Protocol of the Session on May 28, 2008

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/2090, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und FDP und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimme der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Ich lasse nun über den Antrag der Fraktionen von CDU und SPD, Drucksache 16/2077, abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und FDP und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Dem ländlichen Raum Entwicklungschancen lassen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2057

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Günther Hildebrand für die antragstellende Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer jetzt in den Tagen nach der Kommunalwahl die Kommentarlage gelesen hat, der stellt fest, dass die Wählerinnen und Wähler in den Städten insbesondere die CDU geradezu abgewatscht haben. Man konnte lesen, dass die CDU die Chance ver

(Anna Schlosser-Keichel)

passt habe, sich in den Städten zu etablieren und weiterhin in Schleswig-Holstein die Partei des ländlichen Raumes geblieben sei.

Ich kann diese Kommentarlage zwar aus Sicht der Wahlergebnisse zum Teil nachvollziehen, fachlich stimmt das aber nicht. Denn was die Landesregierung uns derzeit als Entwurf für einen neuen Landesentwicklungsplan vorgelegt hat, hat mit einer sinnvollen und angemessenen Politik für den ländlichen Raum nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Da die CDU auch in dieser Landesregierung vertreten ist, scheint sie den Entwurf aus dem Hause Hay zu billigen.

Die Essenz dieses Entwurfs fasse ich wie folgt zusammen: Erstens. Der ländliche Raum wird in seiner Entwicklung künftig massiv benachteiligt. Zweitens. Die Unterzentren und ländlichen Zentralorte erfahren eine wesentliche Schlechterstellung. Drittens. Das kommunalpolitische Ehrenamt wird in seinem Gestaltungsrahmen massiv geschwächt.

(Beifall bei der FDP)

Dass solch ein Entwurf aus einem SPD-Ministerium kommt, verwundert nicht. Dass die CDU in der Regierung solch einen Entwurf im Kabinett passieren lässt, kann nur dadurch erklärt werden, dass sie entweder geschlafen hat oder aber fachlich nicht in der Lage ist, die Dramatik dieses Entwurfes für den ländlichen Raum zu erkennen. Da stellt sich die Frage, was von beidem schlimmer ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob die gerade neu gewählten Kommunalvertreter bereits heute erahnen, was mit diesem Landesentwicklungsplan auf sie zukommt und wie sie durch diesen Landesentwicklungsplan zukünftig bevormundet werden. Bis Ende Oktober müssen die Stellungnahmen der Kommunen eingereicht sein.

Der größte Sündenfall des Entwurfs ist die faktische Stilllegung des ländlichen Raumes durch die Begrenzung des Siedlungsrahmens von 8 % bis zum Jahr 2025. Die Berechnung beginnt im Übrigen nicht ab dem Jahr 2010, in dem nämlich der jetzige Landesraumordnungsplan ausläuft, sondern der Stichtag ist schon auf den 31. Dezember 2006 zurückdatiert worden.

Für alle diejenigen in diesem Haus, die sich noch nicht mit dem Landesentwicklungsplan beschäftigt haben: Künftig darf im ländlichen Raum der Bestand an Wohnungen ab dem Ist-Bestand am

31. Dezember 2006 nur noch um 8 % bis zum Jahr 2025 ausgebaut werden.

Faktisch hat das folgende Auswirkungen. Nehmen wir einmal eine Gemeinde im ländlichen Raum mit 1.500 Einwohnern - nur nebenbei erwähnt, die meisten Gemeinden bei uns haben weniger Einwohner - und sagen, für diese 1.500 Einwohner gibt es in dieser Gemeinde heute circa 500 Wohnungen, dann darf diese Gemeinde insgesamt bis zum Jahr 2025 nur 40 zusätzliche Wohnungen schaffen. Das sind für die Jahre 2007 bis 2025 gerade mal zwei neue Wohnungen pro Jahr. Bei einer Gemeinde mit 500 Einwohnern - Kollege Astrup, auch davon gibt es viele in unserem Land, wie Sie wissen - ergibt dies nicht einmal eine Wohnung pro Jahr. Nicht einmal eine neue Wohnung pro Jahr! Das kann für eine Kommune bedeuten, dass dann, wenn sie in 2007 im Vertrauen auf den noch bis 2010 gültigen Landesraumordnungsplan ein Neubaugebiet ausgewiesen hat, ihr Kontingent bereits bis zum Jahre 2025 erschöpft ist.

Erstens ist dies ein fataler Eingriff in die kommunale Planungshoheit, denn den Gemeindevertretern wird faktisch die Möglichkeit entzogen, nach eigenem Ermessen den geschätzten kommunalen Bedarf zu decken. Zweitens wird dem ländlichen Raum jegliche Entwicklungschance genommen. Wenn es nicht möglich ist, neue Bewohner oder auch die heranwachsenden Kinder an die Gemeinde zu binden, dann rechnet sich irgendwann zum Beispiel auch der örtliche Kaufladen nicht mehr. Mit weniger Handelsinfrastruktur werden diese Gemeinde auch für jetzige Bewohner zunehmend uninteressant. Abwanderungen werden die Folge sein, damit verbunden finanzielle Verluste für die Gemeindekasse und damit wiederum weniger Haushaltsmittel für Kindergärten und Sporteinrichtungen.

(Beifall bei der FDP)

Dies macht die Orte dann weiter unattraktiver. Diese Abwärtsspirale darf man gar nicht erst in Gang setzen.

(Beifall bei der FDP)

Nebenbei werden auch alle Bemühungen zum Beispiel der Akademie für ländliche Räume gefährdet, die sich zum Ziel gesetzt hat, den ländlichen Raum lebenswert zu erhalten.

Ähnliches gilt für Stadt-Umland-Gemeinden, die sich nun durch den Zwang zur Abstimmung mit dem Zentralort quasi im Würgegriff des Zentralortes hinsichtlich der Ausweisung zusätzlichen

(Günther Hildebrand)

Wohnraumes befinden. Dies gilt nebenbei auch für die Ausweisung von zusätzlichen Gewerbegebieten.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. - Für die Schulen gilt Ähnliches. Dem Schulträger wird faktisch die Möglichkeit entzogen, frei darüber zu entscheiden, wo Schulen errichtet werden oder erhalten bleiben können.

Meines Erachtens ist dieser Landesraumordnungsplan, der sich zugegebenermaßen im Stadium des Entwurfes befindet, Kollege Astrup, so nicht hinnehmbar. Er ist ein Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung. Dies darf so nicht passieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Forderung der FDP, den Entwurf des Landesentwicklungsplanes zugunsten einer positiven Entwicklung des ländlichen Raumes zu korrigieren und zu flexibilisieren, ist in Ordnung:

(Beifall bei CDU und FDP)

Städte und ländliche Räume müssen sich gleichwertig entwickeln können. Stadt und Land stehen nicht im Gegensatz, sondern stehen im Miteinander. Es sind die ergänzenden und nicht die konkurrierenden Gesichtspunkte in den Mittelpunkt zu stellen.

Eine Festsetzung im Entwicklungsplan, im ländlichen Raum in den meisten Gemeinden die Entwicklung auf 8 % bis 2025 zu begrenzen, ist zu einengend. Ich will angesichts der Zeit nicht mehr dazu sagen; in der Sache ist diese Aussage richtig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Im ländlichen Raum leben 49 % der Bürger des Landes. 80 % der Fläche des Landes gehören zum ländlichen Raum. Meine Damen und Herren, eigentlich wollen wir doch, dass Wohnen, Arbeiten und Freizeit möglichst dicht beieinander sind. Wir haben eben über die Pendlerpauschale diskutiert. Das sollte uns doch noch einmal deutlich gemacht

haben, wie wichtig es ist, Arbeitsplätze und Entwicklungspotenziale vor Ort zu haben und nicht über lange Strecken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Unmut, der darüber herrscht, dass die 8 %-Regelung schon jetzt angewandt wird, ist dargelegt worden. Ich weiß von einer Reihe von Kommunalpolitikern auch aus unseren Reihen, dass sie darüber nicht gerade amüsiert sind. Die im Entwurf des Landesentwicklungsplanes für die Konzentration auf Städte enthaltene Begründung des demografischen Wandels ist nicht schlüssig. In Schleswig-Holstein leben derzeit 2,84 Millionen Menschen. 2025 werden es rund 2,78 Millionen sein. Eine solche gar nicht große Veränderung begründet nicht eine mit dem demografischen Wandel erklärte Konzentration auf städtische Bereiche. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Das lässt sich daraus nicht ableiten.

(Beifall bei der CDU)

Auch der im Planentwurf dargelegte Punkt, dass die Zentren eine niedrigere Arbeitslosigkeit hätten, ist mit den Arbeitslosenzahlen nicht in Einklang zu bringen. Wenn ich Kiel und die ländlichen Räume rundherum vergleiche, ist auch diese Aussage einfach nicht richtig.

Geboten ist selbstverständlich eine Abstimmung zwischen Städten und Umlandbereichen. Das liegt in unser aller Interesse. Aber verpflichtende Vereinbarungen über die wohnbauliche Entwicklung sind kein angemessenes und auch kein faires Mittel, weil dies am Ende ganz eindeutig zu Lasten der Dörfer und des ländlichen Raumes gehen würde. Das wollen wir als CDU nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im Übrigen stellt sich die Frage, ob wir in dieser Diskussion nicht eigentlich weniger Vorgaben von oben brauchen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Verantwortung vor Ort muss gestärkt werden. Fragen über Schulstandorte und Krippenplätze und Kindergartenplätze sind am besten ortsnah zu entscheiden.

Ich will noch den Punkt Wohnbauentwicklung ansprechen. In den letzten 15 Jahren sind jährlich etwa 12.000 neue Wohnungen im Land gebaut worden. Der Entwurf sagt, für die nächsten 15 Jahre seien pro Jahr nur noch 6.000 nötig. Ich glaube nicht, dass sich prognostizieren lässt, wie eine Wohnbauentwicklung verlaufen wird. Ich denke,

(Günther Hildebrand)