Protocol of the Session on May 29, 2008

Da ja ständig darüber spekuliert wird, wie sich die Wirtschaft in nächster Zeit entwickelt, und betrachtet wird, wie sie sich entwickelt hat, möchte ich deutlich machen, dass wir uns, was das erste Quartal 2008 betrifft, in der positiven Entwicklung auch weiterhin deutlich absetzen. Da war davon die Rede, dass sich in Hamburg die gute Entwicklung nicht fortgesetzt habe. Beim Wohnungsbau gab es einen Rückgang um 20 %, bei Bauten für den öffentlichen Verkehr um 8 %. In Schleswig-Holstein können wir demgegenüber feststellen, dass der baugewerbliche Umsatz im ersten Quartal um 19 % gestiegen ist, nämlich auf 427 Millionen €, und dass sich die Auftragslage um 24 % verbessert hat. Da die Auftragslage nach dem Umsatz kommt, können wir davon ausgehen, dass sich die positive Entwicklung im Land auch im zweiten Quartal sehr deutlich fortsetzen wird.

Das Handwerk beschäftigte 115.000 Mitarbeiter. Das ist ein Plus von 1.000 im Vergleich zum Vorjahr. Das Handwerk bildet 18.634 Menschen aus. Das ist ein Plus von knapp 5 %. Was besonders erfreulich ist: Wir stellen fest, dass bei den jetzt bereitgestellten Lehrstellen für dieses Jahr ein Plus an Neuverträgen von 10 % erreicht wird. Das sind Spitzenwerte in Deutschland, und dafür müssen wir dem Handwerk herzlich danken.

(Beifall im ganzen Haus)

Diese wenigen Zahlen zeigen: Das Handwerk gehört zum Kern der schleswig-holsteinischen Wirtschaft. Es übernimmt besondere Verantwortung in der Gesellschaft. Ich danke jedem der 10.000 Handwerksbetriebe, der sich an der Ausbildung beteiligt.

An dieser Einschätzung ändert sich auch dadurch nichts, dass das Statistikamt Nord zu etwas ungünstigeren Ergebnissen kommt als die Handwerkskammern. Das liegt an einer unterschiedlichen Handwerksdefinition. Die amtliche Statistik zieht den Kreis weiter. Wir gehen von Vollerwerbsbetrieben aus, also von Betrieben nach der Handwerkskammeranlage A. Die amtliche Statistik sagte etwas anderes, und so kommen wir in Teilbereichen zu einer abweichenden Beschreibung, die der konjunkturellen Lage jedoch nicht entspricht. Ich habe die konjunkturelle Lage insbesondere auf die Bauwirtschaft bezogen beschrieben.

Das Handwerk hat in den vergangenen Jahren aufgrund veränderter Umfeldbedingungen seinerseits wichtige Veränderungen durchgemacht. Ich nenne hier nur Basel II. Viele hatten ja befürchtet, dass durch diese neue Strenge im Finanzierungssystem viele Betriebe Probleme bekommen würden. Die

internationalen Regeln für den Bankensektor haben dazu geführt, dass die Banken ihre Kredite nicht mehr nach persönlicher Einschätzung, sondern nach restriktiven, objektiven Verfahren vergeben haben. Für dieses Rating ist von entscheidender Bedeutung, wie viel Eigenkapital ein Betrieb hat. In dieser Hinsicht sah es im Handwerk traditionell schlecht aus.

Die meisten von Ihnen werden sich erinnern: Bei vielen Veranstaltungen in Ortsvereinen wurde kritisiert, dass nicht genügend Kapital für die einzelnen Investitionsmaßnahmen der kleinen Betriebe zur Verfügung stehe. Besonders für kleine Betriebe war das immer ein Problem. Aber da ist ein beachtlicher Verbesserungsprozess in Gang gekommen natürlich auch bedingt durch steigende Erträge, die beste Beschreibung für die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation.

40 % der Handwerksbetriebe haben inzwischen eine Eigenkapitalquote von über 30 %. Das heißt, das Handwerk hat unter dem Druck von Basel II seine Substanz wesentlich gestärkt, zumal das Rating auch eine professionelle Unternehmensleitung verlangt. Die Betriebe sind kaufmännisch besser geworden, sie sind wirtschaftlich besser geworden. Das ist eine erfreuliche Bilanz in dieser Antwort auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion.

Das Land unterstützt als eine Säule seiner Handwerksförderung die weitere Professionalisierung der Betriebsinhaber, und zwar durch Betriebsvergleiche, durch das Rationalisierungskuratorium des Handwerks, die Personalmanagementberatungen durch die Kammern - denen ich auch zu danken habe -, unterstützt von der Fachhochschule Flensburg, und die Außenwirtschaftsberatung zur Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Eine weitere Säule ist die finanzielle Förderung durch das Land. Ich sage bei vielen Veranstaltungen - die meisten werden das kennen -, dass es nicht vorkommt, dass eine gute Idee in SchleswigHolstein aus dem Grund nicht umgesetzt wird, weil die finanzielle Förderung nicht vorhanden wäre.

Über die Förderinstitute des Landes - die Landesinvestitionsbank, die Bürgschaftsbank und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft - wurden von 2000 bis 2007 Handwerksbetriebe in rund 1.100 Finanzierungsangelegenheiten unterstützt. Ich weiß, dass sich viele Abgeordnete gelegentlich Sorgen machen und sagen: Ihr guckt nur auf die Großen und beachtet nicht die Kleinen. - 1.100 Finanzierungsfälle mit einem Fördervolumen von über 132 Millionen € zeigen allerdings, dass wir

uns auf diese wichtige Branche in unserer Wirtschaft konzentrieren.

Die wichtigsten Schwerpunkte in der Förderung des Handwerks durch die Landesregierung bilden jedoch die Ausbildung und die Weiterbildung. Ich nenne hier drei Bereiche:

Als Erstes nenne ich die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. Der Bund gibt einen Zuschuss von rund 20 %. Wir geben einen Zuschuss von 30 %. Über 2.000 Lehrgänge werden somit jährlich für rund 20.000 Teilnehmer angeboten. Wir sorgen über Weiterbildungsmaßnahmen dafür, dass die Mitarbeiter in den Betrieben entsprechend der technologischen Weiterentwicklung immer fit sind. Viele kleine Handwerksbetriebe können Lehrlinge beschäftigen, obwohl sie spezialisiert sind und deshalb oftmals nicht die volle Breite der geforderten Kenntnisse vermitteln können.

Der nächste Punkt sind die Berufsbildungsstätten des Handwerks. Wir fördern die Modernisierung der Ausstattung sowie den Um- und Neubau. Ferner fördern wir die Weiterentwicklung der Berufsbildungsstätten zu Kompetenzzentren des Handwerks. Sie sollen durch Kooperationen mit den Hochschulen den Technologie- und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Handwerk erhöhen.

Hinsichtlich der Weiterbildung muss das MeisterBAföG genannt werden. Es ist ein Instrument der beruflichen Aufstiegsförderung.

Des Weiteren ist die Förderung von Beschäftigten von kleinen und mittleren Unternehmen zu nennen. Ich habe es hier bereits mehrfach erwähnt: Wir zahlen die Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen, wenn sich der Betrieb verpflichtet, die Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Das kommt dem Handwerk zugute, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser ausgebildet sind und weil sie für diese Maßnahme keine zusätzlichen Mittel aufbringen müssen.

Schließlich nenne ich die mittlerweile flächendeckend etablierten Weiterbildungsverbände, die landesweit vernetzt sind und sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen bei der Weiterbildung beraten.

Es gibt sicherlich den einen oder anderen Punkt, hinsichtlich dessen weiterer Entwicklung man sich Sorgen machen könnte. Wir wissen natürlich, dass das Handwerk von den Aufträgen aus der Region lebt, und wenn die Menschen ihr Geld enger zusammenhalten müssen, dann bedeutet das, dass auch weniger Aufträge vergeben werden.

(Minister Dietrich Austermann)

Ein positiver Effekt ist mit Sicherheit die Entwicklung der Landwirtschaft; ich lasse jetzt einmal das Thema Milchwirtschaft außen vor. Man kann davon ausgehen, dass es den Landwirten grundsätzlich besser geht als vor Jahren. Wir gehen ferner davon aus, dass es auch den Kommunen besser geht als vor Jahren. Das ist wichtig, weil auch die Kommunen Auftraggeber für das Handwerk sind. Ein Vergleich: Im Jahre 2003 haben die Kommunen Gewerbesteuer in der Größenordnung von 500 Millionen € eingenommen. In diesem Jahr werden es 750 Millionen € sein. Das heißt, die Kommunen sind ebenso wie die Landwirtschaft besser in der Lage, Aufträge an das Handwerk zu vergeben.

Nichtsdestotrotz gibt es den einen oder anderen Punkt, der Sorge bereitet. Das ist beispielsweise die Frage, wie sich das Thema Erbschaftsteuer entwickelt. Das ist die Frage, wie sich das Thema Konsum ganz allgemein weiterentwickelt. Gibt es diesbezüglich Ansätze aus Berlin?

Es gibt allerdings auch positive Impulse. Das Thema Klimaschutz und zusätzliche Wärmedämmungsmaßnahmen bedeuten ein zusätzliches Auftragsvolumen für das Handwerk.

Das Handwerk ist und bleibt wichtig. So wird es auch von der Landesregierung behandelt. Ich denke, dass es auch so vom Parlament behandelt wird. Deswegen bin ich dankbar, dass wir dieses Thema heute aufgrund der Großen Anfrage so erörtern können.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der FDP Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal richte ich an Sie, Herr Austermann, und Ihr Haus einen herzlichen Dank für die, wie ich finde, sehr ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion zur Lage des Handwerks. Besonders angenehm finde ich, dass das Wirtschaftsministerium auch die nicht ganz so angenehmen Daten und Fakten offen und ehrlich anspricht. Denn die Erkenntnis ist immerhin ein erster Schritt zur Lösung von bestehenden Problemen.

Herr Wirtschaftsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, für Schleswig-Holstein, ein Land, das

traditionell nicht durch Großindustrie geprägt ist, spielen die Handwerksbetriebe eine überdurchschnittlich wichtige Rolle. Die meisten Handwerksunternehmen sind Einzel- oder Kleinstunternehmen und Begriffe wie Eigentum, Leistung, und Engagement spielen ebenso eine entscheidende Rolle wie persönliche Haftung und eigenes Risiko.

Die Handwerksbetriebe im Land sind die größten Ausbilder und erbringen damit eine erhebliche soziale Leistung für das Gemeinwesen.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Jahr 2007 wurden in den schleswig-holsteinischen Handwerksbetrieben fast 7.200 junge Menschen ausgebildet. Damit unterstreicht das Handwerk sein großes gesellschaftliches Engagement, und ich möchte den vielen Handwerksbetrieben an dieser Stelle ausdrücklich für ihr Engagement danken.

(Beifall)

Doch die Beantwortung der Großen Anfrage zeigt: Dem Handwerk in Schleswig-Holstein geht es nicht gut, und Grund zur Euphorie besteht schon gar nicht. Die Anzahl der Handwerksbetriebe hat sich in den Jahren 2000 bis 2004 um mehr als 1.700 - das sind fast 8,4 % - verringert. Seit der Novelle der Handwerksordnung im Jahre 2004 und durch die seichte konjunkturelle Belebung ist die Zahl der Betriebe zwar wieder leicht steigend, aber 2006 waren auch nur 19.400 Handwerksbetriebe gemeldet.

Die Anzahl der Beschäftigten im Handwerk hat sich seit dem Jahr 2000 dramatisch reduziert. Waren im Jahr 2000 noch 145.000 Personen im Handwerk beschäftigt, waren es Ende 2007 nur noch 115.000. Das entspricht einem Rückgang um über 20 %. Allein im Baugewerbe hat sich die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren nahezu halbiert.

Auch die Umsatzentwicklung im schleswig-holsteinischen Handwerk ist dramatisch. Betrug der Umsatz im Jahr 2000 noch rund 11,3 Milliarden €, so sank er bis zum Jahr 2007 auf nur noch 10,5 Milliarden €.

Diese zum Teil dramatischen Rückgänge bei drei elementaren volkswirtschaftlichen Kennziffern zeigen, dass es nicht wirklich gut um das schleswigholsteinische Handwerk bestellt ist. Das eigentlich als erfolgreich prognostizierte Jahr 2007 war enttäuschend. So sprach der Präsident der Handwerkskammer Lübeck, Horst Kruse, auf der Vollversammlung der Handwerkskammer in Lübeck am

(Minister Dietrich Austermann)

6. Mai dann auch folgerichtig davon, dass im Jahr 2007 „nicht gerade ein großer Durchbruch“ erzielt wurde. Auch die Entwicklung im Jahr 2008 sei für die Handwerkskammer alles andere als ein Grund zur Freude. Chancen für einen Aufschwung seien nicht zu erkennen.

Dies sind alles in allem Gründe genug für die Landesregierung, die eine oder andere Maßnahme zu ergreifen, um der negativen Entwicklung entgegenzuwirken. Allerdings kann ich keine wirklichen Bemühungen der Landesregierung erkennen, um wirklich nachhaltig etwas gegen diese Situation zu unternehmen.

Herr Minister Austermann, wo bleiben die konkreten Maßnahmen zum Bürokratieabbau, um den Handwerksbetrieben zu helfen?

(Beifall bei der FDP)

Was macht die Landesregierung? - Sie verweist auf die unzähligen Landesförderprogramme, die noch nicht einmal evaluiert wurden. Wo bleiben denn die Initiativen zu Steuer- und Abgabensenkungen? Nichts ist zu sehen. Stattdessen werden die Einzelund Kleinstunternehmen immer mehr belastet.

Es muss dringend etwas passieren. Denn die Aussichten und die zukünftigen Entwicklungen sind alles andere als rosig. Da ist zum einen die Problematik der Nachfolgeregelungen, wie sich aus der Antwort auf unsere Frage 1.13 ergibt. So stellt die Landesregierung selbst fest, dass rund 8.000 Handwerksunternehmen in den kommenden fünf Jahren ihre Nachfolge regeln müssen. Insbesondere auf die Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 50.000 € wird nach Ansicht der Landesregierung ein ganz gravierendes Problem zukommen. Ich teile diese Befürchtung, Herr Austermann. Doch wie reagieren SPD und CDU? - Sie entwickeln eine Reform der Erbschaftssteuer, die Betriebsübergänge nahezu verhindern und zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand im Handwerk führen wird!

(Beifall bei der FDP)

So sollen bei einem Betriebsübergang zwar 85 % des Betriebsvermögens steuerfrei bleiben, allerdings nur dann, wenn der Betrieb 15 Jahre weitergeführt wird und mindestens zehn Jahre lang die Lohnsumme von 70 % des Ausgangswertes nicht unterschreitet.

Welcher Handwerksbetrieb kann denn das heute vorhersagen? Ein potenzieller Betriebsübergang wird möglicherweise bereits an der abschreckenden Erbschaftsbesteuerung scheitern. Und wenn das

nicht schon genügend abschreckend wäre, dann allemal die Detailregelungen.

Der potenzielle Erbe muss sich mit Haftungsfristen und Reinvestitionsklauseln rumschlagen, muss Abschreibungen und Abschläge, aber auch Freibeträge im Auge behalten. Und wenn er sich durch die „Pro-rata-temporis-Regelung“ gekämpft hat, dann droht ihm möglicherweise auch noch die Doppelbesteuerung stiller Reserven. Die Auswirkungen sind gravierend. Wird im Erbschaftsfall eine so hohe Steuer fällig, dass der Erbe sie nicht aufbringen kann, kann der Betrieb schlicht nicht weitergeführt werden. Arbeiter und Angestellte müssen entlassen werden, und das Lebenswerk eines Unternehmers wird damit vernichtet.

(Beifall bei der FDP)