Protocol of the Session on April 24, 2008

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur nicht in Schleswig-Hol- stein!)

Für mich gibt es keinen Zweifel, dass wir die Vielfalt des Lebens auf der Erde, von der genetischen Vielfalt über die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt der Ökosysteme, schützen und dauerhaft sichern müssen. Auf der Ebene unseres Landes sollten wir uns aber vor allem auf die Entwicklung und Umset

zung der dringend erforderlichen konkreten Schutzund Erhaltungsmaßnahmen konzentrieren.

Frau Kollegin, die Zeit!

Ich komme gleich zum Schluss. Nun mein letzter Satz: Weniger ist manchmal mehr. Ich will Ihre Vorwürfe, Herr Kollege Matthiessen, einmal aufgreifen.

Wir haben es unserem Umweltminister Dr. von Boetticher zu verdanken, dass NATURA 2000 in diesem Land endlich umgesetzt worden ist. Das hat sein Vorgänger, der grüne Umweltminister, der einen Scherbenhaufen hinterlassen hat, nicht geschafft.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie sich heute anheischig machen, eine solche Kritik zu üben, finde ich schlichtweg unredlich. Ich bedaure, dies sagen zu müssen.

Die Zeit!

Das stand nicht in meinem Konzept. - Ich freue mich dennoch auf eine konstruktive gemeinsame Diskussion im Umwelt- und Agrarausschuss.

(Beifall bei der CDU - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das war aber ein langer letzter Satz!)

Ich danke der Kollegin Todsen-Reese.

Wir haben eine besondere Besuchergruppe zu begrüßen. 34 Mädchen sind anlässlich des Girls’ Day Gäste mehrerer Fraktionen dieses Hauses. - Seien Sie uns bei der Plenardebatte und den ganzen Tag über herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Haus)

Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Konrad Nabel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heute zur Debatte stehenden Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Biologische Vielfalt erhal

(Herlich Marie Todsen-Reese)

ten - Artensterben bis 2010 stoppen“ und „Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie“ greifen ein wichtiges Thema auf, an dem auch wir zurzeit arbeiten. Wir werden die Aufforderung an die Landesregierung, zur 35. Tagung, also zur ersten Tagung nach der Sommerpause, über die schleswigholsteinischen Aktivitäten zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zu berichten, unterstützen.

Hätten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, es dabei belassen, dann hätten Sie sicherlich die Unterstützung des ganzen Hauses erhalten.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Leider vermischen Sie aber Ihren ursprünglichen Berichtsantrag wieder einmal mit Forderungen, die wesentliche Teile des gewünschten Berichts voraussetzen, denen wir deshalb heute nicht zustimmen können und die wir bis zur Vorlage und Diskussion des Berichts in den Ausschuss überweisen werden.

Ganz offensichtlich haben Sie wieder einmal von Ihren Kolleginnen und Kollegen in anderen Landtagen abgeschrieben. Aber dabei haben Sie sich entweder nicht so recht getraut, oder Sie waren inhaltlich nicht auf der gleichen Linie wie zum Beispiel Ihre niedersächsischen Kolleginnen und Kollegen, die ziemlich genau eine Woche vor Ihnen den Antrag „Artensterben bis 2010 stoppen - Land muss Aktionsplan vorlegen“ in Hannover gestellt haben. In diesem viel weiter gehenden und sehr konkreten Antrag werden 24 Ziele benannt, die sich übrigens wortgleich in der Nationalen Strategie der Großen Koalition auf Bundesebene wiederfinden und dort abgeschrieben wurden. Es sieht ganz so aus, als hätten Sie sich mit der von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vorgelegten und im November 2007 vom Bundeskabinett beschlossenen Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt überhaupt nicht beschäftigt. Immerhin sind 180 Seiten zu lesen. Ihre heutigen Forderungen finden sich, genau wie die Ihrer Kolleginnen und Kollegen anderer Landtage, als Weg zur Umsetzung in der Strategie wieder. Es ist selbstverständlich, dass auch wir in Schleswig-Holstein uns an dem von der Bundesregierung aufgezeigten Weg der Umsetzung beteiligen werden.

Meine Damen und Herren, leider kann ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht inhaltlich ausführlich auf die große Brisanz des Themas der biologischen Vielfalt eingehen. Ich will mich auch nicht auf Ihre Dramatisierung einlassen, Herr Kol

lege Matthiessen. Ohne Zweifel ist aber der Erhalt der biologischen Vielfalt neben dem Klimawandel die größte Herausforderung zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres Planeten.

Wir haben diese Diskussion hier im Haus bereits geführt. Wir werden sie nach Vorlage des Berichts weiterführen. Anders als die Kollegin Todsen-Reese halte ich den Bericht aus dem Jahr 2001 nach wie vor für eine sehr gute Grundlage.

Meine Damen und Herren, mit der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt liegt in Deutschland erstmals eine umfassende und anspruchsvolle Strategie zur Umsetzung des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt von 1992 vor. Liebe Frau Kollegin Todsen-Reese, 1992 hat Herr Kohl regiert und Frau Merkel war Umweltministerin. Seitdem ist leider nicht viel passiert. Es hat bis zum Jahr 2007 gedauert, bis auf Bundesebene endlich etwas geschehen ist. - So viel als Austausch gegenseitiger Höflichkeiten. Das muss ja auch sein.

In dieser Strategie gibt es rund 330 Ziele und 430 Maßnahmen zu allen Bereichen der biologischen Vielfalt. Die Umsetzung dieser Strategie ist keine Aufgabe für den Bund allein, sondern muss alle gesellschaftlichen Akteure einbeziehen.

(Beifall der Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD] und Lars Harms [SSW])

Deshalb hat das BMU im Dezember 2007 - im Dezember 2007! - einen mehrjährigen - mehrjährigen! - dialogorientierten Umsetzungsprozess gestartet. Bausteine dieses Prozesses sind nationale und regionale Foren zur biologischen Vielfalt sowie Workshops, zu denen alle staatlichen und nicht staatlichen Akteure eingeladen sind. Selbstverständlich sind unsere schleswig-holsteinischen Fachleute im Rahmen der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft „Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung“ hierbei vertreten.

Nun sollen wenigstens noch einige inhaltliche Punkte von mir erwähnt werden.

Selbstverständlich geht es um den Schutz der biologischen Vielfalt, es geht aber auch darum, die biologische Vielfalt durch naturverträgliche Produkte und Dienstleistungen nachhaltig zu nutzen. Es geht darum, schädliche Umwelteinflüsse auf die biologische Vielfalt zu reduzieren, und es geht auch darum, die Ressourcen fair zu nutzen. Das heißt, dass wir uns in den zivilisierten, entwickelten Ländern auch um die Länder kümmern, die keine Chancen haben, etwas über Technik auszugleichen.

(Konrad Nabel)

Dass es bei der biologischen Vielfalt um mehr geht als um die Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren, wird häufig vernachlässigt. Natürliche Veränderungen, verstärkt durch den Klimawandel, sind nicht selten mit massiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen auch für die Menschen verbunden. Denn mit aussterbenden Pflanzenarten verkümmern die Böden, und nach dem Aussterben von Tierarten treten Schädlingsplagen auf, oder es droht Erosion.

Meine Damen und Herren, das BMU und das Bundesamt für Naturschutz gewichten die Bedeutung eines gemeinsamen gesellschaftlichen Prozesses im Hinblick auf den Erfolg der Umsetzung sehr hoch. Hinweise und Vorschläge der Akteure bilden wichtige Wegweiser für das weitere Vorgehen. Erste Erkenntnisse liegen vor, denen ich mich persönlich sofort anschließen kann. Die Forderung nach einem Nachhaltigkeits- beziehungsweise BiodiversitätsCheck für alle neuen Gesetze, Verordnungen und Pläne ist ebenso zu unterstützen wie die Aufforderung, auch in Zeiten der Rezession nicht vor Investitionen in personelle und finanzielle Ressourcen zur Umsetzung der Strategie zurückzuschrecken.

Wir müssen dafür sorgen, dass die Politik die nötigen Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement schafft und damit die Netzwerkbildung begünstigt. Nur so kann das Ganze funktionieren. Auch in den Verwaltungen muss das Thema anders angegangen werden.

Ich könnte jetzt noch eine Stunde weiterreden.

Aber nicht von hier!

Aber meine Zeit ist zu Ende. Frau Präsidentin, ich habe es gesehen.

Wir werden dieses Thema im Ausschuss sicherlich weiterdiskutieren. Wir warten selbstverständlich auf den Bericht, aber wir werden bis dahin auch unsere eigenen Schwerpunkte setzen. Ich hoffe, dass dies für die anderen Fraktionen im Hause ebenfalls gilt.

(Beifall bei SPD, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Konrad Nabel. - Für die FDP-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Matthiessen, es war schon enttäuschend, was ich von Ihnen heute hier vernommen habe. Ich dachte, Sie würden etwas zum Artenschutz und zur Biodiversität sagen. Es ist dabei vordergründiger Populismus herausgekommen. Sie sagen, die Trauerseeschwalbe - dies nur als Beispiel sei erst durch künstliche Nisthilfen überhaupt wieder in Eiderstedt gelandet, und aufgrund der diskutierten Vogelschutzgebietsausweisung hätten die Landwirte dies wieder abgebremst, worin der Rückzug begründet liege. Wenn Sie schon selbst das Auf-den-Stock-Setzen eines Knicks als Umweltfrevel bezeichnen, dann haben Sie nicht richtig verstanden, was Knickpflege ist.

(Beifall bei der FDP)

Biodiversität ist für uns unverzichtbar. Biodiversität steht für Vielfalt des Lebens auf der Erde. Biologen haben bisher etwa 2 Millionen Pflanzen, Tier-, Bakterien- und sonstige Arten beschrieben. Wahrscheinlich leben jedoch etwa 8 bis 10 Millionen Arten auf unserer Erde. Während die Wissenschaft die meisten Arten noch katalogisieren muss, führen gleichzeitig Umweltbelastungen und Naturzerstörung zu einem Verlust an dieser biologischen Vielfalt, kurz Biodiversität genannt.

Welche Konsequenzen dieser Verlust an Biodiversität für unsere Erde haben wird, ist derzeit nicht abzuschätzen. Weltweit versuchen deshalb Wissenschaftler herauszufinden, wie sich ein Verlust an Arten auf die in einem Ökosystem ablaufenden Prozesse, insbesondere die Stoffflüsse, auswirkt. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Verlust an Biodiversität auch für den Menschen unangenehme Folgen haben wird, da zum Beispiel die Stoffkreisläufe die Grundwasserqualität, das Nitratrückhaltevermögen des Bodens oder auch die Produktivität beeinflussen.

Vor diesem Hintergrund sollte die im Mai in Deutschland stattfindende 9. Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt auch die entsprechende Beachtung durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag finden. Noch nie zuvor wurde so schnell so viel vom großen Schatz der Artenviel

(Konrad Nabel)

falt zerstört. Der Mensch ist eilig dabei, die natürlichen Lebensgrundlagen zu gefährden.

Meine Damen und Herren, Artensterben kann auch als natürlicher Prozess vor sich gehen. Damit kann ein Stopp des Artensterbens, wie in der Überschrift des Antrages der Grünen gefordert, natürlich nicht verhindert werden. Der Prozess des Artensterbens vollzieht sich allerdings derzeit bis tausendmal schneller, als es mit evolutionären Gründen erklärbar wäre.

Jährlich werden 12 Millionen ha Wald vernichtet ein Drittel der Fläche Deutschlands und mehr Wald, als in Deutschland insgesamt steht. Geschätzte 26.000 Arten sterben jährlich. Alle 20 Minuten verlieren wir somit eine Tier- oder Pflanzenart. Menschliche Aktivitäten wie Raubbau und Abholzung reduzieren die biologische Vielfalt weiter. Der Klimawandel tut ein Weiteres. Es ist daher wichtig, dass bei der bereits genannten Vertragsstaatenkonferenz den Zielen des Schutzes und Erhalts der Biodiversität und deren nachhaltiger Nutzung Rechnung getragen wird.

Dabei wird es auch um die Entwicklungspolitik gehen. Hier gibt es durchaus auch für die deutsche Entwicklungspolitik Ansatzpunkte. Möglicherweise sind deutsche Gelder für die Entwicklungshilfe, die heute an China ausgezahlt werden, besser angelegt, wenn man sie afrikanischen Küstenstaaten zukommen lässt, um sie vor der Leerfischung ihrer ehemals fischreichen Küstengewässer durch chinesische Schwarzfangflotten zu schützen. Dies ist nur ein Beispiel.