse der bei Professor Raspe vom Institut für Sozialmedizin in Auftrag gegebenen Studie zum Anteil nicht gesetzlich versicherter Patienten bei Transplantationen von Nieren, Herzen und Lebern in Schleswig-Holstein die öffentlichen Vorwürfe zur Überrepräsentation von Privatpatienten widerlegen.
Es ist auch aufschlussreich, dass in der Untersuchung erklärt wird, weshalb die Tätigkeitsberichte der Deutschen Gesellschaft für Organtransplantationen unterschiedliche Ergebnisse aufzeigen. Es liegt bei den Tätigkeitsberichten eine uneinheitliche Erfassung des Versichertenstatus zugrunde, dieses kann dann natürlich auch zu missverständlichen Er
gebnissen führen; die Kolleginnen und Kollegen haben bereits darauf hingewiesen. Selbstbereicherung hat es nicht gegeben, ein wichtiger Hinweis, weil ein solcher Vorfall natürlich auch Misstrauen gegenüber dem gesamten Verfahren auslösen würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber auch Verbesserungspotenziale, zum Beispiel empfiehlt Professor Raspe erstens eine national einheitliche Kategorienbildung zum Versichertenstatus für die Berichte der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Sie haben eben darauf hingewiesen, Frau Ministerin, dass an dieser Stelle Nachbesserungsbedarf besteht, die Strukturen müssen sicherlich noch weiter verbessert werden. Zweitens sollten ergänzend routinemäßig Sozialdaten bei Transplantationspatienten dokumentiert werden. Drittens sollten sowohl Eurotransplant, die Transplantationszentren wie auch die DSO zu allen ihnen möglichen Datenprüfungen verpflichtet werden; ich glaube, das ist ganz entscheidend.
Diese Empfehlungen können nicht in erster Linie auf Landesebene umgesetzt werden, sondern, da es sich bei dem Transplantationsgesetz um ein Bundesgesetz handelt, ist es auch erforderlich, diese Maßnahmen auf Bundesebene einzuleiten. Insofern ist sehr zu begrüßen, dass die Landesregierung beabsichtigt, diese Vorschläge sowohl an die Bundesregierung heranzutragen als auch auf die Tagesordnung der diesjährigen Gesundheitsministerkonferenz - die ja bei uns im Lande stattfindet - zu setzen. Ich setze darauf, dass dort entsprechende Ergebnisse herbeigeführt werden. Vielleicht sollten wir nach dieser Konferenz im Ausschuss auch darüber noch einmal diskutieren. Ansonsten setze ich auf die Debatte im Sozialausschuss.
Ich danke der Frau Abgeordneten Jutta Schümann. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Sozialministerin, an der Stelle gebührt Ihnen in der Tat Dank; denn durch den vorgelegten Bericht wurden die aus meiner Sicht sehr fahrlässigen und vorschnell erhobenen Vorwürfe der SPDBundestagsabgeordneten Lauterbach und Wodarg, nach denen Privatpatienten bei der Organvergabe
gegenüber Kassenpatienten angeblich bevorzugt würden, entkräftet. Auch entkräftet wurden die Vorwürfe der Selbstbereicherung von Leistungserbringern, wie das durch das Gutachten für beide Transplantationszentren in Schleswig-Holstein eindeutig widerlegt wurde.
Der Bericht kommt auch unserer Forderung nach, nicht nur die Situation zu analysieren, sondern auch Lösungsansätze aufzuzeigen. Der Bericht gibt mehr Transparenz - diese ist auch dringend notwendig, wenn die Informationskampagne im Rahmen des Organspendesommers 2008 erfolgreich sein soll.
Die Schlussfolgerung aus diesem Bericht: Das Ergebnis des Berichts, dass erstens die Übertragung von Daten von Eurotransplant an die DSO nicht nach einheitlichen Kriterien erfolgt und zweitens ein Abgleich der Daten aus der tatsächlichen Abrechnung der Klinik mit dem Versicherungsträger zum Zeitpunkt der Transplantation in den Tätigkeitsberichten nicht erfolgt ist, bestätigt die Kritik der FDP, dass das Transplantationsgesetz zentrale Probleme schlicht ausblendet und die Festschreibung elementarer Entscheidungskriterien an Dritte überträgt, deren demokratische Legitimation zweifelhaft beziehungsweise gar nicht vorhanden ist.
Nach dem Transplantationsgesetz haben die Transplantationszentren ein Implantationsmonopol. Gleichzeitig entscheiden die Zentren über die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Patienten auf die Warteliste und üben damit eine verteilende Funktion aus.
Eurotransplant, eine privatrechtliche Stiftung niederländischen Rechts, hat das Vermittlungsmonopol für Spenderorgane und ist gleichzeitig einer staatlichen Aufsicht so gut wie entzogen. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation koordiniert exklusiv bundesweit die Organentnahmen.
Der Bericht wirft aber auch neue Fragen auf, liebe Kolleginnen und Kollegen, die von der Landesregierung beantwortet werden müssen, und zwar im Ausschuss, am liebsten aber schon heute, Frau Ministerin, wenn der letzte Zweifel beseitigt werden soll.
Wie konnte etwa ein exakter Datenabgleich im Jahr 2006 erfolgen, wenn Patientenakten ausländischer Patienten am UK S-H, Campus Kiel, verschwunden sind?
In der Zusammenfassung - ich will das an der Stelle ganz deutlich sagen - der Ergebnisse der externen Revision des UK S-H, Campus Kiel, durch die Baltic Revisions- und Treuhandgesellschaft heißt es noch - ich zitiere -:
„Aus dem EDV-System des UK S-H kann zur Zeit die Gesamtzahl der behandelten ausländischen Patientinnen und Patienten nicht exakt ermittelt werden.“