Ein weiterer Punkt ist - man muss in einer Haushaltsdebatte auch auf Schattenseiten unserer Gesellschaft hinweisen - die ständig steigende Zahl von Menschen, die offiziell unterhalb der Armutsgrenze leben, vor allem der Kinder. Wenn wir uns diesem Thema nicht stellen - ich habe keine Patentlösung dafür, weil es auch mit steigenden staatlichen Leistungen zu tun hat -, dann werden wir ein Problem bekommen; denn die linken und rechten Populisten, die wir gerade jetzt im Bundestagswahlkampf erleben, werden sich dieses Themas annehmen. So lange sollten wir nicht warten; vielmehr sollten wir diesen Menschen eine Perspektive geben - diese Perspektive habe ich anzudeuten versucht -, indem es wieder mehr Arbeitsplätze in Deutschland beziehungsweise in Schleswig-Holstein gibt, indem wir versuchen, trotz der finanziellen Schwierigkeiten zu investieren. Ich glaube, dann sind wir auf dem richtigen Weg und können auch Menschen, die auf der Schattenseite unserer Gesellschaft sind, wirklich eine Perspektive geben. Ich glaube, dann würden wir auch den Sozialstaat - das ist ein Grundprinzip unserer Verfassung - wieder mehr in den Blickpunkt rücken. Das ist jedenfalls unsere Position.
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass wir dringend mehr Krippenplätze brauchen. Deshalb bin ich auch dankbar dafür, dass die 60 Millionen €, die jährlich zur Förderung des Personalkostenanteils der Kindertagesstätten gezahlt werden, trotz zurückgehender Kinderzahlen nicht in irgendeiner Form infrage gestellt werden. Vielmehr garantieren wir, dass wir die Förderung fortsetzen, weil wir davon ausgehen, dass man Kindertagesstättenplätze in Kinderkrippenplätze umwandeln kann. Das trägt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Dadurch kann vieles von dem, was mit PISA I und II oder anderen Studien aufgegriffen worden ist, umgesetzt werden. Das ist der richtige Weg. Das ist eine aktive Familienpolitik. Dies wollen wir in der großen Koalition weiter voranbringen.
Im Bildungsbereich liegt einer der Schwerpunkte der großen Koalition. Ich habe mich schon etwas geärgert, als ich vor kurzem von meiner ehemaligen Gewerkschaft irgendwelche Bemerkungen über etwas las, was in der Tat nicht richtig ist. Zum 1. August haben - vorbereitet durch die rot-grüne Landesregierung, von der großen Koalition durch den Nachtragshaushalt abgesichert - 200 neue Lehrer ihre Arbeit in Schleswig-Holstein aufgenommen. Das ist eine Antwort auf die steigenden Schülerzahlen. Dass man sich mehr vorstellen könnte, weiß ich auch. Aber wir müssen das finanziell Machbare und das Wünschenswerte in Einklang bringen. Ich bin gespannt auf die Rechenkünste des Oppositionsführers in den Ausschüssen. Bei dieser finanziellen Situation 150 Millionen € in einer Legislaturperiode zusätzlich in die Hände zu nehmen, ist eine richtige Antwort auf die drängende Frage, wie wir in Zukunft mit dem Bildungswesen umgehen.
Darin sind große Beträge enthalten: 27 Millionen € für die Sprachförderung, 60 Millionen € für den Vertretungsfonds, damit eben Unterricht nicht ausfällt. Am Ende der Legislaturperiode werden insgesamt 700 neue Stellen geschaffen worden sein. Gleichzeitig wird die Verlässliche Grundschule weiter ausgebaut. Man sollte sich vor Ort einmal anschauen, wie die Anmeldezahlen zunächst aussehen - ich habe gerade die Zahlen aus Lauenburg gesehen - und wie dann innerhalb ganz kurzer Zeit immer mehr Eltern nachziehen, weil sie merken, dass das der richtige Weg ist und dass sie sich dann vielleicht auch wieder um einen Arbeitsplatz bemühen können. Insoweit müssen wir, wenn es denn möglich ist, auch noch mehr investieren.
Im Kita-Bereich fangen wir mit den Leitlinien eine Diskussion an und nehmen ernst, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen und keine Bewahrungseinrichtungen sind. Das sollten wir auch noch einmal nach draußen bringen.
Für den Bildungsbereich ist dies aus meiner Sicht ein schlüssiges Gesamtpaket dank der Initiativen von Ute Erdsiek-Rave. Wenn wir dann noch zusätzlich die eine oder andere Gemeinschaftsschule bekommen würden, dann wären wir Sozialdemokraten zufrieden.
Ein Wort zu den Minderheiten! Ich habe seit 1998 an dieser Stelle immer etwas zu den Minderheiten gesagt. Ich will Anke Spoorendonk heute nicht enttäuschen. Wir Sozialdemokraten werden uns auch in
Zukunft für die Interessen der Minderheiten einsetzen, für die Sinti und Roma, für die Friesen, für die dänische Minderheit, aber natürlich auch für die deutsche Volksgruppe in Nord-Schleswig. Vor wenigen Monaten haben wir den 50. Jahrestag der Bonn/Kopenhagener Erklärungen gefeiert. Diese sind für uns Verpflichtung zur Fortsetzung unserer bisherigen Minderheitenpolitik. Da sind wir an Ihrer Seite, auch wenn es um konkrete Dinge geht, aber Sparen, Investieren, Kürzen sind Grundsätze, die auch bei diesen Dingen zu beachten sind, wenn sie auch Verfassungsrang haben.
Über einen weiteren Punkt sollten wir in den Haushaltsberatungen noch einmal nachdenken: Wichtig ist es auch in Zukunft - gerade angesichts noch steigender Schülerzahlen -, dass in Schleswig-Holstein ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Ich bin gespannt auf das Bündnis für Ausbildung. Aber ich kann doch von der mittelständischen Wirtschaft in Schleswig-Holstein, von den Handwerksbetrieben, nicht erwarten, dass sie zusätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, über den eigenen derzeitigen Bedarf hinaus ausbilden, und dies dort, wo wir die Verantwortung haben, bei der Straßenbauverwaltung, bei den Finanzämtern, nicht tun. Da sollten wir noch einmal nachsehen. Aus meiner Sicht ist es sinnvoller, dass jemand eine Ausbildung bekommt, auch wenn er keine Übernahmegarantie erhält, als gar keine Ausbildung. Gar keine Ausbildung ist ein hohes Risiko für Arbeitslosigkeit.
(Beifall bei SPD, CDU und des Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [FDP] - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie streichen Ausbildungsplätze beim Land!)
Ich will nun noch einige Dinge ansprechen, beispielsweise die Infrastrukturprojekte, aber vieles, was der Kollege Wadephul auch in meinem Sinne dankenswerterweise erklärt hat, nicht wiederholen.
Ein wichtiges Thema ist für mich der Flughafen Lübeck-Blankensee. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat mit ihren Konsequenzen in den vergangenen Wochen für reichlich Zündstoff gesorgt. Es hilft nur der Blick nach vorn. Insoweit ist die Landesregierung auf dem richtigen Weg und wird von uns auch mit Kraft unterstützt und getragen werden. Wir brauchen einen zukunftsfähigen Flugplatz Lübeck-Blankensee. Das ist eine wichtige Infrastrukturmaßnahme für dieses Land. Darüber sollten wir uns in diesem Haus auch einig sein.
In diesem Zusammenhang muss man ein Thema ansprechen, das die SPD-Fraktion bei ihrem Besuch in Lübeck ebenfalls thematisiert hat. Das sind die Abwerbeversuche aus Mecklenburg-Vorpommern von hoher Ebene, was Betriebe aus Schleswig-Holstein betrifft. Wenn hier aufgrund eines höheren Fördersatzes Arbeitsplätze von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern transferiert werden, so mag dies betriebswirtschaftlich einen Sinn machen, volkswirtschaftlich ist das aus meiner Sicht die Vergeudung von Steuergeldern.
Ich hoffe, dass auf solche Abwerbeversuche künftig verzichtet wird - ich halte das für den völlig falschen Weg - und dass die angedeutete Einigung zwischen dem Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern und Herrn Austermann zum Tragen kommt. Heute war jedenfalls wieder das Gegenteil zu lesen. Ich will mir gar nicht ausmalen, welche Diskussion wir sonst bekämen.
Ein weiterer Punkt, bei dem man immer wieder meint, es gäbe große Gegensätze, ist von Herrn Kollegen Wadephul schon angesprochen worden. Das ist der Bereich der Rechtsstaatlichkeit. In diesem Bereich halte ich die Differenzen zwischen CDU und SPD für durchaus überbrückbar. Ich halte diese, bezogen auf Schleierfahndung und Videoüberwachung, für überschaubar.
Lassen Sie mich aber an dieser Stelle eine kritische Bemerkung zu dem machen, was im Kreis Segeberg passiert ist zur Überprüfung von Handy-Besitzern aufgrund der dortigen Serie von Brandstiftungen. Das sollten wir, auch was die Justiz betrifft, sorgfältig prüfen. Ich will keine Justizschelte betreiben, um Gottes willen! Aber wir sollten überprüfen, ob der Rechtsstaat nicht eine so hohe Qualität hat, dass man bei bestimmten Maßnahmen fragen muss, ob sie angemessen sind. Diese Frage muss Politikern durchaus auch gestattet sein.
Wir Sozialdemokraten sind uns mit den Christdemokraten im Vorgehen gegen Graffiti einig, einig bei der Einführung des Digitalfunks. Wir sind uns darüber einig, dass wir eine leistungsstarke Polizei haben. Von Innenminister Ralf Stegner habe ich gehört, eine Befragung habe ergeben, dass die Polizei in Schleswig-Holstein in der Beliebtheitsskala bundesweit an erster Stelle stehe. Dies ist sehr gut, zeigt aber auch, was in der Vergangenheit trotz aller Haushaltsschwierigkeiten gemacht worden ist.
Ich darf mich an dieser Stelle für die Arbeit der Polizei im Lande ausdrücklich bedanken, aber auch für
die vielen Initiativen, die mit in die Polizeireform III eingeflossen sind. Wir sind auf einem richtigen Weg. Die innere Sicherheit wird auch in Zukunft einen Schwerpunkt der Arbeit der großen Koalition bilden.
Das Thema der Verwaltungsstrukturreform ist schon angesprochen worden. Ich sagte bereits: Hierüber werden wir mit der kommunalen Ebene noch Diskussionen führen und deutlich machen müssen, dass jetzt der Zeitpunkt der Freiwilligkeit ist, dass man sehen muss, welche Strukturen man dort findet. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Gemeinde Harrislee auf die Idee käme, mit der Gemeinde Kronshagen zusammen ein neues Amt zu bilden. - Das ist ein extremes Beispiel. Aber manchmal gibt es ja solche Überlegungen.
Vielmehr müssen wir geographische, wirtschaftliche und verkehrliche Ströme beachten. Wir brauchen in Zukunft leistungsfähige Strukturen auf Amtsebene, weil sie teilweise vermehrt Aufgaben der kommunalen Ebene, aber auch der Landesebene erfüllen soll. In Zukunft muss es möglich sein, diese Aufgaben bürgernäher und effizienter zu erfüllen. Ich glaube, ab 2008 sind wir diesbezüglich auf dem richtigen Weg.
Anzusprechen ist auch die Reform der Amtsgerichte. Ich habe mich belehren lassen, dass der erste Aufschlag zu diesem Thema aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt und dass damals aufgrund des Widerstandes aus dem Südosten des Landes, der im Kabinett kumulierte, auf die Reform verzichtet wurde. Das kann man heute noch auf der Landkarte feststellen.
Wir müssen die Reform der Amtsgerichte gemeinsam in der großen Koalition umsetzen. Wir brauchen eine Struktur der Amtsgerichte, die den heutigen Erfordernissen entspricht, und dürfen nicht sagen, dies solle alles so bleiben.
Verehrte Frau Kollegin Lütkes, ich habe Ihre Kritik gelesen. Diese Kritik kann ich nicht verstehen. Sie hatten fünf Jahre Zeit, uns ein Konzept vorzulegen. Wir haben in der SPD immer darauf gewartet. Vielleicht können Sie konstruktiv daran mitarbeiten. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.
Eine Bemerkung möchte ich auch zu einem Thema machen, das meiner Meinung nach in letzter Zeit zu selten im Landtag beachtet worden ist; es hat auch etwas mit Tourismus zu tun. Wir wissen alle, welche Gefahren von dem steigenden Schiffsverkehr in der Ostsee, in der Kadetrinne, ausgehen. Ich bin der Mei
nung, dass wir hier gemeinsam eine Initiative Richtung Berlin und Brüssel starten sollten, um noch einmal deutlich zu machen, dass hier bestimmte Sicherheitsbestimmungen verschärft werden müssen, wenn wir nicht letztlich eine Katastrophe erleben wollen, die bisher Gott sei Dank noch nicht eingetreten ist. Ich weiß auch, dass der entscheidende Punkt, ob wir eine Verbesserung der Schiffssicherheit erreichen, in erster Linie mit Moskau zusammenhängt. Aber diesen Weg müssen wir deshalb beschreiten, weil wir nicht so lange warten dürfen, bis ein Tankerunglück passiert und dadurch auf Dauer der Tourismus und die Umwelt in Schleswig-Holstein, in MecklenburgVorpommern und in Dänemark durch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen geschädigt sind. Das wäre der falsche Weg. Wir haben das an der Westküste mit der „Pallas“ erlebt.
Ein weiterer Punkt, der wichtig ist und auf den Herr Wadephul schon eingegangen ist: Es gibt Menschen in Schleswig-Holstein, die durchaus erkannt haben, dass in dieser Haushaltssituation auch sie selbst entsprechend eines Wortes von John F. Kennedy gefordert sind: Frag nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern tue etwas für den Staat. Damit meine ich den Landesblindenverband und seine Bereitschaft, eine 10-prozentige Kürzung zu akzeptieren, zu tragen und gleichzeitig Geld in einen Fonds einzuzahlen, um für diese Menschen noch mehr zu erreichen. Ich hoffe, dass dieses vorbildliche Verhalten bei den Menschen mit Sehbehinderung, bei den Menschen, die nicht sehen können, die dieses mittragen, auf andere gesellschaftliche Organisationen abfärbt, vielleicht auch im Hinblick auf die kraftvollen und nicht verständlichen Worte des DGB-Vorsitzenden Peter Deutschmann.
Mit den Wohlfahrtsverbänden soll noch in diesem Jahr ein sozialer Vertrag abgeschlossen werden, der bei Reduzierung der Ansätze sowohl die Verteilung der Mittel für die nächsten Jahre als auch konkret eine Zielvereinbarung festschreibt. Frau Trauernicht, das ist der richtige Weg. Ich genauso wie die SPDFraktion im Landtag unterstützen Sie.
Ein anderer wichtiger Punkt - das ist etwas, was wir nie aus dem Auge verlieren dürfen - ist der demographische Wandel, die ständig älter werdende Gesellschaft. Deshalb ist auch wichtig, dass wir uns auch in Zukunft in der Altenpflegeausbildung engagieren. 2006 wollen wir über 1.000 Plätze fördern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann in einer Rede nicht alle wichtigen Punkte ansprechen.
Sparen, investieren, konsolidieren - wobei sparen in erster Linie kürzen heißt - und gleichzeitig den Weg gehen, den Herr Wadephul und Herr Wiegard angesprochen haben. Deshalb bin ich gespannt auf die Vorschläge aus der Opposition, wie man innerhalb der nächsten 15 Wochen mal so eben 1,1 Milliarden € aus dem Haushaltsentwurf kürzen will, ohne dass man im Land erreicht, dass auf kommunaler Ebene alles das, was so genannt freiwillig ist, geschlossen wird. Wer diesen Weg gehen will, auf dessen Vorschläge bin ich gespannt.